Wer im Netz unterwegs ist, der wird mittlerweile vielleicht auch die Kampagne „Steuer gegen Armut“ für die Einführung der Finanztransaktionssteuer gesehen haben. Dazu gibt es einen neuen Trailer mit Heike Makatsch und Jan Josef Liefers. Das sind ganz sicher keine Niedriglohnempfänger.
Ich möchte damit sagen: Es gibt ausreichend Leute, auch unter den so genannten Besserverdienenden, die sich eine Gesellschaft durchaus anders vorstellen können, die nämlich eine andere Vorstellung haben als die von der Freiheit des Fuchses unter den freien Hühnern.
Gut, dann möchte ich eine Zwischenbemerkung machen, weil DIE LINKE ein paar Aussagen und Forderungen in den Raum gestellt hat, die, glaube ich, eines Kommentars bedürfen.
DIE LINKE hat vorhin bei dem Satz von Frau Take applaudiert, dass Arbeitsplätze gebraucht werden, um Sozialhilfeempfänger oder SGB-II-Leistungsempfänger wieder in Arbeit zu bringen. Es stellt sich die Frage, ob den LINKEN bewusst ist, dass ihre populistischen Forderungen, die man im Internet nachlesen kann - es gibt Formeln, anhand deren man berechnen kann, was das in Nettoeinkommen bedeutet -, bedeuten würden, dass ca. 40 % unserer Polizisten, nahezu alle Verkäuferinnen und nahezu alle Postboten in Sachsen-Anhalt dumm wären, wenn sie arbeiten gingen, weil sie mit ihrer Arbeit ein geringeres Nettoeinkommen erzielen, als es ihnen nach den Forderungen der LINKEN im Regelkreis des SGB II zustehen würde.
Eine zweite Sache möchte ich noch anmerken. Ich weise darauf hin, dass das, was hier aufgezeigt wurde, absolut unverantwortlich ist. Und das ist noch nicht das
Ende der Fahnenstange, mit der DIE LINKE in dieser Republik loszieht. Ich empfehle allen, die Bundestagsdrucksache 17/659 vom 10. Februar 2010 zu lesen.
Das ist die letzte Wasserstandsmeldung der LINKEN auf der Bundesebene zu ihren Forderungsorgien, die völlig unverantwortlich sind. Man muss sie nicht kommentieren. Wer das unterschreibt, der unterschreibt eine Erklärung, dass er nicht mehr gewillt ist, in dieser Republik ernsthaft Probleme zu lösen, und dass er nur noch auf Populismus setzt.
Herr Präsident! Ich wollte nach dem Beitrag von Frau Bull darauf hinweisen, dass Frau Dr. Hüskens in ihrer Berechnung das Kindergeld für beide Seiten berücksichtigt hatte. Ich will noch einmal darauf hinweisen - das hat Frau Dr. Hüskens nicht gesagt -, dass nach den Berechnungen ein Alleinverdiener in einer Familie ein Bruttogehalt von monatlich 4 168 € haben müsste. Es ist klarzustellen, dass ein solches Einkommen selbst unter Berücksichtigung des Kindergeldes nicht mehr realistisch ist. Das können Sie in Deutschland nicht durchsetzen.
Es wurde beantragt, den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und zur Mitberatung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt dem zu? - Allmählich entsteht eine Mehrheit; diese stelle ich jetzt fest. Dann ist das so beschlossen worden.
Damit ist Tagesordnungspunkt 15 erledigt und wir kommen zu dem letzten Punkt vor der Mittagspause, der sich in dem gleichen Themenkreis bewegt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt können Sie sich noch an mir abarbeiten. Ich bin gefragt worden, warum ich dieses Thema erneut zum Thema mache. Hierfür gibt es für mich mindestens zwei Gründe.
Der erste Grund: Es gibt einen Beschluss des Landtags vom 12. Dezember 2008 mit der Überschrift „Bundesratsinitiative für eine Gleichstellung der Leiharbeit“. So hat es dieses Hohe Haus beschlossen. Die Landesregierung ist unter anderem gebeten worden, sich gegenüber der Bundesregierung für die Prüfung gesetzlicher Rege
Hierbei geht es um zwei Punkte, die ich kurz anreißen möchte. Zum einen geht es um gleiche Arbeitsentgelte von Zeitarbeitern und Stammbelegschaft nach einer angemessenen Frist unter Wahrung der Tarifautonomie. Zum anderen geht es um die Begrenzung der Verleihdauer von Zeitarbeitern oder andere geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Substituierung der Stammbelegschaft. Vielleicht kann der Minister, der hierzu noch sprechen wird, etwas dazu sagen.
Der zweite Grund geht aus unserem Antrag hervor und bezieht sich auf die Vorgehensweise der Firma Schlecker. Die Vorgehensweise der Firma Schlecker hat gezeigt, wie Leiharbeit als Instrument des Lohndumpings eingesetzt wird. Erschrocken, kritisch und unfähig, das zu glauben, wurde der Vorgang zur Kenntnis genommen. Wieder wurden Beschäftigte unwürdig behandelt.
Was ist passiert? - Bei der Firma Schlecker wurden bundesweit sukzessive etwa 1 000 Filialen geschlossen; den Verkäuferinnen wurde gekündigt. Die eigens dafür gegründete Verleihfirma Menia hat ihnen dann angeboten, sie in den neu eröffneten Märkten, die zum Teil in einem nahe gelegenen Straßenzug eröffnet worden sind und unter „Schlecker XL“ firmieren, wieder einzustellen.
Bundesweit sind etwa 4 300 Beschäftigte betroffen, die dort für die Hälfte ihres vorherigen Lohns arbeiten, und zwar ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld und bei weniger Urlaubstagen. Inzwischen werden Stundenlöhne von nur 6,50 € gezahlt. Der Tariflohn im Einzelhandel liegt bei 12,70 €.
Das Vorgehen der Firma Schlecker ist leider kein Einzelfall. Leiharbeit wird in vielen Unternehmen mit dem Ziel eingesetzt, die Löhne zu drücken. Ich rede nicht zum ersten Mal darüber.
In Sachsen-Anhalt erhalten 67 % der Leiharbeitnehmer Niedriglöhne. Lohndumping durch Leiharbeit geht auf Kosten der Beschäftigten, der Solidargemeinschaft - das möchte ich zweimal unterstreichen - und der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie der Steuereinnahmen des Staates. Frau Bull hat hierzu vorhin bereits Zahlen genannt.
Bereits heute erhält jeder Beschäftigte der Leiharbeitsbranche Aufstockerleistungen nach Hartz IV, weil die Löhne zum Leben nicht reichen. In Sachsen-Anhalt gelten 11,6 %, also etwa 116 000 Erwerbstätige, als armutsgefährdet. Die Volkssolidarität geht in ihrem Sozialbericht von zunehmender Altersarmut aus.
Letztlich wurde in den Nachrichten - ich glaube, es waren die 19-Uhr-Nachrichten - darauf hingewiesen, dass in Sachsen-Anhalt mehr als 60 000 Menschen über 60 Jahre einen Minijob haben und zusätzliches Geld verdienen müssen, weil sie von den Leistungen nicht leben können. Diese Zahlen habe ich mir also nicht ausgedacht.
Die Volkssolidarität schreibt: Armut wird von Betroffenen nicht nur vom Einkommen abhängig gemacht, dazu gehören der Verzicht auf Gesundheitsleistungen, die begrenzte Teilnahme am kulturellen Leben und der Ausschluss von gesellschaftlicher Mitwirkung. Dies könnte man auch als gesellschaftliche Ausgrenzung bezeichnen.
400 000 Menschen in Sachsen-Anhalt benötigen gegenwärtig zusätzliche Leistungen. Wenn im Durchschnitt je
200 € benötigt würden - vielleicht sind es nach der Rechnung von Frau Hüskens aber viel mehr -, dann sind dies 80 Millionen € im Monat und 960 Millionen € im Jahr. Leider habe ich keine konkreten Zahlen gefunden. Vielleicht kann Herr Minister Haseloff dazu etwas Konkreteres sagen.
Ich finde, das ist eine enorme Summe Geld. Diese könnten unser Land und unsere Kommunen sicherlich gut gebrauchen. Deshalb müsste jeder in diesem Hohen Hause darüber nachdenken, ob eine existenzsichernde Bezahlung zu einem realen Tarif zu einem Sinken der Transferleistungen führen würde. Verringerten sie sich nur um die Hälfte, dann wären dies schon einmal etwa 50 Millionen €. Außerdem würden wieder mehr Mittel in die Sozialkassen und in die Steuerkasse fließen.
Auch ich bin dafür. Aber Sie meinen damit Ihre Unternehmerklientel; bei den Arbeitnehmern ist es Ihnen egal. Es ist Ihnen egal, wie die Arbeitnehmer bezahlt werden.
Einerseits klagen die Unternehmerverbände über den ausufernden Sozialstaat, andererseits tragen sie selbst dazu bei.
Es ist leider zur Normalität geworden, dass eine zunehmende Zahl von Unternehmern den Beschäftigten geringere Löhne zahlt mit der Begründung und dem Hinweis, bereits bei der Einstellung, sie könnten sich das Nötigste zur Existenzsicherung vom Amt holen.
In der heutigen Ausgabe der „Mitteldeutschen Zeitung“ ist zu lesen, dass Lidl für die Einführung eines Mindestlohnes im Einzelhandel wirbt, damit Wettbewerbsgleichheit hergestellt wird. Darüber muss man nachdenken. Ich finde, die Wahrnehmung ist richtig, dass die sozialen Verwerfungen immer gravierender werden.
Genau darum geht es. Welche Chancen haben Menschen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, die aber unendlich flexible Arbeitszeiten haben und auf Abruf bereitstehen müssen? Welche Möglichkeiten haben diese Arbeitnehmer, sich im Verein, in Verbänden oder parlamentarisch einzubringen?
Die Leiharbeit ist nur eine Fassette bei den sieben Millionen Niedriglöhnern. Zum Anstieg der Zeitarbeit trugen insbesondere die Reformen des Arbeitnehmerüberlassungsrechts der letzten Jahre bei. Ursprünglich war die Einführung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes darauf gerichtet, in Unternehmen mit kurzzeitigen Produktionsspitzen zusätzliche Arbeitnehmer zu beschäftigen. Was zur Entlastung des Arbeitslosenmarktes gedacht war, ist zur Belastung für viele Beschäftigte geworden.
In den vergangenen Jahren hat sich die Zeitarbeitsbranche auf dem ersten Arbeitsmarkt etabliert und agiert wie jede andere Branche gewinnorientiert. Das hat zu einer enormen Zunahme von Zeitarbeitnehmern und Lohndumping in fast allen Branchen geführt. Die Gewerkschaften ver.di, NGG und IG Metall haben mehrfach dokumentiert, wie Unternehmen Leiharbeit gezielt zum Lohndumping einsetzen.