Nun geht das bundesdeutsche Zensusgesetz in einem Punkt sogar noch über die Vorgaben der EU hinaus. So wird nicht nur - darauf wies Herr Kosmehl bereits hin - nach rechtlicher Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft gefragt, sondern auch das Hinterfragen des bloßen Bekenntnisses zu einer Religion, einer Glaubensrichtung oder einer Weltanschauung, wie zum Beispiel sunnitischer Islam, allevitischer Islam, schiitischer Islam, Buddhismus, Hinduismus, sonstige Religionen oder Weltanschauungen, gehört zum Fragenkatalog.
Als Begründung heißt es dazu im Protokoll des Innenausschusses des Bundestages, dass die Erhebung von Daten zu sonstigen christlichen Glaubensgemeinschaften und insbesondere zu islamischen Glaubensrichtungen und anderen Weltreligionen wichtig sei für das Verständnis von Prozessen der Integration von Zuwanderern und ihren Kindern. Mit der Abfrage von solchen Zugehörigkeiten erzeugt man jedoch kein Verständnis hinsichtlich vorhandener Integrationsprozesse. Hierzu ist ein Umdenken in der gegenwärtigen Migrations- und Integrationspolitik erforderlich. Die Volkszählung selbst wird das nicht richten.
Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle noch einen weiteren Punkt ansprechen. Der Bund verlangt von den Kommunen eine zusätzliche Leistung. Und wie immer streiten Bund, Länder und Kommunen über die Kosten.
So bestehen erhebliche Differenzen zwischen den Kostenschätzungen, welche die Landesregierung aufgestellt hat, und den Forderungen des Städte- und Gemeindebundes. Der Innenminister wies bereits darauf hin. Somit
Deshalb sei die Frage gestattet, wie die Städte und Gemeinden das schultern sollen, die mit einer Finanzsituation zu kämpfen haben, die nicht zuletzt auch durch das Finanzausgleichsgesetz dramatisch verschlechtert wurde. Außerdem sollen die Zahlungen bis zum 30. Juni 2011 realisiert werden, ohne dass eventuelle nachträgliche Kostenermittlungen berücksichtigt werden. Das ist ein zusätzliches Problem für die Kommunen.
Eine weitere Frage muss an dieser Stelle aufgeworfen werden. Es gibt in diesem Land für alles statistische Erhebungen. Es gibt eigentlich nichts, was nicht schon in irgendeiner Art und Weise statistisch erfasst wurde. Diesbezüglich fragt man sich natürlich insgeheim: Glaubt man diesen ganzen Statistiken nicht, wenn man jetzt anscheinend der Auffassung ist, dass aus all diesen Erhebungen nicht das zu erfahren ist, was mit der Volkszählung erreicht werden soll? - Das ist wahrlich ein Armutszeugnis, denn es bedient alle Klischees über Statistiken.
Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfes an die entsprechenden Ausschüsse zustimmen. Die Endabstimmung wird sicherlich anders aussehen.
Vielen Dank, Frau Tiedge. - Zum Schluss der Debatte hören wir den Beitrag der SPD-Fraktion. Ich erteile Herrn Rothe das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf soll, wie es schon die Überschrift verrät, die Ausführung eines Bundesgesetzes regeln, des Zensusgesetzes 2011.
Nun ist so ein Ausführungsgesetz nicht wirklich spannend; denn der Bundesgesetzgeber hat bereits ein Gesetz beschlossen, das wir in Sachsen-Anhalt lediglich umsetzen wollen. Ihre Kritik, Frau Kollegin Tiedge, bezieht sich im Wesentlichen auf den Inhalt dieses Bundesgesetzes.
Die vorliegende Materie finde ich durchaus interessant, hat doch das Volkszählungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 1983 zu der bis heute wohl wichtigsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Datenschutzes geführt. In diesem sogenannten Volkszählungsurteil, das noch im selben Jahr verkündet wurde, hat das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung konkretisiert; dieses hat sozusagen seinen Ausdruck, dass es ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gibt, in diesem Urteil erst gefunden. Das Bundesverfassungsgericht hat wichtige Grundsätze für den Umgang mit personenbezogenen und statistischen Daten aufgestellt.
Bei der erneuten Volkszählung, die es nunmehr im Jahr 2011 geben wird, haben wir es mit der ersten Volkszählung seit 1981 bzw. 1987 in Ost- und Westdeutschland zu tun. Deshalb halte ich sie in Abwägung aller Umstände auch für erforderlich. Es gibt Informationen darüber, wonach es bei der Gesamteinwohnerzahl der Bundesrepublik eine Abweichung von mehr als einer Million gibt
zwischen dem, was derzeit in den Statistiken geführt wird, und dem, was real an Bevölkerung vorhanden ist.
Deshalb brauchen wir die statistische Ermittlung der aktuellen Einwohnerzahlen für Bund, Länder und Kommunen. Sie dienen in vielen Bereichen als Bemessungsgrundlage, wie zum Beispiel bei den Zuweisungen im Finanzausgleich. Es haben seit dem letzten Zensus zahlreiche Änderungen stattgefunden, die eine neue Erhebung erforderlich machen. Bevölkerungszahl und -struktur unterliegen unter anderem aufgrund von Zuwanderung, steigender Lebenserwartung, der Entwicklung der Geburtenrate und der Lebensgewohnheiten einer stetigen Veränderung.
Der Bundesgesetzgeber hat, verpflichtet durch eine Verordnung der EU, die uns jedes Jahrzehnt zu einer solchen Erhebung auffordert, mit dem Zensusgesetz für 2011 eine Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung angeordnet und Rahmenbedingungen vorgegeben. Mit dem vorliegenden Ausführungsgesetz werden Verfahren, Organisation und Durchführung des Zensus 2011 für das Land Sachsen-Anhalt geregelt.
Ich möchte betonen: Es ist keine Totalerhebung, wie das beim letzten Mal der Fall war. Es wird nicht mehr jeder Haushalt durch Zähler aufgesucht, sondern es werden lediglich Stichproben in Ergänzung der Registerauswertung im Wege der direkten Befragung erhoben. Damit wird die Bevölkerung von Auskunftspflichten entlastet. Frau Tiedge, ich denke, dass Ihren verfassungsrechtlichen Bedenken durch dieses im Vergleich zu früher deutlich veränderte Verfahren Rechnung getragen wird.
Es werden bundesweit höchstens 10 % der Einwohner von der direkten Erhebung von Daten im Rahmen dieser Stichproben nach der erfolgten Registerauswertung betroffen sein. Sie können das auch an dem Katalog der Gemeinden ablesen, in denen es in Sachsen-Anhalt Erhebungsstellen geben wird. Das ist nur eine geringe Zahl, gemessen an der Gesamtzahl der Gemeinden in Sachsen-Anhalt.
Das Verfahren ist somit weitaus bürgerfreundlicher als bei den früheren Zählungen. Es reduziert sich nicht nur der Aufwand, insbesondere der finanzielle Aufwand, sondern es reduziert sich auch der Umfang des Eingriffs, weil wesentlich weniger Personen von der direkten Erhebung betroffen sind. Damit finden die datenschutzrechtlichen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht 1983 aufgestellt und seitdem fortentwickelt hat, nach meiner Auffassung vollumfänglich Berücksichtigung.
Erwähnen möchte ich auch den Aspekt der Trennung von örtlichen Erhebungsstellen und anderen Verwaltungsbereichen. Auch mit dieser Geheimhaltung anderen Verwaltungsbereichen und Zwecken gegenüber wird dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen. Das findet auch darin seinen Ausdruck, dass nach dem Ausführungsgesetz die Beschränkung des Zutritts zu den Räumlichkeiten der Erhebungsstelle und vor allen Dingen ein Verwertungsverbot für die Mitarbeiter in Bezug auf andere Verwaltungsverfahren effektiv verwirklicht werden.
Den Kommunen kommt - auch das war schon Thema anderer Beiträge - bei der Durchführung des Zensus 2011 eine zentrale Aufgabe zu. Der Zensus wird gemeinsam mit dem Statistischen Landesamt und dem Bundesamt für Statik durchgeführt. Über die Kosten müssen wir uns noch einmal unterhalten. Das Konnexi
tätsprinzip, Herr Kosmehl, muss selbstverständlich eingehalten werden. Ich selbst habe mir dazu noch kein abschließendes Urteil gebildet, ob das hier nun der Fall ist oder nicht.
Lassen Sie mich abschließend die Bitte äußern, dass wir die Ergebnisse dieses Zensus, der immer noch sehr aufwendig ist, auch ernst nehmen bei unseren Beratungen als Gesetzgebungsorgan, soweit wir Entscheidungen zu treffen haben, die von der Bevölkerungsentwicklung und der Prognose abhängig sind. Dann lohnt sich der Aufwand. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Rothe. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir stimmen ab. Beantragt wurde, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen. Das ist so weit klar. Es ist aber auch eine Überweisung zur Mitberatung an den Finanzausschuss beantragt worden. Stimmt das? - Das möchte niemand.
Wer der Überweisung an den Innenausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind offensichtlich alle. Dann ist das so beschlossen. Weitere Überweisungsanträge - - Bitte schön, Herr Rothe.
Herr Präsident, ich hatte es vorhin nicht vorgetragen, ich halte aber eine Überweisung auch an den Finanzausschuss wegen der Kostenrelevanz für angebracht.
Gut, dann stimmen wir darüber ab. Wer der Überweisung des Gesetzentwurfs zur Mitberatung an den Finanzausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist offensichtlich die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen.
Der Tagesordnungspunkt 9 wäre nach der ursprünglichen Planung der vorletzte Tagesordnungspunkt für heute. Aber wir haben einen großen zeitlichen Vorsprung. Deshalb haben wir beschlossen, dass wir die Tagesordnungspunkte 12 und 13 vorziehen und heute noch behandeln werden. Ich bitte die Fraktionen, darauf zu achten, dass diejenigen, die dazu sprechen, dann auch hier sein werden.
Weitere Möglichkeiten, etwas vorzuziehen, haben wir geprüft. Es ist nichts möglich. Also endet die Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 13.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Fachhochschule der Polizei und anderer Gesetze aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern
Ich bitte nun den Minister des Innern Herrn Holger Hövelmann, den Gesetzentwurf einzubringen. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde nicht wieder so einen Lapsus wie mit dem Ausschuss machen. Aber ich glaube, das ist nicht schlimm, wenn das dann trotzdem gemacht wird. Ich fand es sehr löblich, dass Kollege Rothe das aufgegriffen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf behandelt in der Hauptsache die Änderung des Gesetzes über die Fachhochschule Polizei. Ausgangs- und Kernpunkt der Gesetzesänderung ist die Einführung eines Bachelorstudiengangs an unserer Fachhochschule Polizei.
Der bisherige Diplomstudiengang, in dem die Beamten für den gehobenen Polizeivollzugsdienst ausgebildet worden sind, wird dadurch abgelöst und führt jetzt zu der Qualifikation Bachelor of Arts. Nach dem Sprachgebrauch des neuen Beamtenrechts erwerben die studierenden Beamten damit die Befähigung für das erste Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2.
Zur Begründung für diese Studienreform wird häufig auf den so genannten Bologna-Prozess verwiesen. Ich möchte an dieser Stelle darauf verzichten, ein Grundsatzreferat über die Motive für die Einführung des Systems der Bachelor- und Masterstudiengänge zu halten.
Ich will jedoch darauf hinweisen, dass die aus meiner Sicht an mancher Stelle durchaus berechtigte Kritik von Studentinnen und Studenten an deutschen Universitäten an der Art und Weise der Einführung des Bachelor- und Mastersystems bei der Einführung des Bachelorstudiengangs an der Fachhochschule Polizei nicht zutreffend ist.
Mit diesem Gesetzentwurf wird nicht der Lehrstoff eines vierjährigen Magister- oder Diplomabschlusses in einen dreijährigen Bachelor komprimiert. Mit diesem Gesetzentwurf werden auch nicht Sozialschwache benachteiligt. Schließlich bekommen unsere Anwärter Bezüge und müssen nicht wie viele Studentinnen und Studenten als Werkstudenten nebenher jobben, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Das ist ein wichtiger Unterschied zu den Studentinnen und Studenten an anderen Hochschulen und Universitäten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen die Ziele des Bologna-Prozesses positiv um. Besonders hervorheben möchte ich hierbei den Gedanken des berufsorientierten Kompetenzerwerbs und dass sich dieser in besonderem Maße auf die Ausbildung der Polizeivollzugsbeamten anwenden lässt.
Die Konzeptionen der Ausbildung von Polizeibeamten bewegen sich seit vielen Jahren in verschiedenen Spannungsfeldern. Den Wünschen nach bundesweiter Harmonisierung steht jedoch der Bildungsföderalismus entgegen. Stimmen, die eine stärkere Praxisorientierung fördern und fordern - zu diesen zähle ich mich auch -, stehen Forderungen nach einer höheren Akademisierung gegenüber.
Soll es sich um ein wissenschaftliches Studium handeln oder sind mehr Trainingsmodule in das Curriculum zu integrieren? Brauchen wir den Allrounder oder eine stärkere Spezialisierung? Das sind die Fragen, die immer wieder gestellt werden.
Inmitten dieser Spannungsfelder sind wir den Weg gegangen, den Studiengang gründlich zu reformieren. Eine
Projektarbeit unter Beteiligung aller Behörden und Einrichtungen führte dabei zu einem neuen Curriculum. Das Studium ist nunmehr in 21 Module gegliedert, die den Bogen von theoretischer Lehrvermittlung, angeleitetem Selbststudium und Gruppenarbeit bis hin zu Trainingsmaßnahmen und Praktika schlagen. Der mittlerweile international geflügelte Leitsatz für uns war: from teaching to learning - vom Lehren zum Lernen.
Wichtige Eckpfeiler für die jetzt anstehende Akkreditierung des Studienganges sind dabei die Selbstverpflichtung zur ständigen Evaluation, die Ausstattung der Fachhochschule mit qualifiziertem Lehrpersonal und die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Wenn wir heute über den Entwurf des Änderungsgesetzes beraten, dann sind wir einen wichtigen Schritt weitergekommen, diese Voraussetzungen zu erfüllen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch kurz auf die Artikel 2 und 3 des Gesetzentwurfes eingehen. Mit der Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes wollen wir ein Problem lösen, das zuletzt zu Verfahrensverzögerungen bei den Verwaltungsgerichten geführt hat. Es wurde zunehmend schwieriger, die ausreichende Zahl von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern bei personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten zu finden bzw. Termine zu koordinieren.