Protocol of the Session on January 21, 2010

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dazu sage ich noch einmal ausdrücklich: Was soll er jetzt machen? - Er soll im Grunde genommen den Haushalt neu aufstellen. Er soll aus den Haushaltstiteln, die wir heute beschließen, mindestens noch einmal 200 Millionen € herausstreichen. Wo er die herausstreicht, damit wollen die Kollegen Parlamentarier nichts zu tun haben.

Man will sich ja im Wahlkreis nicht unmöglich machen. Man will ja im Wahlkreis dann hingehen und sagen: Oh, darauf hat der Kollege gerade eine Haushaltssperre gelegt. Dieses Projekt will ich natürlich unbedingt haben, ich kämpfe jetzt mannhaft dafür, dass diese Haushaltssperre aufgelöst wird.

Das ist ja eine wunderbare Botschaft. Diese Haushaltssperre beschließen Sie heute mit diesem Haushalt. Seien Sie ehrlich, wenn Sie in Ihre Wahlkreise gehen! So wird das nicht funktionieren.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sachsen-Anhalt hat eine schöne Besonderheit: In Sachsen-Anhalt hatte jeder einmal einen entscheidenden Einfluss auf den Haushalt. Tatsächlich gab es eine solche Situation schon einmal. Und zwar gab es im November 1995 auf einmal eine Steuerschätzung, die ein Minus von 600 Millionen DM an Einnahmen ergab.

Weder die SPD noch wir waren in der Lage, dies in irgendeiner Weise in den Haushaltsansätzen abzubilden. Was passierte, war, dass eine globale Minderausgabe in Höhe von 690 Millionen DM ausgebracht wurde. Bei einem Haushaltsvolumen von 21 Milliarden DM entsprach das einem Anteil von etwa 3,4 %. Das ist mit der jetzigen Situation vergleichbar.

Die Situation damals war aber noch nicht so extrem, weil es damals noch keine budgetierten Haushalte gab, weil

die Personalkosten auf dem Sollniveau veranschlagt wurden und weil wir noch keinen Finanzausschuss hatten, der sagte, einige Titel meinen wir ernst; deren Ansätze dürfen von einer Haushaltssperre nicht betroffen werden. Das gab es damals noch nicht. Deswegen war es damals noch leichter, die globale Minderausgabe zu erwirtschaften, als es heute der Fall sein wird.

Es gab damals eine denkwürdige Rede des Kollegen Scharf. Dieser erzählte uns vor 15 Jahren vor dem Hintergrund der globalen Minderausgabe, die damals eingestellt wurde, was mit diesem Haushalt für die Jahre 2010 und 2011 passieren wird. Sie können sich die Rede durchlesen. Sie ist außerordentlich amüsant, am amüsantesten übrigens für den Kollegen Finanzminister; denn er hat damals die Frage gestellt, welche Qualitäten dem Finanzminister fehlten, wenn er sich so einen Haushalt gefallen lasse. - Das war eine sehr interessante Aussage.

(Unruhe)

Was hat der Kollege Scharf damals gesagt?

(Herr Scharf, CDU: Ich war in meiner Wortwahl immer höflich!)

Er hat gesagt, die globale Minderausgabe werde drei Folgen haben: Die erste Folge werde sein, dass die geplante Investitionsquote nie und nimmer erreicht werden werde. Die Investitionsquote werde radikal unter dem Ansatz liegen. Das, was man im Haushaltsplan aufgeschrieben habe, funktioniere hinten und vorne nicht, weil die globale Minderausgabe erwirtschaftet werden müsse.

Die zweite Folge werde eine absolut rigide Personalbewirtschaftung sein: Einstellungsstopps, Beförderungsstopps - alle möglichen Dinge würden passieren, sodass es eine Menge Ärger geben werde.

Die dritte Folge werde sein, dass die Zuwendungsempfänger leiden würden, weil sie das Geld, das veranschlagt worden sei, nicht bekommen würden.

Jawohl, Herr Scharf, Sie haben die Wirkung dieses Doppelhaushaltes schon vor 15 Jahren hervorragend beschrieben. Einen solchen Weitblick hätte ich auch gern gehabt.

(Beifall bei der LINKEN)

Weil das so ist, liebe Kolleginnen und Kollegen - -

(Herr Gürth, CDU: Wie haben Sie damals rea- giert?)

- Wir haben damals an dieser Stelle tatsächlich keine politische Alternative gehabt.

(Oh! bei der CDU)

Herr Gürth, ich sage Ihnen ganz ehrlich und selbstkritisch: Herr Scharf hatte mit den wesentlichen Dingen Recht und seine Aussage ist heute auch wieder richtig,

(Herr Stahlknecht, CDU: Dann haben wir aber zweimal Recht!)

nur dass er diese heute nicht mehr machen oder sich nicht mehr trauen wird, sie zu wiederholen. Das ist der Unterschied zwischen der Situation von damals und von heute.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Was ist nun dieser Haushalt? - Dieser Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Kunstwerk.

(Herr Borgwardt, CDU: Ja! - Herr Stahlknecht, CDU: Ja!)

Er ist ein Kunstwerk in der hohen Kunst des politischen Selbstbetrugs.

(Herr Kurze, CDU: Ach!)

Diejenigen, die ihn heute beschließen werden, wissen, dass er so nicht funktionieren wird, senden aber trotzdem das Signal aus, dass er funktionieren wird, weil sie nicht den Mut haben, ehrlich Position zu beziehen. Das werden wir Ihnen heute und in den nächsten zwei Jahren in diesem Land vorwerfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Gürth, CDU: Nicht so laut!)

Ich komme zu dem nächsten großen Problem, dem Problem der Kommunalfinanzen. Wir hatten bei der Einbringung des Entwurfes des Haushaltsgesetzes die Position artikuliert, dass wir der Auffassung seien, dass wir zur Umsetzung des FAG Mittel in Höhe von etwa 212 Millionen € benötigen würden. Ich will nicht auf die Umstellung des Ausgleichsprinzips und auf die Binnenverteilung, sondern nur auf die Summe der Ausgleichsmittel eingehen.

Wir haben das damals als einzige Fraktion zum zentralen Thema der Auseinandersetzung erklärt. Es erfüllt uns als Oppositionsführerin schon mit einiger Genugtuung, dass dieses Thema das zentrale Feld der Auseinandersetzung geworden ist.

Ich sage ausdrücklich: Das, was jetzt im Entwurf des Haushaltsplans steht, ist nicht ausreichend. Es wird nicht ausreichen, um die öffentliche Daseinsvorsorge in den Kommunen in den nächsten zwei Jahren stabil zu halten, vor allem nicht im Bereich der größeren Grundzentren und der Mittelzentren.

Es gab aber auch eine Menge Bewegung. Das will ich sagen. Die Kommunen werden pro Jahr etwa 100 Millionen € mehr bekommen, als im Entwurf des Haushaltsplans veranschlagt gewesen ist. Das entspricht nicht ganz 50 % unserer Zielmarke. Aber dennoch sagen wir auch an dieser Stelle: Wir haben doch einiges erreicht.

(Frau Feußner, CDU, lacht)

Ich sage ausdrücklich, dass das - -

(Frau Feußner, CDU: Ihr habt das erreicht? Ich lache mich doch kaputt!)

- Kollegin Feußner, wenn Sie es nicht aushalten: Die Tür steht Ihnen offen. Völlig in Ordnung!

(Heiterkeit und Zustimmung bei der LINKEN - Frau Feußner, CDU: Das ist wirklich nicht mehr auszuhalten! Ihr habt das erreicht? Ich lache mich kaputt!)

- Stellen Sie nachher eine Frage. Ich werde dann versuchen, das noch einmal zu erklären.

Frau Feußner, ich sage noch einmal eindeutig: Bei der Einbringung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes sind die Kommunalfinanzen aus der Sicht der Koalitionsfraktionen noch nicht das Problem gewesen. Sie sind es erst später geworden. Dafür muss es Gründe gegeben haben, Frau Feußner. Diese sind zweifellos bei uns zu

suchen. Sie sind ein Beispiel dafür: Sie ärgern sich immer so richtig schön über uns. An dieser Stelle sind wir immer am erfolgreichsten, sage ich einmal.

(Zustimmung bei der LINKEN - Frau Feußner, CDU: Nicht nur über euch!)

Ich sage also ausdrücklich: Es gab Bewegung, sie reicht aber leider nicht aus. Es gibt zwei kritische Bemerkungen, die ich an dieser Stelle machen will, und zwar dazu, wie wir dies refinanzieren. Wir refinanzieren es eben nur zum Teil in diesem Haushaltsplan.

(Herr Stahlknecht, CDU: Geld drucken!)

Damit kommen wir zur Investitionsbank und zum nächsten großen Kritikpunkt: Die Investitionsbank wird zu einem Instrument des Schattenhaushalts, und zwar an zwei Stellen.

Zuerst bei diesem so genannten Teilentschuldungsprogramm: Dieses Teilentschuldungsprogramm soll im Jahr 2010 losgehen. Das sagt der Kollege Finanzminister schon seit Monaten. Wenn es im Jahr 2010 losgehen soll, dann frage ich mich, Kollege Finanzminister, wo die Belastungen veranschlagt sind. Ich sehe sie in diesem Haushaltsplanentwurf weder bei den Ansätzen für das Jahr 2010 noch bei den Ansätzen für das Jahr 2011.

Ich sehe sie bei den Ansätzen für die Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre der nächsten Legislaturperiode. Dann soll das bezahlt werden, was die IB jetzt an die Kommunen ausreicht. Dazu sage ich ganz klar: Das ist eine Zwischenfinanzierung über die IB und nicht im Sinne von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.

Die Belastungen entstehen in diesem Jahr und müssten deswegen in diesem Jahr veranschlagt werden. Das trauen Sie sich nicht. Das wollen Sie nicht. Sie verschieben es in die nächste Legislaturperiode. Nach uns die Sintflut. Vielleicht haben wir dann keine Verantwortung mehr. - Das ist nicht seriös, und deswegen werden wir ganz laut sagen, dass das nicht seriös ist, liebe Kolleginnen und Kollegen!