Protocol of the Session on January 21, 2010

Die Belastungen entstehen in diesem Jahr und müssten deswegen in diesem Jahr veranschlagt werden. Das trauen Sie sich nicht. Das wollen Sie nicht. Sie verschieben es in die nächste Legislaturperiode. Nach uns die Sintflut. Vielleicht haben wir dann keine Verantwortung mehr. - Das ist nicht seriös, und deswegen werden wir ganz laut sagen, dass das nicht seriös ist, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der LINKEN)

An dieser Stelle haben Sie aber wenigstens noch eine Haushaltsvorsorge getroffen. Es gibt einen anderen Deal, und den finde ich richtig clever.

(Herr Tullner, CDU: Ach so!)

Wer sich nicht so gut auskennt, kommt nicht so schnell dahinter.

Es ist nämlich so, dass die Mehraufwendungen für die Kommunen in Höhe von 100 Millionen € zum Teil dadurch gedeckt werden sollen, dass dem Ausgleichsstock in den Jahren 2010 und 2011 Mittel in Höhe von etwas mehr als 39 Millionen € bzw. etwas mehr als 38 Millionen € entnommen werden. Diese sollen dann den Kommunen zugute werden.

Der Kollege Innenminister hat dazu im Innenausschuss und an anderer Stelle gesagt: Das gehe natürlich überhaupt nicht, dass die Mittel, die dem Ausgleichsstock entnommen würden, nicht an irgendeiner Stelle substituiert würden, weil er in absehbarer Zeit so viele bankrotte Kommunen haben werde, dass er das überhaupt nicht aushalten könne.

Gut. Was machen wir? - Wir machen eine Zwischenfinanzierung über die IB. Die Investitionsbank wird in absehbarer Zeit Liquiditätshilfen in etwa der Höhe, die ich

genannt habe, an die Kommunen auszahlen. Einige sagen dazu, dass man später nur die Zinsen dafür bezahlen müsse. Auch das ist wieder die hohe Kunst des politischen Selbstbetrugs, weil wir wissen, dass die Masse dieser Liquiditätshilfen irgendwann in Bedarfszuweisungen umgewandelt werden wird. Das sind dann verlorene Zuschüsse.

Glaubt denn irgendjemand hier in diesem Raum, dass uns die Investitionsbank das Geld schenken wird? - Das ist völliger Blödsinn. Die werden zu uns kommen und sagen: Gleicht uns das ab dem Jahr 2012 aus! Übernehmt die Lasten! Ihr müsst das bezahlen!

Wieder werden Belastungen, die in den Jahren 2010 und 2011 anfallen, über die Investitionsbank abgedeckt und dem Land ab dem Jahr 2012 in Rechnung gestellt werden. Das nenne ich einen Schattenhaushalt. Das ist Intransparenz. Das ist Verschieben auf die nächste Legislaturperiode, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Man war aber erfinderisch, um die Dinge einigermaßen in Grenzen zu halten; das ist heute schon kurz erläutert worden. Man kam letztlich auf die Idee: Wir machen die Zuweisungen an den Altlastensanierungsfonds platt. Erst wollte man diese gänzlich streichen. Das stand dann nicht mehr zur Debatte. Nun sollten es wenigstens 15 Millionen € weniger sein, um das Einknicken beim Wasserpfennig zu refinanzieren. Dass das fast passiert wäre, ist wirklich eine halbe Katastrophe - zum Glück keine ganze, weil sie abgewendet worden ist.

(Herr Tullner, CDU: Jetzt aber mal halblang!)

Wir hätten damit die Lasten in die nächsten Jahre verschoben und wären dabei das Risiko eingegangen, dass uns dreistellige Millionenbeträge des Bundes verloren gehen. Wirklich erst in letzter Sekunde, auf der Zielgeraden ist das aufgegeben worden, auch unter der Mithilfe meiner Fraktionskollegen im Finanzausschuss. Herzlichen Dank dafür!

(Lachen bei der CDU)

Die Koalition ist glücklicherweise auf der Zielgeraden gestoppt worden. Das wäre uns teuer zu stehen gekommen. An dieser Stelle - sage ich jetzt einmal - hätten Sie wirklich eine rote Linie überschritten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will an dieser Stelle ein Thema anfassen, das vor allen Dingen bei dem Kollegen Bullerjahn eine große Rolle gespielt hat, bei dem seine Aussagen aber dem konträr entgegenstehen, was in diesem Haushaltsplanentwurf veranschlagt worden ist. Es sagt, das zentrale Problem dieses Landes sei nicht die globale Minderausgabe.

Ich sage dazu: Ja, und das zentrale Problem ist auch nicht seine Verschuldung. Das zentrale Problem dieses Landes ist sein demografisches Problem oder, wie man finanztechnisch auch sagen könnte, seine demografische Verschuldung. Diese besteht in der Abwanderung junger Menschen, die dieses Land in der Perspektive aufbauen müssten, uns aber nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies zu beklagen ist konsensfähig, dagegen zu handeln aber offensichtlich nicht.

Damit kommen wir zu dem großen Bereich Personal, bei dem sich der zentrale neue Konfliktpunkt in diesem Land

Sachsen-Anhalt für die nächsten Jahre auftut. Der Finanzminister hat uns im Frühsommer ein Strategiepapier vorgelegt, in dem er vorgeschlagen hat, was man alles machen müsste, um in dieser Krisensituation einigermaßen klar zu kommen. Massenhaft Dinge, die zum Glück nachher manchmal nicht einmal in der Regierungsvorlage erschienen oder später herausgestrichen wurden. Einige Bereiche der sozialen Infrastruktur, einiges im Bereich der Investitionen und die zehnprozentige Kürzung aller Leistungsgesetze waren dort vorgeschlagen. Das ist alles nicht passiert.

Aber ein Bereich ist umgesetzt worden, und zwar rigide Einsparungen im Bereich des Personals. Da nenne ich nur zwei Punkte: Wegfall der Nachausbildungsoffensive - 400 junge Menschen, Wegfall der Ausbildungsplatzoffensive - 400 junge Menschen. Dieser Haushalt entscheidet darüber, dass 800 junge Menschen mehr dieses Land verlassen werden, weil sie hier keine Perspektive haben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn man das beschließt, kann man nicht über die demografische Situation reden, ohne dagegen zu handeln. Das ist unser Kritikpunkt an diesem Haushalt.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

- Herr Tullner, jetzt versuchen wir, ein Stück weit den Erkenntnisweg der CDU-Fraktion in diesem Bereich des Personals nachzuvollziehen. Da sahen wir vor einigen Tagen einen Beschluss der CDU-Fraktion, der davon ausgeht, dass man mit der vorgesehenen Zielzahl von 13 000 Lehrern ab dem Schuljahr 2013/2014 ganz offenbar nur dann hinkommt, wenn man Qualitätsabstriche in diesem Bereich macht, die man eigentlich nicht hinnehmen will. Deswegen müsste diese Zielzahl kritisch hinterfragt werden.

Ich sage ausdrücklich: Dazu haben Sie unsere Zustimmung. Dass Sie den Kollegen Finanzminister verärgert haben, ist nicht unser Problem. Ich sage noch einmal ausdrücklich: Ja, dazu haben Sie unsere Zustimmung, weil wir wissen, dass man mit 13 000 Lehrern bei der gleichbleibenden Schülerzahl die Qualitätsanforderungen, die wir alle stellen - jetzt gehe ich einmal von der Frage des Schulsystems weg -, nicht realisieren kann.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Ihre Einschätzung ist völlig richtig, sie wird von uns geteilt.

(Herr Borgwardt, CDU: Ja, klar!)

Jetzt kommen wir zum eigentlichen Problem,

(Zuruf von der FDP: Noch eins!)

und zwar zu einem heiligen Gebot. Dieses heilige Gebot nennt sich Personalabbau. Dieses Gebot ist heilig gesprochen worden und gilt in diesem Bundesland und in anderen Bundesländern seit einigen Jahren. Dazu ist mehr Papier beschrieben worden, als man wahrscheinlich jetzt noch in der Lage wäre nachzuvollziehen.

Wir sehen, dass dieses heilige Gebot mit diesem Beschluss jetzt von Ihnen politisch neu hinterfragt wird - schauen wir ein wenig über die Landesgrenzen hinaus -, natürlich auch in anderen, vor allen Dingen aber in den neuen Bundesländern. Es gibt in Brandenburg eine Koalitionsvereinbarung, die besagt: Keinen weiteren

Stellenabbau im Bereich des Lehrerpersonals und faktisch keinen Abbau im Bereich der Polizei. Sie beschließen jedoch, innerhalb einer Legislaturperiode 10 % ihres Landespersonals abzubauen.

(Zuruf von der Regierungsbank: Genau! Ja, ja!)

Jeder, der sich damit auskennt, Kollege Bullerjahn, weiß:

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Die Hälfte soll vom Abbau ausgenommen werden, und der Rest soll so viel erbringen, dass 10 % abgebaut werden - das ist auch eine Kunst des politischen Selbstbetrugs.

(Zuruf von der Regierungsbank: Das ist ja gut!)

Das ist völliger Blödsinn, das funktioniert von vornherein nicht.

Aber gut, schauen wir einmal auf eine Koalitionsvereinbarung, die Ihnen politisch etwas näher liegt, schauen wir einmal nach Thüringen. Thüringen - das Land mit der besten Schüler-Lehrer-Relation - beschließt für die nächste Legislaturperiode die Neueinstellung von 2 500 Lehrern. Die wollen am Ende der Legislaturperiode mehr Lehrer haben als heute.

(Zurufe von der CDU: Das stimmt! - Das haben die gemacht!)

Die beschließen in einer CDU-SPD-Koalition, dass ab sofort keine einzige Polizeistelle mehr abgebaut werden soll. Doch wer verkauft eine solche Umkehr in der Personalpolitik als seinen Erfolg, lieber Kollege Bullerjahn? Die SPD verkauft das als ihren Erfolg. Da sage ich: Die heilige Kuh - das heilige Gebot Personalabbau - wird geschlachtet, und zwar völlig zu Recht, und wir werden für diese Geschichte Beifall spenden.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Wir haben nur ein Problem: Sachsen-Anhalt scheint das letzte Land zu sein, das zu dieser Einsicht kommt. Deswegen stellen wir heute hier auch einen Antrag auf Neueinstellungen, und zwar dahin gehend, die Zahl der Neueinstellungen von ehemals 250 vorgesehenen - die selbst von der Regierung inzwischen auf 500 erhöht wurden - auf 700 zu erhöhen.

Herr Scharf, wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass mit 13 000 Lehrern im Jahr 2013 Schule qualitativ nicht zu machen sei, dann müssen wir sofort handeln. Dann stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Dann haben Sie etwas Ihrem politischen Willen Entsprechendes getan. Ich fordere Sie dazu auf; das kann man machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube jedoch, das Schlachten dieser heiligen Kuh wird noch einige Monate dauern. Ich sage aber auch: Wenn Sachsen-Anhalt das letzte Bundesland ist, das diese heilige Kuh schlachtet,

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)