Protocol of the Session on January 21, 2010

Es gibt Schwerpunkte. Mehr Geld für Bildung und Forschung, weniger - das hat man gesehen - für Infrastruktur, Verwaltung und Bau. Bei dieser Schwerpunktsetzung sind wir aber noch lange nicht am Ende. Sie muss weitergeführt werden, und das trotz und gerade wegen der bevorstehenden Wahlkämpfe. Das wird heute, denke ich, auch schon eine Rolle spielen.

Die Diskussionen über die besseren Ideen und der Wettbewerb für zukunftsfähige Lösungen können am Ende für das Land doch nur positiv sein. Aber Lösungsvorschläge müssen auch umsetzbar sein. Der Wettbewerb kann sich nicht nur darin erschöpfen, dem Mitbewerber die Kompetenz abzusprechen, ohne selbst eigene Lösungskompetenz nachzuweisen.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, findet ja hier im Landtag nicht statt. - Schönen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Bullerjahn. - Wir kommen zur so genannten Generaldebatte der Fraktionen und beginnen mit Herrn Gallert von der Fraktion DIE LINKE.

Bevor ich Herrn Gallert das Wort erteile, möchte ich Schülerinnen und Schüler der Heinrich-Heine-Schule Blankenburg auf der Tribüne begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Gallert, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Generaldebatte zu diesem Doppelhaushalt ist sehr wohl ein Höhepunkt in diesem Landtag in dieser Legislaturperiode. Sie betrifft das vorletzte große Projekt dieser Koalition, und das ist natürlich schon mit einiger Beachtung zu bewerten. Ich werde mir auch Mühe geben, diesem Anlass hier gerecht zu werden.

Ich werde an einigen Stellen meiner Rede die Eindrücke, die ich seitens meiner Fraktion bereits bei der Haushaltseinbringung vermittelt habe, mit dem vergleichen, was wir heute als Beschlussempfehlung vorliegen haben, und werde versuchen, die Dinge darzustellen, die sich entweder von unserer Prognose her bewahrheitet haben oder bei denen tatsächlich andere und neue Entwicklungen gegeben hat.

Ich hatte bereits eingangs bei der Beratung dieses Doppelhaushaltes gesagt, dass dieser Doppelhaushalt kein guter Haushalt sei und dass er kein guter sein könne, weil die Rahmenbedingungen, die im Wesentlichen das Korsett dieser Haushaltsentscheidung vorgäben, so seien, dass man im Grunde genommen nur den Weg zwischen zwei oder drei schlechteren Möglichkeiten realisiere.

Ich habe damals allerdings auch gesagt, dass dies ein innerhalb unseres Handlungsspielraumes als Politiker in Sachsen-Anhalt schlecht oder kaum zu lösendes Problem sei. Man muss sich an der einen oder anderen Stelle eben für die eine oder andere schlechte Möglichkeit entscheiden.

Ich hatte damals bereits gesagt, der Landeshaushalt - das will ich hier durchaus noch einmal wiederholen - mache einen Fehler nicht: Er macht nicht den Fehler, der Krise krampfhaft hinterherzusparen und unter den Bedingungen, die wir hier in Sachsen-Anhalt haben, die Neuverschuldung krampfhaft dadurch zu vermeiden, dass er rigorose Einschnitte in die öffentliche Daseinsvorsorge vornimmt, die das Land zu organisieren hat.

Dieser Landeshaushalt hat bereits bei der Einbringung und auch jetzt in der Fassung der Beschlussempfehlung das Bemühen deutlich werden lassen, dass hiermit versucht wird, in der Krise einen Weg der Stabilität zu gehen,

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist ein Lob!)

also nicht sämtliche Dinge infrage zu stellen, die man eventuell infrage stellen könnte, und dadurch die Krisen

entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland noch einmal zu beschleunigen.

Das hat dieser Haushalt nicht gemacht. Er versucht, einen anderen Weg zu gehen, den Weg der Stabilität. Mit einer entscheidenden Ausnahme: das ist die öffentliche Daseinsvorsorge, die in dem Bereich der Kommunen organisiert werden soll. Denen verwehren wir den Weg, den wir als Land gehen. Das ist einer der ganz entscheidenden Fehler dieses Haushaltes. Deswegen werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will aber, bevor ich auf diesen Punkt komme, auf eine andere Frage zugehen, und zwar auf die Frage der Nettoneuverschuldung, die dann, wenn man diesen Weg geht, natürlich unausweichlich ist.

Wir hatten schon vor der Einbringung im Sommer eine intensive Diskussion darüber, warum die Nettoneuverschuldung, wenn man überhaupt eine machen müsse, eigentlich tiefer anzusetzen wäre. Ich hatte das damals gesagt. Unter anderem der Ministerpräsident hatte sich dazu geäußert.

Dazu kam es dann nicht. Mit 660 Millionen € Neuverschuldung für das Jahr 2010 und 534 Millionen € Neuverschuldung für das Jahr 2011 ist dann ein Haushaltsplanentwurf vorgelegt worden, mit dem die Landesregierung Wesentlichen diesen Weg gegangen. Aber auch dabei ist die Ansage gewesen, dass man zumindest diese Grenze zwingend halten müsse und auf keinen Fall erhöhen dürfe.

Ich hatte damals schon gesagt, dass wir im Interesse der Kommunalfinanzen sehr wohl bereit wären, auch eine höhere Nettoneuverschuldung in Kauf zu nehmen. Die Kommentare, die es dazu gegeben hat, waren die üblichen: Keine Rücksicht auf die Perspektive dieses Landes, wir würden eine unseriöse Haushaltspolitik betreiben, wir würden nicht sagen, wie man es bezahlen solle usw. usf.

Was ist heute das Ergebnis? - Uns liegt eine Beschlussempfehlung vor, die die Nettoneuverschuldung noch um 100 Millionen € erhöht, und zwar auf Beschluss der Fraktionen von CDU und SPD, liebe Kollegen, und nicht auf Beschluss der LINKEN.

(Beifall bei der LINKEN)

Was ist jetzt aus Ihren Vorwürfen einer unseriösen Haushaltspolitik bei einer Erhöhung der Nettoneuverschuldung geworden? Der Kollege Stahlknecht war vor Kurzem sogar so weit, uns eine Position in dieser Frage zuzuschreiben, wobei er meinte, einen Ausflug in die Gossensprache machen zu müssen.

Mir fällt an dieser Stelle ein Satz des Kollegen Ministerpräsidenten ein. Er hat vor nicht allzu langer Zeit gesagt, er habe in seiner Laufbahn mehr Politiker an Adam Ries als am politischen Gegner scheitern gesehen. Wir sehen das heute auch für die CDU- und die SPD-Fraktion bei dieser Erhöhung der Nettoneuverschuldung, die ursprünglich noch radikal abgelehnt worden ist. Ich sage noch einmal: Ihr Gegner ist jetzt Adam Ries. Sie werden den Wettlauf gegen ihn verlieren. Der ist schon lange tot, aber trotzdem haben Sie an dieser Stelle keine Chance, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von Frau Feuß- ner, CDU, und von Herrn Tullner, CDU)

Neben dieser Erhöhung der Nettoneuverschuldung, die wir Ihnen damals prognostiziert haben und die Sie jetzt realisieren mussten, weil Sie im Grunde genommen alternativlos ist, weil sie damals schon alternativlos war - damals hatten Sie diese Erkenntnis nur noch nicht -,

(Frau Feußner, CDU: Wie rechnen Sie denn das?)

haben Sie ein anderes Problem aufgebaut. Das ist das Problem, dass bei Ihnen Haushaltsrisiken hier und da als globale Minderausgaben veranschlagt herauskommen. Ja, es ist so. Wenn ich vorhin gesagt habe, mit Ausnahme der Kommunen werde dieser Weg der Stabilität in diesem Landeshaushalt zu gehen versucht - -

(Herr Gürth, CDU: Die waren schon in einem Haushalt, als die PDS hier Regierungsverantwor- tung hatte!)

- Sehen Sie, Herr Gürth, wir hatten nie Regierungsverantwortung, davon einmal abgesehen - -

(Lachen bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Natür- lich hatten Sie Verantwortung! Der Unterschied war nur: Die Regierungsverantwortung haben Sie nicht hier drin, sondern beim Griechen ausgeübt!)

- Herr Gürth, dazu gibt es ein Urteil des Landesverfassungsgerichts. Das hat die CDU erwirkt. Aber das ist eine ganz andere Frage.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber, Herr Gürth, seien Sie sicher: Nicht nur Sie haben sich an diesen bemerkenswerten Haushalt 1996 erinnert, auch ich habe es getan.

(Herr Tullner, CDU: Oh!)

Ich werde in dieser Frage heute dezidiert auf die Haushaltsdebatte eingehen, die damals stattgefunden hat. Mal gucken, ob Sie das dann noch so gut finden, Herr Gürth. Mal sehen, mal sehen.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Der Kollege Bullerjahn hat gesagt, wenn es schlecht ginge, hätten wir ein Haushaltsrisiko von etwa 3,3 %, 3,4 % des Haushaltsvolumens. Nehmen wir einmal an, es wird nicht so schlimm. Nehmen wir an, dieses Haushaltsrisiko ist bei 3 % globaler Minderausgabe zu veranschlagen.

Nun wissen alle Leute, die sich seit etwas längerer Zeit mit Haushaltspolitik beschäftigen: Man kann eine globale Minderausgabe veranschlagen, man kann solche Risiken in Höhe von etwa 1 % - das ist die goldene Regel - durchaus veranschlagen, ohne einen extremen Druck auf die Haushaltsausführung zu realisieren. Wir liegen jetzt in beiden Jahren bei etwa 3 %, also bei 200 Millionen € pro Jahr zu viel.

Dazu sage ich mit aller Deutlichkeit: Wenn dieser Haushalt heute beschlossen wird, dann müssen wir ganz klar sagen, dass die meisten Ansätze, die heute beschlossen werden, von vornherein Makulatur sind, weil ganz klar ist, dass mit diesem riesigen Defizit von 300 Millionen €, das die Landesregierung irgendwie ausgleichen soll, dieser Haushalt überhaupt nicht umsetzbar ist, denn wir würden dieses Defizit nicht ausgleichen.

Die Alternative wäre: Wir machen das, der Haushalt wird von der Landesregierung so umgesetzt, wie es heute beschlossen wird. Dann muss man aber ganz klar sa

gen, dass sich die Nettoneuverschuldung pro Jahr über das Defizit, das dann entsteht, mindestens um 150 bis 200 Millionen € erhöht. Dann reden wir hier nicht über eine Nettoneuverschuldung von 740 Millionen €, dann reden wir über eine Nettoneuverschuldung von 950 Millionen €.

Und wenn dieses Parlament ehrlich wäre, wenn die SPD- und die CDU-Fraktionäre, die diesen Haushalt heute beschließen wollen, Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit vertreten würden, dann müssten sie eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 950 Millionen € für das Jahr 2010 beschließen und nicht das, was hier aufgeschrieben steht.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber es gibt ja die Alternative. Die Alternative lautet: Wir beschließen jetzt diesen Haushalt mit den Ansätzen, die hier drin stehen. Wir wissen, dass das alles nicht funktioniert, aber dafür haben wir den Finanzminister. Der soll das dann mal glattbügeln. Und er hat auch gleich gesagt, er mache das - Haushaltssperre.

Ich will den Streit mit dem Landesrechnungshof hier nicht näher beleuchten, aber eines ist schon klar: Eine angekündigte Haushaltssperre, bevor der Haushalt überhaupt beschlossen worden ist, das ist schon neu. Das ist wirklich neu.

(Zustimmung bei der LINKEN)