In der Bundesrepublik wurde seitdem der Rundfunk durch Gebühren finanziert und mit Kontrollorganen versehen. In der ARD sind das bekanntlich die Rundfunkräte, die aus Vertretern gesellschaftlich relevanter Organisationen bestehen und die die Aufgabe haben, die plurale Programmgestaltung sowie die Einhaltung ethischer Grundsätze zu kontrollieren. Da die ARD allerdings von Anfang an kein Bundesfernsehen war, sondern ein Zusammenschluss von Länderanstalten, gab es von Beginn an politische Konflikte. Die waren vorprogrammiert, weil viele Bundesländer auch zu damaliger Zeit SPDregiert waren, die Bundesregierung allerdings von der CDU gestellt wurde. Seitdem trägt die ARD auch im CDU-Jargon den nicht liebevoll gemeinten Titel „Rotfunk“.
Über die Entstehungszeit der Rundfunklandschaft findet man übrigens im Fischer-Lexikon auch folgendes Zitat:
„Vielfach wurde von politischer Seite ein unausgewogenes Programm zuungunsten der jeweils eigenen Partei unterstellt. Vor allem die CDU fühlte sich im Programm vieler Anstalten nicht hinreichend repräsentiert.“
Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer erklärte, dass er ein politisches Gegengewicht zur ARD installieren wollte. Er versuchte sein Glück mit der Gründung der Deutschland Fernseh GmbH, die dem Bund unterstellt sein sollte. Hier lag allerdings das erste verfassungsrechtliche Problem auf der Hand, nämlich die Kultur- und Rundfunkhoheit, die bei den Ländern angesiedelt war. Die Folge daraus war, dass die SPD-geführten Bundesländer beim Bundesverfassungsgericht klagten und hier
am 28. Februar 1961 in Form des ersten medienpolitischen Verfassungsgerichtsurteils eine Klärung herbeigeführt wurde.
Hierbei wurde im Jahr 1961 erstmals deutlich vom Verfassungsgericht ein Staatsfernsehen untersagt und der Bund nur für die Rundfunktechnik für zuständig erklärt. Das war für die damalige Bundesregierung eine niederschmetternde Niederlage, die jedoch in einem Kompromiss endete. In dem Kompromiss verständigten sich Bund und Länder darauf, das Zweite Deutsche Fernsehen zu gründen.
Am 6. Juni 1961 wurde hierfür der Staatsvertrag unterzeichnet. Um die Frage der SPD in der Begründung zu der Aktuellen Debatte, nämlich ob die Strukturen im ZDF insbesondere die Unabhängigkeit des journalistischen Arbeitens in jedem Fall gewährleisten, beantworten zu können, muss man sich die Unterschiede zwischen ARD und ZDF vor Augen führen.
Während die ARD ein gemeinsames Programm eigenständiger Landesrundfunkanstalten ist, so ist das ZDF ein gemeinschaftliches Programm der Bundesländer. Die Unterschiede kommen auch bei der Zusammensetzung der Kontrollorgane zum Ausdruck.
Bei den Landesrundfunkanstalten der ARD wird die übergroße Mehrheit von Vertretern gesellschaftlich relevanter Organisationen bestimmt. Dazu gehören: Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Vertreter der Kirchen, von Sozialverbänden, von Kinder-, Jugend und Kulturorganisationen, von Opferverbänden und ausdrücklich auch von den im Landtag vertretenen Parteien.
Das heißt aber, dass dort niemals eine Regierungsmehrheit, also eine Mehrheit von Regierungsvertretern möglich ist. Das ist, meine Damen und Herren, das Entscheidende. Es geht nicht darum, Vertreter von Parteien aus den Aufsichtsgremien fernzuhalten; denn politische Parteien sind zweifellos Bestandteil der gesellschaftlich relevanten Organisationen. Es geht darum, ob Vertreter des Staates ein Übergewicht haben können und somit das Gebot der Staatsferne aushebeln können.
Im Übrigen haben die Vertreter, die in ein Aufsichtsgremium entsandt werden, nicht die Aufgabe, parteipolitisch zu agieren, sondern die Unabhängigkeit des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu gewährleisten und zu kontrollieren.
Beim ZDF sieht die Zusammensetzung von vornherein etwas anders aus. Im dortigen Fernsehrat befindet sich je ein Vertreter eines Bundeslandes, also auch aus Sachsen-Anhalt. Dieser Vertreter wird aber vom Ministerpräsidenten, also von der Regierung und somit vom Staat, entsandt. Auch die drei Vertreter des Bundes beim ZDF werden von der Bundesregierung entsandt.
Die Zusammensetzung des ZDF-Verwaltungsrates macht die Sache sehr deutlich. Von den 14 Mitgliedern sind fünf amtierende Ministerpräsidenten plus der Staatsminister für Kultur und Medien im Amt.
Von den weiteren acht Mitgliedern, die im ZDF Verwaltungsrat tätig sind und vom Fernsehrat entsandt wurden, sind vier ehemalige Minister bzw. Staatssekretäre. Meine Damen und Herren! Kann Staatsferne so wirklich
funktionieren? - Diese Frage müssen wir uns an dieser Stelle deutlich stellen. Oder verfügen die Vertreter des Staates nicht stets über eine eigene Mehrheit?
Meine Damen und Herren! Ich sagte bereits, der Fall Brender ist nicht der erste Fall von unzulässiger politischer Einmischung des Staates. Ich möchte einige Beispiele nennen. Im Jahr 1995 fühlte sich der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl von einem satirischen Beitrag im ARD-Magazin „Monitor“ derart angegriffen, dass er einen offenen Brief an den ARD-Vorsitzenden verfasste und darin äußerte - Zitat -, den Fortbestand der ARD vermöge er dem Bürger, der gezwungen ist, für den Bestand der ARD Gebühren zu zahlen, nicht zu vermitteln.
Im gleichen Jahr folgte ein Stoiber-Biedenkopf-Papier - wieder zwei Ministerpräsidenten -, welche in 16 Thesen eine Anklageschrift gegen die ARD verfassten. Darin stand zum Beispiel, die ARD erhalte zu viel Gebühren, das ZDF zu wenig. Die ARD sei zu einem Konzern des linkslastigen WDR geworden und ihr Programmangebot sei größer als die gesetzlich festgelegte Grundversorgung. Schließlich gipfelte das Papier in dem Satz, ein zweites nationales Vollprogramm neben dem ZDF sei überflüssig.
Den letzten erfolglosen Versuch seitens der Politik, in die Programmhoheit des Rundfunks unzulässig einzugreifen, gab es im Jahr 1997, als die Rundfunkgebühr deutlich niedriger festgelegt wurde, als von der unabhängigen Kommission, die die Gebühr ermittelt, nämlich von der KEF, empfohlen wurde. Hierzu folgte erneut ein Verfassungsgerichtsurteil, nämlich am 11. September 2007. Hierin stellte das Verfassungsgericht klar, die Länder dürften nicht aus medienpolitischen Gründen von der KEF-Gebührenempfehlung abweichen. In diesem Zusammenhang wurde zuletzt vom Verfassungsgericht die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bekräftigt und die Einmischung durch die Politik zurückgewiesen.
Nun, meine Damen und Herren, haben wir den Fall Brender, bei dem erneut eine politische Mehrheit über die andere gesiegt hat. Dieser Sieg ist aber vor allem eine Niederlage, und zwar eine Niederlage für die Staatsferne und somit für die politische Unabhängigkeit und demokratische Verfasstheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Wie reagierte die Öffentlichkeit auf diesen bisher einmaligen Fall? - Ich möchte drei Zitate anführen. Die „Frankfurter Rundschau“ titelte:
Vielleicht sollte das Bundesverfassungsgericht abermals eine Klärung herbeiführen - eine Klärung, die aus meiner
Sicht notwendig ist. Wir halten, um es mit aller Deutlichkeit zu sagen, die journalistische Unabhängigkeit
und die Staatsferne für ein hohes Gut und demzufolge einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk für unverzichtbar. - Danke.
Herr Gebhardt, vielen Dank für Ihren Beitrag. Es gibt Nachfragen von Herrn Kosmehl und von Herrn Harms. Wollen Sie die Fragen beantworten?
Herr Kollege, auch wenn Sie schon länger im Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks sind, möchte ich gern eine Ergänzung machen, weil Sie in Ihrer Aufzählung eine Gruppe vergessen haben, nämlich die von den drei Staatskanzleien zum Mitteldeutschen Rundfunk entsandten Vertreter. Diese sind politisch von den Landesregierungen direkt besetzt. Diese hatten Sie nicht erwähnt.
Zudem möchte ich eine Frage stellen. Sie haben die erfolglosen Versuche der Politik, zu denen man sich seine Meinung bilden kann, dargestellt. Vielleicht würden Sie kurz aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE in SachsenAnhalt zu einem erfolgreichen Versuch der Politik, auf die Programmgestaltung Einfluss zu nehmen, nämlich zu der Frage, ob der Mitteldeutsche Rundfunk ein Interview mit der Frau Bundeskanzlerin im Spätsommer dieses Jahres senden durfte, Stellung nehmen. Dazu gab es wütende Proteste von zwei Fraktionschefs der LINKEN im Raum Mitteldeutschland.
- Drei sogar, das ist wunderbar. - Daraufhin hat der MDR diesen Programmpunkt entfernt. Dies ist eine durchaus erfolgreiche Einflussnahme auf das Programm. Vielleicht sagen Sie kurz etwas dazu.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Tull- ner, CDU: Wenn das Programm von links ist, dann ist es immer gut!)
Mir ist neu, dass die LINKE in allen drei Ländern, nämlich Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Vertreter des Staates ist.
Demzufolge kann ich keine Aushebelung der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erkennen.
Aber, Herr Kosmehl, um es deutlich zu sagen: Ich halte es für völlig legitim, dass sich auch politisch agierende Menschen inhaltlich zum Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks äußern.
Ich kenne auch Äußerungen des Ministerpräsidenten Herrn Böhmer, in denen er gesagt hat, er habe sich über das Programm des MDR geärgert. Das ist doch völlig legitim.