Die Landesregierung ist an das Gesetz und seine Auslegung durch die Rechtsprechung gebunden. Auf dieser Grundlage - ich betone: ausschließlich auf dieser Grundlage - hat das Landesverwaltungsamt in einer Rundverfügung vom 1. Dezember 2008 in Abstimmung mit meinem Haus den Aufgabenträgern Anwendungshinweise zur Erhebung des Herstellungsbeitrags II gegeben. In der Praxis wird dieser Beitrag bereits von einigen Aufgabenträgern erhoben.
Im Rahmen der haushaltsrechtlichen Einnahmenbeschaffungsgrundsätze sind Gemeinden und Zweckverbände grundsätzlich zur Erhebung des Herstellungsbeitrags II verpflichtet. Die Aufgabenträger haben daher in eigener Verantwortung zu prüfen, ob und in welchem Umfang sie von dieser Problematik betroffen sind. Im Übrigen haben sie auch in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob im Einzelfall eine Verjährung oder eine Verwirkung eingetreten ist.
Um eventuelle Nachfragen gleich vorwegzunehmen: Dem Ministerium des Innern ist bisher kein Fall bekannt, bei dem die Erhebung des Herstellungsbeitrags II kommunalaufsichtlich angeordnet worden ist. Ich gehe davon aus, dass die Aufgabenträger und die Kommunalaufsichtsbehörden vor Ort auch mit dieser schwierigen Materie angemessen umgehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Abschluss möchte ich auf etwas hinweisen, was durchaus interessant ist. Der brandenburgische Gesetzgeber hat sich bei der diesjährigen Novelle zu seinem Kommunalabgabengesetz an der Rechtslage in Sachsen-Anhalt orientiert.
Das dortige Oberverwaltungsgericht in Frankfurt/Oder hatte entschieden, dass Altanschlussnehmer in vollem Umfang herangezogen werden können. Diese Rechtsprechung nahm der Landtag von Brandenburg zum Anlass für eine Gesetzesänderung. Den Aufgabenträgern ist nunmehr die Option eröffnet worden, Altanschlussnehmer nach dem Modell von Sachsen-Anhalt zu privilegieren.
Sie sehen also, dass unsere Rechtslage bereits das Vorbild für ein anderes Land war. So problematisch, wie Sie es, sehr verehrter Herr Grünert, suggeriert haben, scheint die beitragsrechtliche Behandlung der Altanschlussnehmer in Sachsen-Anhalt demnach nicht zu sein.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Die Landesregierung und die Aufgabenträger werden das Kommunalabgabengesetz und die einschlägige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts anwenden. Nicht mehr und nicht weniger gern vollziehe ich all dieses en détail gemeinsam mit Ihnen im Ausschuss für Inneres nach. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Innenminister. - Wir kommen dann zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Für die CDUFraktion wird zuerst Herr Stahlknecht sprechen. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede des Herrn Ministers ist es eigentlich schwierig, überhaupt noch etwas zu sagen; denn er hat
die Rechtslage zutreffend geschildert. Herr Grünert, er ist sogar schon Ihrem Wunsch nachgekommen zu berichten, wie die tatsächliche Lage ist. Damit hat sich Ihr Antrag an dieser Stelle schon nahezu erledigt.
Sie haben sich zunächst - ob das dafür hier der richtige Ort ist, sei einmal dahingestellt - in einer sachlichen Kritik mit den Beschlüssen und dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts auseinandergesetzt. Sie haben dargelegt, dass Sie möglicherweise in der einen oder anderen Auslegungsfrage eine andere Rechtsauffassung als das Gericht haben. Das ist Ihr gutes Recht.
Als ich Ihren Vortrag gehört habe, dachte ich mir, dass er auch eine Berufungsbegründung oder ein Vortrag eines Rechtsanwaltes in einer Gerichtsverhandlung sein könnte. Ob der Landtag für solche juristischen Übungen der richtige Ort ist, sei einmal dahingestellt.
Dann haben Sie einen Satz gesagt, der eigentlich zu der anderen Intention, die etwas polemischer oder oberflächlicher wurde, überleitete. Sie haben gesagt, das Gericht habe diese Erhebung von Beiträgen nun „hoffähig“ gemacht. Da muss ich einmal einhaken.
Die Justiz bzw. ein Gericht wird aufgrund der Anrufung von Parteien tätig und entscheidet aufgrund einer bestehenden Rechtslage. Das ist ein ganz nüchterner Vorgang. Aber die Justiz macht nicht irgendetwas hoffähig, weil das Wort „hoffähig“ zumindest den Nachklang hat, dass die Justiz einseitig, sozusagen mit sehendem Auge, für die andere Seite entschieden habe.
Gehen wir nun in Ihrem Vortrag weiter. Unterstellen wir, dass es bei dieser Rechtsprechung bleibt - Sie haben richtig erkannt, dass die Rechtsprechung zumindest von hier aus aufgrund der Gewaltenteilung - Klammer auf: Gott sei Dank; Klammer zu - nicht mehr korrigierbar ist -, dann muss man das Ergebnis beleuchten. Mit dem Ergebnis, dass nur einige wenige zu diesen Erschließungsbeiträgen II herangezogen werden, sind Sie nicht einverstanden. Ich habe vielleicht sogar noch Verständnis dafür, dass Sie das aufgreifen, weil man dann die Chance hat, sich bei denjenigen, die es betrifft, beliebt zu machen. Das hat gelegentlich auch einen politischen Hintergrund.
Nun müssen Sie aber zunächst einmal zugrunde legen, dass diejenigen, die jetzt Erschließungsbeiträge zu zahlen haben, davon auch einen Vorteil haben. Sie zahlen nämlich dafür, dass die Anlagen verbessert und Instand gehalten worden sind und sich eben nicht mehr in dem technischen Zustand von vor dem Jahr 1991 befinden. Sie haben also einen erkennbaren und nennbaren Vorteil, für den sie einen geminderten Betrag - der Herr Minister hat das so dargestellt - bezahlen. Das ist ein völlig normaler Vorgang.
Wenn man, ohne es explizit zu benennen, zumindest als Annex anklingen lässt, dass man jedes Mal, wenn einige Menschen von Beiträgen betroffen sind, bereit ist, darüber nachzudenken, das Kommunalabgabengesetz zu ändern, weil es vielleicht den Schmerz derjenigen lindern würde, dann könnten wir alle halbe oder Dreivierteljahre das Kommunalabgabengesetz auf den Prüfstand stellen. Denn ich habe - das sage ich Ihnen aus meiner kommunalpolitischen Erfahrung - noch nie Bürgerversammlungen erlebt, in denen La-Ola-Wellen durch den Saal gingen, wenn es um Beiträge ging.
Dort hören Sie immer geschlossen die Meinung, dass das eine riesige Schweinerei sei, dass das Willkür sei
und dass das vor der Wende sowieso alles besser gewesen sei; damals habe das nämlich nichts gekostet. - Das hat auch nichts gekostet; das hat für die Bürger nichts gekostet. Das hat nur für den Staat etwas gekostet mit dem Ergebnis, dass der hinterher insolvent war. Das ist nämlich der entscheidende Punkt. Das ist heute anders.
Gleichwohl, Herr Grünert, wollen wir uns berichten lassen, wie das umgesetzt werden wird. Lassen Sie mich dazu auch einen Satz sagen: Abwasserzweckverbände sind Teile der kommunalen Familie und der kommunalen Verwaltung. Wenn Sie bei Haushaltsberatungen und auch beim Finanzausgleichsgesetz die Interessen der kommunalen Spitzenverbände nahezu im Maßstab 1 : 1 übernehmen und sagen, da fehlen 200 Millionen € - -
- Herr Gallert, es spielt am Ende keine Rolle, ob es aus Ihrer Sicht 200 Millionen € oder 400 Millionen € sind. Die 200 Millionen € sind schon heruntergerechnet worden; Sie sind nicht ganz up to date. Aber da helfen wir Ihnen gern noch einmal nach. Es hat nämlich schon Verhandlungen gegeben.
Aber wenn Sie ungeachtet dessen und im gleichen Atemzug bei Beiträgen, die zu erheben sind, damit Abwasserzweckverbände kostenorientiert arbeiten können, dazwischengehen und sagen: Das wollen wir dann mal lieber herausnehmen, dann tut sich in Ihrer Argumentation ein Bruch auf.
Auch Abwasserverbände haben nach den Grundsätzen der Haushaltsordnung Beiträge zu erheben. Wenn die Geschäftsführer das nicht tun würden, dann würden sie sich wegen Haushaltsuntreue strafbar machen. Auch das gehört zur Lebenswahrheit. Insofern ist das ein ganz normaler Vorgang.
Für die betroffenen Bürger habe ich Verständnis, weil ich für jeden Verständnis habe, der Beiträge zahlen muss; denn Geld gehört nicht zu den Dingen, die man gern freiwillig aus dem Portmonee gibt.
Gleichwohl möchten wir uns im Ausschuss berichten lassen. Ich bitte darum, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Er bezieht sich allein auf eine Berichterstattung und ist etwas schlanker gestaltet als der Ihrige. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Stahlknecht. - Wir kommen jetzt zum Beitrag der FDP-Fraktion. Der Abgeordnete Herr Kley hat das Wort. Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der bekannte hallesche Oberbürgermeister Rive hatte zur vorherigen Jahrhundertwende große Probleme damit, die zentrale Müllentsorgung und die zentrale Abwasserbeseitigung einzuführen, weil sich die Hausbesitzer dagegen wehrten.
Sie sahen zu jener Zeit darin lediglich Kostensteigerungen, aber keine klaren Vorteile. Nach über einhundert Jahren ist die Welt offensichtlich keinen Millimeter weiter gekommen.
Niemand verkennt hier in diesem Hohen Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren, die enormen finanziellen Anstrengungen, die die Hausbesitzer auf sich genommen haben,
um in den letzten 20 Jahren die Infrastruktur in unserem Lande auf einen Stand zu bringen, der der Technik entspricht und der dazu dient, unsere Umwelt zu schützen und unsere Welt für unsere Kinder zu erhalten.
Binnen Kurzem wurden gerade in den neuen Bundesländern in großem Maße Anschlussleitungen gelegt, Kläranlagen gebaut und die Anlagen auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Neben den allgemeinen Förderungen aus dem allgemeinen Steueraufkommen war es eben auch so, dass hier in guter alter, preußischer Straßenbautradition die Hausbesitzer zu den Kosten mit herangezogen wurden, da sie - so die Annahme - einen Vorteil aus dieser Anschlussleistung hatten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt wurde zum einen die allgemeine Grundlage für die Erhebung von Abwasserbeiträgen und -gebühren geschaffen. Darüber hinaus wurde mit sehr unterschiedlichem Erfolg versucht, Spezialfälle zu regeln, die sich aus echten oder geglaubten überzogenen Belastungen ergeben hatten.
Aber bei aller Diskussion über Beiträge und Gebühren darf man nicht vergessen, dass die Finanzierung der modernen Abwasserbeseitigung, in welcher Art auch immer, aus den Beiträgen der Nutzer erfolgen muss. Einfache betriebswirtschaftliche Kenntnisse bringen jeden dazu, dass natürlich die Kurzfristfinanzierung über Beiträge immer günstiger ist, als langfristige Kredite aufzunehmen und danach die Gebühren entsprechend einzuziehen; denn irgendwoher muss das Geld ja kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ständige Ruf danach, die Bürger vor Ort zu entlasten, indem man mehr Steuermittel heranzieht, geht völlig fehl; denn auch diese Steuermittel müssen durch die Bürgerinnen und Bürger des Landes aufgebracht werden.
Wenn es nicht Sofortsteuermittel sind, so sind es doch Schulden, die unsere Kinder zurückzahlen müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist auch mal an der Zeit, mit dem Märchen aufzuräumen, dass 90 % der Hausbesitzer in diesem Land alte Großmütter seien, die von ihrer schmalen Ostrente leben müssten. Vielleicht kommt es einmal dazu in diesem Land, wenn die Koalition weiter so die Grunderwerbsteuer erhöht und den Hausverkehr verhindert.
Es erstaunt schon - damit möchte ich noch einmal auf die eben vom Kollegen Stahlknecht gehaltene Rede Bezug nehmen -, dass man der Meinung ist, dass der Richterspruch die Erhebung des Herstellungsbeitrags II begründe. Das steht übrigens auch im Antrag der CDU drin; dort sind Sie keinen Deut besser, Herr Stahlknecht. Vielleicht schauen Sie demnächst einmal mit in die Anträge hinein, um solche Fehldeutungen zu verhindern.
Der Anspruch wird durch Gesetz begründet. Das ist in diesem Hohen Hause beschlossen worden. Mit unterschiedlichem Anspruch wurde auch hieran herumgedoktert. Insbesondere in Zeiten von Rot-Rot war ja der Unterschied zwischen „gut gemeint“ und „gut gemacht“ eklatant.