Seit dem Jahr 2006 erproben wir in einem Schulversuch eine speziell auf die Bedürfnisse der Jugendlichen abgestimmte neue Stundentafel mit den Schwerpunkten Mathematik, Deutsch und Informatik - die Bereiche, in denen es wirklich immer wieder hapert -, wobei es sowohl um die Auffrischung von Grundlagen geht als auch um die Illustration der praktischen Bedeutung und Anwendung des Gelernten.
Seit dem Jahr 2008 nehmen an diesem Versuch alle Schulen teil, die ein Berufsvorbereitungsjahr durchführen. Unmittelbares Ziel dieses Modellversuches ist es, Jugendlichen, die die allgemeinbildenden Schulen ohne einen Hauptschulabschluss verlassen haben, doch noch einen Abschluss zu ermöglichen und zugleich ihre Ausbildungsreife zu erhöhen.
Seit diesem Jahr können die Praktikumszeiten außerdem auf bis zu sechs Wochen erweitert werden - das hatte ich schon gesagt -, nicht zuletzt damit die Jugendlichen Gelegenheit haben, sich einen Betrieb länger anzuschauen, sich dort längerfristig vorzustellen und sich auch in denjenigen Fähigkeiten zu präsentieren, die sich auf einem Schulzeugnis manchmal nicht ohne Weiteres wiederfinden. Das wissen wir doch auch: Der Kontakt, die Inaugenscheinnahme zeigt manch eine Stärke der jungen Leute, die sich in keinem Schulzeugnis wirklich wiedergeben lässt. Die in dem Schulversuch ausgefertigten Zeugnisse weisen im Übrigen praktische Kompetenzen extra aus. - Das nur am Rande.
Der Modellversuch endet mit Ablauf dieses Schuljahres. Das heißt, wir stehen in der Tat vor der Aufgabe zu überprüfen: Was hat sich bewährt und sollte Standard werden und in die Praxis übernommen werden? Wie können wir die genannten Projekte der Schulsozialarbeit besser integrieren? Wie kann man sie besser öffnen? Und wie kann man die Nutzungsquoten erhöhen?
Junge Leute mit Benachteiligungen individueller Natur oder Jugendliche, die aus Arbeitsmarktgründen Probleme mit dem Übergang von der Schule ins Arbeitsleben haben, bedürfen unserer besonderen Aufmerksamkeit. Das Thema berührt ohnehin einen Schwerpunkt unserer Arbeit im Kultusministerium, nämlich an der Schnittstelle zwischen Schule und Arbeitswelt pädagogische Projekte und Förderprogramme zu etablieren, die das Wechseln von der schulischen in die Arbeitswelt erleichtern, gleichzeitig aber eben auch Netzwerkarbeit bedeuten, damit sich die Kinder und jungen Leute durch das beweisen können, was sie praktisch können, und nicht nur danach bewertet werden, wie sie formale Anforderungen unmittelbar erfüllen - so wichtig das auch ist.
Insofern bin ich gern bereit, einmal mehr einen Blick auf die vorhandenen Instrumente zu werfen, sie einer kritischen Inventur zu unterziehen, sie in Bezug auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und ansonsten zu schauen, wie wir die Instrumente, die wir haben, optimieren können. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wir kommen zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Für die SPD-Fraktion wird anstelle des erkrankten Herrn Graner Frau Hampel re
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Erst in der vergangenen Woche war in der „Mitteldeutschen Zeitung“ zu lesen, dass für das nächste Ausbildungsjahr in Sachsen-Anhalt noch 1 700 Ausbildungsstellen unbesetzt seien.
Der Grund dafür ist uns bekannt: Wegen der demografischen Entwicklung ist die Zahl der Schüler und die der Bewerber für Ausbildungs- und Arbeitsplätze zurückgegangen. Daraus könnte man schlussfolgern, dass die Chancen junger Menschen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt künftig besser werden. Richtig ist, dass Jugendliche, die für eine Ausbildung bereitstehen, künftig Mangelware sein werden.
Es ist aber nicht so, dass alle Schulabgänger gleich gute Chancen auf eine Berufsausbildung haben werden. Einige werden es leichter haben, andere dagegen schwerer. Es ist unsere Aufgabe, uns in Zukunft noch stärker denjenigen zuzuwenden, die es schwerer haben werden.
Die Statistik des Statistischen Landesamtes verdeutlicht, dass bei einer stark sinkenden Gesamtzahl der Schüler der Anteil der Abgänger mit einem Hauptschulabschluss steigt, der Anteil der Abgänger mit einem Realschulabschluss stark sinkt und der Anteil derer mit einer Hochschulzugangsberechtigung konstant bleibt.
Vor dem Hintergrund des Fachkräftebedarfs verdeutlicht diese Entwicklung die Dramatik auf dem künftigen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Deshalb begrüße ich die Debatte im Landtag. Das Anliegen, das mit dem Antrag der LINKEN verfolgt wird, ist richtig und wichtig.
Ich bin dennoch der Auffassung - darin stimme ich mit dem Minister überein -, dass wir nicht schon wieder neue Konzepte brauchen. Vielmehr gilt es jetzt vor allem, die bereits vorhandenen Instrumente weiterzuentwickeln. Auf jeden Fall lohnt es sich aber, darüber im Ausschuss zu reden. Daher plädiere ich dafür, diesen Antrag an die Ausschüsse für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie für Wirtschaft und Arbeit zu überweisen.
Kurz zu dem Inhalt Ihres Antrages. Worum geht es Ihnen? - Die Wirtschaft beklagt, und zwar zu Recht, die mangelnde Ausbildungsreife von Jugendlichen, und angesichts dessen, dass mehr als 10 % der Schüler die Hauptschule ohne Abschluss verlassen, ist das auch nicht verwunderlich. Allerdings - darin geben Sie mir sicherlich Recht, Herr Mewes - ist das Kind häufig bereits schon vorher in den Brunnen gefallen.
Es geht also einerseits um Veränderungen des Schulsystems, damit am Ende der Schulzeit nicht erst dafür gesorgt werden muss, die Ausbildungsfähigkeit herzustellen.
Andererseits geht es gerade um diejenigen benachteiligten Schülerinnen und Schüler, die nach der Schule noch
Qualifikationsbedarf haben. Hier knüpft Ihr Antrag an. Sie fordern ein neues Konzept und verweisen auf die Punkte, die ich jetzt nicht im Einzelnen nennen möchte. Der Minister ist darauf schon eingegangen.
Ich muss aber auch sagen, dass über dieses Thema schon mehrfach im Landtag diskutiert worden ist und dass es in den Ausschüssen umfangreiche Beratungen gab. Insbesondere verweise ich auf einen Bericht des Wirtschaftsministeriums zu den Leitlinien für Modernisierungen und Strukturverbesserungen in der beruflichen Bildung. Ich bin sicher, dass Ihnen dieser Bericht bekannt ist.
Darin geht es insbesondere um den Umsetzungsstand dieser Leitlinien in Sachsen-Anhalt. Schauen Sie darin bitte einmal unter dem Punkt 2 nach. Dort finden Sie konkrete Vorstellungen für die Gruppe der benachteiligten Jugendlichen und Angaben zum Stand der Umsetzung. Danach können Sie schon einiges besser nachvollziehen.
Die Landesregierung hat das Problem also im Fokus und arbeitet daran mit der Arbeitsverwaltung und mit den Beteiligten im Ausbildungspakt Sachsen-Anhalt.
Obwohl meine Redezeit schon wieder zu Ende geht, will ich noch einige Punkte nennen, die mir wichtig sind. Es ist auch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die benachteiligten Jugendlichen nicht in der Endlosschleife stecken bleiben; vielmehr sollte ihr Verbleib in dem Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung verkürzt werden. Gegenwärtig ist es so, dass sie am Schluss wieder in der Schule landen. Ich halte das für sehr schwierig; denn sie sind bereits schulmüde und haben auf die Schule überhaupt keine Lust mehr.
Wir müssen darauf achten, dass mehr Schüler aus dem Berufsvorbereitungsjahr und aus dem Berufsgrundbildungsjahr für Schulpflichtige mit in die Ausbildung kommen. Das ist eine der Schwerpunktaufgaben, die ich sehe. Das kann entweder im Wege der Einstiegsqualifikation oder auf direktem Wege in die Ausbildung erfolgen. Längere Praktika und auf jeden Fall eine stärkere Betriebsnähe sind hierfür erforderlich. An diesen Punkten muss weiterhin intensiv gearbeitet werden.
Ich lasse ein paar Punkte aus. Zum Schluss noch kurz: Sachsen-Anhalt ist, so denke ich - darin sind wir uns wohl einig -, in dem Bereich der beruflichen Bildung auf einem guten Weg. Der Ausbildungsmarkt wird in den nächsten Jahren stabiler werden. Die Zahl offener Ausbildungsstellen zeigt, dass die Unternehmen in unserem Land erkannt haben, dass es wichtig ist, trotz der Wirtschaftskrise nicht weniger Lehrstellen anzubieten, um den Fachkräftebedarf zu decken.
Die Verbesserung der Ausbildungssituation für Jugendliche mit Benachteiligungen bleibt dennoch auch für die SPD-Fraktion ein wichtiges Anliegen. Deshalb freue ich mich auch auf die Beratungen in den Ausschüssen; denn - diesbezüglich sind wir uns auch einig; dennoch möchte ich es zum Schluss gern sagen - ohne Ausbildung wird ein Start ins Berufsleben nur schwer gelingen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank für Ihren Beitrag, Frau Hampel. - Wir kommen zum Debattenbeitrag der FDP-Fraktion. Herr Franke hat das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der LINKEN suggeriert, dass es eine Lücke bei der beruflichen Ausbildung benachteiligter Jugendlicher in Sachsen-Anhalt gibt. Deshalb wird die Landesregierung aufgefordert, ein Konzept vorzulegen.
Die Frage, die wir uns als FDP-Fraktion stellen, ist: Brauchen wir ein solches Konzept? - Wir sehen das Problem, dass es wahnsinnig viele Programme des Bundes, des Landes und von der Agentur für Arbeit gibt, die mittlerweile miteinander konkurrieren, um benachteiligten Jugendlichen einen Berufsabschluss zu ermöglichen. Ich versuche einmal, ein paar aufzuzählen.
Für die Berufsvorbereitung in Sachsen-Anhalt gibt es BvB, also die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit. Die Zielgruppe des BvB sind insbesondere benachteiligte Jugendliche. Schulabgänger können sich in mehreren Berufsfeldern bis zu einem Jahr im Metall-, Holz-, Bau- und Malerbereich sowie in den Bereichen Hauswirtschaft, Gastronomie, Wirtschaft und Verwaltung ausprobieren.
Zusätzlich erhalten diese benachteiligten Jugendlichen eine Vertiefung von Grundkompetenzen im sozialen, sprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlich-technischen Bereich in Form von individuellem Stütz- und Förderunterricht. Neben der berufsvorbereitenden Maßnahme können Jugendliche zeitgleich ihren Hauptschulabschluss erwerben.
Begleitet werden diese benachteiligten Jugendlichen mit einem sehr hohen Personalschlüssel. Ein Bildungsbegleiter betreut 28 Schüler, ein Sozialpädagoge betreut 24 Schüler und kümmert sich dabei um alle Belange des Jugendlichen und seines Umfeldes. Für jedes Berufsfeld ist ein Ausbilder vorgesehen, der zwölf Schüler betreut. Ein Stützlehrer kümmert sich um jeweils 24 Schüler.
Zusätzlich absolvieren die Teilnehmer mehrere Praktika in den verschiedenen Berufsfeldern und probieren sich dort aus. Dabei werden sie von einem Sozialpädagogen und von einem Bildungsbegleiter betreut. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass ca. 80 % dieser Jugendlichen eine betriebliche und außerbetriebliche Berufsausbildung erfolgreich beendet haben.
Dann haben wir das Berufsgrundbildungsjahr und das Berufsvorbereitungsjahr an den Berufsschulen SachsenAnhalts, also das BGJ und das BVJ. Hierin werden Schulabgänger aufgefangen, die keine Ausbildung bekommen haben. Im BGJ haben die Jugendlichen schon eine gewisse Berufsreife und werden bereits auf den jeweiligen Beruf vorbereitet. Im BVJ sind Jugendliche, die noch keine Berufsvorstellungen haben und je nach ihren Berufswünschen und Neigungen Berufsfelder praxisnah kennen lernen, eben über Fachtheorie und Fachpraxis sowie durch gezielte betriebliche Praktika. Jugendliche, die noch keinen Hauptschulabschluss haben, können diesen dort nachholen.
Zur Neugestaltung des BVJ wurde das Bundesprogramm Jobstarter-Contact ins Leben gerufen. Dieses Forschungs- und Entwicklungsprogramm wird seit dem Jahr 2008 von Bildungseinrichtungen und Kammern bundesweit durchgeführt. Involviert sind die jeweiligen Berufsschulen der Region und das Kultusministerium. Auch hier werden die Jugendlichen in den Berufsschulen pädagogisch und sozialpädagogisch begleitet und bekommen individuellen Stütz- und Förderunterricht in allgemeinbildenden Fächern.
Dann gibt es noch das jährliche Brafo, die Berufsorientierung der Klassenstufen 7 und 8 im Sekundarbereich an den Realschulen und Hauptschulen in ganz SachsenAnhalt. Hier werden Kinder schon frühzeitig an die Berufswahl herangeführt. Auch hier werden die Kinder gemeinsam mit den Eltern sozialpädagogisch begleitet.
Zur Berufsorientierung gibt es auch noch die EQJ, die Einstiegsqualifizierung Jugendlicher. Dieses betriebliche Langzeitpraktikum soll als Brücke zur Ausbildung dienen. Dabei orientieren sich die Maßnahmen in der Regel an den Ausbildungsinhalten des entsprechenden Ausbildungsberufes. In Sachsen-Anhalt befinden sich derzeit 326 Jugendliche in EQJ-Maßnahmen.
Dann gibt es noch - das ist ganz neu - das SpBAm, Sozialpädagogische Begleitung/Ausbildungsmanagement. Hier können durch die Betriebe Module angefordert werden, die Jugendliche vor dem Beginn einer Ausbildung in ihren Betrieben ausprobieren können, sodass die Voraussetzungen für eine Ausbildung geschaffen werden. Dadurch werden die Betriebe in die Berufsorientierung und in die Eignung der Jugendlichen involviert und zum ersten Mal auch damit konfrontiert.
Jetzt gibt es noch das Programm Jobstarter in der fünften Förderrunde. Mit diesem Programm werden Kindern und Jugendlichen in den Schulen nicht besonders attraktive Berufe vorgestellt bzw. ihnen werden stark unterbesetzte Berufe näher gebracht. Auch hier geht es ausschließlich um Berufsvorbereitungsmaßnahmen. Ich könnte die Reihe fortsetzen. Soll ich das tun? Wir haben noch das Projekt Stabil. Wir haben das Projekt Gail.
Ich weiß. Ich höre es schon. Aber meine Kollegin Hampel hat auch ein bisschen überzogen. Dann lassen Sie mich doch noch einiges sagen.
Deutlich wird, dass die Berufsberatung der Agentur nicht mehr so viel unversorgte Jugendliche zur Verfügung hat. Die Zahlen wurden vorhin genannt: 14 067 Schulabgänger waren es in diesem Jahr. Im letzten Jahr hatten wir mehr; es waren insgesamt 24 971. Von diesen 14 067 in diesem Jahr sind 10 432 in die betriebliche Ausbildung gegangen; 1 700 begannen außerbetriebliche Berufsausbildungen, sie nahmen also das Ausbildungsplatzprogramm Ost in Anspruch. Diesen 1 700 Auszubildenden stehen 1 714 freie Ausbildungsstellen gegenüber.
Wenn wir davon ausgehen, dass im August noch 2 933 Jugendliche unversorgt sind, dann sind diese in die Programme gegangen, die ich vorhin nannte, also in BvB, BVJ, BGJ, EQJ usw.
Also jeder Jugendliche bekommt nach den Aussagen der Agentur für Arbeit ein Angebot, egal ob es eine Ausbildung ist oder ob es sich um berufsvorbereitende Maßnahmen oder Ähnliches handelt.