Protocol of the Session on September 4, 2009

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Gallert, Sie können nun Ihre Frage stellen.

Es ist weniger eine Frage als vielmehr eine Intervention,

Dann intervenieren Sie.

und zwar bezüglich der Frage, ob wir als Land das Problem der Nettoneuverschuldung allein haben oder ob andere Länder dieses Problem ebenfalls haben. Ich habe diese Diskussion auch gehört, wonach Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern in den nächsten Jahren ohne Nettoneuverschuldung auskommen würden.

Nein, Thüringen nicht. Das ist falsch.

Thüringen war bis vor Kurzem auch noch dabei. Inzwischen hat Thüringen zugegeben, dass das Quatsch ist. Sie werden natürlich eine Nettoneuverschuldung realisieren.

Herr Bullerjahn, Sie wissen genauso gut wie ich: Dass Mecklenburg-Vorpommern ohne Neuverschuldung auskommen wird, ist, wie es der Ministerpräsident immer so schön sagt, die barmherzige Lüge, die irgendwann in die harte Wahrheit umschlagen wird. Das ist in Mecklenburg-Vorpommern bereits terminiert, und zwar wird man im November 2009 nach der Steuerschätzung mit der Wahrheit herauskommen.

Selbst das, was jetzt dort aufgeschrieben wurde, konnte nur deshalb dargestellt werden, weil Rücklagen in Höhe von fast 500 Millionen €, die kreditfinanziert sind, in den Haushaltsplan 2010/2011 eingestellt worden sind. Also, die Aussage „Mecklenburg-Vorpommern ohne Neuverschuldung“ ist auch eine Form von Selbstbetrug.

Die Sachsen sind die Einzigen, von denen ich es nicht definitiv weiß. Aber wir wissen, dass außer SachsenAnhalt fast alle Länder gezwungen sein werden, eine Neuverschuldung aufzunehmen. Für den Bund haben Sie es selbst gesagt. Es handelt sich um eine strukturelle Krise, die nicht nur Sachsen-Anhalt betrifft.

Herr Gallert, das ist mir zu einfach. Es ist richtig, dass sich im Moment mehrere Dinge überlagern. Die konjunkturelle Frage, die vieles überlagert, muss man von dem abschichten, was in den Ländern in struktureller Hinsicht schief läuft. Die konjunkturelle Delle überlagert vieles. Das gab es noch nicht. Ein Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 6 % bedeutet einen Einnahmenverlust in Milliardenhöhe.

Aus bitterer Selbsterkenntnis will ich auch sagen, dass wir uns hinter diesen Problemen verstecken. Das machen Sie im Moment. Auch wenn wir und ich damals versucht haben, die Leute mit mehr Sozialpolitik im Land zu halten, sind sie aufgrund der fehlenden Arbeit dennoch weggegangen, egal was wir in den Kindergärten vorgehalten haben. Nichtsdestotrotz ist es richtig, dabei zu bleiben; denn es wird irgendwann wichtiger, als das bisher der Fall war.

Wenn man sich mit den Zahlen und Entwicklungen jahrelang beschäftigt, dann wird Folgendes klar - dazu stehe ich auch -: Wir, die öffentliche Hand, viele Private, viele Unternehmen leben über ihre Verhältnisse. Das, was im Privaten in Einklang gebracht werden muss, dass ich mit dem auskommen muss und die Ausgaben an das anpassen muss, was ich habe - das machen auch die Linken im Privaten; ich will mich dazu nicht weiter äußern -, muss auch für den Staat gelten.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Deswegen war ich überzeugt von der Schuldenbremse und bin es nach wie vor. Andere Länder, die das bereits über viele Jahre beherzigen, kommen ganz anders durch die Krise, weil sie Rücklagen in guten Zeiten gebildet haben - das haben wir viel zu wenig gemacht - und weil sie sich in guten Zeiten auch im Bereich des Personals anhand der Bedarfe entwickelt haben.

Wie kann man sagen, Herr Gallert, wir bräuchten mehr Personal, dann gäbe es die Probleme nicht, obwohl wir wissen, dass wir im Vergleich zu anderen Ländern in manchen Bereichen personell stark übersetzt sind? - In erster Linie sind Strukturfragen und inhaltliche Fragen, zum Beispiel im Bereich der Bildung, zu diskutieren. Hierbei weichen wir als Politik viel zu oft aus, weil wir glauben, dass wir das Problem mit mehr Geld irgendwie heilen oder übertünchen könnten.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

An dieser Stelle ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Schuldenbremse wird alle Parlamente und auch die Gesellschaft zwingen, sich mit diesen Themen in einem Maße zu beschäftigen, wie es bisher kaum einer geglaubt hat.

Wenn wir eine solche Trägerlandschaft zu 100 % fortführen wollen, dann müssen wir diese Kraft finden. Aber dann müssen wir auch sagen, an welcher anderen Stelle wir es wegnehmen. Es kann nicht sein, dass in der nächsten Woche einer von den Linken für die Kultur aufsteht, in der übernächsten Woche steht einer für den Straßenbau auf und dann danach schmeißt sich einer vor die Finanzämter und sagt, wie ihr das insgesamt hinbekommt, ist eure Sache, aber meine Sache ist es, für meine Klientel einzutreten. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Linken. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU - Herr Borgwardt; CDU: Genau!)

Frau von Angern, Sie haben das Wort.

Herr Minister, meine Frage bezieht sich auf den ersten Teil Ihrer Rede. Sie sagten, dass das, was in den letzten Tagen und Wochen im Sozialministerium abgelaufen sei, schlecht und Mist gewesen sei. Die Sprache in den Schreiben des Ministeriums sei falsch gewesen; die Stoßrichtung sei falsch gewesen. Gestern war aus dem Sozialministerium zu vernehmen, dass erneut ein Gespräch auf oberster Ebene stattgefunden hat, dass es erneut darum ging, dass die bereits in der Öffentlichkeit benannten Träger ab dem Jahr 2010 nicht mehr institutionell gefördert werden sollen und dass es erneut darum ging, eine Aufgabenverlagerung bei diesen Trägern vorzunehmen.

Ich frage Sie vor diesem Hintergrund, wie Sie das einschätzen. Wie schätzen Sie dieses Verfahren und die gestrigen Gespräche ein, die ohne die Träger stattgefunden haben? Subsumieren Sie dies auch unter Ihre Feststellung, dass es schlecht und Mist sei?

Ich frage Sie auch, ob Sie als Landesregierung, auch wenn der Haushaltsplan demnächst in den Landtag eingebracht werden wird, erneut darüber nachdenken - das haben die Koalitionsfraktionen in dieser Woche über die Presse nach außen getragen -, dass diese Träger ab 2010 weiterhin institutionell gefördert werden. Teilen Sie meine Auffassung, dass nunmehr der Landtag das Sagen in Bezug auf den Haushalt hat und dass das Sozialministerium durch dieses Verfahren nicht weiterhin für Unruhe bei den betroffenen Trägern sorgen sollte?

Erstens - das sage ich mit 20 Jahren Erfahrung -: Jetzt ist der Landtag noch nicht dran. Lassen Sie uns das Ding wenigstens drucken. Lassen Sie mich im Oktober wenigstens ein paar Worte zur Einbringung sagen. Wir haben schon einiges vorweggenommen. Ich überlege schon, ob ich beim nächsten Mal eine Redezeit von nur zehn Minuten in Anspruch nehmen sollte; aber dann kommt der Vorwurf, dass ich ein bisschen mehr hätte sagen können. In dem Moment, in dem der Entwurf des Haushaltsplans eingebracht worden ist, sind Sie Herr des Verfahrens. Sie könnten, wenn Sie ganz viele Vorschläge haben, alles auf den Kopf stellen. Aber ich warte erst einmal ab.

Ich habe gelesen, dass einige sagen, jetzt spart er das Land kaputt. Dazu sage ich: Leute, lasst die Kirche im Dorf. Dieser Vorschlag ist sehr ausgewogen, solide und

er lässt bei allen Trägern Entwicklungsmöglichkeiten zu. Es gibt auch andere, die sagen, wenn sie sich nur ein bisschen angestrengt hätten, dann hätten sie es ohne neue Schulden machen können.

(Herr Kosmehl, FDP: Ja!)

- Und weil Sie so schön ja sagen, Herr Kosmehl, bin ich auf Ihre Vorschläge gespannt.

(Herr Kosmehl, FDP: Das können Sie auch!)

Sie sind der Erste, der, wenn Frau Hüskens aufsteht und sagt, Bullerjahn, bewege dich mal ein bisschen, hier vorn steht und beim Thema Polizei die Tränen vergießt. Ich habe es mehrfach erlebt und werde es wieder erleben.

Ich warte auf Ihre Vorschläge. Ich sage Ihnen eines: Wenn Ihre Vorschläge so gut sind, Herr Kosmehl, wie ich sie erwarten kann, werden Sie mich an Ihrer Seite wissen. Aber legen Sie sie doch erst mal vor und suchen Sie sich eine parlamentarische Mehrheit. Aber bitte Vorschläge, die in sich stimmig sind, nicht in dem einen Ausschuss so und in dem nächsten Ausschuss so.

(Herr Kosmehl, FDP: Wir geben keine weißen Blätter ab!)

Frau Hüskens hält dann die große Rede und sagt: Der Staat muss sich zurücknehmen. Es muss mit weniger gehen. Das geht doch viel alles schneller.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Und Sie legen dann los. Ich habe mir die Protokolle des Sozialausschusses angeschaut; da saß auch Frau Dr. Hüskens dabei. Ich darf nicht aus dem Protokoll zitieren, deswegen muss ich jetzt abbrechen. Aber da waren keine Unterschiede zwischen LINKE, SPD, CDU und FDP zu erleben. Da hat Frau Dr. Hüskens Verfahrensvorschläge gemacht, wie man mit den Trägern in Zukunft auf satter Basis reden könnte, wenn der Finanzminister endlich solche Vorschläge machen würde, die in diesem Fall den Trägern das Leben erleichtern würden.

(Herr Wolpert, FDP: Dass man mit ihnen redet! Das haben Sie ja nicht gemacht!)

Ich weiß ja, dass Sie in der Fraktion Personalmangel haben. Deshalb müssen Sie manchmal in einer Person zwei Dinge erklären. Deswegen sage ich: Wenn Sie Vorschläge unterbreiten wollen, dass es auch mit weniger geht, dann halte ich das im Moment für nicht möglich; denn ich sage: Auch der Staat hat eine Verantwortung.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Ich glaube, dass das mit dem vorliegenden Vorschlag gut austariert ist. Alle anderen müssen für sich sehen. Sie sind Herr des Verfahrens.

Ich habe auch nicht gesagt, Frau von Angern, dass es im Sozialministerium in den letzten Wochen schlecht ging. Denn Frau Dr. Kuppe war eine derjenigen, die sehr viel mit mir geredet hat, wie auch das Ministerium, wie wir auch mit vielen Trägern geredet haben. Was richtig schlecht war, was Mist war: dass bis es zum Freitagnachmittag, wo eine Regierung im Gespräch ist - - Herr Scharf, ich verteidige diesen Entwurf und würde Sie bitten, darüber abzustimmen, wenn ich das könnte; aber ich kann es nicht. - Bis zum Freitag lief es gut und am Freitag kam es durch solche Briefe dazu, dass die Debatte auf den Kopf gestellt wird.

Deswegen habe ich bemerkt, dass in dieser Woche die Fraktionen darüber nachdenken, das Thema aufzugreifen und es weiter fortzuführen und fortzuentwickeln. Dabei wissen Sie mich an Ihrer Seite.

Es ist so, Frau von Angern: Mit diesem Entwurf der Landesregierung wird es trotzdem dazu kommen - - Denn Sie wissen, bei 85 % im Durchschnitt - wir reden, glaube ich, über vier Verbände von insgesamt 80 - wäre die Trägerlandschaft hier nicht am Ende. Es geht vielmehr darum, was man zusammenführen kann. Das muss man praktisch bewerten. Insofern teile ich die aus meiner Sicht überzogene Kritik nicht.

Es gab gestern übrigens kein Gespräch auf Leitungsebene. Ich habe das gestern schon auf dem Flur gehört. Es gab kein Gespräch, weder mit der Ministerin noch mit der Staatssekretärin und anderen. Es gab vorgestern Gespräche - ja, da ist völlig richtig gehandelt worden -, bei denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums den Entwurf der Landesregierung verteidigt haben. Das werde ich hier ebenfalls machen. Das war richtig von diesen Kolleginnen und Kollegen; denn sie haben am Ende das zu vertreten, was das Kabinett am Dienstag in Kenntnis der Vertitelung vorgeschlagen hat.

Diese Diskussion gibt es doch in allen Ressorts. Meinen Sie, dass der Kollege Daehre, Kollege Haseloff und andere nicht auch ähnliche Diskussionen mit ihren Verbänden haben, wo es vielleicht keine Trägerstruktur gibt. Sie müssen jetzt auch erklären, warum dieses oder jenes Projekt nicht realisiert wird.

Sie haben es gelesen. Da wird sich auch aus Ihren Reihen aufgeregt, warum eine bestimmte Baumaßnahme jetzt verschoben werden muss. Große Tränen überall, warum das jetzt auf einmal derart rigide vor sich geht.

Ich habe auch schon Kommentare in Zeitungen gelesen, in denen es der Kommentator fertig bekommen hat, im ersten Abschnitt des Kommentars einzufordern, die sollen endlich mal sparen, und im zweiten Abschnitt des Kommentars darauf hingewiesen hat, dass die Sozialstrukturen aber bitte außen vor bleiben sollten.

Ich merke also, diese öffentliche Debatte ist da. Ich will sie. Ich will sie aber vernünftig und ich will sie so haben, dass diejenigen, die sich melden, bitte immer mehr das große Ganze im Auge haben und die Diskussion nicht nur als Klienteldiskussion fortführen. Das wäre schade und führt nicht zur Lösung.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Dr. Hüskens hat noch eine Nachfrage. Bitte schön.

Nur damit wir eine klare Basis haben, auf deren Grundlage wir diskutieren. Ich habe das jetzt richtig verstanden, dass es im Sozialministerium nur noch um vier Stellen geht, die auf 85 % reduziert werden sollen, und nicht, wie ursprünglich in Ihren Kabinettsunterlagen steht, alle?