Protocol of the Session on September 3, 2009

Für mich besteht der Zwiespalt darin - den haben wir bei all den Punkten, die von allen Rednern angesprochen wurden -, dass wir - das steht auch in dem Brief der Präsidenten - als Landtag stärker in die Beratungen einbezogen werden wollen - das ist gut so -, dass wir mehr Zeit für die Mitberatung haben wollen und dass auch der Bundesrat mehr Zeit für die Mitberatung haben will und dass der Bundestag mehr Zeit für die Mitberatung haben will.

Wir haben jetzt schon - das beklagen wir alle immer wieder - eine Intransparenz und eine Langwierigkeit bei Entscheidungen, die ihresgleichen sucht. Das ist jetzt die Quadratur des Kreises, vor der wir stehen. Wir wollen uns einerseits mehr einbringen; wir wollen mehr Zeit und mehr Möglichkeiten haben. Das wollen andere Nationalstaaten und andere Regionalparlamente sicherlich auch. Aber wir kommen dann immer weiter davon weg, für die Bevölkerung und für die Betroffenen transparente und zeitnahe Entscheidungen auf EU-Ebene treffen zu können.

Wir hatten gerade heute mit Frau Kuppe und Herrn Fikentscher während des Mittagessens eine Diskussion zu diesem Thema. Dieser Widerspruch ist nicht auflösbar. Aber wir als deutsche Länder haben mit dem Maastrichter Vertrag und mit der Einführung des Ausschusses der Regionen schon dazu beigetragen, dass die Transparenz immer ein Stückchen weiter nachlässt. Wir finden es gut, dass wir uns einbringen können. Aber wir müssen damit in Kauf nehmen - dazu müssen wir auch stehen -, dass dann viele Verfahren länger dauern und auch intransparenter werden. Das ist aus meiner Sicht der Preis, den wir dafür bezahlen müssen.

Ich denke, wir können diesen Preis auch bezahlen, wenn wir als Landtag tatsächlich in der Lage sind - das geht wirklich weit über den Europaausschuss hinaus -, uns auch inhaltlich diesen Themen zu stellen und sie zu behandeln. Wir dürfen nicht einfach - aus welchen Gründen auch immer - sagen, das interessiert uns nicht, weil es vielleicht erst in fünf Jahren wirksam wird, weil wir jetzt gerade keine Zeit haben oder weil der Bundesrat ohnehin nicht auf das hört, was wir als Landtag dazu beschließen. Denn eines ist völlig klar: Die Bundesregierung unterliegt ebenso wenig einem imperativen Mandat des Bundestages wie die Landesregierung einem imperativen Mandat des Landtages unterliegt.

Insofern müssen wir sehen, wie man in den nächsten Jahren das Verfahren verbessert. Damit haben wir noch viel zu tun. Ich hoffe, dass wir Möglichkeiten für den Umgang mit diesen Dingen finden, um tatsächlich auch aus parlamentarischer Sicht auf europäische Belange Einfluss nehmen zu können. Ich hoffe, dass wir in großer Gemeinsamkeit mit allen Fraktionen auch auf einem guten Weg voranschreiten können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Tögel. - Herr Kosmehl wollte eine Frage stellen.

Herr Präsident, es ist keine Frage. Ich wollte nur als Zwischenintervention eine Feststellung machen. - Kollege Tögel hat am Anfang seiner Rede ein bisschen den Eindruck erweckt, die FDP hätte die Aktuelle Debatte nicht fristgerecht eingereicht.

Das habe ich nicht.

Sie sagten, dass Sie zu wenig Zeit gehabt hätten. - Ich glaube, unsere Geschäftsordnung sieht Dienstagmittag, 12 Uhr vor. Zu dem Zeitpunkt lag sie auch ordnungsgemäß vor. Mehr noch: Ich habe als Vertreter der FDP nach den Ausführungen des Herrn Staatsministers am Rande der Sitzung des Europaausschusses darauf hingewiesen, dass wir uns mit diesem Thema im Landtag beschäftigen. Ich glaube, Sie hatten genügend Zeit, um sich darauf vorzubereiten.

Herr Kosmehl, da haben Sie mich völlig falsch verstanden. Ich habe nicht gesagt, dass wir das nicht lange genug gewusst hätten. Ich habe schon gar nicht gesagt,

dass es nicht geschäftsordnungsgemäß sei. Ich fand es sehr nett, dass Sie das am Rande der Sitzung des Europaausschusses angekündigt hatten.

Für mich war bloß der Punkt, dass ich nicht genau wusste, in welche Richtung es geht. Das haben wir erst am Dienstagnachmittag mitbekommen. Ich hatte eben ein bisschen Schwierigkeiten damit, zu erkennen, was die Zielrichtung Ihres Antrags auf eine Aktuelle Debatte ist. Es war natürlich geschäftsordnungsgemäß. Ich habe bei der FDP auch keinen Zweifel daran, dass das immer funktioniert.

Vielen Dank. - Damit ist die Debatte zu diesem Thema abgeschlossen. Das zweite Thema wird bekanntermaßen morgen behandelt. Ich unterbreche deshalb den Tagesordnungspunkt 1.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Gemeinsame Leitlinien der Länder zur Deckung des Lehrkräftebedarfs - Vereinbarung der 326. Plenartagung der Kultusministerkonferenz am 18. Juni 2009 in Berlin

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2154

Ich bitte Herrn Höhn, die Einbringung vorzunehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Lehrkräftebedarf beschäftigt dieses Haus in der Tat nicht zum ersten Mal. Allerdings haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Kultusminister der Länder sich am 18. Juni 2009 zu diesem Thema verständigt und auch Vereinbarungen getroffen haben. Zudem stehen wir - das wissen Sie - unmittelbar vor wichtigen Haushaltsberatungen. Deswegen haben wir uns entschieden, dieses Thema heute noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen.

Ich will mit dem beginnen, was hinsichtlich des Lehrkräftebedarfs in diesem Hohen Hause Konsens zwischen den Fraktionen ist. Das möchte ich gern zitieren:

„Sachsen-Anhalt wird aller Voraussicht nach spätestens ab 2012 erhebliche Schwierigkeiten bekommen, die erforderliche Zahl an Lehrern einzustellen. Nach Einschätzung des Präsidenten des Landesinstitutes für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung von SachsenAnhalt werden bundesweit jährlich ca. 26 000 Lehrerstellen zu besetzen sein. Allein in Sachsen-Anhalt sind dies ab 2012 jährlich 800 Stellen. Dem steht bundesweit eine Zahl von lediglich 21 000 Lehramtsabsolventen gegenüber.

Es ist daher zu erwarten, dass auf das Land Sachsen-Anhalt in diesem Bereich ein erhöhter Konkurrenzdruck zukommen wird. Will man dieser Konkurrenzsituation gewachsen sein, müssen gerade für qualifizierte Absolventen dringend Anreize geboten werden, nach dem Studium und dem Referendariat in Sachsen-Anhalt zu bleiben.“

Das ist die gemeinsame Empfehlung aller Fraktionen im zweiten Zwischenbericht der Enquetekommission, den der Landtag am 8. April 2009 zur Kenntnis genommen hat. Dort heißt es wenige Zeilen später:

„Der sich abzeichnende gravierende Lehrermangel in Sachsen-Anhalt kann nur abgemildert werden, wenn eine bedarfsgerechte Anpassung des Einstellungskorridors erfolgt und im Vorfeld die Kapazität der staatlichen Seminare deutlich aufgestockt wird.“

Das ist der Konsens in diesem Haus. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die Realität der handelnden Politik aussieht. Vorsorgende Personalpolitik - darum geht es in der Enquetekommission nach meinem Verständnis - ist eine, wenn nicht sogar d i e zentrale Herausforderung für Sachsen-Anhalt für die nächsten Jahre.

(Beifall bei der LINKEN)

Allerdings müssen wir auch konstatieren, dass die Entscheidungen der Landesregierung und auch die haushalterischen Festlegungen, die wir als Landtag in den letzten Jahren dazu getroffen haben, diese Problematik nur in einer völlig unzureichenden Art und Weise abbilden.

Das, was wir erleben, ist, dass man angesichts der Herausforderungen, die ich eben zitiert habe, im Wesentlichen den Kopf in den Sand steckt und die Probleme in die Zukunft verlagert, eine Zukunft, von der nun alle - sicherlich zu Recht - behaupten, dass der Handlungsspielraum noch deutlich kleiner sein wird, als er es im Moment ist. Aus meiner Sicht sieht Generationengerechtigkeit anders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie uns einmal einen Blick in andere Bundesländer werfen, um zu sehen, wie dort mit dem beschriebenen Problem umgegangen wird. Ich habe mich dafür entschieden, einen Blick nach Nordrhein-Westfalen zu werfen. Nach meinem Kenntnisstand wird das Land von einer schwarz-gelben Koalition regiert. DIE LINKE wird dort erst ab dem nächsten Jahr im Landtag vertreten sein.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der FDP - Herr Scharf, CDU: Hochmut kommt vor dem Fall!)

- Es versetzt Sie doch in Aufregung. Das nehme ich zur Kenntnis und freue mich darüber, meine Damen und Herren.

(Frau Feußner, CDU: Das war nur Vorfreude!)

Über Nordrhein-Westfalen habe ich in diesen Tagen Folgendes gefunden:

„Nachdem bereits zum 1. Februar“

- die Rede ist von 2009 -

„2 889 Lehrkräfte eingestellt worden waren, kommen mit Stand von letzter Woche“

- diese Meldung ist vom 20. August 2009, also relativ neu -

„noch einmal 4 711 neue Lehrerinnen und Lehrer hinzu, die ihren Dienst zum Start des Schuljahres aufnehmen. Insgesamt sind somit in diesem Jahr bereits rund 7 600 neue Lehrerinnen und Lehrer in den Schuldienst eingestellt worden.

Die Ausschreibungsverfahren laufen noch. Es ist damit zu rechnen, dass ein Teil dieser Stellen nicht sofort und dem Fachbedarf entsprechend besetzt werden kann. Insgesamt ist für das kommende Halbjahr landesweit mit rund 800 unbesetzten Lehrerstellen zu rechnen.“

Meine Damen und Herren! Das ist die Situation, der wir uns bundesweit zu stellen haben. Dieser Konkurrenzkampf hat längs begonnen und Sachsen-Anhalt ist darauf nicht vorbereitet.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Maßnahmenkatalog, der dort vereinbart worden ist, geht weit darüber hinaus. Ich möchte diese Dinge einmal aufzählen: Ausweitung der Anzahl der Plätze im Vorbereitungsdienst um 2 500 - auf dieses Thema gehe ich noch ein -, die Möglichkeit der vorzeitigen verbindlichen Einstellungszusage, auch Frühbuchersystem genannt, die Einführung von zwei Einstellungsterminen in den Vorbereitungsdienst, die Erweiterung der Möglichkeiten zur Einstellung von Seiteneinsteigern, die Einstellung von Universitätsabsolventen mit nur einem Fach, die Einrichtung von Zertifikationskursen, um bereits ausgebildete Lehrkräfte für ein Mangelfach zu qualifizieren, die Einführung des Sprintstudiums für Mangelfächer, die Einstellung von Muttersprachlern sowie die Einstellung von Theologen mit entsprechender Qualifizierung als Religions- und Lateinlehrer.

Ich führe das nicht aus, weil ich jede einzelne dieser Maßnahmen aus meiner Sicht als fachpolitisch geboten betrachte. Ich führe dies aus, um deutlich zu machen, wie aktiv sich einige Länder verhalten und wie inaktiv sich Sachsen-Anhalt im Gegensatz dazu verhält.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun haben sich - das habe ich eingangs erwähnt - die Kultusminister am 18. Juni 2009 auf ihrer 326. Plenartagung - das nenne ich Tradition - auf gemeinsame Leitlinien zur Deckung des Lehrkräftebedarfs verständigt. Darin wurde eine gemeinsame Strategie zur Bereitstellung der erforderlichen Studienplätze sowie der notwendigen Kapazitäten im Vorbereitungsdienst vereinbart. Ich will nicht auf alle, aber auf einige der Punkte, die dort erwähnt sind, eingehen.

Zunächst zu dem Punkt der Modellrechnung für den Zeitraum von 2010 bis 2020, die nun erarbeitet werden soll. Meine Damen und Herren! Das ist etwas, das wir aus Sachsen-Anhalt leider kennen und das symptomatisch für das Problem ist, wie mit der Frage des Lehrkräftebedarfs umgegangen wird. Wer sich im Jahr 2009 vornimmt, den Bedarf ab dem Jahr 2010 zu berechnen, der kommt ein ganzes Stück zu spät, meine Damen und Herren.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Als ob wir das erst jetzt gemacht hätten!)

- Wenn Sie es schon längst gemacht hätten, dann hätten Sie nicht vereinbaren müssen, dass Sie es jetzt vorlegen, Herr Olbertz. Dann ist diese Vereinbarung schon längst wieder überholt.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Es war von Sach- sen-Anhalt die Rede und nicht von der KMK! Für Sachsen-Anhalt haben wir schon mehrfach im Ausschuss über diese Zeiten gesprochen! - Zuru- fe von Herrn Miesterfeldt, SPD, und von Frau Feußner, CDU)