Protocol of the Session on September 3, 2009

Wir müssen dieses Binnenverhältnis jedoch nach der Änderung des Begleitgesetzes und der Verabschiedung des Lissabon-Vertrages überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen an die neue Rechtslage entwickeln.

Wir sind sehr daran interessiert und wirken dabei auch gerne mit, wenn entsprechend der Rechtslage auf Bundesebene auch eine Überprüfung unserer Rolle als Landtag ansteht. An der Stärkung der Parlamente, vorrangig der nationalen Parlamente, wollen wir über die Binnenregelung im Land partizipieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von der Überprüfung des Mitwirkungsverfahrens und unserer Mitwirkungsrechte bleibt jedoch die Frage der europäischen Regelungsinhalte strikt zu trennen.

(Herr Tullner, CDU: Ja! Das ist richtig!)

Die CDU wird bei den Inhalten weiterhin die Bewertung am Grundsatz der Subsidiarität ausrichten.

(Herr Tullner, CDU: Ja!)

Wir sind bereit, der Europäischen Union Kompetenzen dort zu geben, wo die nationale Ebene allein zu klein ist, zum Beispiel im Bereich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Was jedoch vor Ort, auf Landesebene oder auf kommunaler Ebene, erledigt werden kann,

muss auch weiterhin hier bei uns vor Ort erledigt werden.

(Herr Tögel, SPD: Eben!)

Meine Damen und Herren! Supranationale Politik hat zunehmend das Problem eines Defizits an demokratischer Legitimation. Das hat das Bundesverfassungsgericht so formuliert und festgestellt, dass dieses Defizit durch das Europäische Parlament nicht vollständig kompensiert werden wird.

(Herr Bergmann, SPD: Richtig!)

Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag und dem Bundesrat zusätzliche Rechte zuerkannt und hat uns gleichzeitig an unsere Rechte und Pflichten erinnert. Auch darauf gingen meine Vorredner ein. Wir sind verpflichtet, uns mehr denn je mit den europäischen Themen zu befassen, durch Beschlüsse zu handeln und schleichende Kompetenzverlagerungsprozesse nicht einfach laufen zu lassen.

Es gibt jede Menge guter Gründe für das Handeln der Europäischen Union und es gibt unstreitige Kompetenzen der Europäischen Union. Es gibt aber auch Fälle, bezüglich deren man sich sehr wohl fragen kann, was eine Angelegenheit der Europäischen Union ist und was nicht.

Am Ende meiner Rede, meine Damen und Herren, möchte ich noch anmerken, dass wir eine gerichtsfeste Umsetzung des Lissabon-Urteils brauchen. Wir würden uns einen Bärendienst erweisen, wenn wir nicht das umsetzten, was das Urteil fordert.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Klar!)

Dann wäre die nächste Klage vorprogrammiert und das Begleitgesetz würde wieder gekippt.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ja!)

Das kann schon gar nicht in unserem Interesse sein; insoweit ist Berlin ebenfalls in der Pflicht.

Für Sachsen-Anhalt gehe ich davon aus, dass unser Land am großen Haus Europa weiter verantwortungsvoll und konstruktiv mitarbeiten wird und dass wir als Landtag uns daran aktiv beteiligen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich die Entschließung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente vom 20. August begrüßen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Borgwardt. - Nun erteile ich für die Fraktion DIE LINKE Herrn Czeke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen sagen: Auch wir sind

(Herr Borgwardt, CDU: Für den Lissabon-Vertrag! Schön!)

Ihnen sehr dankbar dafür,

(Herr Borgwardt, CDU: Na, das ist ja wunderbar!)

dass wir über dieses eigentliche Bundesthema hier und heute in diesem Hohen Hause diskutieren können.

(Frau Feußner, CDU: Sehr gern!)

Es ist außerordentlich erfreulich, dass ein Thema, bei dem es um die Europäische Union geht, heute wieder auf der Tagesordnung steht. Das ist umso erfreulicher, als die von der FDP gewählte Aktuelle Debatte zum Thema „Bundesverfassungsgerichtsurteil zum LissabonVertrag“ erst aufgrund einer Klage unserer Bundestagsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht möglich geworden ist.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Borg- wardt, CDU - Frau Dr. Hüskens, FDP: Was?)

Nun dazu, warum die geschätzten Freien Demokraten dazu debattieren wollen. Auch der Staatsminister hat es angesprochen. Herr Robra, es ist Ihnen als Exekutive unbenommen, uns im Ausschuss bzw. dieses Hohe Haus zu unterrichten. Das bedarf keines Antrages, auch keiner Aktuellen Debatte, aber wir freuen uns darüber.

Die Einigkeit der drei Parteien der „neuen Mitte“ dieses Hauses ist doch perfekt. Nun gut, dann muss ich eben etwas Farbe ins Spiel bringen.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Gut! - Frau Weiß, CDU: Das waren wir schon immer, eine neue Mitte!)

Mit dieser Aktuellen Debatte ist das - ich gebe es zu - äußerst komplizierte Thema Lissabon-Vertrag - weil sehr juristisch verklausuliert - und seine Auswirkungen auf die Demokratie und die Bürgerinnen noch einmal in der Öffentlichkeit, nachdem viele Jahre dazu hinter mehr oder weniger verschlossenen Türen verhandelt wurde.

In den Nationen, in denen ein Referendum ermöglicht wurde, hat die Bevölkerung mit Nein gestimmt. Frankreich hat sogar seine Verfassung geändert, um dies zukünftig ausschließen zu können.

Die Bundestagsfraktion der LINKEN konnte sich mit Ihrer Klage gegen den Lissabon-Vertrag nicht durchsetzen; das müssen wir feststellen.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Die Einigkeit, Herr Kollege Borgwardt, dass nur die LINKEN dagegen sind, konnten wir gestern nicht attestieren.

Auch die beiden Kollegen der CSU haben - man höre und staune - dem einen oder anderen Änderungsantrag selbst der LINKEN ihre Zustimmung erteilt. Auch das ist Demokratie.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Die dazu gehörigen Begleitgesetze sind in Karlsruhe jedoch durchgefallen. Das heißt, das Gericht hat in Übereinstimmung mit den Klägern ein demokratisches Defizit festgestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat das von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen verabschiedete Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag in Teilen als grundgesetzwidrig beurteilt. Die Mitbestimmung von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten ist demnach missachtet worden.

Ich erinnere daran: Wir hatten einen Antrag zum Thema „Europatauglichkeit der Landtage verbessern“ in diesem Hohen Hause initiiert. Was damit passiert ist, wissen wir allzu gut.

Zu diesem Urteil - das ist ja eigentlich Thema dieser Aktuellen Debatte - gibt es nichts zu diskutieren, weil das Bundesverfassungsgericht das höchste Gericht ist.

Fraktionsübergreifend wurde dann aber auch gleich begrüßt, dass die zuvor von der Bundestagsmehrheit be

schlossene Entparlamentarisierung so nicht funktioniere. Zu diskutieren ist also eher über die nun von den vier Bundestagsparteien in trauter Einigkeit vorgelegte überarbeitete Fassung des Begleitgesetzes.

Das Gesetz heißt jetzt „Integrationsverantwortungsgesetz“; die Vorredner gingen bereits darauf ein. Es wurde von den Gescholtenen innerhalb von drei Wochen entworfen. Doch so schnell!

Die Vorgaben des Gerichts sind dabei in mehreren Gesetzen nur teilweise und unserer Auffassung nach halbherzig aufgegriffen worden, weshalb wir auch diese neue Version der Begleitgesetze ablehnen.

Wir als Fraktion haben einen eigenen Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht. Dieser ist zwar in den Ausschuss überwiesen worden, aber das war es dann auch. Diesen Gesetzentwurf hätte man in Ruhe - zur Sache: es geht um das Grundgesetz und um die Grundrechte - beraten können. Aber die „furchtlosen Vier“ haben sich für die schnelle Antwort entschieden,

(Heiterkeit und Zustimmung bei der LINKEN - Herr Dr. Eckert, DIE LINKE: Ja! Genau! - Zurufe von der FDP - Frau Feußner, CDU: Ha, ha, ha! - Herr Borgwardt, CDU: Die Grünen haben aber mitgestimmt!)

nicht wegen des 27. September, des Datums der Bundestagswahl,

(Zustimmung von Herrn Dr. Eckert, DIE LINKE)

sondern wegen des zweiten Referendums in Irland,