Protocol of the Session on September 3, 2009

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit - Drs. 5/2151

Eine Debatte war dazu nicht vorgesehen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Wir stimmen über die Drs. 5/2163 ab. Wer dieser Drucksache zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist dieser Drucksache zugestimmt worden und Tagesordnungspunkt 15 ist beendet.

Ich schlage Ihnen vor, jetzt in die Mittagspause einzutreten. Da wir gut in der Zeit liegen, schlage ich vor, die Sitzung um 13 Uhr fortzusetzen.

Unterbrechung: 11.42 Uhr.

Wiederbeginn: 13.02 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Beratungen fort und ich rufe, wie es heute Morgen vereinbart worden ist, den Tagesordnungspunkt 1 auf.

Aktuelle Debatte

Ich rufe das erste Thema auf:

Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Lissabon-Vertrag

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/2164

Sie kennen die Regeln: zehn Minuten Redezeit usw. Ich bitte zunächst Herrn Kosmehl, für die FDP-Fraktion als Antragstellerin das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Ich hoffe, dass die Leere des Raumes nicht zu bedeuten hat, dass das Thema nicht interessiert, sondern allenfalls, dass sich einige auf 13.30 Uhr eingestellt hatten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst beim Hohen Haus dafür bedanken, dass es möglich war, die Tagesordnung noch umzustellen, sodass ich die Gelegenheit habe, die Einführung in diese Aktuelle Debatte selbst vorzutragen. Ich bedauere natürlich außerordentlich, dass auf diese Verschiebung auf die Zeit nach der Mittagspause eine gewisse Leere im Raum zurückzuführen ist. Vielleicht hätte es zu Beginn unseres heutigen Sitzungstages eine noch größere Beteiligung gegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 30. Juni 2009 hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag zumindest einen vorläufigen Schlussstrich gezogen. Der Lissabon-Vertrag ist verfassungsgemäß. Das ist die positive Botschaft aus Karlsruhe. Es ist das Signal, dass die europäische Integration und die Weiterentwicklung der Europäischen Union durch den Vertrag von Lissabon auch im Lichte des Grundgesetzes fortschreiten darf.

Solange I, Solange II, Maastricht und Bananenmarktordnung waren wegweisende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche die Position Deutschlands in Europa, das Verhältnis zwischen dem nationalen Verfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof und die politische Entwicklung Europas von der Wirtschaftsgemeinschaft zur Union zum Inhalt hatten.

Mit der Entscheidung zum Lissabon-Vertrag zeigt das Bundesverfassungsgericht neue Aspekte auf, findet deutliche - einigen vielleicht zu weit gehende - Worte zu Fragen der staatsorganisatorischen Ausgestaltung Europas, zu Fragen der Grenzen und der Wirkungen des Grundgesetzes bei Änderungen der Verträge über die Europäische Union und aus der Sicht der Parlamentarier und Föderalisten auch zu Fragen der Mitwirkungsrechte und -pflichten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion nimmt dies zum Anlass für die Aktuelle Debatte am heutigen Tage. Dazu kommt, dass der Zeitplan nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis zur Neuverabschiedung des Begleitgesetzes - denn dieses ist vom Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar erklärt worden - sehr kurz ausgestaltet wurde.

Die große Koalition in Berlin, aber, denke ich, auch die Länder haben sich zum Ziel gesetzt, vor dem Ende der Legislaturperiode des Deutschen Bundestages eine Verabschiedung der Gesetze herbeizuführen und damit den Weg frei zu machen, damit auch Deutschland als einer von vier Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die die Ratifikation noch nicht abgeschlossen und noch keine Urkunde hinterlegt haben, die Ratifikation des LissabonVertrages auf den Weg bringen kann.

(Herr Gürth, CDU: Ganz wichtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 18. September soll der Bundesrat mit seiner Beschlussfassung einen Schlusspunkt setzen.

(Herr Gürth, CDU: Richtig!)

Deshalb hat das Parlament keine Chance, im Wege der Information durch die Landesregierung, durch Beratungen in den Ausschüssen, rechtzeitig noch in einer Ausschussberatung - dann natürlich auch ausführlicher - auf die Fragen des Begleitgesetzes einzugehen. Wir meinen: Die Aktuelle Debatte ist daher notwendig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Worte zu dem großen Abschnitt im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sagen. Es gibt 421 Randnummern in den Gründen. Mehr als 400 davon beschäftigen sich einzig und allein mit der Ausgestaltung der Europäischen Union, dem Zusammenhang von nationalem und europäischem Verfassungsrecht, mit Fragen der Wahlen und des Demokratiestandes in Europa.

Das sind alles Dinge, meine sehr geehrten Damen und Herren, die für den Landtag von Sachsen-Anhalt zwar von Interesse, aber für unser politisches Handeln nicht von großer Bedeutung sind. Damit sollen und werden sich Juristen - wahrscheinlich auch der nächsten Generationen - auseinandersetzen. Genügend Stoff dazu ist vorhanden.

Was das Bundesverfassungsgericht aber festgestellt hat, ist, dass das mit der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages einhergehende Begleitgesetz nicht den Anforderungen unseres Grundgesetzes hinsichtlich der Mitwirkung der parlamentarischen Demokratie an Änderungen der Grundlagen der Europäischen Union entspricht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Teil umfasst nur 14 Randnummern und wird sicherlich auch noch einigen Diskussionsstoff ergeben, wie wir bereits in den letzten Wochen erkennen konnten, als Bundesländer mit den Fraktionen im Bundestag darüber zu streiten versucht haben, wie denn diese Mitwirkungsrechte, insbesondere aus unserer Sicht und natürlich aus der des Bundesrates, ausgestaltet werden sollen. Gibt es eine in allen Bereichen gleichgesetzte Mitwirkung, die dem Deutschen Bundestag obliegen soll, oder müssen die Länder wirklich Abstriche hinnehmen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus der Sicht der FDP-Fraktion können wir mit dem jetzt im Deutschen Bundestag vorgelegten Gesetzentwurf, eingebracht von den Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, sehr gut leben. Wir haben tatsächlich eine Stärkung der Mitwirkungsrechte.

Aus diesen Mitwirkungsrechten ergeben sich aber auch Mitwirkungspflichten. Der Bundestag und der Bundesrat können eben nicht schweigen, sie müssen sich aktiv einbringen. Auch das ist ein klarer Handlungsauftrag.

Das heißt im Umkehrschluss - ich will das an dieser Stelle etwas zugespitzt sagen -, dass das Bundesverfassungsgericht das ausdrücklich sagt, damit sich die Parlamentarier nicht durch Schweigen ihren Aufgaben entziehen können. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch richtig.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa ist weit - und doch so nah. Jeder von uns als Abgeordneter, aber auch die Bürgerinnen und Bürger sollten sich zukünftig noch stärker mit den Entscheidungen befassen, die in Brüssel vorbereitet und getroffen werden. Früher oder später werden wir als Landtagsabgeordnete mit den Wirkungen oder vielleicht besser: mit den Auswirkungen umzugehen haben und sie umzusetzen haben. Hierbei, glaube ich, haben wir als Landtag eine Verant

wortung, der wir in Zukunft besser gerecht werden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Dies ist nicht nur die Aufgabe des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien. Er kann, er soll die Speerspitze sein.

(Herr Gürth, CDU: Speerspitze? Nicht so militä- risch hier!)

Aber nur der ganze Speer, Herr Gürth, fliegt und trifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, haben der Landtag von Sachsen-Anhalt und die Landesregierung im Jahr 2005 in Ausgestaltung der Landesverfassung die Landtagsinformationsvereinbarung beschlossen. Die Landtagsinformationsvereinbarung ist eine gute Grundlage. Sie bedarf aus der Sicht der FDP-Fraktion im Hinblick auf das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts einer Vertiefung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat auf der Grundlage des Grundgesetzes und der darin verankerten Staatsorganisation die Mitwirkung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates bei Veränderungen der EU-Verträge angemahnt und eine bessere Verankerung und Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte und -pflichten zur Bedingung für die Ratifikation gemacht.

Dies ist aus der Sicht eines Bundestagsabgeordneten eine deutliche Verbesserung seiner Rechte gegenüber der Exekutive. Auch dem Föderalismus wird Rechnung getragen, weil der Bundesrat als Mitwirkungsorgan der Länder eine Aufwertung erhält.

Wer aber fehlt? - Richtig: Der andere Gesetzgeber fehlt, nämlich der Landtag. Der Bundesrat hat die zwingenden Mitwirkungsrechte nur - ich zitiere -, „soweit die Regelungen über die Gesetzgebung dies erfordern“, festgeschrieben. Mit anderen Worten: Nur wenn die Regelung in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt und damit in die Gesetzgebungskompetenz des Landtages, hat der Bundesrat ein Mitspracherecht.

Wir als Landtag müssen unsere Mitwirkung einfordern. Es geht um unsere Gesetzgebungskompetenz, um die Bereiche, die zuallererst die Menschen vor Ort betreffen. Es geht um Gesetzgebungskompetenzen, für die wir politisch verantwortlich sind und für deren Umsetzung oder Nichtumsetzung die Menschen uns und nicht Berlin oder Brüssel ein Mandat gegeben haben.

(Beifall bei der FDP - Herr Tullner, CDU: Sehr richtig!)

Deshalb benötigen wir eine Mitwirkung. Diese liegt nicht unmittelbar im Gesetzgebungsverfahren. Unsere Mitwirkung liegt in der Information durch die Stellen, die mit europäischen Rechtsakten befasst sind.

Deshalb sollten wir überlegen, wie wir die Landtagsinformationsvereinbarung mit der Landesregierung verbessern können und auch in der Zuordnung der Informationen praktikabler gestalten können. Auf der Grundlage der Informationen kann der Landtag, wenn auch nicht rechtlich bindend, seine Auffassung der Landesregierung für deren Mitwirkung im Bundesrat mitteilen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum geht es, wenn wir auf die Zeit nach dem Lissabon-Urteil

schauen: Wie können wir uns als Landtag von SachsenAnhalt einbringen? Wie können wir mitwirken? - Dafür bedarf es aus der Sicht der FDP-Fraktion der Informationen und des Willens. Deshalb appelliere ich an dieser Stelle noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen und jeden einzelnen Abgeordneten in diesem Hohen Hause, an der Mitwirkung des Landtages teilzuhaben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Bevor wir die Beiträge der anderen Fraktionen hören, erteile ich Staatsminister Robra das Wort. Zugleich habe ich die Freude, Damen und Herren des SPD-Ortsvereins Dessau-Ziebigk auf der Südtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte, Herr Staatsminister.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst den Antragstellern, werter Herr Kosmehl, dafür danken, dass sie das Thema in Form einer Aktuellen Debatte auf die Tagesordnung gesetzt haben. Das gibt uns gemeinsam die Möglichkeit, über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 und die daraus resultierende Überarbeitung der Beleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon zu diskutieren, bevor das Thema in diesem Monat abschließend im Bundestag und im Bundesrat behandelt wird.