Protocol of the Session on September 14, 2006

Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, immer wieder betonen, die heutige Generation müsse zugunsten der künftigen mehr Opfer in Form höherer Steuersätze erbrin

gen, so mag dies der Ausdruck einer respektablen hausväterlichen Moral sein, für die Bewältigung unserer Zukunftsprobleme liefern Sie damit aber das falsche Konzept.

Es geht doch gar nicht darum, dass die heutige Generation die eine oder andere Urlaubsreise nach Mallorca weniger macht oder auf das abendliche Bier oder eine Packung Zigaretten verzichtet, wenn alles durch die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte teurer wird. Es geht stattdessen darum, dass wir den Menschen nicht das selbst verdiente Einkommen wegnehmen dürfen, das sie brauchen, um ihre Familien zu versorgen, um ihre Kinder zu erziehen und sie in Schulen oder Hochschulen zu schicken

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

und um etwas, Frau Budde, für die Alters- und Gesundheitsversorgung beiseite zu legen - kurz, um persönlich in die Zukunft zu investieren. Denn die Menschen können dies auch selbst, ohne Bevormundung - -

Hoch verehrter Herr Professor, wir haben Ihnen freundlicherweise schon sieben Minuten zusätzliche Redezeit zugestanden. Jetzt sind wir schon wieder anderthalb Minuten darüber. Vielleicht kriegen Sie jetzt die Kurve. Herzlichen Dank.

Herr Präsident, ich habe bei dem Einwurf, den Herr Scharf vorhin gemacht hat, auf eine Replik verzichtet. Die habe ich in meine Rede eingebaut. Ich bitte um Verständnis, dass ich dafür mit Ihrer Erlaubnis noch leicht überziehe.

Ich bitte trotzdem darum, zum Schluss zu kommen.

Sie können ganz beruhigt sein. Ich komme gleich zum Ende.

(Heiterkeit)

Kurz: Es geht darum, dass die Menschen persönlich in die Zukunft investieren können, denn die Menschen können dies auch selbst und sie können dies ohne Bevormundung des Staates. Gerade das motiviert die Menschen zu Leistung und zu selbstverantwortlichem Handeln.

Meine Damen und Herren! Die Lösung unserer Probleme besteht eben nicht darin, dass wir die Lasten zwischen den Generationen umverteilen, sondern die Lösung besteht darin, dass wir die Staatsquote in unserem Land senken, dass wir den Anteil der erwirtschafteten volkswirtschaftlichen Ressourcen, den der Staat für seine Aufgaben beansprucht, reduzieren. Die Staatsverschuldung ist ein Thema, aber das Hauptthema ist das Ausmaß an staatlicher Aktivität. Das müssen wir senken. Das ist unser liberales Programm. Davon ist bei diesem Haushalt und auch bei der Politik der Bundesregierung nichts zu sehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Professor, für Ihren Beitrag. Nachfragen sehe ich nicht. - Ich erteile jetzt der Vorsitzenden der SPD-Fraktion Katrin Budde das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht so richtig, wo ich anfangen soll; denn nach den beiden Beiträgen der Oppositionsfraktionen brauchte ich wahrscheinlich eine Stunde. Aber ich versuche es einmal.

Herr Paqué, geht man nach der reinen Lehre der Volkswirtschaft, ist die Aufstellung und Konsolidierung von öffentlichen Haushalten ja denkbar einfach. Dabei werden Sie mir sicherlich noch zustimmen. Danach besteht das Rezept für eine erfolgreiche Haushaltspolitik aus folgenden Zutaten: sparsamer Einsatz der Haushaltsmittel, Senkung der konsumtiven Ausgaben und Erhöhung der Investitionsquote. Was aber so abstrakt formuliert sehr einfach ist - ich habe auf vielen Podiumsdiskussionen mit Volkswirten gesessen - und so einleuchtend klingt, erweist sich meist doch als sehr viel komplizierter, wenn man versucht, es in reale Politik umzusetzen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Fikentscher, SPD)

Herr Kollege Paqué, Sie werden aus eigenem Erleben sicherlich gern bestätigen, dass es relativ schwer ist, aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaften herabzusteigen und zu versuchen, seine Modelle unter realen Bedingungen zu testen.

(Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Bullerjahn)

Bekanntermaßen hatten Sie damit in der wirklichen Welt nicht unbedingt den großen Erfolg. Der Haushalt ist eben kein Schachbrett für Wissenschaftler, sondern es gehört mehr dazu.

Wenn ich mir das im Hinblick auf Ihre Rede überlege, dann komme ich zu dem Schluss, dass es mit Ihnen in der Opposition nicht wirklich besser geworden ist. Sie haben gesagt: Jede Chance zur Konsolidierung muss genutzt werden. Das war ein großer Aufschlag. Weiterhin sagten Sie, die Investitionsquote und die kommunalen Finanzzuweisungen sollten nicht gesenkt werden. Von der FDP gab es zudem die Forderung nach einem kostenlosen letzten Jahr im Kindergarten und nach mehr Investitionen in die Bildung.

Sie haben noch weniger Antworten als die PDS gegeben. Ich bin schon dankbar dafür, dass die PDS offen gesagt hat, dass sie eine höhere Neuverschuldung möchte. Sie ist wenigstens ehrlich. Aber von Ihnen habe ich gar keine Antwort bekommen.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungs- bank)

Auf den Personalabbau gehe ich ein, wenn ich nachher noch Zeit dafür habe. Damit will ich meine Redezeit jetzt nicht verquasen.

Für uns als SPD-Fraktion und als Regierungspartner heißt es, mit der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs politische Verantwortung für die Gestaltung des Landes Sachsen-Anhalt zu übernehmen. Dieser Verantwortung sind wir uns vollkommen bewusst.

Wir wollen dies, meine Damen und Herren von der PDS, jedoch nicht tun, indem wir die Angst, die immer wieder beschworen wird und die in vielen Familien vorhanden ist, wie ein Schild vor uns hertragen. Denn die gleichen Menschen, die Angst vor der Zukunft haben, erwarten von uns, dass wir ihnen positive Antworten für die Zukunft geben und nicht auch noch über Angst reden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Wir wissen sehr wohl, dass hinter jeder Zahl in diesem Haushalt Maßnahmen, Vereine, Menschen, Arbeitsplätze und oft auch ganz persönliche Schicksale stehen. Jeder Euro, um den eine Haushaltsstelle geändert wird, betrifft eben die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Das gilt für die Mittel zur Unterstützung von Vereinen ebenso wie für den Etat der Polizei oder die Mittel für den Stadtumbau sowie Investitionsmittel.

Aber politische Verantwortung heißt eben auch, im Rahmen des Möglichen die Steuergelder zum Wohle der Menschen auszugeben. Die schwierige Aufgabe heißt für uns, das Land nicht kaputt zu sparen, sondern eine Politik mit Augenmaß zu gestalten, die einerseits den Erfordernissen der Haushaltslage Rechnung trägt und die andererseits die Attraktivität und die Lebensfähigkeit des Landes nicht aus den Augen verliert. Hier ist die Ausgewogenheit, die Ihr Fraktionsvorsitzender Herr Gallert von uns gefordert hat.

Politik für die Bürger dieses Landes zu gestalten, heißt auch, ihnen zu erklären, warum und wofür wir sparen müssen. Es wird schmerzhafte Einschnitte geben. Wir werden keine Zustimmung bei den Menschen finden, wenn wir ihnen nicht klar und deutlich sagen, wohin die Reise gehen soll, aber auch nicht, wenn wir nur die Angst schüren.

Sparen ist und kann kein Selbstzweck sein, aber es geht nicht ohne. Wenn wir in Zukunft wieder handlungsfähig sein wollen, dann müssen wir eben konsolidieren. Richtigen Einfluss haben wir im Land nur auf die Ausgabenseite. Das heißt: Die Ausgaben müssen gesenkt werden. Jeder kennt das aus dem Alltagsleben. Vereinfacht bedeutet dies: Jeder, der sich privat ein Auto kauft, freut sich, wenn der Kredit abbezahlt ist. Dann hat man das Geld, das man für die Raten brauchte, für andere Sachen übrig. Bis wir beim Landeshaushalt bei diesem Punkt angekommen sind, haben wir noch einen sehr langen Weg vor uns.

Im Moment ist die Situation der öffentlichen Haushalte tatsächlich alles andere als komfortabel. So müssen wir, um bei dem Vergleich zu bleiben, nicht nur den Kredit für unser Auto bezahlen, sondern wir müssen sogar neue Schulden aufnehmen, um die Autos zu bezahlen, die wir in der Vergangenheit bestellt und vor allen Dingen auch schon gefahren haben. Deswegen müssen wir im Jahr 2010 den Punkt erreicht haben, an dem wir überhaupt anfangen können, unsere Schulden abzubauen.

Das zeigt, wie ernst die Lage ist. Daher gehört es auch zur Wahrheit, dass wir über eine ernsthafte Konsolidierung - an dieser Stelle unterstütze ich den Finanzminister ausdrücklich - mit allen gesellschaftlichen Bereichen diskutieren müssen. Wir haben das im Übrigen schon vor der Wahl gesagt. Das, was vor der Wahl richtig war, ist zumindest für uns in Sachsen-Anhalt auch jetzt noch richtig und Grundlage unseres Handelns.

Es ist auch wenig hilfreich, wenn sich die Opposition dem zwar vordergründig anschließt, die Beteiligung der Kommunen an der Konsolidierung aber ablehnt und kei

ne eigenen Einsparvorschläge vorträgt. Natürlich ist dies das gute Recht der Opposition.

Aber wenn der Vorsitzende der PDS-Fraktion Herr Gallert über den Etatentwurf 2007 in der Zeitung sagt, dass über den Landeshaushalt nicht aus buchhalterischer, sondern aus politischer Sicht entschieden werden sollte, dann kann ich nur entgegnen: Über diesen Landeshaushalt wird aus politischer Sicht entschieden, aber auf der Grundlage eines finanziell machbaren Rahmens. Das hat auch etwas, aber nicht ausschließlich, mit Buchhaltung zu tun.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielleicht sollte Herr Gallert noch einmal genau nachlesen. Es gibt nämlich schon lange keine Prestigeobjekte oder -projekte mehr, an die man herangehen kann. Egal, wo wir anfassen, es geht immer an das Eingemachte. Ich bin fest davon überzeugt, lieber Wulf Gallert, wenn Sie zu Hause auf dem Sofa sitzen, dann geben Sie das im Stillen auch zu.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Kaum noch Zeit!)

- Wenn das Kind ins Bett gebracht ist, werden noch zehn Minuten Zeit sein. Ich muss sie mir ja auch nehmen.

Aber in die Mikrofone reden Sie, Herr Gallert, ganz anders. Ich glaube, wenn Sie tatsächlich in die Verlegenheit kommen, einmal in Regierungsverantwortung Haushalte gestalten zu müssen, wird sich das ganz schnell ändern.

(Zuruf von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS)

Ich lese, dass Ihre Kollegin aus dem Vorstand der PDS Ihnen vorwirft, dass Sie schon zu neoliberal sind. Dann werden wir als SPD zukünftig wieder in der komfortablen Situation sein, dass wir sie links überholen können, allerdings mit realistischer Politik.

(Beifall bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Schön Sache! - Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Machen Sie der CDU keine Angst!)

Aber um die Haushaltssituation wissen Sie ja. Das brauche ich Ihnen gar nicht zu erzählen.

(Zuruf von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS)

Herr Gallert, ich muss Ihnen natürlich zugestehen, dass Sie die schwierigen Punkte benannt haben. Das haben wir auch erwartet.

Dazu gehört auch die Beteiligung der Kommunen an den Kosten der überörtlichen Soziahilfe. Ich fand es von meinem Kollegen Scharf sehr mutig, dass er sich so in die Bresche geworfen und gesagt hat, dass das in der letzten Legislaturperiode noch nicht die endgültig richtige Entscheidung war. Als Regierungspartner hat er diese auch mitgetragen. Im Gegensatz dazu - das wissen Sie - hat die SPD immer für die Kommunalisierung gestritten. Nun werden wir in der Situation sein, dass wir in dieser Legislaturperiode eine vernünftige und für beide Seiten bezahlbare Lösung finden müssen.

Dazu kommt natürlich auch, dass Sie in Bezug auf die Kommunalfinanzen sehr viel Richtiges gesagt haben. Das werde ich aber später unter einem gesonderten Punkt etwas länger erörtern.

Sie haben gesagt, Sie unterscheiden sich von uns darin, dass Sie an die Konsolidierung nicht isoliert denken - so ungefähr war Ihre Aussage. Ich habe aus meinem Redemanuskript den Satz gestrichen, dass die PDS nur

eine Wunschliste vorlegt und keine Antworten gibt. Ich hätte ihn darin lassen sollen; denn ich war in der Tat etwas enttäuscht. Sonst haben Sie tatsächlich Kompensationsvorschläge gemacht; das haben Sie diesmal nicht getan.