Protocol of the Session on September 14, 2006

- Nein, nein. Wir werden uns in den Ausschüssen im Einzelnen noch darüber zu unterhalten haben, ob die gesamte Summe als Rechtsverpflichtungen zusätzlich auf Sie niedergekommen ist oder ob damit nicht zusätzliche Ausgabenwünsche befriedigt wurden.

Meine Damen und Herren! So weit der Nachtragshaushalt in aller Kürze, mit den Eckdaten.

Kommen wir nun zum Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2007, der natürlich erheblich interessanter ist. Wieder gibt es ein kräftiges Einnahmeplus bei den Steuern. Gegenüber dem Haushalt 2006 sind es 241 Millionen €, gegenüber dem Nachtrag 2006 immerhin noch 89 Millionen €. Auch bei den Ausgaben gibt es Entlastungen. Gegenüber dem Nachtrag sind es über 106 Millionen € bei Personal und Zinsen, davon 61 Millionen € beim Personal und 45 Millionen € bei den Zinsen.

Beides ist allerdings mit Risiken verbunden. Die Personalkosteneinsparung setzt voraus, dass die Bewirtschaftung des Personals so wie unter der Vorgängerregierung ohne Abstriche fortgesetzt wird. Wenn ich sehe, wie sich der Personalbestand im Finanzministerium verändert hat, dann ist das durchaus eine kritische Frage, die an dieser Stelle zu stellen ist.

Eine weitere Senkung der Zinsposition ist nur vertretbar, wenn die Sollzinsen an den Kapitalmärkten auf im Durchschnitt unter 4,3 % für das Land Sachsen-Anhalt sinken würden, nach knapp 5 %, die noch im Haushaltsplan 2006 unterstellt wurden.

Meine Damen und Herren! Der sozialdemokratische Finanzminister hat ein geradezu grenzenloses Gottvertrauen in die Heuschrecken der internationalen Finanzmärkte. Der liberale Ex-Finanzminister dagegen ist gegenüber der globalisierten Welt erheblich vorsichtiger. Ich sehe an dieser Stelle ein beträchtliches Risiko, und dies umso mehr, als die Europäische Zentralbank ihre so genannte Marginal Lending Rate innerhalb eines Jahres um einen satten Prozentpunkt von 3 % auf 4 % erhöht hat.

Wohin Sie in den Kapitalmärkten schauen, sehen Sie Zinserhöhungen in einprozentiger Größenordnung. Das wird natürlich auch durch die Mehrwertsteuererhöhung im Zentrum des Euroraumes, in Deutschland, noch ein Stück weiter angeheizt; denn hier drohen inzwischen doch deutliche Inflationsgefahren. Das kann man in allen Wirtschaftszeitungen nachlesen.

Lieber Herr Bullerjahn, ich staune angesichts dessen schon über Ihre Überzeugungskraft, mit der Sie dem Schuldenmanagement des Ministeriums der Finanzen ein solches riskantes Opfer abgerungen haben. Vom Haushalt 2006 zum Haushalt 2007 sind es fast 120 Millionen €. Da kann man nur hoffen, dass wir bei der weiteren Entwicklung für einen derart unvorsichtigen Griff hier im Land nicht böse bestraft werden. Aber, Herr Bullerjahn, Sie haben ja in Ihren Ausführungen über Soll- und Habenzinsen in der Tat einen sehr großen Optimismus bewiesen. Die Zukunft wird zeigen, ob Sie Recht haben.

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Aber zurück zum Haushalt. Ein Plus von 89 Millionen € bei den Steuereinnahmen und eine Entlastung von 106 Millionen € bei Zinsen und Personal machen zusammen fast 200 Millionen € mehr an verfügbarer Finanzmasse - ohne jede Einsparung.

Die Regierung legt noch eins drauf: Die kommunalen Zuweisungen werden gegen den massiven Protest der Kommunen um 100 Millionen € gekürzt. Von der Regierung wird das dann noch mit einem gewissen Schuss Zynismus als ein Konsolidierungspakt bezeichnet, ein Pakt allerdings, bei dem ich keine Ersparnisgegenleistung im eigenen Bereich des Landes erkennen kann.

Meine Damen und Herren! Herr Bullerjahn hat vorhin angedeutet, dass diese 100 Millionen € nicht das letzte Wort sein sollen, dass er damit rechnet, dass die Kommunen von den Zuweisungen her schließlich bei plus/minus null landen. Aber wenn das wirklich so kommt, Herr Bullerjahn, dann würde das bedeuten - anders geht das arithmetisch gar nicht -, dass wir noch einmal ein ganz kräftiges Plus bei den Steuern insgesamt erleben. Das halte ich doch für eine etwas gewagte Prognose. Das hätte ich doch gern auch in den Ausschüssen noch einmal konkret untersetzt gesehen.

Bisher verlasse ich mich auf das, was in den Plänen und was in der mittelfristigen Finanzplanung - immerhin von Ende August; das ist noch gar nicht lange her - vorgelegt wurde. Da ist von einem Minus von 100 Millionen € die Rede.

Alles zusammen gibt es also fast 300 Millionen € mehr an verfügbarer Finanzmasse. Hinzu kommt, dass natürlich die Belastung durch die Ablösung der EffektenLombard-Vereinbarung im Nachtrag 2006 im Jahr 2007 nicht anfällt, sodass wir hier roundabout 450 Millionen € mehr an zusätzlicher Finanzmasse sehen.

(Frau Fischer, SPD: Was ist denn das für eine Rechnerei? - Herr Scharf, CDU: Was denn noch alles?)

Wir sehen in der Tat, lieber Herr Scharf, wie auch der Bund der Steuerzahler festgestellt hat, dass es in der Tat die Möglichkeit einer kräftigen Senkung der Nettokreditaufnahme gibt. Aber stattdessen müssen wir feststellen, dass die Nettokreditaufnahme auf 550 Millio

nen € sinkt. Das sind formal 200 Millionen € weniger als im letzten Haushalt.

(Frau Fischer, SPD: Mehr als Sie gebracht ha- ben!)

Aber es sind natürlich unter Berücksichtigung der 150 Millionen € der Effekten-Lombard-Vereinbarung letztlich nur 50 Millionen € weniger. Das hat mit einem Sparhaushalt bei derart günstigen Einnahmebedingungen nichts zu tun.

Meine Damen und Herren! Es hat auch nichts mit einem sparsamen Haushaltsvollzug zu tun. Außer beim Personal wird überhaupt keine globale Minderausgabe in vertretbarer Höhe ausgebracht, um die Ressorts wenigstens im Vollzug zur Sparsamkeit anzutreiben.

Nein, schöner ist die Aussicht für den Finanzminister, sich gegebenenfalls für die völlig üblichen und eher zufälligen Unterschreitungen von Ausgabenveranschlagungen als ein Meister des gekonnten Haushaltsvollzugs feiern zu lassen. So ist das eben, meine Damen und Herren! Wer die Latte ganz niedrig legt, der kann es kaum vermeiden, über die Latte hinüberzuspringen.

Meine Damen und Herren! All dies wirkt mit dem Rückblick auf die vollmundigen Ankündigungen in den so genannten strategischen Papieren des heutigen Finanzministers merkwürdig. Der Finanzminister bekommt eine riesige Chance zur Konsolidierung geschenkt. Er nutzt sie nicht. Im Gegenteil: Die überaus laschen Vorgaben werden sich in der Zukunft rächen; denn wie will er von dem noch zusätzlich hochgeschraubten Niveau der Ausgaben im Jahr 2008 die Kurve hin zu jener radikalen Rosskur finden, die er immer angekündigt hat?

Nun, der Finanzminister spielt auf Zeit. Aber er verspielt damit leichtfertig die künftige günstige Ausgangsposition für seine weiteren Ziele. Er setzt allein auf die Haushaltsklausur der Landesregierung im März des nächsten Jahres, die schon groß angekündigt wurde. Bei der sollen dann die Weichen gestellt werden.

In der vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung ist übrigens gut zu erkennen, wo der Großteil der Einschnitte angesetzt werden soll: bei den Investitionen. Für das Jahr 2007 gelingt es noch, die Investitionsquote über 18 % zu halten,

(Frau Budde, SPD: Ein schlechter Tag für Sie mit der Investitionsquote!)

wobei dies allerdings zum Großteil durch die niedrige und riskante Veranschlagung von Zinsen und Personalausgaben bedingt ist. Beides sind klassische konsumtive Posten, die um über 100 Millionen € gekürzt werden.

Ab dem Jahr 2009 wird eine Investitionsquote von gerade einmal 15 % angestrebt. Das bedeutet in absoluten Zahlen eine Kürzung der Investitionsausgaben gegenüber dem Jahr 2007 um über 400 Millionen €.

Der Kollege Daehre guckt ganz verwundert. Das ist so, lieber Kollege. Sie müssen einfach nur einmal richtig in die mittelfristige Finanzplanung reingucken.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

400 Millionen € innerhalb von zwei Jahren an Investitionen herunterzukurbeln, das ist in der Tat ein steiles Programm.

Meine Damen und Herren! Wir haben in der mittelfristigen Finanzplanung unserer damaligen Regierung, Herr Ministerpräsident Böhmer, in dieser Zeit eine Investitionsquote von 17,5 % unterstellt. Das bedeutete eine Abnahme der Investitionen um 60 Millionen €. Hier geht es um eine viel drastischere Abnahme, um 400 Millionen €. Herr Haseloff, Herr Daehre, das wird eine sehr interessante Verhandlung im kommenden März. Ich bin dabei sehr gespannt, ob das auch nur annähernd zu erreichen ist. Ich habe dabei meine Zweifel.

Ich sage noch einmal ganz klar - ich habe das immer gesagt, auch als Finanzminister -, vor den Investitionen darf man nicht Halt machen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Haben Sie konkrete Vorschläge?)

- Lieber Kollege Daehre, Sie haben damals, als ich das gesagt habe - ich erinnere mich daran noch gut -, öffentlich geantwortet mit dem wunderbaren Satz: Die Gedanken sind frei.

(Zurufe von Minister Herrn Dr. Daehre und von Frau Budde, SPD)

In der Tat habe ich immer gesagt, eine gewisse Konsolidierung muss auch bei den Investitionen erfolgen, aber 400 Millionen € innerhalb von zwei Jahren, das ist absurd, das werden Sie einfach nicht hinbekommen. Man muss wirklich sagen, dass die mittelfristige Finanzplanung in diesem absolut zentralen strategischen Punkt, der für die weitere Konsolidierung relevant ist, eine Fortsetzung des finanzpolitischen Feuilletons darstellt, Herr Bullerjahn, das Sie uns mit den damaligen Strategiepapieren vorgelegt haben.

Meine Damen und Herren! Nimmt man alles zusammen, die Entwürfe für den Nachtrag, den Haushalt 2007 und die völlig unrealistische Investitionskürzung in der mittelfristigen Finanzplanung, so drängt sich der Verdacht auf, dass Finanzminister Bullerjahn und Ministerpräsident Böhmer mit der gesamten Landesregierung bei den Landesausgaben eigentlich gar nicht konsequent sparen wollen. Sie setzen auf etwas anderes, das man in den Haushaltsrechnungen noch nicht finden kann: auf weitere Erhöhungen der Steuereinnahmen. Das genau ist die inoffizielle Geschäftsgrundlage der so genannten großen Koalitionen von CDU und SPD in Deutschland, ob auf Bundesebene in Berlin oder auf Landesebene in Magdeburg.

Meine Damen und Herren! Zusätzliche Steuereinnahmen kann es aber nur auf zwei Wegen geben: durch Erhöhung der Steuerbelastung oder durch Reformen, um ein schnelleres wirtschaftliches Wachstum zu erreichen.

Die Bundes- und die Landesregierung haben sich für den ersten Weg entschieden. Die Mehrwertsteuer wird um drei Prozentpunkte erhöht, obwohl die konjunkturelle Erholung schon in diesem Jahr bundesweit massiv zusätzliche Steuereinnahmen in die Kassen spült. Die Gesundheitsreform soll, wenn sie denn überhaupt kommt, zusätzliche Zwangsabgaben für die Bürger bringen, und dies zu einer Zeit, in der die Energiepreise nach oben schießen und die Inflation anzieht.

Das Motto dieser Politik lautet: Wenn öffentliche Mittel fehlen, dann muss man sie eben durch Steuererhöhungen beschaffen und dem Bürger in die Tasche greifen.

Lieber Herr Scharf, erlauben Sie mir an dieser Stelle den Hinweis auf das, was Sie vorhin gesagt haben. Ich emp

finde es als eine Art intellektuellen Tiefstand, den ich von Ihnen überhaupt nicht gewöhnt bin, wenn Sie sinnentstellend aus einem ganzseitigen Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aus dem Jahr 2003 zitieren, in dem differenziert, klar und schlüssig argumentiert wird, dass eine Umsatzsteuererhöhung dann, aber auch nur dann infrage kommt, wenn eine grundlegende Steuerreform in Richtung der Beseitigung aller Vergünstigungen und in Richtung von Subventionskürzungen tatsächlich durchgeführt wird.

Genau wie Ihr Parteifreund Friedrich Merz und wie Professor Kirchhoff, mit dem Ihre Partei noch im letzten Jahr Bundestagswahlkampf gemacht hat, es gesagt haben, gehe ich völlig mit ihnen d’accord, dass dann, wenn man eine Gegenfinanzierung braucht, über eine Mehrwertsteuererhöhung nachgedacht werden kann.

Wenn Sie das als Beleg dafür nehmen, dass ich selbst und möglicherweise die FDP für eine Mehrwertsteuererhöhung sind, ist das einfach lächerlich. Ich finde es ein bisschen unredlich, dass Sie das hier in dieser Weise angebracht haben, meine Damen und Herren.

Der Weg der Steuererhöhung, der wird scheitern. Die zusätzlichen Belastungen der Bürger und der Wirtschaft werden zu Wachstumseinbrüchen führen und es wird das, was an zusätzlichen Steuereinnahmen kurzfristig erzielt wird, auf mittlere und längere Sicht durch die Wachstumsschwäche wieder verloren gehen.

Ich weiß, Herr Ministerpräsident, dass Sie diese Meinung nicht teilen. Sie halten überhaupt das Wirtschaftswachstum für etwas, das durch die Steuerpolitik nicht wirklich beeinflusst wird. Sie haben das schon bei vielfachen Gelegenheiten so oder ähnlich formuliert. Damit stehen Sie allerdings ziemlich allein.

Die OECD, der Sachverständigenrat, die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, die Europäische Zentralbank, die Bundesbank - alle sind dieser Meinung. Der gesamte Fach- und Sachverstand steht gegen Ihre Position, zuletzt sogar der Internationale Währungsfonds, der vor wenigen Tagen die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Bundesregierung zu Recht scharf kritisiert hat.

Wer die hohe Staatsverschuldung bekämpfen will, der muss die Krankheit beseitigen und nicht einfach durch eine höhere Besteuerung die Symptome des hohen Defizits. Gegen hohes Fieber im Krankheitsfalle helfen ja auf Dauer auch keine fiebersenkenden Mittel, sondern allein das Auskurieren der Krankheit.

Die Krankheit heißt in Deutschland seit Jahren wirtschaftliche Wachstumsschwäche. Dagegen müssen wir angehen durch Reformen und niedrige Steuersätze, so wie es uns eine ganze Reihe europäischer Länder und die Vereinigten Staaten vorgemacht haben.

Großbritannien, Irland und die Niederlande hatten über lange Jahre hohe Haushaltsdefizite, hohe Arbeitslosigkeit und schwaches Wachstum. Sie haben heute solide Haushalte, Arbeitslosenquoten unter 5 % und sie wachsen seit Jahren schnell, und zwar nicht deshalb, weil sie zum Haushaltsausgleich die Steuersätze erhöhten, sondern im Gegenteil, weil sie mutige Reformen mit niedrigen Steuersätzen und strikter Ausgabendisziplin durchgesetzt haben.

Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, immer wieder betonen, die heutige Generation müsse zugunsten der künftigen mehr Opfer in Form höherer Steuersätze erbrin