Unter dem Strich verbleibt bei den Kommunen im Jahr 2007 im Vergleich zum Haushaltsjahr 2006 unter Berücksichtigung aller Einnahmen der Kommunen eine Reduzierung der verfügbaren Finanzmasse. Dies wird im Übrigen auf jeden Fall so sein, zumindest dann, wenn man den Nachtragshaushalt 2006 zugrunde legt. Zusätzliche Mittel, die man dort für eine Reduzierung des Schuldenstandes einsetzen könnte, werden so auf das Land umgeleitet. Das wird den politischen Spielraum in den Kommunen verringern.
Ich benenne jetzt einmal die Logik: Warum regt ihr euch auf? Die bekommen doch genauso viel. Die Steuermehreinnahmen, die den Kommunen zustehen, sowohl bei
ihren eigenen Einnahmeanteilen als auch bei der Verbundquote aus dem FAG, schöpfen wir für das Land ab. Dann spricht man von Konsolidierungspartnerschaft.
Das ist keine Konsolidierungspartnerschaft. Das ist ganz klar eine finanzpolitische Leine, an die man die Kommunen legt. Die Konsolidierungslasten werden eindeutig nur auf diese Seite verteilt.
(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Gürth, CDU: Wo sind denn Ihre Einsparvorschläge oder Ihre Konsolidierungsvorschläge? Sie reden und reden, aber dazu sagen Sie auch nichts!)
- Ich habe jetzt sechs Minuten lang geredet; 27 Minuten habe ich noch zur Verfügung. Wenn der Kollege Gürth nicht dauernd dazwischenredet, komme ich auch noch zu diesem Punkt.
Diese Verschiebung der Lasten vom Land auf die Kommunen ist wirklich die einzige politische Entscheidung in diesem Haushalt und sie ist dazu noch falsch.
Bei der Opposition ist es im Normalfall beliebt, die Schwerpunktsetzung einer Landesregierung zu kritisieren. Diesbezüglich sehen Sie mich jedoch ziemlich ratlos; denn außer der eben erwähnten haben Sie keine. Sie verlagern den Konsolidierungsdruck auf die Kommunen. Diese sollen dann in ihrem Bereich entscheiden, wo gekürzt wird und welche Aufgaben weiter realisiert werden.
Ich freue mich schon auf die Reaktion der Fachminister dieser Regierung, die in dem Augenblick, in dem die Kommunen in für sie wichtigen Bereichen sparen, den Kopf schütteln, über die Sorglosigkeit der Kommunen klagen und monieren, dass sie in diesem Bereich ihre Aufgaben nicht erfüllen.
Nun gibt es einige intelligente Fachminister in dieser Landesregierung, die zumindest Erfahrungswerte haben. Ich sage es einmal so: Einige sind so clever und versuchen, ihr Scherflein auf dem entsprechenden fachpolitischen Gebiet auch gleich bei den Kommunen mit ins Trockene zu bringen.
Einer der sozusagen hervorragendsten Vertreter dafür ist der Kollege Daehre. Er hat natürlich mitbekommen, was unter diesen Bedingungen passieren kann. Die Straßenbaulastzuweisungen für die Landkreise unterliegen nämlich bisher - das war völlig beabsichtigt - keiner Zweckbindung. Nun wächst bei ihm die Angst, dass die Kreise noch stärker, als der eine oder andere Kreis es bisher getan hat, versuchen werden, diese Zuweisung pro Kilometer Kreisstraße für die Konsolidierung zu nutzen.
Bei unseren Fachpolitikern besteht übrigens genau dieselbe Angst. An dieser Stelle sprechen sie alle wieder eine Sprache. Unsere Fachpolitiker sagen genau wie der Verkehrsminister: Nein, das darf nicht sein; an dieser Stelle dürfen sie nicht konsolidieren; sollen die Kommunen doch sehen, wie sie klarkommen, sollen sie doch woanders konsolidieren; das ist dann nicht mehr das Problem der Landesregierung. - Das ist die Logik, die hinter dieser Auffassung steckt.
Ein ähnliches Bild zeichnet im Bereich der Sportstättenverordnung ab. Auch wir haben deren ersatzlose Streichung unter diesen Umständen ganz klar kritisiert.
Die Logik ist aber schon beeindruckend. Natürlich wissen alle Fachleute, wo sich die meisten Sportstätten befinden, nämlich in Orten mit einer zentralen Funktion, al
so in Grundzentren, Mittelzentren und Oberzentren. Nun wissen wir, dass diese fast alle - durch die Bank weg - inzwischen unter Konsolidierungsdruck stehen. Das bedeutet, dass es, wenn man die Verordnung abschafft, einen kommunalaufsichtlichen Zwang gibt, der de facto dazu führt, dort Gebühren zu erheben.
An dieser Stelle bekommt man nun auf einmal Ärger mit den Sportlern vor Ort. Was macht man? - Man führt Rückzugsgefechte und sagt: Die Gebühren sollen nicht bei den Vereinen, sondern nur bei kommerziellen Veranstaltungen erhoben werden; die Kommunen sollen über die Kommunalaufsicht auch nicht zu deren Erhebung gezwungen werden.
Bitte, dann lassen Sie es doch und sparen Sie sich die ganze Operation! Denn das, was dann noch übrig bleibt, ist nicht mehr der Rede wert.
Aber an dieser Stelle haben wir wieder genau dieselbe Situation, die auf Folgendes zielt: Konsolidiert woanders! Hauptsache, wir in Magdeburg sind nicht schuld. Dann kann uns nichts passieren. Das ist euer Ding. Wir wollen damit nichts zu tun haben.
Das ist die Logik dieses Haushaltes. Diese kritisieren wir und wir werden sie auch offen legen - übrigens auch bei der Kommunalwahl.
Ich möchte dies mit aller Deutlichkeit sagen: Der größte politische Fehler dieses Haushaltes ist die fehlende Reaktion auf die gesellschaftlichen Probleme und Fehlentwicklungen in diesem Land. Um darauf zu reagieren, muss man diese natürlich erst einmal registrieren. Dabei - das ist das größte Problem des Finanzministers - helfen Ihnen keine Benchmarking-Analyse und auch keine Buchhalterweisheiten. Dafür braucht man komplexe politische Verantwortung. Dafür braucht man den Blick, der sich vom Zahlenwerk hebt und sich in das Land hinein richtet. Das ist eine andere Herangehensweise als die, die der Finanzminister gerade vorgetragen hat.
Nun gab es auch heute wieder die Ankündigung, dass die großen politischen Entscheidungen mit dem nächsten Doppelhaushalt fallen. Liebe Kollegen, wenn ich mir das einmal überlege: Wir haben eine neue Landesregierung, die lediglich zum Teil neu ist, und diese denkt nun eineinhalb Jahre lang über die politischen Weichenstellungen nach, die sie möglicherweise umsetzen wird. Ich glaube inzwischen, die Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre war ein Fehler, aber gut.
Wir sind uns durchaus darüber im Klaren, dass dieser relative Stillstand im politischen Prozess von uns anders als zumindest von der CDU beurteilt wird. Letztlich ist dafür entscheidend, wie wir die Situation des Landes beurteilen. Wir konnten doch nicht wissen, dass Sie sich so lange Zeit lassen. Auf der anderen Seite gibt es bei uns durchaus den einen oder anderen Politiker, der sagt: Gut so! Darauf will ich jetzt jedoch nicht eingehen.
Die Logik der Regierungsvertreter ist dabei in sich schlüssig, wenn man davon ausgeht, dass man sich ohnehin auf einem guten Weg befindet; denn dann gibt es auch keinen Änderungsbedarf.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang kurz an die Wahl im März erinnern. Zwei Dinge sind dabei wichtig:
Zweitens - dieser Punkt ist vielleicht noch wichtiger -: Im März 2006 hatten wir die historisch niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl seit der Existenz der Bundesrepublik Deutschland.
Man muss wirklich kein Pessimist sein, um hinter diesem Fakt ein gewachsenes Maß an Pessimismus, an Vertrauensverlust, an Perspektivlosigkeit und Frust zu erkennen. Vor diesem Hintergrund kann man sich nicht hinstellen und sagen: Weiter so! Wir sind auf einem klasse Kurs; die werden schon irgendwann alle mitkommen.
Das ist der grundlegende Unterschied zwischen dem, was der Landeshaushalt besagt, und dem, womit wir operieren.
Aber bevor solche Umstände ein gewisses Maß an Verunsicherung in der Koalition auslösen können, erreichen uns so frohe Botschaften wie der Sprung des Landes Sachsen-Anhalt auf Platz 5 des Dynamik-Rankings der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Und die Welt ist natürlich wieder in Ordnung.
Denn entscheidend ist schließlich nicht, was die Leute denken und fühlen, sondern entscheidend ist, was Institute darüber sagen, was die Leute zu denken und zu fühlen haben. Diesbezüglich ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft natürlich hervorragend.
In welchem Bereich sind wir denn zum Beispiel gut? - Gut sind wir nach diesem Ranking etwa beim Rückgang der Arbeitslosenquote. Diese sank im Zeitraum von 2003 bis 2006 um 1,5 Prozentpunkte. Diesbezüglich sind wir die Besten unter allen 16 Bundesländern. Gleichzeitig besagt diese Studie, dass wir im gleichen Erhebungszeitraum bei der Zahl der Erwerbstätigen in SachsenAnhalt mit einem Rückgang um 2,2 Prozentpunkte die Schlechtesten unter allen Bundesländern sind.
Wir haben also gleichzeitig den höchsten Rückgang der Arbeitslosenquote und den höchsten Rückgang bei der Zahl der Erwerbstätigen zu verzeichnen. Das ist unter dem Strich zumindest erst einmal Mittelmaß. Wenn das so ist, frage ich: Was sind diese Studien überhaupt wert?
Mit einem gesunden Maß an Skepsis könnte man an dieser Stelle die Frage stellen: Brauchen wir eine solche Grundlage?
Nur eine kurze Anmerkung dazu: Im Bereich des Arbeitsmarktes und genauso im Bereich der Standortentwicklung belegt das rot-rot regierte Berlin bei dem Dynamik-Ranking auf einmal den besten Platz. Früher konnte man sich wenigstens noch sicher sein, dass neoliberale Institute rot-rote Regierungen schlecht beurteilen. Selbst das ist nicht mehr sicher.
Noch schlimmer ist Folgendes: Bei der Unternehmensperformance ist Mecklenburg-Vorpommern auf dem ersten Platz. Wie das zustande kommt, ist mir auch nicht klar.
Gut steht Sachsen-Anhalt bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst da, und das nicht etwa, weil sie so gute Arbeitsbedingungen hätten, sondern weil deren Zahl in stärkerem Umfang als in allen anderen Bundesländern reduziert worden ist. Also der Vorteil des öffentlichen Dienstes in Sachsen-Anhalt ist der, dass er schrumpft.
Ausgesprochen schlecht schneidet Sachsen-Anhalt dagegen bei den Arbeitnehmerentgelten ab. Dort beschert uns ein einprozentiger Zuwachs über einen Zeitraum von zwei Jahren einen miserablen 13. Platz. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, habe ich gedacht, dass die zwölf Länder, die vor uns liegen, höhere Einkommenszuwächse haben. Das ist mitnichten der Fall. Der Durchschnitt liegt bei 0,3 %. Wir liegen deshalb auf dem schlechten 13. Platz, weil nur drei Länder in den letzten drei Jahren einen höheren Zuwachs bei den Arbeitnehmerentgelten aufwiesen.
An dieser Stelle sage ich Ihnen: Wenn das unser Nachteil ist, dass die Leute über einen Zeitraum von zwei Jahren 1 % mehr Geld verdienen, dann frage ich mich, ob es nicht bei solchen Studien besser ist, wenn man schlechter ist. Für uns ist sie keine Grundlage.
Dem stelle ich eine andere aktuelle Studie gegenüber, die sich mit dem Denken und Fühlen der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland auseinander setzt und die für Sachsen-Anhalt leider ein ganz anderes Bild ergibt. Die R+V Versicherung hat in ihrer Studie „Die Ängste der Deutschen“ für Sachsen-Anhalt ebenfalls einen Spitzenplatz nachgewiesen: Sachsen-Anhalt hat den höchsten Anteil an Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, die mit Zukunftsangst leben, nämlich 61 %. Auch in dem so genannten Dynamik-Ranking sind diese Zahlen beeindruckend. Das ist nämlich eine Steigerung um sage und schreibe 5 Prozentpunkte innerhalb eines Jahres.