„Die nähere Ausgestaltung dieses Grundsatzes für die Haushalte der Länder regeln diese im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen mit der Maßgabe, dass Satz 1 nur dann entsprochen ist, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,0 % des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten.“
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Mich erinnert das an einen Zettel, der in meinem ersten Büro hing und auf dem stand: Erstens. Der Chef hat Recht. Zweitens. Die Angestellten können eine Meinung äußern. Drittens. Wenn diese Meinung nicht der Meinung des Chefs entspricht, tritt Punkt 1 in Kraft. - Dies entspricht genau der Formulierung, die dort beschlossen worden ist.
Das ist doch so, oder? Das kann man schlicht übersetzen. Das ist eine ganz einfache Übersetzung. Dazu brauchen wir gar keine komplizierten Formulierungen.
Jenseits meines Versuchs, dies humorvoll darzustellen, ist das aus meiner Sicht eine sehr ernste Angelegenheit; denn so bestimmt der Bund direkt über die Ausgestaltung der Landesverfassungen. Das stellt aus meiner Sicht die Souveränität der Länder als Bestandteil der bundesstaatlichen Ordnung grundsätzlich infrage.
Das verstößt nicht nur gegen die Haushaltsautonomie der Länder, sondern auch gegen die Verfassungshoheit der Landtage, nicht der Landesregierungen. Als Mitglied dieses Parlaments sage ich ganz klar: Das darf und das kann uns als Parlament nicht egal sein. Dieses Verfahren lehne ich ab. Ich bin völlig ergebnisoffen, aber dieses Verfahren lehne ich ab.
Ich denke, die Länder sollten sich gemeinsam darauf verständigen und notfalls das Bundesverfassungsgericht anrufen und entscheiden lassen, ob der Bund das darf. Ich hoffe natürlich inständig, dass das Bundesverfassungsgericht uns Recht gibt. Das enthebt uns aber nicht der Notwendigkeit, über die Begrenzung der Neuverschuldung und über die Wege dahin zu diskutieren.
Nun möchte ich auf den anderen Punkt zu sprechen kommen. Mein Finanzminister war sehr konziliant. Dafür
danke ich ihm. Dennoch möchte ich sagen, dass das Verfahren nicht nur die bundesstaatliche Ordnung auf den Kopf stellt, sondern es setzt aus meiner Sicht auch ein Stück weit die Gewaltenteilung in den Ländern außer Kraft.
Wenn man sich das einmal im Detail anschaut, stellt man fest: Mit ihrem Mandat im Bundesrat könnten, wenn es rechtens wäre, die Landesregierungen ihren Parlamenten vorschreiben, was sie in die Landesverfassung schreiben sollen. Das heißt, die Exekutive schreibt der Legislative vor, welche Gesetze und - noch schlimmer - welche Verfassung sie zu verabschieden hat. Also, ich bin nicht der Rat des Bezirkes und ich will es auch nicht werden.
Ich schätze die Mitglieder der Landesregierung sehr, sowohl den Ministerpräsidenten als auch meine Ministerinnen und Minister.
Ich glaube aber trotzdem - das ist meine feste persönliche Überzeugung -, dass ihnen das so nicht zusteht. Vielmehr verstößt das nach meinem Verständnis gegen unsere Verfassung, und zwar gegen das Grundgesetz und die Landesverfassungen. Auch auf Bundesebene muss eigentlich das Parlament darüber entscheiden.
Ich sage einmal: Eigentlich war es das Ziel der Föderalismuskommissionen I und II, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zu entflechten, aber nicht, dem Bund ein Direktionsrecht über die Landesverfassungen zu verschaffen. Das Problem hätte übrigens jeder von uns, wenn es eine andere Zusammensetzung im Bund gäbe. Deshalb sage ich völlig wertfrei: Das ist aus meiner Sicht eine Auseinandersetzung zwischen Parlamenten und Regierungen in den Ländern, aber auch zwischen den Ländern und dem Bund.
Alle rechtlichen Argumente, die ich noch aufgeschrieben habe, will ich jetzt gar nicht nennen. Ich glaube, das, was ich gesagt habe, reicht.
Ich fasse zusammen: Aus meiner Sicht gibt es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Deshalb appelliere ich an alle, dass wir diese als Parlament insgesamt sehr ernst nehmen, unabhängig davon, welche Bundespolitiker der anderen Parteien wir auch andersherum zitieren können.
Ich möchte schon jetzt darum bitten, dass Sie im Zweifelsfall mit überlegen, auf welchem Weg auch immer wir das möglicherweise vom Bundesverfassungsgericht klären lassen. - Insofern danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich glaube, ich war nicht undeutlich.
Ich habe noch eine Frage. Das verfassungsrechtlich klären zu lassen, ist natürlich immer erst der letzte Schritt. Denn es hieße ja, dass in Berlin etwas entschieden würde, das gegen das Interesse und den dezidierten Willen einer Vielzahl von Ländern wäre, in denen ähnliche Mehrheitsverhältnisse wie derzeit in Berlin herrschen.
Einfach nur noch einmal zu meinem Verständnis: Der Presse habe ich entnommen, dass Ihre Auffassung in der SPD keine singuläre Auffassung ist. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass man das vorher politisch in eine Richtung lenkt, sodass man eine verfassungskonforme Lösung für dieses Problem erreicht? Oder gehen Sie tatsächlich davon aus, dass das, was Sie jetzt befürchten, so umgesetzt wird, und dass wir, wie es Herr Scharf angedeutet hat, in den nächsten sechs Jahren zwar Geld bekommen, es aber gleichzeitig dazu verwenden werden, gegen den Bund zu prozessieren?
Zum jetzigen Zeitpunkt gehe ich nicht mehr davon aus, dass das vorher geklärt werden kann. Dieser Zeitpunkt ist meines Erachtens bereits vorbei. Ich weiß aber nicht, wie Herr Bullerjahn das sieht, der in anderen Diskussions- und Entscheidungsrunden sitzt. Das ist in der Föderalismuskommission zwischen den Vertretern der Länder und den Regierungsvertretern sehr intensiv diskutiert worden. Für die FDP sitzt Herr Professor Paqué in diesem Gremium.
Wir kennen alle den Brief, der von Herrn Stegner gemeinsam mit den anderen Vertretern der Landesparlamente verfasst worden ist, der vorher eingespeist worden ist. Deshalb habe ich das jetzt nicht mehr zitiert.
Der Bund steht auf dem Standpunkt: Wir haben drei Gutachten von drei Bundesministerien erstellen lassen; wir haben Recht und wir ziehen das jetzt durch. - Da das aus meiner Sicht an die Grundfesten geht, muss man das letztendlich bundesverfassungsrechtlich prüfen lassen.
- Es ist aber so. Diese Situation hat man öfter. Das ist keine Diskussion zwischen der SPD, der CDU, der FDP und der LINKEN, sondern dies betrifft die Unabhängigkeit der Landesparlamente und die Frage, was der Bund und die Landesregierungen uns aufdrücken dürfen. Das ist im Verfahren eine weitere nette Kleinigkeit.
Vielen Dank. - Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Ende der Aktuellen Debatte angelangt. Beschlüsse werden entsprechend unserer Geschäftsordnung nicht gefasst.
Meine Damen und Herren! Ich möchte noch bekannt geben, dass sich die Obleute des Umweltausschusses nun im Raum B0 07 treffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sitzung geht weiter. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
In Drs. 5/1798 liegen insgesamt acht Fragen vor. Den ersten Fragesteller brauche ich nicht aufzurufen, weil ich gehört habe, dass Herr Wolpert nicht anwesend ist. Frage 1 und die Antwort der Landesregierung werden zu Protokoll genommen.∗
Die Frage 2 wird vom Abgeordneten Herrn Guido Kosmehl gestellt. Es geht um den Entwurf eines Gesetzes der Landesregierung über Versammlungen und Aufzüge. Bitte, Herr Kosmehl, fragen Sie.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Juni 2008 hat die Landesregierung SachsenAnhalts den Entwurf eines Landesversammlungsgesetzes vorgelegt. Der Gesetzentwurf orientiert sich maßgeblich am Gesetzentwurf der Landesregierung Sachsens.
In einem ddp-Interview äußerte sich der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (ASJ), Harald Baumann-Hasske, am 30. Januar 2009 bezogen auf das sächsische Gesetz dahin gehend: „So wie das Gesetz von der Regierung eingebracht worden sei, bestehe die Gefahr, dass es bei der erstbesten Klage gegen ein Demonstrationsverbot kassiert werde“. Von den so genannten Erinnerungstagen hält er lediglich den 9. November als Jahrestag der Judenpogrome von 1938 für „zweifellos zulässig“. Schwierig sei es hingegen, etwa Aufzüge am Jahrestag der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 oder an dem des Hitler-Attentats am 20. Juli 1944 gesetzlich zu verbieten.
1. Wie schätzt die Landesregierung die verfassungsrechtlichen Bedenken des ASJ-Vorsitzenden zum sächsischen Versammlungsgesetz ein?
2. Hält die Landesregierung vor diesem Hintergrund an den Verbotstagen 30. Januar bzw. 20. Juli fest?
Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Hövelmann. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Abgeordneten Guido Kosmehl namens der Landesregierung wie folgt.
Zur ersten Frage: Die Äußerungen des Bundesvorsitzenden der ASJ bezogen sich auf den sächsischen Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit. Zu den Gesetzentwürfen anderer Länder und zu sich darauf beziehenden Bewertungen gibt die Landesregierung von Sachsen-Anhalt keine Stellungnahmen ab.
Zur zweiten Frage: Ich könnte es mir leicht machen und ja sagen. Ich möchte aber dennoch ein paar Sätze mehr dazu sagen. Insofern spanne ich auch den Bogen zu den Äußerungen des ASJ-Vorsitzenden.
Die ddp-Meldung, auf die der Fragesteller Bezug nimmt, ist kein Interview im Wortlaut. Soweit der Bundesvorsitzende der ASJ, Herr Baumann-Hasske, in dem erwähnten Interview allerdings verfassungsrechtliche Bedenken an einem generellen gesetzlichen Verbot von Aufzügen am Jahrestag der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 oder an dem des Hitler-Attentats am 20. Juli 1944 geäußert haben sollte, so meine auch ich, dass diese nicht von der Hand zu weisen sind.