Protocol of the Session on February 19, 2009

Jetzt komme ich auf ein in meinen Augen ernsthaft zu behandelndes Problem zu sprechen, nämlich die Frage, ob all das, was jetzt als Schuldenbremse vorgetragen wird, verfassungsrechtlich sauber und gut formuliert wurde. Ich persönlich gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Formulierung, die noch nicht im Detail feststeht, die aber in etwa zu ersehen ist, überprüfen wird. Dann werden wir sehen, ob es ein unzulässiger Eingriff in die Finanzwirtschaft oder sogar in die Souveränität der Länder ist oder nicht.

Das ist eine interessante und sehr wichtige Diskussion, aber sie ist letztlich nicht entscheidend, weil wir daraus in den nächsten Jahren keine materiellrechtlichen Konsequenzen zu befürchten haben. Diese kommen erst noch, weil die neuen Länder diese Verschuldungsgrenze für sich erst in einigen Jahren wirksam machen wollen.

Ich will Ihnen auch sagen, dass es in der CDU-Fraktion seit Jahren allgemein die Auffassung gibt, dass wir, wenn es notwendig ist, eine Verschuldungsregelung in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt verankern sollten. Wir haben uns dafür allerdings noch keine Formulierung überlegt; denn im Moment ist der Anlass dafür nicht vorhanden. Es würde aber in diesem Landtag durchaus eine Mehrheit dafür geben können, wobei die Fraktion DIE LINKE generell ausscheidet. Das haben wir ganz deutlich gesagt.

Frau Kollegin Budde, ich muss ganz ernsthaft sagen: Wenn ich die Verlautbarungen der Konferenz der SPDFraktionsvorsitzenden der neuen Länder richtig verstanden habe, dann ist es so, dass Sie sich bisher auch nicht dazu durchringen können, tatsächlich verfassungsgemäße Verschuldungsregelungen zu erarbeiten. Gleichwohl werden auch Sie nicht darum herumkommen. Sie werden das Spiel auch nicht auf Dauer - - Es ist kein Spiel, das Wort nehme ich zurück.

Sie werden auf Dauer nicht darum herumkommen. Der Finanzminister wird sagen: Diesen Weg wollen wir gehen, weil dies die einzig verantwortbare Finanzpolitik ist. Als Fraktion werden Sie irgendwann einmal im Parlament zu einer Entscheidung gezwungen werden - jetzt noch nicht. Meine persönliche Prognose lautet, dass dies auch in dieser Legislaturperiode noch nicht passiert. Wir werden die Verfassung mit Sicherheit nicht in dieser Legislaturperiode ändern.

Trotzdem müssen Sie sich eine ganz klare Haltung zu diesem Thema erarbeiten, sonst, so befürchte ich, werden Sie auf Dauer keine Finanzpolitik nach außen verkörpern können, die Ihnen die Leute als eine ernsthafte Position abnehmen.

Ich muss auch sagen, dass ich nicht richtig verstehen konnte, warum man die Konsolidierungshilfen abgelehnt

hat. Das konnte ich wirklich nicht verstehen. Herr Bullerjahn hat erläutert, dass es kein Danaergeschenk war.

Wenn eine Fraktionsvorsitzendenkonferenz auf ein Land keine Rücksicht nimmt, dann muss man auch mal widerstehen. Ich selbst habe auch widerstanden, als man mir auf einer Konferenz der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden das Danaergeschenk überbringen wollte, dass wir doch bitte Zuschläge zur Lohn- und Einkommensteuer auf Landesebene wollen sollten.

Zu Anfang war ich der Einzige, der nein gesagt hat. Dann haben die anderen neuen Bundesländer - nicht alle, die Sachsen fühlen sich immer so stark und glauben, dass sie das alles können - gesagt: Das ist ein Danaergeschenk, das nehmen wir nicht an. Der Ministerpräsident hat dieses Geschenk auch nicht angenommen und der Finanzminister hat auch gesagt: Dieses Geschenk nehmen wir nicht an.

Es gibt in der CDU unterschiedliche Auffassungen dazu. Aber, meine Damen und Herren, wenn man widerstehen soll, dann muss man das auch. Das muss man nicht draußen herumkrakeelen. Das wird hinterher noch deutlich werden.

Wir benötigen eine wirklich feste Finanzpolitik. Zudem benötigen wir bezüglich der Föderalismusreform zwei Entscheidungen, von denen wir wissen, dass sie über das Ende dieser Legislaturperiode und über das der nächsten Legislaturperiode deutlich hinausgehen werden. Aber wer jetzt wackelt, meine Damen und Herren, der sollte vielleicht eine Weile nicht über nachhaltige Finanzpolitik sprechen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Scharf. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Gallert. Möchten Sie sie beantworten? - Bitte, Herr Gallert.

Es ist eine Bemerkung und eine Frage, Herr Scharf. Zur Ihrer Bemerkung, wer eine wirksame Schuldenbremse nicht will, dem sollte man das Land nicht in die Hand geben, möchte ich ausdrücklich sagen: Sehen Sie sich die aktuelle Politik Ihrer Bundesregierung an, dann müssten Herr Steinbrück und Frau Merkel augenblicklich zurücktreten; denn die orientieren zurzeit auf die größte Verschuldung in der Geschichte dieser Bundesrepublik.

(Herr Gürth, CDU: Das ist falsch! Die größte Ver- schuldung gab es unter Lafontaine!)

Ich kann ja antworten.

Zweitens. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie der Meinung sind, dass eine solche Schuldenbremse für die Länder, um wirklich eine Wirkung zu erreichen, ab dem Jahr 2020 zwingend in der Landesverfassung zu verankern ist?

Zur ersten Frage, Kollege Gallert. Wenn Sie so argumentieren, dass Sie der Bundesregierung vorwerfen, dass

sie in eine höhere Verschuldung hineingeht, als sie geplant hatte, was angeblich ein Zeichen einer unsoliden Finanzpolitik ist,

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das haben Sie gesagt!)

- Moment! - dann sagen Sie bitte auf der gleichen Veranstaltung, dass Sie Banken nicht retten wollen - mit all den Folgen, die der Finanzminister vernünftig dargestellt hat.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE - Herr Gallert, DIE LINKE: Aber wir wollen doch keine Schul- denbremse!)

Wenn wir in außergewöhnlichen Situationen sind, dann wird die vorgesehene Formulierung, die noch nicht abschließend verhandelt worden ist, uns erlauben, in außergewöhnlichen Situationen auch außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, meine Damen und Herren. Das ist ein Bestandteil der Schuldenbremse.

Aber sehen Sie sich doch einmal die Haushaltsverhandlungen an, die wir in den letzten Jahren geführt haben. Wir haben doch normalerweise darüber gestritten, wie man den Investitionsbegriff in unserer Landesverfassung ausdehnen und interpretieren und noch einmal interpretieren kann, damit alles, was wir wollten, hineinpasst.

Das heißt doch: Die Schuldenbremse brauchen wir, um uns selber zu disziplinieren. Das ist doch die Wahrheit auch in diesem Parlament in den letzten Jahren gewesen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU, und von Herrn Geisthardt, CDU)

Was war die zweite Frage? - Ach so. Die verfassungsrechtliche Prüfung einer Formel, die noch gar nicht ausverhandelt ist, kann natürlich heute von mir nicht geliefert werden.

Aber ich sage Ihnen eines: Ich persönlich gehe davon aus, dass sich das, was die Länderbank erarbeitet hat und an verfassungsrechtlichen Problemen dargestellt hat, als so ernsthaft herausstellen könnte, dass eine Änderung der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt geboten erscheint.

Allerdings habe ich auch ganz deutlich gesagt: in dieser Legislaturperiode auf keinen Fall, vielleicht noch nicht einmal in der nächsten. Aber die Diskussion wird uns einholen. Ich als Politiker Jürgen Scharf sage: Wenn es denn notwendig ist, wäre ich bereit, die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt zu ändern.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Dr. Fi- kentscher, SPD)

Vielen Dank, Herr Scharf. Das waren die Fragen. - Wir kommen jetzt zu dem Debattenbeitrag der FDP. Frau Dr. Hüskens, Sie haben das Wort.

Bevor Sie aber das Wort nehmen, möchte ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Gröbzig auf der Tribüne begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Sie haben das Wort, Frau Hüskens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Klein, zunächst zum Thema Erbschaftsteuer. Wir haben mor

gen einen Tagesordnungspunkt, in dem es um die Lesekompetenz geht. Der Kollege Kley hat mir erklärt, dabei gehe es nicht darum, dass man lesen kann, sondern dass man auch versteht, was man liest.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen empfehlen: Lesen Sie einmal nach, was ich in der letzten und in dieser Legislaturperiode zum Thema Erbschaftsteuer gesagt habe. Ich glaube, immer dann, wenn ich erläutert habe, warum wir die Erbschaftsteuer in Länderkompetenz haben wollen, haben Sie an irgendeiner Stelle die Aufmerksamkeit fallen lassen und haben einfach Ihr Vorurteil dagegengesetzt: Und deshalb sind die Liberalen gegen eine Erbschaftsteuer.

Es gibt sehr schöne Abhandlungen über liberale Grundsätze zur Erbschaftsteuer. Sie werden feststellen, dass das durchaus schlüssig ist.

(Zustimmung von Herrn Kley, FDP, und von Herrn Dr. Schrader, FDP)

Der andere Punkt ist das Thema Ausgabenproblem/Einnahmenproblem. Es ist beliebt zu sagen: Nein, wir haben eigentlich kein Ausgabenproblem, wir können alles ausgeben, was wir wollen, wir müssen nur auf der anderen Seite genug einnehmen.

Eigentlich weiß jeder aus seinem eigenen Erfahrungsschatz, dass es so herum viel schwerer ist als andersherum, als die Ausgaben an die Einnahmen anzupassen. Ich glaube, es ist auch im Landeshaushalt sinnvoll, dass man sich damit abfindet, dass wir das Geld nicht im Keller drucken können, sondern dass wir schlicht und ergreifend auf die Steuereinnahmen angewiesen sind.

Und wir sind in diesem Bundesland auch noch sehr, sehr stark auf Zuweisungen anderer Bundesländer angewiesen. Wir sind auch ein Stück weit auf deren Geduld angewiesen. Deshalb müssen wir bei unseren Ausgaben besonders sorgfältig sein und deshalb stehen wir unter einem höheren Erklärungsdruck als etwa Bayern oder Baden-Württemberg.

Meine Damen und Herren! Am 8. März 2007 nahm die Kommission von Vertretern des Bundes und der Länder ihre Arbeit mit dem Ziel auf, die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern neu zu ordnen. Das waren hehre Ziele. Allerdings waren auch die Erwartungen schon damals eher gering.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD Peter Struck nannte es eine Herkulesaufgabe. Dabei hatte er, glaube ich, das Bild vom Augiasstall im Kopf und warnte damals schon vor zu großen Erwartungen. Struck forderte aber, es müsse unter anderem über die Staatsverschuldung und die Verteilung der Steuern geredet werden; schließlich seien elf von 16 Ländern inzwischen mit verfassungswidrigen Haushalten behaftet.

Meine Damen und Herren! Eines steht heute fest: Geredet wurde viel darüber.

Sein Co-Vorsitzender Herr Oettinger zeigte sich damals etwas überzeugter. Er ließ verlauten, die Kommission zur Neuordnung der Finanzbeziehungen sei fällig, ja überfällig. Ergebnisse würden aber nur dann erzielt, wenn alle kompromissbereit seien. - An dieser Kompromissbereitschaft ließ es dann wohl der eine oder andere fehlen.

Meine Damen und Herren! Zwei Jahre und viele, viele Aktenmeter später stehen wir vor einem sehr, sehr kläg

lichen Ergebnis. Von einer grundlegenden Neuordnung der Finanzbeziehungen ist nicht mehr die Rede. Es soll jetzt noch die Aufnahme eines Neuverschuldungsverbotes in das Grundgesetz geben - ich fände es auch schön, wenn wir darüber einmal mit Blick auf die Landesverfassung diskutieren würden - und auf der anderen Seite soll es für besonders arme Länder finanzielle Hilfen geben.

Meine Damen und Herren! Wer hierbei von einer historischen Entscheidung spricht, wie man es in so mancher Pressemitteilung lesen konnte, der muss schon an starken Fehlwahrnehmungen leiden oder einfach aufgrund langer, fruchtloser Besprechungen und Diskussionen eine sehr, sehr große Toleranz entwickelt haben.

(Zustimmung von Herrn Kley, FDP, und von Herrn Dr. Schrader, FDP)