Protocol of the Session on February 19, 2009

In den Bundestagsfraktionen der CDU und der SPD tobt auch die Diskussion darüber, wie der Bund sein strukturelles Defizit in dieser Zeit abbauen soll, wenn man sich die Neuverschuldung jetzt ansieht. Da haben die Länder gesagt: Lasst uns das jetzt beschließen. - Denn eines ist auch klar: Wenn das nicht auf den Punkt gebracht worden wäre, dann hätte es kein Ergebnis bei dem Thema Föderalismuskommission gegeben

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ja!)

und es hätte - da bin ich mir ziemlich sicher - auch kein Ergebnis beim Thema Konjunkturpaket gegeben. So offen will ich das hier gern sagen.

Frau Dr. Hüskens. Anschließend Frau Dr. Klein.

Ich habe eine Nachfrage zu dem, was Herr Gallert gefragt hat. Habe ich es richtig verstanden, dass es bisher zu dem, was der Bund unter einem strengen Konsolidierungskurs versteht, noch keine schriftliche Vereinbarung gibt bzw. dass es bisher nur dieses Wort „strikter Konsolidierungskurs“ gibt, mehr aber noch nicht?

Nein. Und ich sage Ihnen eines: Erschrecken werden sich vor allen Dingen die westdeutschen Länder; denn wir machen schon Fortschrittsberichte. Ich habe erlebt, wie Bremen, das Saarland und - ich glaube, das dritte habe ich jetzt vergessen -

(Herr Scharf, CDU: Schleswig-Holstein!)

- ja, danke - Schleswig-Holstein sich hingestellt und gesagt haben: Wir sind notleidend - es war bei den Chefs der Staatskanzleien wahrscheinlich genauso - und weil wir notleidend sind - wir haben das selbst festgestellt -, brauchen wir Hilfen.

Die Föderalismuskommission hat dann drei Länder eingesetzt - ich glaube, es waren Baden-Württemberg, Bayern und Berlin; Berlin hat sich dann zurückgenommen, als sie merkten, dass sie selbst Geld bekommen sollten - und hat ein Benchmarking durchgeführt.

Aus meiner Sicht war das eine sehr zugespitzte Stunde in dieser Kommission, als sich die Kollegen aus Bayern und Baden-Württemberg dort hinsetzten und die Ausgabenpfade mit den Einnahmenpfaden verglichen bzw. die Einnahmen- und die Ausgabenstrukturen der Haushalte übereinanderlegten und schließlich sagten: Guckt mal, was wir in den Ländern gemacht haben; und ihr, die ihr das nicht macht, verzichtet darauf.

Das Saarland hat damals - was sehr schön ist - beschlossen, bei der Kinderbetreuung die Kostenfreiheit sehr schnell einzuführen mit der Maßgabe, dass ein Verschuldungstatbestand erweitert wurde. Das ist parteiunabhängig; das könnte man auch für andere Länder machen.

Die Kollegen aus Bayern und Baden-Württemberg in der Föderalismuskommission sagten dazu: Und ihr fordert die anderen Länder noch auf, euch Geld zu geben.

Eines hat der Föderalismuskommission dann gänzlich die Sprache verschlagen: Beide Länder, Bremen und das Saarland, haben sich bedankt - wir auch - und haben dann gesagt: Wir ziehen die Klage zurück; aber wir wissen nicht, ob wir dann mit den Hilfen bis zum Jahr 2019 eine Konsolidierung erreichen werden.

Dann - das sage ich ganz ehrlich - braucht man sich nicht zu wundern, dass die Geberländer sagen: Ganz so einfach kann es wohl nicht sein.

Frau Dr. Hüskens, ich würde sagen: Die Gesamtstruktur wird sich stark anlehnen an das System der Überprüfung durch die Fortschrittsberichte. Diese Diskussion müssen wir nicht scheuen.

Vielen Dank. - Frau Dr. Klein.

Herr Minister, ist die Festschreibung des Schuldenverbots für die Länder im Grundgesetz ein Eingriff in das Budgetrecht der Landtage oder nicht?

Wenn ich das jetzt mit Ja beantworten würde, würde ich nicht zustimmen.

(Frau Budde, SPD: Auch nicht mehr reden! - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das ist aber die Frage! - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Ich danke Ihnen.

Vielen Dank. - Wir setzen dann die Debatte mit dem Redebeitrag der Fraktion der CDU fort. Herr Scharf, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich aus einem Bericht zitieren, der schon mehrfach zitiert worden ist. Aber das passt hier

her. Am 27. Oktober 1989 berichtete Herr Schürer, der Vorsitzende der staatlichen Plankommission:

„Mit den geplanten Valuta-Einnahmen 1989 werden nur etwa 35 % der Valuta-Ausgaben insbesondere für Kredittilgungen, Zinszahlungen und Importe gedeckt. Das bedeutet, dass die fälligen Zahlungen von Tilgungen und Zinsen, das heißt die Schulden, mit neuen Schulden bezahlt werden.“

(Zuruf von Frau Dirlich, DIE LINKE)

So sieht der Bericht eines Staates aus, der kurz vor dem Bankrott steht. Der Bankrott ist letztlich auch eingetreten.

Frau Dr. Klein, noch etwas zum Thema Erbschaften: Wenn Sie eine Erbschaft annehmen - und Sie haben in der Rechtsnachfolge die Erbschaft der Partei angetreten, der auch der Genosse Schürer angehörte -, dann stehen Sie auch in der Rechtskontinuität dieses Kollegen, der damals den Abschlussbericht eines Staates zu schreiben hatte, der die Bücher schließen musste, meine Damen und Herren. - So viel dazu, wie schon einmal ein Staat gegen die Wand gefahren wurde.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Was hat denn das mit der Föderalismuskommission zu tun?)

Aber so einfach ist die Welt nicht, dass man jetzt sagen könnte, mit dem Untergang des Sozialismus wären die Probleme gelöst. Denn die jetzige Finanzmarktkrise ging nun einmal von den Vereinigten Staaten aus, von der stärksten Wirtschaftskraft in der westlichen Welt.

Kleine Länder wie Island, die von einigen Finanzpolitikern schon als Vorbild für eine zukünftige Finanzmarktpolitik gewertet worden sind, sind so pleitegegangen, dass sie gestützt werden mussten. Ich vermute einmal, der Staatsbankrott, der in Island knapp abgewehrt werden konnte, wird innerhalb des Landes noch zu erheblichen Turbulenzen führen. Deshalb kommen wir nicht darum herum, uns darüber zu unterhalten, dass die Krise auch gleichzeitig Anlass dafür sein muss, den Grund für die Krise ernsthaft zu untersuchen.

Nun kommt etwas, meine Damen und Herren, das eigentlich jeder weiß, es wurde nur immer wieder vernachlässigt, die Grunderkenntnis: Nur wohlgeordnete öffentliche Finanzen ermöglichen eine gute wirtschaftliche Entwicklung, um die Rahmenbedingungen für das Entstehen neuer Arbeitsplätze zu verbessern, den Wohlstand unseres Volkes auf Dauer zu sichern und unseren Kindern und Enkelkindern nicht eine untragbare Schuldenlast aufzubürden. Weil diese Grundsätze immer wieder genannt wurden, aber nicht eingehalten wurden, brauchen wir eine Schuldenbremse.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

- Der Beifall bei der CDU wird sich noch steigern, Kollege Tullner. - Jeder, der Ausflüchte sucht, weil er die Schuldenbremse vermeiden will, steht in dem begründeten Verdacht, dass er sich dem Zwang einer tatsächlichen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte entziehen will. Meine Damen und Herren, das spreche ich hier ganz deutlich aus.

Deshalb ist eine Haushaltspolitik, die nachhaltig und generationengerecht ist, nur dann eine verantwortliche Politik, wenn sie sich der Begrenzung der Verschuldung ernsthaft widmet, meine sehr verehrten Damen und Her

ren, so bitter es auch ist. Frau Dr. Klein sagte so schön: Wir haben kein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmenproblem.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Auch!)

Nein, wir werden in den nächsten Jahren noch häufiger über die bittere Wahrheit zu diskutieren haben, dass wir die Ausgaben des Staates den Einnahmen des Staates anpassen müssen.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Wir müssen die Ein- nahmen anpassen!)

Das werden wir machen müssen. Selbst wenn Herr Bullerjahn gesagt hat, seine mit viel Fleiß erarbeitete mittelfristige Finanzplanung sei nicht mehr so furchtbar viel wert.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Vermögensteuer!)

Wir werden in den Jahren 2019/2020 erheblich geringere Einnahmen, nämlich um 20 % oder sogar 25 % geringer, haben, als wir bisher gewöhnt waren. Diese Situation wird sich höchstens noch verschlechtern, nicht aber verbessern. Die Frage, was wir uns zukünftig wirklich leisten wollen, wird in den nächsten Jahren zu verschärften Diskussionen führen. Dafür muss man wirklich kein Prophet sein, meine Damen und Herren.

Zur Schuldenbremse selbst: Im Bundestag und in den Landtagen ist in den letzten Jahren über sehr verschiedene Verschuldungsgrenzen diskutiert worden. Nun liegt im Wesentlichen ein Verhandlungsergebnis vor, welches man ein wenig hin und her interpretieren kann. In meinen Augen ist es ganz wichtig festzustellen, dass wir jetzt ein Verhandlungsergebnis haben, welches im Bund und in den Ländern eine Mehrheit finden kann. Diese historische Chance ergibt sich, meine Damen und Herren, wahrscheinlich nur alle paar Jahre einmal.

Ich will daran erinnern, dass es eine ganze Weile en vogue war, den Stabilitätspakt der EU als unzumutbar zu zerreden. Aber jetzt sind sich alle darin einig, dass die halbwegs existente Steuerbarkeit der Länder der Europäischen Union und speziell der Länder der Eurozone wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass wir diesen Stabilitätspakt überhaupt haben. Das heißt, der Umstand, dass wir uns rechtzeitig dazu verpflichtet haben, eine Grenze im Hinblick auf die künftige Verschuldung zu ziehen, hat uns zumindest halbwegs eine gewisse Handlungsfähigkeit in der Krise bewahrt.

Wer keine nachhaltige Finanzpolitik will, meine Damen und Herren, dem darf man die Regierung eines Landes nicht in die Hand geben. Frau Dr. Klein hat dafür ein beredtes Beispiel gegeben.

(Beifall bei der CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Herr Scharf, dann müssten wir die Kollegen Mer- kel und Steinbrück sofort ablösen!)

Ich füge eines hinzu, weil man ab und zu gern zitiert: Die Heinischen Zuckererbsen schmecken süß, aber die Nachspeise kann bitter sein. Das, meine Damen und Herren, hat sich in der Vergangenheit immer wieder herausgestellt. Ich kann das Zitat später noch erläutern.

Eines will ich aber auch sagen: So einfach ist die Welt für die CDU auch wieder nicht; denn den Versucher für einen Gang in Richtung Verschuldung gibt es auch in der CDU.

(Herr Borgwardt, CDU: Wir kennen das! - Herr Kley, FDP: Was?)

Ich kenne sehr wohl die Diskussionen, in denen gefragt wird: Wollen wir eigentlich Wahlen gewinnen oder wollen wir einen sanierten Haushalt übergeben? - Das heißt, die Schuldenbremse ist auch eine disziplinierende Maßnahme für uns selbst. Jeder in diesem Raum, der halbwegs ehrlich ist, wird sagen: Es geht nicht anders.

Es geht nicht anders, weil es um die Generationengerechtigkeit geht und weil es letztlich darum geht, die Zukunft unserer Kinder zu bewahren. Dann nützt es auch nichts, darüber zu philosophieren, dass wir jetzt in etwas investieren, was unseren Kindern mit Sicherheit nützt. In der Vergangenheit lief es immer so ab, dass das die Begründungslinie war, und der Nutzen war hinterher immer ein Stück weit fragwürdig.

Jetzt komme ich auf ein in meinen Augen ernsthaft zu behandelndes Problem zu sprechen, nämlich die Frage, ob all das, was jetzt als Schuldenbremse vorgetragen wird, verfassungsrechtlich sauber und gut formuliert wurde. Ich persönlich gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Formulierung, die noch nicht im Detail feststeht, die aber in etwa zu ersehen ist, überprüfen wird. Dann werden wir sehen, ob es ein unzulässiger Eingriff in die Finanzwirtschaft oder sogar in die Souveränität der Länder ist oder nicht.