Herr Gallert, erst einmal unterhalte ich mich mit Landtagsabgeordneten nicht über die Presse, weil Sie genau wissen, was dort an Informationsverlust durch verkürzte Wiedergaben mehr oder weniger stattfindet.
- Das mag ja sein. Wissen Sie, ich bin in den letzten Wochen und Monaten fast täglich mit solchen Themenfeldern konfrontiert und bin auch kontaktiert worden. Ich versuche immer, nach bestem Wissen und Gewissen auch aus der tagesaktuellen Sichtweise und Kenntnislage zu antworten.
Diese Bürgschaftsproblematik ist von mir ganz klar beschrieben worden als Gesamtvolumen dessen, was wir im Lande haben. Sie müssen davon ausgehen, dass sich die Bürgschaftsproblematik immer völlig anders darstellt. Wir haben das, was wir dort im Landeshaushalt vorgehalten haben. Davon ist ein Teil belegt. Davon sind 400 Millionen € ohne Probleme in den entsprechenden Chargen von bis zu 1 Million - auch bei Großbürgschaften - frei belegbar.
Des Weiteren haben wir verschiedene Kombinationsmöglichkeiten auch mit anderen Instituten, die hier komplementär hineingehen können.
Das Dritte ist: Wir sind jederzeit in der Lage, ähnlich wie das gerade bei der Infineon-Tochter in Sachsen geschehen ist, zu bestimmten einzelnen Projekten, wenn wir glauben, dass es strukturpolitisch besonders wichtig ist, dort nichts wegrutschen zu lassen, als Kabinett Sonderentscheidungen zu fällen, die gegebenenfalls dann auch haushaltsrechtlich rückgekoppelt werden müssen.
Die Botschaft besteht darin, dass wir an dieser Stelle keine zusätzlichen Bürgschaftsvolumina zum jetzigen Zeitpunkt brauchen, sondern dass das, was wir im Haushalt stehen haben, ausreichend ist, um alle vorliegenden Projekte und auch uns kritisch vorgetragene Einzelfälle abarbeiten und stabilisieren zu können, so denn nicht andere, nicht beeinflussbare Punkte dort eine Rolle spielen. Das ist die entscheidende Botschaft.
Ich habe als Wirtschaftsminister zum jetzigen Zeitpunkt - deswegen ist das dem Grunde nach eine seriöse Aussage, die ich dort gemacht habe - keine Veranlassung, bei Ihnen darum zu bitten: Wir müssen den Haushalt aufmachen. Ich komme mit meinem Bürgschaftsvolumen nicht klar, weil wir unsere Unternehmen nicht stabilisieren können. Das ist an dieser Stelle die Botschaft auch für die Unternehmen, dass sie, wenn sie kommen, einen ausreichenden Rahmen vorfinden.
Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Weitere Fragen sehe ich nicht. Dann können wir jetzt zu den Debattenbeiträgen kommen. Für den ersten Debattenbeitrag erteile ich jetzt für die SPD Herrn Miesterfeldt das Wort.
- Nein, ich wollte gar nicht appellieren, ich wollte nur darauf hinweisen. Das ist sicherlich ein Thema, das bis
zum Ende diskutiert werden muss; das ist keine Frage. Sie haben das Wort, Herr Miesterfeldt. Bitte schön.
Danke schön. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Franz Müntefering hat gestern ein Buch vorgestellt, das den Titel trägt „Der Crash des Kapitalismus“.
Bei der Vorstellung dieses Buches hat er das Bild gebraucht: Das Haus brennt. - Ich möchte ein anderes Bild gebrauchen. Das stammt nicht von mir, sondern ist von Leuten verwendet worden die, glaube ich, sehr viel mehr als ich von Finanz- und Wirtschaftspolitik verstehen: Wir stehen weltweit an einem Abgrund. Wenn man in diesen Abgrund hineinblickt, was sieht man da? Nun, ich denke, als Erstes sieht man die sozialistische Planwirtschaft dort liegen, und dort wollen wir sie auch liegen lassen.
Als Zweites sieht man menschlichen Größenwahn, auch Hybris genannt, und Habgier; beide können einen schnell in diesen Abgrund ziehen.
Wenn Sie sich in den nächsten 14 Tagen das Vergnügen leisten sollten, die Weihnachtsgeschichte zu lesen, dann schlagen Sie einmal ein paar Seiten weiter; da hat der Zimmermann aus Nazareth uns ins Stammbuch geschrieben:
„Gebt acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier, denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.“
Das muss damals - vor 2 000 Jahren - ein guter Ansatz gewesen sein. Er ist heute, glaube ich, ebenso gut.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sind uns in diesem Hohen Hause einig, dass die soziale Marktwirtschaft gerade in dieser Zeit eine Chance hat und eben nicht in den Abgrund stürzen muss. Warum? - Weil sie Freiheit und Marktwirtschaft mit sozialem Ausgleich verbindet. Wir sollten uns darauf besinnen, dass das einmal ein deutscher Exportartikel war und, glaube ich, auch wieder werden sollte, und das gerade in diesen wirtschafts- und finanzpolitisch schwierigen Zeiten.
Täglich erreichen uns Nachrichten, die nicht nur das Ende des Wirtschaftsaufschwungs ansagen, sondern den Beginn eines intensiven Wirtschaftsabschwungs, den die Generation, die nach dem Krieg aufgewachsen ist, so noch nie erlebt hat.
Die Ist-Zahlen, die der Minister für das dritte und vierte Quartal des Jahres 2008 genannt hat, sind gut. Das ist überhaupt nicht infrage zu stellen. Wir sollten sie würdigen. Sie sind auch ein Zeichen der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre. Ich glaube aber, sie dürften uns selbst in guten Zeiten nicht dazu verleiten, uns darauf auszuruhen, und dies schon gar nicht in schwierigen Zeiten.
Wenn vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass die Wirtschaftsprognose für 2002 - gestern von Herrn Sinn so bekannt gegeben -
- ganz herzlichen Dank -, für 2009 minus 2,2 % lauten sollte, dann hätten wir es wahrscheinlich nicht geglaubt, ebenso wie die für andere Länder angegebenen Zahlen, zum Beispiel - ich nenne einmal eine positive Zahl - in China von plus 5 %. Wenn man betrachtet, wie die Wirtschaft dort in den vergangenen Jahren gewachsen ist, dann ist das eine Krisenzahl. Dies wird sich auch auf unsere Wirtschaft auswirken.
Die ersten Signale gibt es bei Automobilzulieferern; aber auch die Chemie spricht von Einbrüchen. Dow spricht von 30 bis 40 %. Keiner von uns weiß, welche Folgen ein eintretender Schneeballeffekt haben könnte oder haben wird. Ich glaube, es ist keine Schande, wenn man derzeit zugibt, dass keiner so richtig weiß, wohin die Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten gehen wird. Hinsichtlich der Zeitdauer gibt es sehr unterschiedliche Ansätze. Sie reichen von einem Jahr bis zu der Angabe des Luxemburger Premierministers, der von drei Jahren spricht.
Die Politik - das ist von den beiden Vorrednern gesagt worden, meine Damen und Herren - darf nicht schönreden, aber sie sollte die Lage auch nicht schlechter reden, als sie ohnehin schon ist; denn das wissen wir: Wirtschaftspolitik ist ganz wesentlich auch Psychologie.
Die ostdeutschen Unternehmerinnen und Unternehmer sehen die Aussichten für 2009 weniger pessimistisch als die westdeutschen. Das hat etwas mit der erfolgreichen Wirtschaftspolitik der jüngeren Vergangenheit zu tun, aber ich glaube auch damit, dass sie in schlimmen Zeiten geschult worden sind und eine gewisse unternehmerische Härte an den Tag legen und lernen mussten. Sie haben eine hohe Flexibilität und eine große Dynamik erreicht, die in solchen schwierigen Zeiten sehr wichtig ist. Es ist dann auch gut, kleine und mittelständische Unternehmen zu haben, wobei wir alle wissen - die Automobilzulieferer sind ein Beispiel -, wie stark sie an den großen Unternehmen hängen.
Der Bund hat wirtschaftspolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht. Es kann darüber gestritten werden, ob diese schon ausreichen. Aber ich glaube, man muss ihnen auch erst einmal eine Chance geben, um sich zu bewähren, und nicht vor der Bewährung so oder so schon wieder nach neuen schreien.
Ich will abschließend drei Punkte nennen, die ich für unser Land als wichtig erachte. Erstens. Wir müssen prüfen, welche ohnehin geplanten Investitionsvorhaben, insbesondere für die Verkehrs- und Bauinfrastruktur im Land Sachsen-Anhalt vorgezogen werden können.
Zweitens. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die investiven Mittel, die wir als Landtag für die Jahre 2008 und 2009 zur Verfügung gestellt haben, auch für sinnvolle Projekte abfließen.
Drittens. Darauf ist insbesondere in der Fragerunde intensiv verwiesen worden: Wir müssen dafür Sorge tra
indem wir das Emissionsprogramm der NordLB unterstützen, hierfür auch die Bürgschaften des Landes zur Verfügung stellen und gegebenenfalls - auch darüber wurde diskutiert - erweitern.
Ich will zum Ende meine Rede zwei positive Zahlen nennen, die ich gestern bzw. heute erfahren habe. Die Spareinlagen bei der Sparkasse steigen. Das ist nur teilweise eine positive Zahl; denn was dort hineingeht, geht nicht in die Geschäfte; aber - das ist die richtig positive Zahl - auch die Kreditvergaben bei der Sparkasse, insbesondere in Ostdeutschland, sind in den letzten Wochen gestiegen.
Der Antrag und auch der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen haben zum Inhalt, dass Politik rasch und energisch handeln muss; das ist richtig. Wir müssen auch auf Schlimmeres vorbereitet sein. Das will ich so deutlich sagen. Es muss ein Notmanagement zur Verfügung stehen, wenn es gebraucht wird. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten nicht aus der Hüfte schießen. Nicht nur der Jäger weiß, dass es gerade beim Schießen auf den richtigen Zeitpunkt ankommt. Ich denke, das ist auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik richtig. Ich bitte deshalb im Sinne unseres Änderungsantrages um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.