An dieser Stelle würden wir bundespolitisch durchaus in die Front gehen und dafür werben, die aus den 90erJahren stammende Regelung wieder in Kraft zu setzen, weil dies eine erhebliche Entlastung in einer Überbrückungszeit darstellen würde. Zudem bringt dieses Vorgehen bedeutsame wirtschaftspolitische Vorteile mit sich und hält vor allen Dingen die Fachkräfte zusammen, die die Unternehmen für die Zukunft dringend benötigen.
Allerletzte Bemerkung an dieser Stelle: Ja, da der Prozess dynamisch ist, müssen wir regelmäßig und in ganz kurzen Abständen darüber reden. Wir wollen unser Konzept, das wir fortentwickeln, mit Ihnen abgleichen. Wir wollen Sie bewusst so offensiv wie möglich in diese Prozesse einbinden, damit gegebenenfalls auch darüber hinausgehende Maßnahmen im Landtag - gegebenenfalls mit Haushaltsrelevanz - zur Beschlussfassung gebracht werden können. All das wollen wir. Deshalb ist diese Diskussion in allen zuständigen Ausschüssen - auch über den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hinaus - erforderlich.
Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass dieser Prozess entsprechend strukturiert in den einzelnen Bereichen stattfinden kann. Wir sind jedenfalls für die Information offen und würden uns freuen, wenn wir gemeinsam nach Problemlösungen suchen würden, Problemlösungen, die wir in Deutschland und auch weltweit bisher noch nicht benötigten und bei denen wir in Teilen neue Wege gehen müssen, dann aber unterlegt mit harten Fakten, die wir benennen können und bei denen wir sicher sind, dass mit den Einsätzen, die wir tätigen, auch die entsprechenden Effekte erzielt werden. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Es gibt drei Nachfragen. Bevor ich diese zulasse, begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Fallstein-Gymnasiums in Osterwieck auf der Tribüne. Herzlich willkommen!
Herr Minister, Frau Rogée, Herr Schrader und Herr Gallert haben um Nachfragen gebeten. Wollen Sie diese Nachfragen beantworten?
Sie haben mit Ihren Ausführungen einige Fragen zu beantworten versucht. Meine Frage ist: Sollen die gesetzlichen Grundlagen für das Kurzarbeitergeld im SGB III auch inhaltlich verändert werden?
Hier ist nur von sechs Monaten die Rede. In dem Papier, das ich vom Bund habe, steht etwas von zwölf bis 18 Monaten. Vielleicht können Sie aufklären, wie lange das gehen soll.
Außerdem ist hier geregelt, dass es maximal 10 % der Beschäftigten betreffen sollte. Soll das erweitert werden? Deshalb fragte ich, ob es Veränderungen geben soll.
Gibt es schon Signale aus Unternehmen, die deutlich machen, dass bei ihnen auf jeden Fall ab 1. Januar etwas im Hinblick auf Kurzarbeit passieren kann?
Erstens. Die Regelungen, die Sie benannt haben, sind so. Sie sind übrigens restriktiver als noch vor zehn, 15 Jahren. Sie waren in den letzten Jahren auch ausreichend. Ich denke, wir haben ein besonderes Jahr.
Hinsichtlich der Laufzeit, was die zwölf Monate anbelangt, ist schon eine Entscheidung gefallen. Das muss jetzt allerdings noch untersetzt werden, weil mit der einfachen Festlegung der Anzahl der Monate natürlich kein Freibrief für eine uneingeschränkte Inanspruchnahme verbunden sein kann. Man muss schon irgendwie versuchen, Mitnahmeeffekte zu vermeiden.
Für mich ist aber an dieser Stelle das Entscheidende, dass bei der Nachweisführung die Randkriterien dafür, ob jemand Kurzarbeit beantragen kann bzw. genehmigt bekommt, flexibler als bisher sind und vor allem im Hinblick auf die Notwendigkeit der Nachweisführung schneller bewertet werden. Das heißt, wir kommen mit der 10%-Regelung gegebenenfalls nicht hin.
Wir kommen auch nicht hin, wenn wir vorher erst mühsam über eine Nachweisführung die Überstunden, die Urlaubstage usw. usf. abrechnen lassen, weil das oftmals Prozesse sind, die für eine zeitliche Verzögerung des Inkrafttretens sorgen. Hier muss auf jeden Fall schnell gehandelt werden. Deshalb müssen wir uns mit dem Bundesarbeitsminister über die entsprechenden praktischen Erfahrungen austauschen. Das wird, so denke ich, über den Jahreswechsel erfolgen.
Aber das Entscheidende ist, dass das Instrument der Kurzarbeit ein teures Instrument ist. Die Remanenzkostenproblematik ist entscheidend für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen. Sie können diese Kosten maximal drei, vier oder fünf Monate lang schultern. Dann kommen sie finanziell an ihre Grenzen. Das wissen wir aus anderen Prozessen. Deswegen muss diese Frage, wenn sich diese Situation jetzt länger so darstellen sollte, als wir es erwarten oder erhoffen, noch einmal grundsätzlich aufgerufen werden.
Ein weiteres Stichwort war die Erwartung für den Januar. Im Dezember wird es noch keine umfangreiche Inanspruchnahme geben. Das heißt, wir liegen hier im Promillebereich. Selbst die Zeitarbeitsfirmen, die teilweise betriebsbedingte Entlassungen angekündigt haben, werden diese nicht in erheblichen Größenordnungen vollziehen, weil sie inzwischen durchaus mit Erfolg versucht haben, Ersatzaufträge zu bekommen.
Ich glaube, wenn Kurzarbeit notwendig werden sollte und sich die Phase länger hinzieht, als wir das wünschen und erwarten, dann wird im zweiten Quartal ein
größerer Schub zu erwarten sein mit einer Einstiegskurve im ersten Quartal. Aber es wird sich immer um Größenordnungen handeln, die ich für überschaubar halte und die sich wahrscheinlich in der Statistik überhaupt nicht auswirken werden.
Herr Minister, ich glaube, der Ernsthaftigkeit der Situation sind sich in diesem Hause alle bewusst. Es gibt sicherlich auch eine große Übereinstimmung darin, dass weder Aktionismus noch Nichtstun hilfreich ist. Beides wäre fahrlässig. Es ist auch klar, dass ein Land wie Sachsen-Anhalt diese Weltwirtschaftskrise natürlich nicht allein bewältigen kann.
Meine Frage zielt auf ein Thema, auf das Sie nicht eingegangen sind. Wie verhält sich das Land SachsenAnhalt, wenn es im Bund zu entsprechenden Maßnahmen kommen muss? - Sie haben mehrfach angekündigt: Wenn es die Situation verlangt, muss man entsprechend reagieren. In diesem Zusammenhang haben Sie gesagt: Wenn es zu starken Einbrüchen kommt, muss der Staat schnell reagieren. Sie halten eine grundlegende Einkommensteuerreform - so werden Sie zitiert - nach der Bundestagswahl im Jahr 2009 für unerlässlich.
Könnten Sie uns bitte erläutern, was Sie unter einer grundlegenden Einkommensteuerreform verstehen und ob Sie es für denkbar halten, dass so etwas eventuell vor der Bundestagswahl kommt?
Das Erste betrifft die übereinstimmende Meinung, dass wir jetzt mit Augenmaß Maßnahmen ergreifen müssen. Der Handlungsbedarf für das Land besteht darin, jetzt für die einzelnen Ressortbereiche herunterzurechnen, welche Finanzierungskonsequenzen auf uns zukommen und inwieweit der Abschluss des Jahres 2008 ausreichend ist, um die ersten Tranchen, die gegenzufinanzieren sind, abzudecken.
Damit meine ich zum Beispiel die zusätzlichen GA-Mittel in Höhe von knapp 9 Millionen €, die wir allein im Jahr 2009 gegenfinanzieren müssen, und weitere GA-Mittel in Höhe von 8,9 Millionen € im Jahr 2010. Hierfür ist eine Gegenfinanzierung erforderlich, die momentan nirgends verbucht ist. Dazu müssen wir eine Entscheidung treffen. Die Frage, ob das haushaltsrelevant wird oder nicht, hängt, wie gesagt, auch sehr stark von dem Jahresabschluss 2008 ab. Das ist zu diskutieren. Ähnliches gilt für die Konsequenzen in anderen Ressortbereichen.
Wenn ich die Steuerthematik überhaupt angesprochen habe, dann deshalb, weil ich gefragt wurde: Halten Sie ein spontanes Absenken zum Beispiel der Mehrwertsteuer um zwei Punkte oder andere Sofortmaßnahmen für zielführend? - Daraufhin habe ich gesagt: Wissen Sie, wir haben momentan eigentlich kein Problem bei der Binnennachfrage bzw. bei dem Binnenfinanzvolumen in Sachsen-Anhalt und in Deutschland, weil ja nicht in Größenordnungen Geld vernichtet wurde, sondern es ist durchaus bei den potenziellen Konsumenten vorhanden.
Wenn wir jetzt die Mehrwertsteuer reduzieren, was ja vom technischen Vollzug her nicht schlagartig innerhalb von 24 Stunden realisiert wird, dann haben Sie den Effekt, dass alle auf diesen Stichtag warten und der Weihnachtseinkauf ausfällt; so muss man es ganz klar sagen. Umgekehrt hat eigentlich nur eine Steuererhöhung einen sofortigen Effekt, weil dann wenigstens ein Konsumanreiz erzeugt wird nach dem Motto: Wenn die Mehrwertsteuer um 2 % erhöht wird, wird vorher noch einmal relativ stark konsumiert.
Aufgrund dieser mit irrationalen Komponenten versehenen Effekte ist meine Meinung ganz klar, dass mit Adhoc-Steueränderungen überhaupt nichts bewirkt wird. Selbst wenn Sie bezüglich der Unternehmenssteuern etwas verändern würden, wäre abgesehen von dem Gesetzgebungsverfahren die Wirkung erst mittel- und langfristig zu spüren, sodass die spontane Reaktion, die wir eigentlich notwendig hätten, dieses schnelle Abpuffern der nach unten durchschlagenden Peaks, damit überhaupt nicht zu erzeugen wäre.
Deswegen sollte man an dieser Stelle die beiden Aufgabenpakete, die wir bedenken müssen, voneinander abkoppeln. Dass eine Steuerreform grundsätzlich noch einmal an der Reihe ist, auch hinsichtlich der Progression und der Auswirkungen auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen, das war immer unsere Meinung; denn die letzte Steuerreform hat ja andere gesellschaftsrechtliche Formen betroffen. Das war sicherlich mit Blick auf den internationalen Wettbewerb erforderlich.
Aber politisch haben wir uns immer vorgenommen, beim nächsten Mal sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen an der Reihe. Das ist eine Aufgabe, die in der nächsten Legislaturperiode sauber und, was die anfänglichen Einnahmenverluste anbelangt, gut justiert auf der Tagesordnung stehen muss.
Wir sprechen ja über den Konsum und das Abpuffern durch Konsumaktivitäten, um den Einbruch bei bestimmten Auftragsvolumina zu korrigieren. Das halte ich mit Blick auf den Zusammenbau einer Kausalkette für nicht leistbar. Das ist ganz einfach nicht leistbar, egal was Sie machen. Selbst die Reduzierung der Kfz-Steuer, die beim Kauf eines Neuwagens für zwei Jahre vorgesehen wurde, ist eine rein psychologische Maßnahme. Wir wissen, dass wir damit nicht einen Daimler mehr an den Mann bekommen.
Wir müssen an dieser Stelle eher darüber nachdenken, wie wir dazu beitragen können, die Pendelbewegungen in Sachsen-Anhalt langfristig durch vernünftige Autos so darzustellen, dass der Spritverbrauch, die Gesamtbetriebskosten und auch die Einstiegskosten in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Wenn man entsprechende Anreizsysteme installiert, dann kann man darüber nachdenken. Aber solche Sachen zieht man nicht vernünftig aus dem Ärmel. Jede sofortige Reaktion würde wahrscheinlich eher Schaden anrichten, auch auf der Einnahmenseite, als dass sie für ein Plus sorgen würde.
Das muss man auch ganz klar sagen: Wenn Sie jetzt den Steuerhebel herumgerissen hätten, in welche Richtung auch immer, hätten Sie sofort sagen müssen, an
welcher Stelle im öffentlichen Sektor Sie die entsprechenden Steuerausfälle kompensieren wollen. Der öffentliche Sektor ist ebenfalls beschäftigungsintensiv. Er ist beschäftigungsintensiver als die Großindustrie; er ist ebenfalls eine Binnenmarktkomponente, die wir nicht einfach ausblenden können und die sofort das überkompensieren würde, was wir vielleicht an einer anderen Stelle im Sinne der Privilegierung einer einzelnen Branche erzeugen würden.
An dieser Stelle kann ich nur für eine Versachlichung der Diskussion werben und - nicht für eine Politik der ruhigen Hand; der Begriff der ruhigen Hand ist aus meiner Sicht belastet - dafür, Befunde zu erheben und zu versuchen, das, was wir mit den wenigen öffentlichen Mitteln, die wir haben, erreichen können, zielpunktgenau umzusetzen. Das sind immer Einzelfallprojektmanagements. Daran arbeiten wir. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung.
Ich frage Sie jetzt nicht nach einem Steuerkonzept. Das sollten wir dann vielleicht irgendwann nach der Mittagspause machen. Ich möchte eher eine Zwischenintervention machen.
Ich schließe jetzt aber an einen Satz an, den Sie gerade in Ihrer Antwort verwendet haben, und zwar, dass wir bei der Darstellung der Gefahren, aber auch der Chancen und der Eingriffsmöglichkeiten sachlich bleiben sollten.
Ich will Ihnen das noch einmal sagen, Herr Haseloff. Herr Thiel hat es in seinem Vortrag erwähnt. Ich lese Ihnen einmal einen Satz aus Ihrem Artikel in der Sonntagszeitung vor. Dort steht:
„... für Unternehmen des Landes in finanziell schwierigen Situationen geschnürt mit Instrumenten, die es längst bei uns gibt, die sich bewährt haben und deren Finanzrahmen bei Weitem nicht ausgeschöpft wurde. Allein für Landesbürgschaften stehen im kommenden Jahr 1,6 Milliarden € im Landeshaushalt bereit.“
Ich habe mehrere Kollegen im Finanzministerium angerufen, die diese verwalten. Die Reaktion lag zwischen ungläubigem Staunen und nervösem Lachen. Sie sagen, 1,6 Milliarden sind nie und nimmer - -
Im Gesamtvolumen, das im Haushalt steht, was in Teilen belegt ist. - Wollen wir uns über die Presse unterhalten?
Nun lassen Sie mich einmal ausreden. Herr Haseloff, genau das ist das Problem. Im Haushalt stehen 2,34 Milliarden €. Davon sind 1,94 Milliarden € belegt. Die verfügbare Summe existiert noch in einer Marge von 400 Millionen €, und Sie schreiben, dass 1,6 Milliarden € Bürgschaften im nächsten Jahr frei verfügbar sind. Das ist der Unterschied zwischen Sachlichkeit und Populismus an der Stelle. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, Herr Haseloff.
Herr Gallert, erst einmal unterhalte ich mich mit Landtagsabgeordneten nicht über die Presse, weil Sie genau wissen, was dort an Informationsverlust durch verkürzte Wiedergaben mehr oder weniger stattfindet.