Wir haben es momentan mit der Kündigung von Zeitarbeitern zu tun, auch in Sachsen-Anhalt, habe ich gelesen. Es gibt verstärkte Anmeldungen zur Information zu Kurzarbeit bei den Arbeitsagenturen. Der Landtag hat Folgendes - -
- Herr Borgwardt zu Ihrer Information: Kollegin Rotzsch ist leider nicht anwesend. Kollegin Rotzsch hat in diesem Sommer, als bekannt wurde, dass K+S im Süden des Landes investieren will, vorgeschlagen, Fördermittel in die Hand zu nehmen, um diesem Unternehmen zu helfen. Bei einem Gewinn vor Steuern von 1,4 Milliarden € muss man darüber aber vielleicht gar nicht nachdenken.
Momentan verzeichnen die Arbeitsagenturen eine verstärkte Nachfrage zu folgenden Themen: Wie bekomme ich die Kurzarbeit gebacken? Wie kann man mit Qualifizierungsmaßnahmen Zeit überbrücken? - Man kann diese Beispiele fortsetzen.
Die Frage, die sich in diesem Hause stellt, ist doch: Wie geht Politik mit diesem Problem um? Nützt Aktionismus, wie er gelegentlich einigen Politikern hier vorgeworfen wird? Oder genügt es, mit dem Konzept der ruhigen Hand zu fahren? - Beides kann ein Beispiel dafür sein - ich betone: es kann -, dass man keine Konzepte hat.
Deswegen erschien es uns wichtig, heute einen Antrag in den Landtag einzubringen, um zu erfahren, welche Konzepte wir im Lande haben, um diesen Dingen zu begegnen. Wir wollen - das ist wichtig - keine wortreichen Erklärungen hören, sondern konkrete Fakten, über die wir in den Ausschüssen beraten wollen, wie die Krise, die vielleicht auf uns zukommt, bewältigt und gemanagt werden kann. Was bedeutet es zum Beispiel, das Konjunkturprogramm des Bundes oder der EU im Land umzusetzen?
Für Landesbürgschaften stehen im kommenden Jahr Mittel in Höhe von 1,6 Milliarden € im Haushalt zur Verfügung, hieß es in einem Gastbeitrag des Ministers in
einem anderen Magdeburger Sonntagsblatt. Das sei viel Geld, sagte er, und an eine Aufstockung brauche man derzeit nicht zu denken. Wenn sich allerdings im Laufe des nächsten Jahres ein anderer Betrag herauskristallisieren sollte, dann könne man jederzeit durch Umschichtung und Konzentration von Haushaltsmitteln aufstocken.
Davon hätten wir gern gewusst; denn wir sind der Haushaltssouverän. Wenn konzentriert und umgeschichtet wird, dann hätten wir gern ein Wörtchen mitgeredet.
Lieber Herr Minister, ich muss Sie ein wenig korrigieren; denn nach unseren Informationen belaufen sich die Mittel für Landesbürgschaften derzeit auf 2,34 Milliarden €. Davon ist ein Betrag in Höhe von 1,94 Milliarden € bereits in Anspruch genommen worden. Das heißt, dass momentan noch ein Betrag in Höhe von 400 Millionen € übrig ist.
Und wir reden in diesen Tagen auch über eine Landesbürgschaft für die NordLB in Höhe von 3,8 Milliarden €. Dies muss man einfach sehen. Wir haben diesen Antrag gestellt, um über diese Dinge im Landtag zu sprechen.
Wenn man über Krisenmanagement spricht, dann muss man auch über die Ursachen sprechen. Man kann dies in der heutigen Diskussion nur schlaglichtartig berühren. Man muss sagen: Die ersten Anzeichen für die Finanzkrise gab es bereits im Jahr 2007, in einigen Bereichen noch viel eher. Die SachsenLB war ein Beispiel dafür, die amerikanischen Immobilienbanken waren ein anderes Beispiel.
Zu diesem Zeitpunkt herrschte in den Bankzentralen wahrscheinlich bereits höchste Alarmbereitschaft; denn die Eingeweihten wussten, was da auf uns zukam. Es gibt böse Zungen, die behaupten, Lehman Brothers habe man in den USA deshalb pleitegehen lassen, weil diese Bank mit vielen Wirtschaften anderer Länder verknüpft war. - Aber das behauptet nur eine böse Zunge, auf die ich nicht weiter eingehen will.
Fakt ist aber, meine Damen und Herren, dass sich die Wirtschaftskrise, das heißt die sich anbahnende Rezession, in Deutschland bereits im Frühjahr 2008 abgezeichnet hat. Die Anzeichen dafür waren vorhanden. Die Finanzkrise im September/Oktober hat diesen Prozess im Prinzip nur verstärkt.
Alle, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, wissen eigentlich, dass der jetzige Konjunkturzyklus vor allem im Jahr 2004 angestoßen wurde und dass wir in den Jahren 2004, 2005 und 2006 in Sachsen-Anhalt und in Deutschland eine sehr erfolgreiche Entwicklung durchlaufen haben. Aber diese Zeit wurde eben nicht genutzt, um eine wichtige Säule, nämlich den privaten Konsum, mitzutragen.
Wenn man sich die Statistiken ansieht, dann ist klar, dass die Konjunktur in dieser Zeit ganz eindeutig von den Wachstumsraten des privaten Konsums abgekoppelt war.
Nicht umsonst haben wir als LINKE Sie in diesem Landtag immer wieder genervt mit dem Thema Anhebung des ALG II, mit dem Thema Einführung des Mindestlohns, mit dem Thema Kinderarmut und mit Initiativen gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Dies geschah, um genau diese Dinge etwas anzukurbeln. Wir hoffen, dass die Entwicklung in der nächsten Zeit dazu
beitragen wird, dass man endlich aus dieser Krisensituation lernt und vielleicht einen neuen Weg einschlägt. Aber dazu später noch etwas.
Man muss vielleicht auch sagen, dass dazu auch das Thema Unternehmenssteuerreform 2000/2002 beigetragen hat. Über diese Dinge redet momentan fast niemand.
Es gibt Berechnungen, die besagen, dass von den zurückbehaltenen Steuern, die der Staat früher abgeschöpft hat, nur ein Viertel in reale Investitionen geflossen ist. Der Rest ist in die Finanzmärkte gegangen, um mit spekulativen Geschäften Geld zu verdienen. Das ist das, was - zumindest nach der Ankündigung der dafür zuständigen Politiker - nicht das Ziel dieser Unternehmenssteuerreform war. Die kleinen und mittleren Unternehmen hatten sowieso nichts davon.
Was ist nun das Problem, auf das wir uns in der nächsten Zeit konzentrieren sollten? Wir möchten mit unserem Antrag gern erreichen, dass wir vor allem über neue Fragestellungen im Landtag diskutieren. Das sind im Prinzip die Voraussagen oder Aussagen, die die Regierung bis jetzt getroffen hat.
Punkt 1. Herr Ministerpräsident, Sie haben sowohl im Bundesrat dem Konjunkturprogramm des Bundes zugestimmt als auch in einem Appell, den das Saarland und Sachsen verabschiedet hatten, gefordert, dass im europäischen Rahmen entsprechende Maßnahmen in Deutschland eingeleitet werden.
Wir hätten gern gewusst: Was hat die Landesregierung ganz konkret vor, um das Konjunkturprogramm des Bundes mit umzusetzen? Es scheint so zu sein, als würde man einfach sagen: Das geht uns alles nichts an.
Es ist wie in Europa. Man beschließt ein Programm im Umfang von 220 Milliarden € und sagt: 170 Milliarden oder 180 Milliarden € davon sollen die Nationalstaaten beisteuern. Dann beschließt der Bund ein Programm in Milliardenhöhe und sagt: Daran müssen natürlich die Länder beteiligt werden.
Jetzt kommen wir in das Land Sachsen-Anhalt. Und was macht man hier? - Man sagt: Wir brauchen kein Konjunkturprogramm; denn dann müssten wir ja unsere Kommunen und Landkreise beteiligten, und die haben ohnehin immer leere Taschen. - Das halten wir für einen wichtigen Punkt.
Punkt 2. Wir sollten uns ganz konkret anschauen, wie in der jetzigen Situation unsere Banken agieren. Alles in Ordnung, habe ich in der Zeitung gelesen. Aber wenn man einmal fragt, was konkret vor Ort passiert, hört man erstaunliche Nachrichten:
Überbrückungskredite werden für bestimmte Branchen verweigert. Wenn es um Kreditbewilligungen geht, zum Beispiel im Bereich des Maschinenbaus, im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung, also um erneuerbare Energien und ähnliche Dinge, dann werden Risikozinsen in Höhe von 8 bis 9 % verlangt. Die KfW will gleichrangig mit der Hausbank in die Grundschuld eingetragen werden. Die Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt will für eine Bürgschaft zu einer möglichen GA-Förderung 13 % einbehalten. - Das alles müssen die Unternehmen ausgleichen. Das sind konkrete Dinge und Erscheinungen, die im Land passieren.
Da muss man sich fragen: Wie ist denn das Investitionspaket der Banken eigentlich geschnürt? - Es reicht eben nicht aus, Herr Minister Haseloff, dass man die alten
Konzepte der Investitionsbank vom vorigen Jahr noch einmal aufwäscht und wieder vorlegt. Das sollten wir uns anschauen.
Punkt 3 ist der Export in Sachsen-Anhalt. Wie ist die Rolle des Exportes zu sehen? - Im Außenwirtschaftskonzept des Landes wird betont, dass sachsen-anhaltische Unternehmen anfälliger für konjunkturelle Schwankungen sind, weil sie mehr im Inland produzieren und auf die stabilisierten Märkte des Exports nicht vordringen können.
Angesichts der neuen Entwicklung bitte ich zu überdenken, ob diese Aussage noch stimmt, vor allem wenn man sich die Struktur unseres Exports anschaut. Unser Export ist zu 50 % Bestandteil einer internationalen Wertschöpfungskette mit Vor- und Halberzeugnissen; lediglich 35 % sind tatsächlich Enderzeugnisse, die wir nach außen verkaufen können.
Punkt 4 ist die energetische Sanierung von Gebäuden. Das war schon bei der letzten Regierungsbefragung ein Thema. Frau Hunger hat gestern noch einmal auf dieses Problem aufmerksam gemacht. In der Debatte im Oktober 2008 haben auch wir noch einmal gesagt: Wer Geld in das Haus investiert, will für sich eine langfristige Planungssicherheit. Und genau das ist momentan in vielen Fällen wirklich ein Problem.
Punkt 5. Sie haben gesagt: Okay, wir gehen öffentliche Infrastrukturmaßnahmen an. Dabei stellt sich tatsächlich die Frage: Wo kann man hier einen entsprechenden Investitionsschub erreichen? - In gemeinsamer Arbeit mit dem Handwerk, in gemeinsamer Arbeit mit den Banken, um bestimmte Dinge sicherzustellen, aber auch im gemeinsamen Vorgehen mit Kommunen, mit Einrichtungen. Wie kann die öffentliche Hand hierbei vorgehen?
Auf dem Stendaler Parteitag - das wurde uns jedenfalls über die Presse mitgeteilt - ist eine Stendaler Erklärung abgegeben worden mit dem Thema „Infrastrukturmaßnahmen angehen“. Im Fernsehbericht habe ich zu diesem Thema nur Leute auf der Bühne gesehen, die Schilder hochgehalten haben, auf denen Straßennamen zu lesen waren. Dann habe ich im Internet nachgeschaut, was denn nun konkret geschrieben worden ist. Da erschien die Meldung „Error 404“. Vielleicht können Sie, Herr Minister, uns aufklären, was mit diesem Stendaler Programm eigentlich gemeint ist.
Punkt 6. Sie haben in mehreren Interviews angesprochen, dass Sie sich mit Landesmitteln anteilig auch an größeren Unternehmen beteiligen wollen, die nicht unter die KMU-Regel fallen, anteilig bei Lohn- und Qualifizierungskosten, bei den Kosten für Weiterbildungslehrgänge, bei Kurzarbeitskosten, bei der hälftigen Übernahme von Qualifizierungskosten und des Arbeitnehmeranteils an Sozialkosten. Dazu hätten wir gern gewusst, wie die Mittel dafür im Haushalt umgeschichtet oder konzentriert werden sollen.
Eine weitere groß angelegte Mediendarstellung war: Haseloff legt sich mit den Gasversorgern an. Das ging durch alle Zeitungen. Alle haben sich gefreut, jetzt zeigt der Wirtschaftsminister, wo es langgeht. Hinterher kam die laue Pressemeldung: Wir bleiben im Gespräch. Wenige Tage später erklärten die Stromerzeuger in Sachsen-Anhalt: Wir packen einmal 10 bis 20 % auf den Strompreis drauf.
So ist das reale Leben in Sachsen-Anhalt. Wie gesagt, Herr Minister, wir würden Sie gern an Ihren Aussagen dazu, wie Sie diesen Dingen begegnen wollen, messen.
Punkt 7, das vorletzte Thema: die NordLB. Wir als LINKE haben uns dazu bekannt - wir werden in den nächsten Tagen sicherlich noch darüber streiten, ob die Mittel in Höhe von 3,8 Milliarden € ausreichen oder nicht, aber für uns war die Feststellung maßgeblich -, dass wir die Bürgschaft dann aussprechen wollen, wenn die Regierung und die NordLB einen spürbar positiven Einfluss auf die Kreditvergabe an die Realwirtschaft tatsächlich nachweisen können. Das wird schon schwer genug sein.
Die zweite Forderung war aufzuzeigen, wie die NordLB in die sich anbahnende Rezession aktiv eingreifen kann.
Letzter Punkt, Punkt 8: die Rolle Europas. Ich habe bereits darüber gesprochen. Ich finde es bedauerlich, dass in Europa gestern oder in den letzten Tagen gesagt worden ist, dass Klimaschutzmaßnahmen gewissermaßen auf die lange Bank geschoben werden. Man muss begreifen, dass Klimaschutzmaßnahmen tatsächlich ein neuer Wachstumsfaktor sein können.
Europa hat gesagt: Wir sind offener beim Thema Beihilferecht, wir sind offener beim Thema öffentliche Auftragsvergabe, um die Investitionen in den Ländern voranzubringen. Hierzu hätten wir gern gewusst, was auf dieser Schiene tatsächlich passieren wird. - Das sind die Ziele unseres Antrages.
Ich habe noch 44 Sekunden Zeit, um zusammenzufassend zu sagen: Wir wollen gemeinsam hier im Landtag nach Lösungen für die sich anbahnenden Probleme suchen. Wir haben versucht, mit unserem Antrag genau die Dinge festzuschreiben, die die Landesregierung selbst als ihr wichtig bezeichnet hat. Es ist also nicht so genannte linke Programmatik, die in unserem Antrag steht, obwohl wir viele Dinge unterstützen, die dort aufgeschrieben sind. Aber genau das ist ja das Ziel.
Wir wollen Ihnen auch Zeit lassen. Sie müssen weder im Dezember noch im Januar gleich die entsprechenden Pakete vorlegen. Wir sind aber auch der Meinung: Wir können nicht bis März oder April warten, sondern die Dinge bahnen sich jetzt an, die Zeichen der Zeit sind jetzt erkennbar. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank für die Einbringung, Herr Thiel. - Jetzt erteile ich der Landesregierung das Wort. Minister Herr Dr. Haseloff, bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Thiel, Sie haben ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, das für uns in der Landesregierung auch im Zusammenwirken mit den parlamentarischen Gremien natürlich auf der Tagesordnung steht und einen Dauerbrenner darstellt.