Protocol of the Session on July 7, 2006

Ich muss sagen, ich habe Schwierigkeiten, diese rote Linie bei Ihnen zu erkennen.

(Herr Prof. Dr. Paqué, FDP: Gelbe Linie! - Zuruf von der SPD: Gelbe Linie!)

Ich denke, dass Ihr Fraktionsvorsitzender vielleicht auch einmal ein bisschen darauf achten muss, dass die Gesamtpolitik in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen der Regierungsverantwortung in der vergangenen Wahlperiode und der Oppositionsverantwortung, die Sie jetzt haben, steht und hier zumindest logisch und nach außen glaubwürdig rüberkommt. - Das ist zumindest mein Eindruck, den ich hier einmal kurz kundtun will, meine Damen und Herren.

(Herr Prof. Dr. Paqué, FDP: Wir müssen es ja wenigstens erklären können! Wir dürfen es ja nicht einmal erklären!)

Was die Sache selbst angeht, ist, denke ich, der Antrag sehr durchsichtig. Sie buhlen damit natürlich um eine Klientel, die man Ihnen wahlmäßig auch ein bisschen zuordnet.

(Frau Budde, SPD, lacht)

Wir verschließen uns diesem Anliegen auch nicht. Die Sozialpolitiker sind doch auch immer dabei zu gucken, wie denn die Zukunftsperspektiven der Ärzte in diesem Land sind. Das reicht von Landärzten bis hin zur Maximalversorgung. Das ist ein Problem, und der Standortvorteil im Sinne von tariflichen Aspekten ist schon ein Punkt, den wir mit beachten müssen.

(Herr Prof. Dr. Paqué, FDP: So ist es!)

Die Gesamtfinanzverantwortung - deswegen rede auch ich als Finanzpolitiker hier - und die Verantwortung im Tarifgefüge insgesamt, das wir im öffentlichen Dienst haben, sollten wir aber hierbei ein bisschen in Betracht ziehen und deren Ausgewogenheit mit berücksichtigen. Deswegen können wir einer Prioritätensetzung in dem Sinne, wie Sie sie einfordern, nicht zustimmen.

Ich will auch ganz kurz darauf eingehen, was Sie zum Stand der Hochschulmedizin gesagt haben. Wir haben die Anstalten vor zwei Jahren gegründet. Wir wussten, dass es ein schwieriger Weg wird, weil wir die Position der Maximalversorger, unserer Uniklinika, im nationalen Kontext und vielleicht sogar im europäischen Kontext neu aufstellen müssen.

Nun hat man uns damals vorgeworfen, dass das Hochschulmedizingesetz nicht die Dinge, die von der Vorgängerregierung schon präjudiziert worden sind, in die Anstaltslösung mit einfließen lässt. Das war ein sehr schwieriger Prozess, den wir damals durchgemacht haben, weil sich drei Ministerien sehr darum gerissen haben.

Ich nenne nur das Stichwort Besetzung des Aufsichtsrates. Dass nun drei Minister im Aufsichtsrat sitzen, haben die Fraktionen am Anfang nicht so ganz nachvollziehen können; aber letztlich haben wir uns darauf verständigt, dieses Gesetz zu machen, in der Verantwortung und in dem Bewusstsein, dass das nicht aller Entwicklung Ende ist. Wir haben die Evaluationsklausel hineingeschrieben, die besagt, dass wir uns die Entwicklung nach drei Jahren angucken werden.

Ich denke, dass wir auf diesem Weg sehr sorgfältig und sehr genau die Lage beobachten sollten, die im Moment in Berlin ausgehandelt wird. Es ist schon schwierig genug, das alles nachzuvollziehen. Das müssen wir alles in eine Art ganzheitliches Konzept einbinden und dann können wir sicher auch über die Dinge im Einzelnen reden.

Ich will noch auf ein Letztes hinweisen - die Redezeit ist zu Ende und ich komme auch zum Ende -: In der nächsten Woche tagt der Finanzausschuss. Dazu haben wir uns den Aspekt der Tarifverhandlungen sowieso auf die Fahnen geschrieben. Es gibt einen Selbstbefassungsantrag dazu. Sie sind herzlich eingeladen, Ihre Besorgnisse bezüglich der Ärzte darzustellen, zu argumentieren und zu diskutieren. - Vielen Dank.

Herzlichen Dank, Herr Tullner. - Jetzt hat Frau Dr. Paschke für die Linkspartei.PDS das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich es mir sehr einfach machen würde, dann würde ich jetzt sagen: Der Antrag ist populistisch. Er poliert das Bild der FDP als Partei der Besserverdienenden auf.

(Widerspruch bei der FDP)

Der Antrag stellt eine Einmischung in die laufenden Tarifverhandlungen dar und ist deshalb abzulehnen. Genüsslich könnte ich an diesem Antrag auch das unterschiedliche Agieren als Regierungsfraktion und nunmehr als Oppositionsfraktion darstellen.

(Herr Scharf, CDU: Dann machen Sie es doch!)

Aber ich stehe dieser sich seit gestern verstärkt abzeichnenden Tendenz, ehrlich gesagt, sehr kritisch gegenüber. Solche Schlagabtausche gehören sicherlich zur Politik. Wenn sie aber den Tiefgang in die Probleme ersetzen, ruinieren sie die Glaubwürdigkeit der Politik noch mehr.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ob gewollt oder ungewollt von der FDP: In diesem Antrag werden grundsätzliche Fragen aufgeworfen. Sie gehen weit über die Frage hinaus, ob überhaupt und wie sich die Landesregierung dafür einsetzen soll, dass zunächst 250 Ärzte - soweit ich informiert bin - und später ungefähr 800 Ärzte 400 € bis 650 € im Monat mehr bekommen und wie das finanziert werden kann.

Auch wir wollen die Ärzte an den Universitätsklinika im Land halten, aber nicht nur dort und nicht nur sie, sondern auch die an den kommunalen Krankenhäusern und die niedergelassenen; aber eben nicht nur die Ärzte. Wir brauchen auch das qualifizierte Pflegepersonal, wir brauchen junge Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten, wir brauchen die bei uns ausgebildeten jungen Akademiker und Facharbeiterinnen und gut qualifizierte junge Menschen im öffentlichen Dienst.

Folgt man der Logik des Antrages der FDP-Fraktion, das Problem vor dem Hintergrund der Abwanderung zu betrachten, dann hätte konsequenterweise die Linkspartei.PDS mit einem Alternativantrag die sofortige Angleichung der Einkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Sachsen-Anhalt und der Einstellung der dafür erforderlichen - der Finanzminister hat es schon erwähnt - ca. 180 Millionen € in den Landeshaushalt fordern müssen.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Aber die Linkspartei.PDS ist nicht so populistisch.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Lachen bei der FDP - Herr Tullner, CDU: Echt?)

Qualifizierte Kräfte wandern in der Regel nicht deshalb ab, weil sie immer noch 5 bis 10 % weniger als ihre Kollegen im Westen verdienen - auch die Ärzte nicht, jedenfalls nicht in größeren Dimensionen als das qualifizierte nichtärztliche medizinische Pflegepersonal -, sondern sie wandern ab, wenn es keine Aussicht auf einen überschaubaren Zeithorizont der Angleichung Ost an West und keine alternativen Berufsperspektiven gibt.

Meine Damen und Herren! Zeitgleich mit diesem Antrag wird heute die Urabstimmung an den Universitätsklinika abgeschlossen. Es wird höchstwahrscheinlich zum Streik kommen, weil die Tarifverhandlungen gescheitert sind. Sie sind im Kern auch deshalb gescheitert, weil die Gewerkschaft die beabsichtigten Einschnitte beim nichtärztlichen Personal nicht hinnehmen konnte und unter anderem gegen eine Gehaltskürzung von bis zu 15 % sowie gegen eine Reduzierung der Ausbildungsvergütung um die Hälfte protestiert.

Daran wird das ganze Problem offensichtlich: Mehr Geld im Gesamtetat wird es nicht geben. Es wird also zu einem Verteilungskampf kommen. Die sich dann abzeichnende Richtung, die durch den Antrag ausdrücklich gestützt wird, wollen wir nicht.

Ich erinnere daran, dass Herr Wolpert in der Aussprache zur Verabschiedung des Hochschulmedizingesetzes die Befürchtung des Personals mit „reinem Theaterdonner“ bezeichnet hat. Die Ärztinnen und Ärzte brauchen - wie alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Osten - eine berechenbare Perspektive. Der in Potsdam abgeschlossene TdöV ist unseres Erachtens bei allen Schwächen, die sicherlich noch enthalten sind, ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt eine klare Aussage für alle Beschäftigten, in welchen Zeithorizonten angeglichen wird. Hierbei werden erst die unteren Gehaltsgruppen und dann die oberen Gehaltsgruppen angeglichen.

Neben dem Fortschritt einer schrittweisen Annäherung der Einkommen beginnt sich auch der Unterschied zwischen Ost und West neu zu zementieren. Dafür ist der Abschluss des Marburger Bundes ein Beispiel.

Fazit: Wir können und müssen bei einer Direktabstimmung den Antrag schlichtweg ablehnen. Wir haben uns lange darüber unterhalten, was wir tun, wenn es einen Antrag auf Überweisung geben sollte. Wir haben gesagt, so schlecht der Antrag auch ist, wir würden einer Überweisung zustimmen, weil wir damit vielleicht die Chance haben, auch über das Verhältnis von Politik und Tarifautonomie zu diskutieren.

Gerade die FDP-Fraktion hat in der Auseinandersetzung über die Mindestlohndebatte immer strikt auf die Tarifautonomie gepocht. Wir wollen uns über so konkrete Fragen verständigen, ob es tatsächlich eine Notwendigkeit gibt, eine akademische Gruppe im Verhältnis zu sonstigen akademischen Gruppen mit vergleichbaren Abschlüssen besonders zu fördern.

(Zustimmung von Frau Mittendorf, SPD)

Darüber müsste man doch einmal sprechen. Immerhin ist es so, dass Ärzte unter 35 Jahren ca. 500 € mehr als vergleichbare junge Akademiker unter 35 Jahren bekommen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Darüber müsste man doch einmal sprechen, ob das nun notwendig ist oder ob es nicht notwendig ist. Außerdem interessiert uns, ob es dann tatsächlich zu einem Tarif

ausschluss aus der TdL kommt und ob wir das wirklich wollen.

Das sind die Fragen, die wir bei einer Überweisung des Antrages in den Ausschuss klären könnten. - Danke sehr.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Ich erteile jetzt das Wort der SPD. Frau Fischer, bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich bin sehr froh, dass ich heute feststellen konnte, dass nicht nur ich Schwierigkeiten hatte, diesen Antrag zu verstehen. Auch bei mir ist es nach der Einbringungsrede nicht besser geworden. Ich möchte mich aber dennoch an den Text des Antrages halten, weil ich glaube, dass alles andere zu weit führen würde.

Es geht um den Abschluss der Tarifvereinbarung mit dem Marburger Bund. Er hat auch für uns zur Folge, dass die ohnehin vorhandenen Probleme bezüglich des ärztlichen Nachwuchses im Land Sachsen-Anhalt dadurch nicht gelöst werden. Die Unterschiede zwischen Ost und West in der Vergütung bleiben.

Ich denke, im besonderen Interesse der Ärztinnen und Ärzte im Osten hat der Marburger Bund nicht verhandelt. Der sich abzeichnende Ärztemangel, der sich schon heute in einigen Fachbereichen darstellt, wird damit beschleunigt. Das sehen wir genauso. Das sehen wir auch mit Sorge und das gefällt uns genauso wenig wie Ihnen, dem Antragsteller. Es ist also eine schwierige Lage, in der wir uns befinden.

Aber ich denke, es gehört zu den prinzipiellen Problemen der Ost-West-Angleichung, denen wir noch immer gegenüberstehen. Die Diskussionen haben das eben gezeigt. Nach wie vor verlassen gut ausgebildete Fachkräfte unser Land. Eigentlich hätte es schon längst einer generellen Regelung aller Länder bedurft. Das wäre einmal ein eindeutiges Signal. Aber es ist nicht dazu gekommen.

Zurück zum Antrag. Als Teil des Verhandlungsergebnisses mit dem Marburger Bund ist die Angleichung der Ärztegehälter zum 1. Januar 2010 vorgesehen. Nun gilt im Land Sachsen-Anhalt ein Tarifvertrag, nämlich der Tarifvertrag im öffentlichen Dienst, der die Anhebung der Vergütung aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst bis zum 31. Dezember 2009 auf 100 % des Westniveaus vorsieht. Sie wissen das. Somit wissen Sie auch, dass der 31. Dezember 2009 und der 1. Januar 2010 exakt derselbe Endtermin sind.

Nun frage ich Sie: Weshalb sollten wir für unsere Ärztinnen und Ärzte an den Universitätsklinika gegenüber allen anderen im öffentlichen Dienst Beschäftigten die Angleichung vorziehen? Warum diese Ungleichbehandlung? - Ich finde, es ist eine Ungleichbehandlung.

Die sofortige 100-prozentige Bezahlung wäre nach dem, was der Marburger Bund ausgehandelt hat, eine übertarifliche Zahlung zu Zeiten, in denen die Haushaltskonsolidierung ansteht und das Geld nicht gerade auf der Straße liegt. Wir wollen die Angleichung wie für alle anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst auch. Wir

wollen aber keine Privilegierung einzelner Berufsgruppen.

Mit dem aktuellen Tarifvertrag sind den Beamtinnen und Beamten, den Angestellten, den Arbeiterinnen und Arbeitern des öffentlichen Dienstes Perspektiven eröffnet, auch den Ärztinnen und Ärzten an den Kliniken. Wir erwarten im Herbst die Haushaltsberatungen für das Jahr 2007, die die konsequente Konsolidierung unserer Landesfinanzen einleiten werden.