Ich will einmal, weil wahrscheinlich nicht jeder sofort weiß, was das bedeutet, auf den Bildungsbericht der Bundesregierung hinweisen, den wir im Jahr 2008 bekommen haben. Nach diesem Bericht betrugen die Bildungsausgaben im Jahr 2006 6,2 % des BIP. Bundesweit wurden rund 143 Milliarden € für Bildung ausgegeben. Wenn die Quote für Bildungsausgaben auf der Grundlage des BIP im Jahr 2006 auf 10 % erhöht werden würde, dann würden im Jahr 2015 232 Milliarden € für die Bildung ausgegeben werden. Das sind Mehrausgaben von 90 Milliarden €. Sie geben keinerlei Refinanzierungsvorschläge an.
Gestern stellen Sie sich hier hin und erklären, wir dürften im Bildungskonvent keine Forderung aufschreiben, die mehr Geld kostet. Das sei unseriös.
Ich will die Zahl für Sachsen-Anhalt für das Jahr 2006 noch nachliefern. Ich bleibe einmal bei dieser Bemessungsgrundlage.
Im Jahr 2006 hatten wir in Sachsen-Anhalt ein BIP von ungefähr 48 Milliarden €. Wenn 10 % davon für die Bildung ausgegeben worden wären, dann hätten die Bildungsausgeben in Sachsen-Anhalt 4,8 Milliarden € betragen. Ich glaube, der Bildungsminister würde sich freuen. Wir alle würden uns freuen.
Wenn Sie nicht in der Lage sind, das in irgendeiner Form darzustellen, aber glauben, die Bundeskanzlerin fährt durch das Land und verkündet das einmal, dann halten Sie mir nicht mehr Vorträge über irgendwelche Forderungen der LINKEN, die nicht gegenfinanziert sind.
- Ja, Frau Feußner, Sie haben gestern die SPD mehr oder weniger darauf hingewiesen, dass wir vielleicht in 50 Jahren so weit sind, das bezahlen zu können. Den Worten der CDU-Vorsitzenden entnehme ich, in sieben Jahren sind wir so weit, dass wir das alles bezahlen können und noch viel mehr. Ich hoffe, Sie bleiben bei Ihrem Wort, Frau Feußner.
(Frau Feußner, CDU: Bei welchem Wort will ich denn bleiben? Ich habe doch kein Wort gegeben! Für was denn?)
Ich will zu einem zweiten Schwerpunkt kommen. Es geht um die Frage des Fachkräftepotenzials. Das spielt in der Großen Anfrage eine wichtige Rolle. Ich will zunächst voranstellen - das ist nicht nur ein Nebensatz; ich finde, dass wir nicht zuletzt in der bildungspolitischen Debatte darauf immer Wert legen sollten -, dass Bildung nicht nur etwas mit Wirtschaftswachstum zu tun hat, sondern natürlich auch für den Einzelnen und für die Gesellschaft
insgesamt ein Gewinn an gesellschaftlicher Teilhabe, Emanzipation und persönlicher Entwicklung ist. Aber natürlich - ich denke zumindest, dass wir uns in dieser Frage einig sind - ist die Investition in Bildung und Forschung ein wesentlicher Baustein für wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft.
Wir haben die Landesregierung nach dem Fachkräftepotenzial gefragt. Sie kommt am Ende zu dem mehr oder weniger lapidaren Fazit: Hauptsache, SachsenAnhalt hält seine Absolventenquote von 6 000. Dann sollte das zu schultern sein. Ich finde es gefährlich naiv zu glauben, meine Damen und Herren, dass der Fachkräftebedarf, den wir nicht nur für Sachsen-Anhalt, sondern für die gesamte Bundesrepublik diagnostizieren, mit dieser einfachen Formel zu schultern ist.
Ich will als Erstes deutlich sagen, dass wir ein großes Problem beim Studienzugang haben. In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage ist noch einmal sehr deutlich geworden, in welchem Maße wir Nachholbedarf haben. Im Jahr 2005 rangierte Sachsen-Anhalt im Ländervergleich auf Rang 10. Die Studierquote ist im Jahr 2006 gegenüber dem Jahr 2005 noch einmal gefallen.
In der Tat ist es so, dass wir zu wenige junge Menschen zum Hochschulabschluss und zum Studium führen. Die Landesregierung hat ausgeführt, dass wir vor allen Dingen im Bereich der Fachleute mit Hochschulausbildung zuerst und massiv Ersatzbedarf haben werden. Wir diskutieren in diesen Tagen, auch in der Großen Anfrage, sehr viel über die Schulabbrecherquote und den Hauptschulabschluss. Ich will sehr eindringlich sagen: Das reicht nicht aus. Wir brauchen insgesamt eine Anhebung des Bildungsniveaus. Ansonsten können nicht Studienanfänger- und Hochschulabsolventenzahlen erreicht werden, die das Land Sachsen-Anhalt dringend braucht.
An dieser Stelle will ich schon noch einmal das Problem von Herkunft und Bildungserfolg benennen. Ich bleibe nicht bei der sozialen Herkunft, obwohl die natürlich auch ein Stück weit mit der Ausbildung der Eltern zusammenhängt. Ich mache es einmal bei den Akademikern und Nichtakademikern fest. Von 100 Kindern aus Akademikerhaushalten kommen 85 in der Hochschule an. Von 100 Kindern aus Nichtakademikerhaushalten kommen hingegen nur 23 in der Hochschule an.
Das ist sowohl im Hinblick auf das in Sachsen-Anhalt benötigte Fachkräftepotenzial als auch im Interesse jedes einzelnen Kindes nicht hinnehmbar. Wir vergeuden Ressourcen des Landes und lassen eine ganze Menge Kinder zurück.
Bezüglich der individuellen Förderung am Gymnasium trifft die Landesregierung die lapidare Aussage, dass die Förderinstrumente allen offen stünden. Das reicht natürlich nicht aus, um die individuelle Förderung an den Schulen praktisch erlebbar zu machen. Es ist mir ein bisschen wenig, einfach zu sagen: Das Instrument steht doch allen offen, sollen sie es nutzen!
Natürlich haben wir auch im Sekundarbereich II die Frage der Kostenbelastung. Wir haben über das Thema Schülerbeförderung im Landtag schon ausführlich ge
redet. Ich will es nur noch einmal in Erinnerung rufen. Sie kennen unser Plädoyer dafür. Wenn ich auf die CDU vertraue, sollten wir genug Geld haben, um es endlich in den Haushalt einzustellen.
Wir haben nicht nur ein Problem im Bereich der Sekundarstufe II, sondern auch bei der nächsten Schwelle. Wie sieht der Übergang vom Gymnasium an die Hochschulen aus? Was passiert in den Hochschulen? - Auch an dieser Stelle stellt sich natürlich die Kostenfrage.
Warum nehmen so viele junge Abiturienten kein Studium auf, obwohl wir dringend darum werben, sondern gehen in die Ausbildung? Natürlich sehen viele junge Leute Hindernisse bei der Aufnahme eines Studiums. Das hat mit Kosten zu tun. Das hat mit Betreuungsbedarf zu tun. Das hat mit der Ausstattung der Hochschulen zu tun.
Wir haben eine Hochschulreform hinter uns. Im Grunde genommen sind Bachelor- und Masterstudiengänge noch nicht richtig vollendet. Vor allem die Bachelorstudiengänge sind mit einem erheblichen Betreuungsbedarf verbunden. In diesem Bereich sind die Studienabbrecherquoten besonders hoch. Wenn wir daran wirklich etwas ändern wollen, dann müssen wir die Hochschulen strukturell und finanziell in die Lage versetzen, diese Betreuungsleistung zu erbringen. Ansonsten werden wir in dieser Frage nicht wirklich etwas ändern können.
Die letzte Bemerkung zu den Hochschulen. Wir haben auch nach dem Gender-Aspekt gefragt, also nach dem Erfolg bei der Beteiligung von Frauen. Auch an dieser Stelle ist mir die Landesregierung ein bisschen zu genügsam. Ich habe den Eindruck, dass die Landesregierung denkt, die aufgeschriebenen Zahlen seien ganz okay.
Aus unserer Sicht ist das aber nicht okay und reicht noch lange nicht aus. Ich will kurz wiedergeben, was als Antwort aufgeschrieben worden ist. Bei den Promotionen lag der Frauenanteil im Jahr 2007 bei 41 % und in den Mint-Fächern bei 31 %. Bei den Habilitationen lag er im Jahr 2007 bei 20 % und in den Mint-Fächern bei 15 %.
Auch diesbezüglich sage ich sehr deutlich, dass wir in erheblichem Maße Potenzial vergeben. Es kann nicht sein, dass wir uns darüber freuen, dass die Bildungsbeteiligung von Mädchen und Frauen deutlich verbessert worden ist, aber an der Stelle, wo der Gewinn eintritt, die Frauen wieder hintenan stehen. In dieser Hinsicht gibt es erheblichen Verbesserungsbedarf.
Wir haben die Landesregierung gefragt, weil auch dies in der Konzeption der Qualifizierungsinitiative eine Rolle gespielt hat, wie es denn in der Altersgruppe 15 bis 25 Jahre derjenigen aussieht, die keinen Berufsabschluss haben und sich derzeit nicht in der Qualifizierung befinden. Ich will noch einmal sagen: keinen Berufsabschluss und momentan nicht in einer Qualifizierung.
Davon haben wir in Sachsen-Anhalt geschätzt nach Angaben der Landesregierung 36 000 junge Menschen, 36 000 junge Leute zwischen 15 und 25 Jahren ohne Berufsschulabschluss und nicht in der Qualifizierung. Das ist ein erhebliches Problem für das Land und für jeden einzelnen dieser 36 000.
Ich will in diesem Zusammenhang an das gemeinsame Papier der Gewerkschaften, des DGB, der Wirtschafts
verbände und der GEW erinnern, das uns vor Kurzem zugegangen ist. Wir werden erhebliche Anstrengungen auch in absehbarer Zeit aufnehmen müssen, um an dieser Situation etwas spürbar zu verbessern, und wir werden noch sehr lange damit zu kämpfen haben, dass wir eine ganze Reihe junger Leute haben, die begleitende Maßnahmen brauchen, damit wir sie erfolgreich in das Berufsleben integrieren können.
Letzter Punkt: technische Bildung, Polytechnik. Dazu habe ich der Zeitung entnommen, der sächsische Ministerpräsident Tillich habe erklärt, er wolle polytechnische Bildung so, wie sie in der DDR gewesen sei. Davon würde ich abraten.
Ich habe ESP auch noch gehabt. Ich glaube, es ist heute noch weniger sinnvoll als damals. Aber ich will ihm einmal unterstellen, dass er etwas Gutes gemeint hat, und dann sind wir wieder bei ihm.
In der Tat glauben wir, dass wir in der Schule, nicht zuletzt in den Kindertagesstätten, aber vor allen Dingen am Gymnasium einen erheblichen Korrekturbedarf haben bei der Frage, in welcher Form polytechnische Bildung, technisches Verständnis, naturwissenschaftliches Interesse geweckt und in den Unterricht implementiert werden kann. Ich halte das für unbedingt notwendig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die Landesregierung gefragt, was der Beitrag von Sachsen-Anhalt zur Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung sei. Der Beitrag Sachsen-Anhalts besteht darin, die Staatssekretärin Dienel in die Lenkungsgruppe zu schicken. Ich glaube - bei allem Respekt vor der Staatssekretärin -, Sachsen-Anhalt sollte sich ein bisschen stärker in diese Offensive einbringen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Höhn. - Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Olbertz. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Sie wissen, haben die Regierungschefs von Bund und Ländern am 19. Dezember 2007 die für Bildung und Wissenschaft zuständigen Fachministerinnen und -minister des Bundes und der Länder beauftragt, bis zum Herbst 2008 in Abstimmung mit den jeweiligen Fachressorts eine Qualifizierungsinitiative für Deutschland insbesondere zur Befriedigung des Fachkräftebedarfs zu konzipieren.
Schon im Januar dieses Jahres beschloss die Bundesregierung eine Konzeption „Aufstieg durch Bildung - Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung“. Danach sollte zur Befriedigung des künftigen Fachkräftebedarfs in Deutschland ein Ansatz gewählt werden, der alle Lebensphasen des Lernens nutzt und fördert. Bund und Länder haben zwar unterschiedliche Aufgaben, aber letztlich eine gemeinsame Verantwortung.
Hierzu muss ich ganz offen bekennen, dass mir die Formulierungen von Herrn Höhn zur Zusammenarbeit von
Bund und Ländern und zu dieser gemeinsamen Verantwortung im Rahmen eines aufgeklärten und modernen Föderalismus nicht durchgängig unverständlich waren, wenn ich es einmal so ausdrücken darf.