Protocol of the Session on October 10, 2008

Dabei ist es völlig schnuppe, ob die Schuldengrenze bei 0,75 % oder bei 0,50 % liegt. - Das ist auf jeden Fall kontraproduktiv. Die politischen Spielräume werden grundlegend eingeschränkt, und die Entscheidung, ob neue Schulden aufgenommen werden oder nicht, muss eine politische Entscheidung sein und nicht eine rechtliche oder verfassungsmäßige.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit will ich aber nicht sagen, dass wir eine Neuverschuldung ohne Wenn und Aber befürworten. Im Gegenteil, wir sind bei der letzten Haushaltsberatung durchaus bei der Forderung mitgegangen, dass keine neuen Schulden aufgenommen werden. Wir sind auch der Meinung, dass Schulden getilgt werden sollen, wenn es die Haushaltslage zulässt.

Aber sich von vornherein durch eine Verankerung in der Landehaushaltsordnung oder in der Landesverfassung zu binden und bewusst auf eine eigene Entscheidung zu verzichten, das müssen wir als Parlamentarier ablehnen; denn das kann nicht der richtige Weg sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der zweite Punkt unseres Änderungsantrages ist etwas schwieriger. Er bezieht sich auf einen Vorschlag des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. Oktober 2008, wie Ländern in Haushaltsnotlagen geholfen werden kann und unter welchen Bedingungen diese Hilfe erfolgt. Ich will dabei gar nicht auf die Hilfe eingehen, sondern auf die Bedingungen. Diese sind es nämlich, die uns umtreiben.

Der Vorschlag sieht vor, dass Länder in Haushaltsnotlagen einerseits befristet Abschläge bei finanzwirksamen Bundesregelungen vornehmen müssen. Finanzwirksame Bundesregelungen sind zum Beispiel die Kosten der Unterkunft, die Kosten bei der überörtlichen Sozialhilfe und das Wohngeld. Das soll dann nur in dem betroffenen Bundesland zulasten der Betroffenen gekürzt werden.

Andererseits sieht dieser Vorschlag vor, dass Aufschläge für finanzwirksame Bundesgesetze vorgenommen werden müssen. Das können Aufschläge auf die Lohnsteuer, auf die Einkommensteuer und auf die Körperschaftsteuer sein. Die Biersteuer wird bei uns wohl nicht gemeint sein; das würde vielleicht bei den Bayern etwas helfen, aber Bayern kommt nicht so schnell in eine Haushaltsnotlage.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Das alles soll unter der Aufsicht eines Stabilitätsrates erfolgen, der weitreichende Eingriffsmöglichkeiten haben soll. Das soll auf fünf Jahre befristet sein.

Gut, wir sind im Augenblick nicht in einer Haushaltsnotlage. Aber wissen wir, was kommt, wenn das Schuldenverbot in die Verfassung kommt? Dann können wir sehr schnell in einer Haushaltsnotlage sein.

Wir sind der Meinung, dass ein solcher Vorschlag für die Idee des Föderalismus verheerend ist. Das ist dann nämlich kein Föderalismus mehr, auch kein Wettbewerbsföderalismus. Im Gegenteil: Das ist das endgültige Aus für die Autonomie der Länder.

Ich weiß, dass einige der Meinung sind, dass man erwarten können muss, dass die betroffenen Länder etwas dafür tun, wenn der Bund und die anderen Länder Geld zur Hilfe geben. Das ist richtig. Aber stellen Sie sich einmal die Umsetzung eines solchen Vorschlages für Sachsen-Anhalt vor, auch wenn wir uns jetzt nicht real in einer Haushaltsnotlage befinden.

Seit Jahren gehen schon mehr als genug junge Leute aus dem Land. Angesichts des sich entwickelnden bundesweiten Fachkräftemangels hätten wir bei Steueraufschlägen aber absolut den schwarzen Peter. Wer würde denn hier bleiben, wenn er mehr Lohnsteuer und mehr Einkommensteuer zahlen müsste? Welches Unternehmen würde sich ansiedeln, wenn es noch mehr Körperschaftsteuer zahlen müsste?

Nein, meine Damen und Herren, das kann nicht die Lösung sein. So ein Vorschlag darf nicht Realität werden; denn die Möglichkeit, dass ein Vertreter des Stabilitätsrates dann die Zwangsverwaltung eines Landes übernimmt und dass bundeseinheitliche Regelungen außer Kraft gesetzt werden, war nicht einmal beim Aufbau Ost möglich. Das wäre hier das Ende des föderalen Staates.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Dr. Klein, die Uhr war verkehrt eingestellt. Die Zeit ist um.

Ja, aber etwas muss ich noch sagen. Das ist ein Schmeckerchen zum Abschluss.

Der Minister verwies darauf, dass er einmal von 130 Millionen € pro Jahr für Zinshilfen gesprochen hat. Nun gibt es vom 30. September 2008 einen Brief, der vom Senat und vom Bürgermeister der Freien und Hansestadt Bremen unterzeichnet ist. Bremen war nämlich unter anderem aufgefordert, über dieses Modell zur Hilfe für die Länder mit überdurchschnittlichen Zinsausgaben noch einmal zu beraten und es zu berechnen.

Das haben die Bremer, die Saarländer, die SchleswigHolsteiner und die Berliner auch gemacht. Dabei haben sie erstens festgestellt, dass die für die Hilfe vorgesehenen Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden € ohnehin viel zu wenig wären; sie brauchten mindestens 1,4 Milliarden €. Zweitens haben sie beschlossen, dass Sachsen-Anhalt überhaupt nicht mehr mit dazugehört; sie haben Sachsen-Anhalt aus dem Tableau gestrichen und das Geld unter sich aufgeteilt. - So geht es im Augenblick in dieser Kommission zu.

Angesichts dessen würde ich wirklich sagen, es sollte lieber so bleiben, wie es ist. - Ich bitte Sie nochmals um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt eine Nachfrage.

Ach ja, Herr Tullner.

Herr Tullner, bitte sehr.

Frau Dr. Klein, vielleicht können Sie nun noch geschickt das mit einbauen, was Sie ohnehin noch sagen wollten.

Ich habe noch eine Frage zu den Hilfen, die der Bund oder die anderen Länder theoretisch geben könnten. Sie sagten, das wäre das Ende des Föderalismus.

Ich muss einmal sagen: Wenn ich die Diskussion bei Oettinger richtig verstanden habe, dann schwebt ihm - er ist ja einer der Moderatoren - ein Modell vor, nach dem man für einen gewissen Zeitraum eine wie auch immer geartete Hilfe definiert und das dann an Konditionen bindet, die man dann miteinander verabredet. Das ist ein temporärer Prozess.

Ich muss sagen, das kann man zwar als Ende des Föderalismus verteufeln; aber ich finde, wenn es dem Land mittel- und langfristig hilft, dann ist das doch für einen begrenzten Zeitraum ein normaler und verlässlicher Weg, den wir im Übrigen bei den Kommunen auch praktizieren. Sind Sie darin mit mir nicht einer Meinung?

Das ist ja der Unterschied zwischen dem Ziel der Hilfe und dem, was dabei herauskommt. Wenn ich aber die bundesgesetzliche Regelung für die betreffende Zeit außer Kraft setze und Auf- und Abschläge realisieren muss, dann ist darunter nicht unbedingt Hilfe zu sehen, weil ich dann eine extrem andere Situation schaffe, als es sie in allen anderen Ländern gibt.

Bei welchen bundeseinheitlich geregelten Leistungen wollen Sie denn Kürzungen vornehmen? - Das geht nur beim Wohngeld, das geht nur bei den Kosten der Unterkunft und das geht nur bei der überörtlichen Sozialhilfe. Dann müssen wir hier also einerseits mit den Leistungen rapide heruntergehen. Andererseits bleiben nur die drei Steuerarten. Wenn Sie die Umsatzsteuer außer Kraft setzen und sagen, wir erheben einen Satz von 23 % - aber hallo, dann ziehen wirklich alle weg.

(Herr Tullner, CDU: Dann machen wir bei Tierfut- ter 19 %! Das reicht dann schon!)

Sie können es wirklich nachlesen. Das ist Artikel 109a neu. Mit diesem Vorschlag geht das Bundesministerium der Finanzen in die Verhandlungen.

(Minister Herr Bullerjahn: Die kriegen es aber nicht durch! Das ist schon durchgefallen bei den anderen Ländern!)

- Wollen wir es hoffen.

(Herr Kosmehl, FDP: Papier ist geduldig!)

Also wenn man so etwas liest, dann hört es wirklich auf. Man kann sicherlich sagen, dass dann bestimmte Sachen außer Kraft gesetzt werden.

(Minister Herr Bullerjahn: Es hat uns mehr ge- ärgert, als Sie sich das vorstellen können!)

- Schön, das freut mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Dr. Klein. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Fischer.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ja, Frau Dr. Klein, Sie bringen das immer mit vielen Emotionen an und ich kann das in diesem Fall natürlich auch verstehen.

Die vorliegende Beschlussempfehlung bedurfte vieler Beratungen im Finanzausschuss, woran Sie erkennen können, dass das Thema nicht einfach zu beraten und auch nicht einfach abzuschließen war. Frau Dr. Hüskens als unsere Berichterstatterin hat dies ja auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Sie wissen, im März 2007 hat die Föderalismuskommission II ihre Arbeit aufgenommen. Sie hat zwei wesentliche Schwerpunkte zur Aufgabe:

Erstens sollten für die schwierigen Finanzfragen, die bei der vorangegangenen Föderalismusreform I offen geblieben waren, Lösungsvorschläge für eine Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vorgelegt werden mit dem Ziel der Neugestaltung der Finanzbeziehungen zur Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der Staatsfinanzen.

Zweitens sollten gleichgewichtig zu den Finanzthemen die Verwaltungsthemen bei der Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen berücksichtigt werden, zum Beispiel im Sinne konsequenter Einsparungen auf der Ausgabenseite oder der Schaffung notwendiger Handlungsspielräume für die öffentlichen Haushalte usw., und es sollten konkrete Maßnahmenvorschläge zur Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung gefunden werden.

Das sind hehre Ziele, deren inhaltliche Umsetzung ich mit Spannung verfolgt habe. Ich war in verschiedenen Gremien und unter anderem auch bei den ersten Anhörungen der Sachverständigen der Föderalismuskommission zu Gast, die sich zunächst mit den Finanzbeziehungen befasst hatten. Nicht nur mir, sondern allen Beteiligten wurde ganz schnell klar, dass eine schnelle Einigung der Länder untereinander und dann auch noch mit dem Bund schwierig wird. Zu groß sind einerseits die unterschiedlichen Voraussetzungen und Interessen der Länder und andererseits die Erwartungen, die an die Ergebnisse der Föderalismuskommission II geknüpft waren.

Als Mitglieder im Finanzausschuss haben wir alle Unterlagen, Anhörungsprotokolle, Stellungnahmen, Bewertungen der Kommissionen der einzelnen Länder, der Sachverständigen, der Parteien usw. erhalten. Mittlerweile stapeln sich diese Akten im Büro in einem ganzen Regal. Nicht alle habe ich ausführlich studiert und vieles nur quergelesen.

Wie schwierig die Arbeit der Föderalismuskommission ist, zeigt ja auch die Tatsache, dass nach eineinhalb Jahren intensiver Arbeit noch immer kein Konsens unter den Ländern und zwischen Bund und Ländern gefunden wurde.

Wir haben es gehört: Im Juni 2008 verständigte sich die Kommission nach Vorlage eines Eckpunktepapiers der beiden Vorsitzenden Dr. Peter Struck und Günther Oettinger auf die Einsetzung von vier Arbeitsgruppen. Ich denke, wir alle warten auf die Vorstellung der Ergebnisse am 16./17. Oktober in der Hoffnung, dass auch wirklich Ergebnisse gefunden werden.

All die vielen Informationen, das Ringen in der Kommission um die Ergebnisse machten uns die Abarbeitung des Antrages der Fraktion DIE LINKE vom Juli 2007 nicht gerade einfach. Bevor die Föderalismuskommission ihre Arbeit beendet, müssen wir aber natürlich zu einem Beschluss kommen. Das haben wir gerade so geschafft.