Protocol of the Session on September 11, 2008

Zu den Kommunen. Die Kommunalfinanzen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, beschäftigen uns alle. Wir haben es in der Finanzplanung noch mit der bekannten Quotensystematik zu tun. Vor dem Hintergrund der vereinbarten Umstellung auf die aufgabenorientierte Finanzausstattung bergen allein diese Planungen erhebliche Risiken. Ich will gar nicht auf UN-Leitlinien zur Stärkung der Kommunen oder derartige Geschichten Rücksicht nehmen. Wir haben in all unseren Wahl- und Parteiprogrammen immer wieder die Bedeutung und die zentrale Rolle der Kommunen hervorgehoben. Deswegen ist die Diskussion zu diesem Punkt immer sehr schwierig.

Es kann auch nicht funktionieren, wenn wir als Landesgesetzgeber ständig neue Regelungen - ich nenne die Stichworte Nichtraucherschutz, Hundegesetz und Landesinformationsgesetz - verabschieden, ständig über neue Stichwörter diskutieren - das Stichwort KiFöG ist schon gefallen - und den Kommunen dann eine abgesenkte Quotenperspektive eröffnen. Nein, hierzu muss der Dialog mit den Kommunen erheblich intensiviert werden. Auch die schon diskutierte Frage einer zunehmenden Gefahr von Altersarmut oder Hartz-Folgekosten müssen bei dieser Diskussion berücksichtigt werden.

Wir begrüßen es außerordentlich, dass die Landesregierung anerkannt hat, dass bei weniger stark steigenden kommunalen Steuereinnahmen - Sie haben darauf verwiesen, dass wir erst bei 51 % des Niveaus in den alten Bundesländern liegen - die Zielzahl 18 % - wenn wir in der Quotenlogik bleiben - überprüft werden soll.

Angesichts von kommunalen Schulden in Höhe von mehr als 4 Milliarden €, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir ein Entschuldungsprogramm für unerlässlich. Es müssen unter Einbeziehung der Bedarfszuweisungen und der FAG-Umlage Lösungswege gefunden werden, die denjenigen Kommunen helfen, die Hilfe benötigen, ohne den Leistungscharakter des Systems infrage zu stellen.

Denn natürlich werden die Kommunen, die bisher - aus welchen Gründen auch immer - gut gewirtschaftet haben, die Frage stellen: Warum hilft man plötzlich den anderen und uns nicht? All das müssen wir in diesem Szenario berücksichtigen.

Ein gerechtes und transparentes Entschuldungsszenario, vielleicht sogar in Verbindung mit dem Schuldenmanagement des Landes, zu entwerfen, wird noch viel Anstrengung kosten. Wir werden als Fraktion auch hierzu unseren Beitrag leisten.

Mit Blick auf die kommenden, bereits absehbaren Herausforderungen hinsichtlich der Umsetzung der Beschlüsse der Europäischen Union - stellvertretend sei die Wasserrahmenrichtlinie erwähnt - und hinsichtlich der bundespolitischen Beschlusslagen gilt es Maß zu halten. Die Förderprogramme, die sich immer wieder auf uns herabsenken, wollen kofinanziert werden. All das wissen wir.

Mit Blick auf unseren nach wie vor vorhandenen Investitionsbedarf ist das Absinken der Quote auch erklärbar. Darüber, in welchen Schritten dies geschehen soll, muss im Kabinett und darüber hinaus intensiv diskutiert werden. Die ersten Diskussionen dazu laufen bereits an.

Wir benötigen dringend Klarheit über Prioritäten und Szenarien, die den wirtschaftlichen Aufschwung im Land Sachsen-Anhalt weiter befördern und dabei trotzdem die finanziellen Ressourcen im Blick behalten. Ob dazu unbedingt zwei neue Justizvollzugsanstalten gehören sollten oder ob wir nicht dringendere Investitionsvorhaben realisieren sollten, lasse ich einmal im Raum stehen. Darüber kann man sich im Einzelnen sicherlich noch unterhalten.

Vor dem Hintergrund des Bildes, das der Minister für das Jahr 2020 entworfen hat, in dem wir quasi all unsere Immobilien in gutem Zustand haben, in dem alle Kinder glücklich sind und alle Schulen saniert sind, müssen wir, denke ich, auch überlegen, wie wir die Prioritäten richtig setzen.

Zunächst aber müssen wir an dem Vorhaben festhalten, möglichst alle Fördermittel vonseiten Dritter mit Landesmitteln zu binden - zumindest die, die wir heute schon kennen -,

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

und darüber hinaus weitere Schwerpunkte setzen.

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass uns die vorliegenden Planungen in den kommenden Monaten und Jahren sicherlich noch zu intensiven Diskussionen motivieren werden.

Die Landesregierung hat nachvollziehbare, auf dem heutigen Kenntnisstand beruhende Planungen erarbeitet, die klar belegen: Sachsen-Anhalt kann es aus eigener Kraft schaffen, finanzpolitisch zu gesunden. Wir werden alle Kraft darauf verwenden, sofern uns günstige Rahmenbedingungen auch in den kommenden Jahren begleiten, das Ziel eines finanziell konsolidierten Landesetats zu erreichen.

Herr Gallert, Sie haben vorhin in Ihrer Eingangsbemerkung ein wenig nonchalant darauf verwiesen, dass in allen ostdeutschen Ländern die Entwicklung immer gleich sei, egal welche Regierung an der Macht sei.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Es ist aber so!)

Dann frage ich mich allerdings, warum das Land Sachsen-Anhalt bis 2002 der Ausreißer nach unten gewesen ist

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

und seit 2002 mit erheblicher Mühe und Kraft diesen Geleitzug wieder erreicht hat. Darüber sollten wir einmal nachdenken, nicht heute, aber ich lasse diese Frage zumindest im Raum stehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, die Möglichkeiten für die Landespolitik sind da. Das mag man in der Opposition vielleicht anders sehen, weil man denkt, dass man das nicht mitentscheiden kann. Aber wir in der Regierungsverantwortung können schon die richtigen Weichen stellen. Ich glaube, die Ergebnisse geben uns darin Recht.

Diese generationsgerechte, zukunftsweisende Strategie sollte das Anliegen aller sein. Ich freue mich auf die Dis

kussion in den Ausschüssen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Tullner. Ihre Rede hat zu Nachfragen angeregt. Es gibt drei Nachfragen: von Herrn Gallert, von Frau Dr. Klein und von Frau Bull. Wollen Sie diese drei Fragen beantworten?

Sehr gern.

Dann Herr Gallert, bitte.

Herr Tullner, es ist vielleicht eher eine Erklärung. Ich habe das Problem mit den Studienabschlussquoten in Schleswig-Holstein und im Saarland nicht deshalb genannt, weil diese Länder finanzschwache Länder sind, die deswegen geringe Abschlussquoten haben. Das sind vielmehr die Länder, die in allen Benchmarks, die das Finanzministerium uns zur Genüge vorgelegt hat - ich glaube, auch inklusive des Seitz-Gutachtens -, hinsichtlich der Personalbewirtschaftung als unsere Vorbilder gelten. Das sind die Länder, nach denen wir unsere Zahlen ausrichten.

Und das sind diejenigen, die gleichzeitig die schlechteste Bilanz bei den Hochschulabschlüssen pro Einwohner haben. Es sind mitnichten die ärmsten Länder, damit haben Sie völlig Recht. Bremen ist arm und Berlin ist arm. Diese Länder stehen dabei ganz oben, haben die besten Abschlussquoten. Deswegen sage ich auch nicht, dass das ein Problem ist. Wir müssen uns nur einmal anschauen, wie eigentlich die Bilanz unserer Vorbilder ist. Und unsere Vorbilder sind diesbezüglich verdammt mies.

Herr Gallert, da haben Sie völlig Recht. Ich glaube aber, dass wir jetzt zwei Diskussionen vermengen. Auf der einen Seite stehen die finanzpolitischen Überlegungen, nach denen wir die Parameter festlegen, die Herr Bullerjahn - wo ist er eigentlich; ach, dort oben - aufgezeigt hat.

Das, was wir in der Hochschulpolitik wollen, ist doch etwas völlig anderes. Hierbei wollen wir uns doch nicht mit dem Saarland oder mit Bremen vergleichen. In diesem Bereich ringen wir doch um die Exzellenz im weltweiten oder zumindest europaweiten Wettbewerb der Wissenschaften, der Erkenntnis.

Deswegen ist es völlig falsch, aus irgendwelchen Finanzressourcen auf Ergebnisse zu schließen. Das ist gar nicht unsere Liga, darüber denken wir gar nicht nach.

Dann bitte ich Frau Dr. Klein, ihre Frage zu stellen. Bitte schön.

Ich habe eine Nachfrage. Habe ich richtig verstanden, dass Sie künftig die Zahl der Absolventen in den Zielvereinbarungen mit den Universitäten festschreiben wollen?

Frau Klein, das ist einer der Punkte, über die wir seit Jahren diskutieren, weil wir bei den Zielvereinbarungen um Leistungsparameter ringen. Wir müssen es irgendwie handfest machen. Wir geben Geld, binden das an Konditionen, haben aber keine klaren Kriterien. Das Instrument der Zielvereinbarung ist auch noch nicht so fürchterlich alt.

Wir haben, wenn wir das gemacht haben, immer auf die Zahl der Studienbewerber oder derartige Dinge geschaut. Bei allem stellen wir eigentlich die Frage: Was geht hinein und was kommt heraus? Wenn wir das Leistungsprinzip ernst nehmen, müssen wir auch schauen, wie viele Studienanfänger ihr Studium absolvieren. Das kann natürlich nur eines der Kriterien werden, darin sind wir uns eigentlich einig.

Gibt es schon Vorstellungen, wie das untermauert werden soll? Ich habe meine Probleme damit, wenn ich einem Professor vorschreibe, wie viele Absolventen er am Ende haben soll. Ich frage mich, welche Folgen das für die Ausbildung und Lehre hat. Dahinter stelle ich einmal ein großes Fragezeichen.

Jetzt schweifen wir ein bisschen in eine hochschulpolitische Debatte ab. Natürlich gibt es gewisse Widersprüche und auch Gegensätze, wenn man die Lehr- und die Forschungstätigkeit in Korrelation zueinander setzt. An der einen oder anderen Stelle müssen wir gemeinsam mit den Hochschulen zu einem kulturellen Wandel kommen. Ich möchte nicht alle über einen Kamm scheren. Das ist ein Problem. Genau deswegen müssen wir es angehen.

Vielen Dank. - Frau Bull, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Kollege, ich habe keine Frage, sondern möchte eine Kurzintervention machen, und zwar in Bezug auf Ihren Seitenhieb auf den Bildungskonvent. Ich will Ihnen sagen: Die CDU hat im Bildungskonvent die Meinungsführerschaft nicht gewinnen können. Ich kann verstehen, dass das aus Ihrer Sicht ärgerlich ist. Ich finde es aber mittlerweile unerträglich, dass das mit einer permanenten Abwertung derer kompensiert wird, die dort mühsam um einen Kompromiss und um eine gemeinsame Basis ringen.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Aufgabe des Bildungskonvents war es erstens nicht, unter gegebenen haushaltspolitischen Rahmenbedingungen zu denken. Das ist und bleibt Sache des Gesetzgebers, und das ist gut so.

Aufgabe des Bildungskonvents war es zweitens nicht, den Status quo der Koalitionsvereinbarungen mit La-OlaWellen zu begleiten. Die Empfehlungen, die jetzt schon vorliegen, gehen weit über den Horizont der Koalition hinaus, und das ist gut so.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Stahlknecht, CDU: Das muss aber bezahlbar bleiben!)

Vielen Dank. - Sie können antworten.

Sie haben hier ungefähr Ihre Pressemitteilung von gestern referiert. Es geht uns überhaupt nicht um die Meinungsführerschaft. Natürlich wirbt jeder für seine Meinung. Es geht um eine ganz einfache Frage - Sie konnten es gestern in der „Mitteldeutschen Zeitung“ auch nachlesen, wie die Meinung der Vertreter der Praxis dazu ist -: Wenn es Vertreter aus diesem Haus gibt, die dort nach dem Motto abstimmen: „Was ich mir alles Gutes vorstellen könnte“, und zwei Wochen später bei den Haushaltsberatungen diese Dinge hier ablehnen, dann trägt das nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der Politik in diesem Hause bei.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Wir kommen jetzt zu dem Debattenbeitrag der FDP. Frau Dr. Hüskens, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die meisten von Ihnen den Zahlen wahrscheinlich schon zu lange gelauscht haben auch von unserer Seite eine Position zu dem Thema: „Der Weg und das Ziel“.

Herr Minister Bullerjahn, Sie haben uns etwa eine halbe Stunde lang in die Welt Ihrer Zahlen geführt. Ich gehe davon aus, dass dies Ihre persönliche Halbzeitbilanz war. Aufgefallen ist mir, dass wir jetzt eigentlich schon seit zweieinhalb Jahren über diese Zahlen diskutieren. Die Summen für Steuern und Zinsen, Investitionen und Personalausgaben variieren zwar in all den schönen Papieren, die wir in den letzten zweieinhalb Jahren bekommen haben, ob es die mittelfristige Finanzplanung ist, ob es die Planungen bis zum Jahr 2020 oder die Planungen bis zum Jahr 2025 sind - demnächst kommen wahrscheinlich noch Planungen bis zu den Jahren 2050 und 2075 hinzu -, die Grundaussage bleibt aber immer die gleiche: Wir dürfen keine neuen Schulden machen. Dazu hat Ihnen die FDP das Angebot gemacht, eine entsprechende Änderung der Verfassung zu unterstützen, wenn Sie bei CDU und SPD die Mehrheit dafür bekommen.