Protocol of the Session on September 11, 2008

Herr Minister Bullerjahn, Sie haben uns etwa eine halbe Stunde lang in die Welt Ihrer Zahlen geführt. Ich gehe davon aus, dass dies Ihre persönliche Halbzeitbilanz war. Aufgefallen ist mir, dass wir jetzt eigentlich schon seit zweieinhalb Jahren über diese Zahlen diskutieren. Die Summen für Steuern und Zinsen, Investitionen und Personalausgaben variieren zwar in all den schönen Papieren, die wir in den letzten zweieinhalb Jahren bekommen haben, ob es die mittelfristige Finanzplanung ist, ob es die Planungen bis zum Jahr 2020 oder die Planungen bis zum Jahr 2025 sind - demnächst kommen wahrscheinlich noch Planungen bis zu den Jahren 2050 und 2075 hinzu -, die Grundaussage bleibt aber immer die gleiche: Wir dürfen keine neuen Schulden machen. Dazu hat Ihnen die FDP das Angebot gemacht, eine entsprechende Änderung der Verfassung zu unterstützen, wenn Sie bei CDU und SPD die Mehrheit dafür bekommen.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen Personal abbauen und für einige Ausgaben wie die Pensionen müssen wir Vorsorge treffen. Ich sage Ihnen ganz klar: Diese Auffassung teilen wir.

Ich habe heute aber eigentlich nichts wirklich Neues gehört. Ich weiß nicht, wie es Ihnen, Frau Fischer, gegangen ist. Mir fehlte eigentlich etwas, das man bei einer solchen Regierungserklärung erwartet: Entscheidungen und Aussagen zu den nächsten zweieinhalb Jahren.

Niemand kann von uns erwarten, dass wir es begrüßen, dass die CDU-SPD-Regierung nach zweieinhalb Jahren die erste Runde ihrer Strategiedebatte abgeschlossen hat.

Sie haben gleichzeitig angekündigt, es solle eine zweite geben, und Sie haben mit einer dritten gedroht. Mir ist jetzt nicht wirklich klar, bis wann Sie sie beenden wollen. Bis zum Jahr 2011? Vielleicht wird das Ganze dann Perspektive über das Jahr 2050 hinaus haben. Natürlich ist es gut, auch über die Legislaturperiode hinaus zu denken, aber gewählt worden sind Sie alle, um in dieser Legislaturperiode Entscheidungen zu treffen.

(Zuruf von der SPD: Aber mit Rücksicht auf die Zukunft!)

Solche Entscheidungen, die in dieser Legislaturperiode getroffen werden und schon in dieser Legislaturperiode - und nicht erst im Jahr 2014 - Auswirkungen haben, vermisse ich. Diese Entscheidungen sollen uns helfen, in Zukunft einerseits den Haushalt ausgeglichen zu halten und andererseits staatliche Leistungen in angemessener Form anzubieten. Herr Gallert hat auf dieses Problem ausführlich hingewiesen. Ich denke, das muss ich hier nicht noch einmal tun.

Bisher haben Sie tatsächlich von Steuermehreinnahmen gelebt, und zwar von Steuermehreinnahmen, die überwiegend aus der Mehrwertsteuererhöhung resultieren und, Gott sei Dank, auch aus dem wirtschaftlichen Aufschwung.

Ich habe die Zahlen des Jahres 2005 neben Ihre Prognosezahlen für das Jahr 2010 gelegt. Das Ergebnis ist ganz einfach: Die Reduzierung der Einnahmen aus den Zuweisungen von Bund und EU bzw. aus der Verschuldung gegenüber dem Basisjahr 2005 wird durch die Steuermehreinnahmen mehr als abgedeckt. Wir verlieren 1,3 Milliarden € aus Zuweisungen von Bund und EU sowie aus Verschuldung und gewinnen 1,3 Milliarden € an Steuern. Von daher haben Sie einfach Glück gehabt.

Ich weise noch auf eine Zahl hin, die mir gut gefällt. Herr Bullerjahn, Sie haben in Ihrem eigenen Thesenpapier 2020 prognostiziert, dass wir im Jahr 2010 Steuereinnahmen in Höhe von etwa 4 Milliarden € hätten. Dann, meine Damen und Herren, hätten Sie jetzt ein Haushaltsloch von mehr als 1 Milliarde €. Ich glaube, das zeigt ganz gut, in welchem Rahmen wir uns im Augenblick bewegen. Sie haben Glück gehabt:

(Frau Budde, SPD: Das Glück des Tüchtigen! - Lachen bei der FDP)

Die Steuern sprudeln, die Zinsen liegen unter dem ursprünglich veranschlagten Niveau und die sinkende Zahl Arbeitsloser entlastet den Landeshaushalt an vielen Stellen.

Herr Bullerjahn, Sie können immerhin für sich verbuchen, dass Sie es geschafft haben, nicht mehr auszugeben, als Sie eingenommen haben. Es hat in Deutschland Zeiten gegeben, in denen „SPD“ mit „Sie plündern Deutschland“ übersetzt worden ist. Dem haben Sie widerstanden, und das ist sicherlich zu respektieren. Aber die steigenden Steuereinnahmen haben Ihnen deutlich den Elan genommen. Sie hätten jetzt eigentlich auch strukturell in den Landeshaushalt eingreifen müssen. Außerdem nehmen die Begehrlichkeiten Ihrer Fachkollegen sichtlich zu.

(Herr Scharf, CDU: Meinen Sie jetzt Herrn Kos- mehl?)

Sie haben gerade selber darauf hingewiesen, welche Diskussionen Sie in den letzten Jahren zu führen hatten. Ich bin mir sicher, dass diese noch stärker werden, wenn wir für die Jahre 2010 und 2011 den Haushalt aufstellen.

Wenn man ein Fazit für den Zeitraum von 2005 bis 2010 zieht, dann stellt man fest: Gespart wird bei der Wirtschaft. - Ich bin ganz überrascht, dass die CDU das zulässt. Gespart wird bei den Kommunen. - Ich bin ganz überrascht, dass die CDU das zulässt.

Die reinen Verwaltungsausgaben steigen massiv. Das ist übrigens ganz interessant. Wir haben ja einen schrumpfenden Personalkörper. Gleichzeitig steigen die Kosten für Personal deutlich, und zwar auch dann, wenn man Limsa herausrechnet. Herr Bullerjahn, das haben wir natürlich gemacht, keine Sorge. Die Kosten im Bildungs- und Kindergartenbereich steigen um das, was an Personalkosten hinzukommt.

Um gleich beim Personal zu bleiben: Mir fehlen völlig Entscheidungen über den Aufgabenverzicht in der Landesverwaltung.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LIN- KEN)

Sie können zwar sagen, dass andere Länder ja auch mit weniger Personal auskommen. Bei der Polizei und bei den Lehrern kann man das noch am leichtesten vergleichen. Aber ich bin mir ganz sicher, dass Sie aus den offensichtlich umfangreichen Diskussionen mit Ihren Fachkollegen gelernt haben, dass es viele Aufgabenbereiche gibt, in denen demografische Faktoren keine solche Rolle spielen und in denen sich Vergleiche nicht so leicht ziehen lassen.

Sie müssen sich also jeweils der Aufgabenkritik und dem Aufgabenverzicht stellen, wenn Sie Personal abbauen wollen. Sie müssen Beschlüsse fassen hinsichtlich des Bestandes, des Umfangs und der Qualität. Ansonsten erledigt das die Verwaltung für Sie; das macht sie auch heute schon.

Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Ich war kürzlich in Irxleben. Mein Sohn spielte dort Fußball. Die Polizeistation ist direkt neben dem Fußballplatz. Ich dachte: Schön! Wenn dort einmal Randale ist, dann ist die Polizei direkt da. - Es war ein Sonntag und ich stellte fest: Die Polizei ist nicht da, weil da sonntags geschlossen ist. Geöffnet ist nur montags bis donnerstags von 7 Uhr bis 16 Uhr und freitags bis 13 Uhr. Ansonsten sind nicht genügend Polizeibeamte vorhanden und man kann den Dienst dementsprechend nicht gewährleisten.

Herr Hövelmann, man kann sagen, das sei so in Ordnung. Aber ich denke, es sollte die Entscheidung der Politik sein, ob sie das so haben möchte. Dabei möchte ich mich dem anschließen, was Herr Gallert gesagt hat. Wir haben kein Konzept aus dem Bereich des Innern, in dem steht, wie wir die Qualität der Leistung der Polizei in unserem Bundesland gewährleisten wollen.

Inzwischen haben Sie auch das Ziel so weit gesteckt, dass ich inzwischen Mühe habe, bei den übrigen Themen des Personalentwicklungskonzepts überhaupt nachzukommen. Jedes Mal, wenn wir in der Fraktion damit durch sind und uns eine Position dazu erarbeitet haben, kommen Sie mit einem neuen Konzept. Das Schöne ist, dass in dem neuen Konzept genauso wenig Konkretes wie in dem alten steht. Meine absolute Lieblingsseite ist diese hier.

(Die Rednerin hält ein Schriftstück hoch)

Das sind fünf Szenarien über Wanderungsbewegungen von Studenten. Irgendeines könnte gegebenenfalls einmal zutreffen. Auf dieser Basis kann ich natürlich nur ganz schwer Diskussionen darüber führen, was ich an Personal brauche oder nicht. Deshalb halte ich die Idee, die Herr Tullner vorgetragen hat, nämlich zu sagen, wir gehen über die Zielvereinbarungen und versuchen, die Finanzmittel darüber etwas auszusteuern, sicherlich für sinnvoller, als wie oben vorzugehen. Aber auch dafür brauchen wir bald eine Entscheidung, damit wir bei den nächsten Zielvereinbarungen über solche Zahlen überhaupt verhandeln können.

Das einzig Positive, das ich dem schleppenden Prozess abgewinnen kann, Frau Paschke, ist der Umstand, dass die Enquetekommission wahrscheinlich eher zu Empfehlungen kommen wird als diese Landesregierung zu bindenden Beschlüssen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend auf ein paar Zahlen für den Haushalt 2010 eingehen. Über die anderen Haushalte will ich nicht reden; das ist so weit weg. Ich glaube, darüber brauchen wir hier nicht zu sprechen.

Der Haushalt 2010 ist sehr stark vom Prinzip Hoffnung getragen. Das kann alles gutgehen, aber ich entsinne mich an einen Finanzpolitiker Bullerjahn, der in der letzten Legislaturperiode immer wieder darauf hingewiesen hat, dass man doch auch Vorsorge für den Fall treffen müsste, dass es nicht so kommen sollte.

Ich möchte das einmal an drei Zahlen verdeutlichen. Sie gehen davon aus, dass die Steuereinnahmen weiter steigen, und das, obwohl es Eintrübungen gibt. Ich wünsche Ihnen und auch unserem Bundesland, dass Sie Recht haben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so funktionieren wird.

Sie gehen also davon aus, dass die Steuern steigen, die Wirtschaft weiter boomt, aber auch davon, dass die Zinsen gleichzeitig nicht steigen. Das, was Sie hier gemacht haben, funktioniert nicht einfach nur, weil wir tilgen; denn wir werden zu diesem Zeitpunkt im schlechtesten Fall nur 25 Millionen € und im absolut optimalen Fall 125 Millionen € getilgt haben. Da schütteln die meisten Ökonomen erstaunt den Kopf.

Außerdem sagen Sie, wir sparen bei den Leistungen für Menschen mit Behinderungen, bei der Eingliederungshilfe.

(Zuruf von Frau von Angern, DIE LINKE)

Schon heute geben wir 489 Millionen € für diese Leistungen aus. Jeder, der im Finanzausschuss ist, weiß, dass diese Ausgaben in den letzten Jahren immer weiter gestiegen sind. Herr Tullner erinnert sich an die Nachtragshaushalte, in denen wir das Ganze nachgesteuert haben. In diesem Bereich wird von Jahr zu Jahr mehr Geld gebraucht. Die Menschen werden älter. Sie brauchen länger Hilfe aus den Bezugssystemen.

Jetzt wird einmal locker gesagt, wir brauchen für diese Leistungen im nächsten Haushalt 40 Millionen € weniger. Ich weiß nicht, wie Sie das machen wollen. Durch Handauflegen? - Ich muss offen gestehen, dass mich das sprachlos macht.

Hinzu kommt das vierte Loch, das Sie auch selber zugestehen: Sie haben - das hört sich schön an - Handlungsbedarf in Höhe von 189 Millionen €. Früher hat man dazu Haushaltsloch gesagt.

Ich bin auch gespannt, wie das mit dem kommunalen Entschuldungsprogramm laufen soll. Wenn das tatsächlich aus dem FAG kommt und von dort weggenommen wird - dafür gibt es Indizien -, dann stimmt das, glaube ich, was die Bürgermeister derzeit sagen: Eigentlich ist das unser Geld. Das wird uns von der Landesregierung weggenommen und wenn wir artig sind und ein ordentliches Konsolidierungsprogramm vorlegen, dann kriegen wir es wieder. - Ich kann gut verstehen, dass der SPD im Augenblick die Bürgermeister weglaufen; denn damit machen Sie die kommunale Selbstverwaltung kaputt.

(Beifall bei der FDP - Frau Budde, SPD: Da war die Erklärung von Herrn Gallert aber besser! - Zu- ruf von Frau Fischer, SPD)

Meine Damen und Herren! Der Titel der Regierungserklärung war: „Der Weg und das Ziel“. - Passen Sie auf, dass der Weg bei Ihnen nicht zum Ziel wird. Im Augenblick erinnern Sie mich an einen Wanderer. Der plant die Route und plant die Route und plant die Route. Sie müssen jetzt endlich auch Entscheidungen treffen und dann müssen Sie losgehen. Dazu habe ich heute nichts gehört.

Ich hoffe, dass uns der Ministerpräsident - er ist gerade nicht da -, der uns im Oktober eine Regierungserklärung zur Halbzeitbilanz halten wird - davon gehe ich zumindest aus -, etwas über das erzählen kann, was in den Jahren 2010 und 2011 passieren soll. Das interessiert mich nämlich deutlich mehr als die Jahre 2020 und 2025. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Viele Dank für Ihren Beitrag, Frau Dr. Hüskens. - Wir kommen nun zum Beitrag der SPD-Fraktion, der auch der letzte Beitrag sein wird. Frau Budde, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Tullner, Sie haben mich nun doch gelockt, meine Rede etwas anders anzufangen, und zwar mit der Partei der Einheit, zumal wir schon vom Jahr 2009 und von 20 Jahren danach reden. Die West-CDU war sicherlich die Partei der Einheit; das will ich gar nicht infrage stellen.

(Herr Kosmehl, FDP: Und die FDP!)

Dafür war die CSU die Partei der Milliardenkredite, die dafür gesorgt hat, dass die DDR noch ein bisschen länger lebt. Also, alles hat schöne und schlechte Seiten.

(Zurufe von der CDU und von der FDP - Unruhe)

- Nun sind wir wenigstens alle wieder wach. Das hat doch auch etwas Positives.

Bleiben wir lieber bei den verlässlichen Größen. Die SPD ist immer für eine Überraschung gut, wie man es am Wochenende wieder einmal gesehen hat und wie es wieder einmal allen klar geworden ist. „Sachsen-Anhalt überrascht“ - das war ein Slogan für unser Bundesland, bevor wir früher aufstehen mussten.

SPD und Sachsen-Anhalt und dann noch der Finanzminister - das hätte mit Sicherheit alle Überraschungen getoppt, wenn nicht, wie es guter Brauch unter den Fraktionen ist, die Regierungserklärung des Ministers am

Vorabend in die Fraktionen gegeben worden wäre; denn wer, Frau Hüskens, hätte ihm nicht gerne unterstellt, dass er eigentlich die Überschrift „Der Weg ist das Ziel“ meint.