Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Wir sind schon ein bisschen im Verzug. Ich begrüße Sie recht herzlich und eröffne hiermit die 42. Sitzung unseres Landtages.
- Ja, so ist das. - Herr Siegfried Borgwardt und Herr Guido Kosmehl haben heute Geburtstag. Beiden Herren einen herzlichen Glückwunsch und alles Gute! Bleibt so, wie ihr seid!
Meine Damen und Herren! Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest, sodass wir unsere Sitzung ordnungsgemäß durchführen können.
Ich erinnere noch einmal daran, dass Ministerin Frau Wernicke auch für den heutigen Tag entschuldigt ist. Sie ist auf einem Umweltkongress in Saragossa.
Es wurde eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion in der Reihenfolge SPD, DIE LINKE, CDU und FDP vereinbart. Die Landesregierung erhält ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Zunächst erteile ich dem Antragsteller das Wort. Bitte schön, Herr Felke, Sie haben das Wort.
Schönen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Es ist ein bisschen bedauerlich, dass die Reihen so gelichtet sind. Ich rechne das einmal der Tatsache zu, dass der eine oder andere zumindest im rechten Teil gestern vielleicht noch die Qualitäten des städtischen Nachtlebens genossen hat. Insofern, denke ich, lässt sich vielleicht eine Brücke zu unserem heutigen Thema bauen, wenn wir, sage ich einmal, über die Sicherung von urbanen Qualitäten und über die Frage „Wie weiter beim Stadtumbau?“ reden können.
(Herr Gürth, CDU: Die sind alle schon beim Stadt- umbau! Die reden nicht, die handeln! - Herr Borg- wardt, CDU: Sehr intensiv!)
Meine Damen und Herren! Es geht heute um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft der Städte in unserem Land. Wem das vielleicht etwas zu pathetisch daherkommt, der möge sich bitte mit dem Programm
Im Jahr 2001 von der Bundesregierung eingeführt soll dieses Programm insbesondere dazu dienen, die Städte bei der Meisterung der neuen großen Herausforderungen zu unterstützen, die da heißen: demografische Entwicklung und wirtschaftlicher Strukturwandel.
Dabei geht es um eine aktive Stadtentwicklungspolitik, die nicht nur die Lebensqualität der Bürger im Blick hat, sondern auch die soziale Stabilität in den Wohnquartieren. Es geht um Maßnahmen, die eine breite Mehrheit der Bevölkerung in unserem Land betreffen.
In ganz Ostdeutschland werden Stadtumbaumaßnahmen in 390 Gemeinden und in Sachsen-Anhalt in 59 Gemeinden durchgeführt. Insgesamt gibt es mehr als 800 Stadtumbaugebiete. Mithin leben zwei Drittel aller Einwohner Ostdeutschlands in Stadtumbaugebieten.
2,5 Milliarden € werden von Bund, Ländern und Kommunen bis Ende des Jahres 2009 im Rahmen dieses Programms ausgegeben. Eine ganz entscheidende Rolle für die Zielorientierung spielen dabei die Ihnen sicherlich bekannten integrierten Stadtentwicklungskonzepte mit originären Lösungen für jede Stadt.
Bis Ende des Jahres 2007 sind bereits 220 000 Wohnungen, davon 46 000 in Sachsen-Anhalt, über eine Förderung im Rahmen des Stadtumbaus zurückgebaut worden. Bis Ende des Jahres 2009 sollen weitere rund 130 000 Wohnungen hinzukommen.
In den Stadtumbaugebieten sank die Leerstandsquote bei den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen von 17,2 % im Jahr 2002 auf mittlerweile 12 % im Jahr 2007.
Man kann festhalten, dass sich das Programm „Stadtumbau Ost“ nach sechs Jahren Laufzeit gut bewährt hat. Die Wohnungsmärkte konnten stabilisiert werden, die betroffenen Städte haben insbesondere durch den Programmteil „Aufwertung“ erheblich an Attraktivität gewonnen.
Zu diesem Urteil kommen auch die Gutachter des Deutschen Instituts für Urbanistik und des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik, die dieses Programm im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung evaluierten.
Fachlich begleitet wurden sie von einer Lenkungsgruppe mit Vertretern aus unterschiedlichen fachlichen und gesellschaftlichen Bereichen, der auch vier Experten aus Sachsen-Anhalt angehörten. Ich denke, man kann sie ohne Weiteres als Experten bezeichnen; denn es handelt sich um die Landesvorsitzende des Mieterbundes Frau Schultz, um den Vorstand der größten Wohnungsgenossenschaft im Land Herrn Schwarzendahl, um den Sprecher der Stadtwerke Magdeburg Herrn Herdt und um Herrn Schneider aus dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr.
Diese Lenkungsgruppe sollte auf der Basis der Ergebnisse des Gutachtens Empfehlungen für die Fortentwicklung und Schwerpunktsetzung des Programms nach dem Jahr 2009 aufzeigen.
Richtig ist, dass der gesamte Bericht erst im Herbst dieses Jahres veröffentlicht werden soll. Die zentralen Ergebnisse, an denen sich auch nichts mehr ändern wird, wurden aber bereits in der vergangenen Woche im Rah
men eines Fachdialogs vorgestellt. Darin wird festgestellt, dass erst ein erster Teil der Herausforderungen bewältigt ist und noch große Anstrengungen erforderlich sind. Konsens besteht für uns darin, dass das Programm nach dem Jahr 2009 fortgeführt werden muss. Vorgeschlagen wird ein ganzes Bündel von direkten und flankierenden Maßnahmen, die sich sowohl an Bund und Länder als auch an die betroffenen Gemeinden richten.
Des Weiteren werden Vorschläge zur finanziellen Ausgestaltung des Programms gemacht. Ich möchte mich hierbei auf einige Schwerpunkte konzentrieren:
Das Programm „Stadtumbau Ost“ soll mit seinen beiden Bestandteilen „Abriss“ und „Aufwertung“ über das Jahr 2009 hinaus bis zum Jahr 2016 als eigenständiges Programm weitergeführt werden. Diese Forderung war so nicht unbedingt zu erwarten, wird von uns aber ausdrücklich unterstützt, da eine Zusammenführung mit dem Programm „Stadtumbau West“, über die auch diskutiert worden ist, aufgrund der unterschiedlichen Dimension des Problems zu früh käme. Man muss einfach festhalten, dass wir beim Stadtumbau im Gegensatz zum westlichen Teil Deutschlands nach wie vor ein flächendeckendes Problem haben, wohingegen die Situation in den alten Bundesländern insbesondere von punktuellen Problemen beim Stadtumbau gekennzeichnet ist.
Hinzu kommt, dass laut Prognosen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung bis zum Jahr 2020 von einer Verringerung der Zahl der Haushalte in den neuen Bundesländern außer Berlin um 3,2 % ausgegangen wird, während für die alten Länder mit einem Aufwuchs um 3,9 % gerechnet wird. Hier deutet sich die auch schon von der Wohnungswirtschaft angekündigte zweite Leerstandswelle an, wenn die geburtenschwachen Jahrgänge ab dem Jahr 1990 in das so genannte Haushaltsgründungsalter kommen.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Rückbau langfristig nicht benötigter Wohnungen weiter zu unterstützen. Deshalb sollen auf Vorschlag der Lenkungsgruppe ab dem Jahr 2010 bis zum Jahr 2016 noch einmal rund 220 000 Wohnungen zur Verhinderung des Anstiegs des Leerstands zurückgebaut werden.
Um der größten Herausforderung, der Entwicklung der innerstädtischen Altbauquartiere, zu begegnen, ist ein ganzer Strauß von Maßnahmen vorgesehen. Diese weisen nach wie vor Leerstände in Höhe von mehr als 20 % auf. Bisher ist es nicht in ausreichendem Maße gelungen, dem abzuhelfen.
Kleinteilige Eigentümerstrukturen mit bis zu 80 % des Eigentums in privater Hand erschweren notwendige Abstimmungsprozesse, und Anreize für Investitionen sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Die empfohlenen Maßnahmen werden deshalb auch von uns unterstützt. Es geht bei diesen darum, die Entwicklung der Gesamtstadt nicht außer Acht zu lassen, aber trotzdem mit verschiedenen Instrumenten der Städtebauförderung und des Stadtumbaus eine Konzentration auf die Innenstädte vorzunehmen, Eigentümerstandortgemeinschaften zu unterstützen und auch mit einer Wiedereinführung der Investitionszulage den Standort Innenstadt zu stärken.
Die Investitionszulage, die es bis Ende des Jahres 2004 gab, hatte spürbar positive Auswirkungen auf Bestandsinvestitionen im Altbaubereich. Daran sollte angeknüpft werden, indem bei einer konkret festgelegten Gebiets
kulisse Investitionen in Altbauten begünstigt werden. Insbesondere Kleineigentümer, die keine Möglichkeiten der steuerlichen Förderung nutzen können, bekämen damit ein geeignetes Instrument zur Modernisierung in die Hand.
Notwendig dafür wäre freilich ein abgestimmtes Verhalten der ostdeutschen Bundesländer gegenüber dem Bund. Leider hat es der sächsische Ministerpräsident Tillich aber gestern versäumt, bei der Vorstellung des Papiers „Perspektiven für den Osten Deutschlands“ ein deutliches Signal für die Unterstützung des Stadtumbaus Ost gerade aus Sachsen zu geben.
Von besonderer Bedeutung ist für uns auch der Aspekt der Verteilung der Bundesfinanzhilfen für den Stadtumbau. Wenn festgestellt wird, dass die Länder nicht in gleicher Weise von den Wohnungsleerständen betroffen sind, dann muss die Förderung auch dort verstärkt ansetzen, wo der Bedarf am größten ist. Ein neuer Verteilungsschlüssel, der die höheren Leerstandszahlen in Sachsen und Sachsen-Anhalt mit berücksichtigt, wird von uns unterstützt.
Eine weitere wichtige flankierende Maßnahme des Stadtumbauprozesses ist die Altschuldenhilfe. Im Rahmen der Härtefallregelung nach § 6a AHG - Altschuldenhilfegesetz - ist bisher eine Altschuldenentlastung in Höhe von etwa 1,1 Milliarden € mit einer Frist bis zum Jahr 2010 vereinbart worden, was etwa 275 000 Wohnungsabrissen entspricht. Die Frist sollte auch nach unserer Meinung bis zum Jahr 2013 verlängert werden, um den Unternehmen insbesondere bei der Bewältigung der immer schwieriger werdenden Prozesse der Abrissvorbereitung mehr Zeit einzuräumen.
Mit Blick auf die zu erwartende Leerstandsentwicklung muss eine Anschlussregelung geprüft werden, um das Erreichen der Rückbauziele nicht zu gefährden. Die finanzielle Dimension zwingt aber dazu, bei einer weiteren Entlastung hinsichtlich der Leerstandsbetroffenheit zu differenzieren. Zudem sollte darüber nachgedacht werden, inwieweit innerhalb des gesamten Budgets, das für die Fortführung des Programms „Stadtumbau Ost“ bis zum Jahr 2016 vorgesehen ist, Lösungen gefunden werden können. Wenn die Altschuldenentlastung auch nach der Einschätzung des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft die wirksamste Maßnahme zur Beschleunigung des Stadtumbaus und zur nachhaltigen Stärkung der Eigenkapitalbasis darstellt, dann lassen sich vielleicht auch andere Fördertatbestände eingrenzen.
Meine Damen und Herren! Die Empfehlungen der Lenkungsgruppe geben viele hilfreiche Hinweise für die Fortführung des Stadtumbaus Ost. Erste Signale aus Berlin lassen erwarten, dass diese dort auf fruchtbaren Boden fallen. Lassen Sie uns mit den Weichenstellungen für den nächsten Doppelhaushalt Sorge dafür tragen, dass der erfolgreiche Stadtumbauprozess auch in Sachsen-Anhalt weitergeführt werden kann. - Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Felke, für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Minister Dr. Daehre das Wort. Bitte schön, Herr Daehre.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Felke, herzlichen Dank, dass Sie sich in Ihrer Fraktion dafür eingesetzt haben und die Fraktion dem dann auch gefolgt ist, über das Thema Stadtumbau einmal im Rahmen einer Aktuellen Debatte zu debattieren. Ich denke, es ist angebracht, wobei das Thema in zwei Jahren sicherlich auch wieder im Rahmen einer Aktuellen Debatte aufgerufen werden kann. Ich würde mich freuen, wenn wir das in regelmäßigen Abständen machen; denn, meine Damen und Herren, ich glaube - das dürfen wir für uns alle in Anspruch nehmen -, seit dem Jahr 2002 gibt es in diesem Bereich von der Vorgängerregierung von CDU und FDP bis zu der jetzigen Regierung von CDU und SPD auch unter größter Zustimmung der LINKEN keine großen Differenzen.
Nun kann man das positiv sehen - das mache ich auch -, man kann es aber auch so sehen, dass die Richtung, die wir seit dem Jahr 2002 als Regierung eingeschlagen haben, von den anderen nicht nur akzeptiert worden ist, sondern auch einen breiten gesellschaftlichen Konsens erreicht hat. Deshalb herzlichen Dank dafür, dass Sie das alles in den letzten Jahren so mitgetragen haben; denn es geht nicht nur um die Zukunft der Städte, sondern um ein Stück Zukunft für Sachsen-Anhalt.
Diese 44 Städte, die in dem Programm „Stadtumbau Ost“ enthalten sind, können darauf verweisen, was in den letzten Jahren erreicht worden ist, und das kann sich auch sehen lassen.
Wer die Zukunft bestimmen will, der darf aber auch einmal kurz in die Vergangenheit gehen. Dann können wir auch einmal Stolz darauf sein, wie sich die Städte seit dem Jahr 1990 verändert haben und was seitdem erreicht worden ist, meine Damen und Herren. Wer sich noch einmal die Bilder aus dem Jahr 1990 in Erinnerung ruft, wie die Situation in den einzelnen Städten war, wie sie ausgesehen haben, und wer das damit vergleicht, wie die Städte heute aussehen, der muss sich ganz einfach freuen und auch einmal all denjenigen Dankeschön sagen, die sich daran beteiligt und die Finanzmittel zur Verfügung gestellt haben.
Es geht ein Dank an alle Bundesregierungen und auch an alle Landesregierungen, weil wir es geschafft haben, meine Damen und Herren, die Programme des Bundes in Sachsen-Anhalt in nahezu jeder Form zu 100 % kozufinanzieren. Die Kofinanzierung ist natürlich das Entscheidende. Wir müssen auch für die Zukunft dafür Sorge tragen, dass das Programm „Stadtumbau Ost“ - wie es Herr Felke schon ausgeführt hat - weiterhin kofinanziert wird. Wir decken immerhin 66 % mit Zuschüssen.