Protocol of the Session on June 26, 2008

Uns wird sicherlich noch eine Zeit lang die Initiative des Entschließungsantrages beschäftigen, auch für die Sekundarstufe II die Frage der Schülerbeförderung und die Beteiligung des Staates daran neu zu regeln. Auch das kann man vom Grundsatz her begrüßen, allerdings unter einer Prämisse, nämlich dass wir unsere knappen Ressourcen möglichst unmittelbar der Bildung und auch der Kultur zugute kommen lassen; denn ich möchte nicht in die schwierige Lage geraten, die Kosten der Schülerbeförderung möglicherweise durch unausweichliche Einsparungen im Schulbetrieb, in der Schulprogrammarbeit, bei den Lehrereinstellungen oder im Kulturbereich aufbringen zu müssen.

(Zustimmung von Herrn Harms, CDU, und von Herrn Weigelt, CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun komme ich von der dritten zur ersten Lesung eines Gesetzesentwurfes.

Herr Minister, möchten Sie zwischendurch eine Frage von Frau Dr. Hüskens beantworten?

Ja, ich glaube, es ist gut, an dieser Stelle eine Zäsur zu machen.

Bitte, Frau Dr. Hüskens.

Ich dachte mir, dass das dazu passt. - Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass es mit der Schülerbeförderung Probleme geben könnte, dass Sie dann Gelder aus der Kultur oder aus anderen Bildungsbereichen umschichten müssten.

Ich habe dazu eine kurze Frage, weil das im Finanzausschuss nicht richtig beantwortet werden konnte: Woher aus Ihrem Haushalt soll die Gegenfinanzierung für das

kommen, was jetzt die Schulen in freier Trägerschaft erfreulicherweise mehr bekommen sollen?

Das kann ich Ihnen im Moment noch gar nicht genau sagen. Der Anlass dafür, dass ich diese kleine Redesequenz eingebaut habe, ist die Hoffnung, im Übrigen auch die Zuversicht, dass diese Entscheidung nur im Rahmen einer couragierten Neudefinition von Ausgabenprioritäten vonstatten gehen kann. Ohne ein klares Bekenntnis zu entsprechenden Mehrausgaben für das Thema Bildung kann man es nicht machen.

(Lachen bei der FDP)

Wenn man aber die politischen Prioritäten so formuliert, dass man legitimerweise sagen kann, es ist uns die Sache wert, und das Parlament ist der Auffassung, dass es sich lohnt, dort zusätzliche Ressourcen einzustellen, dann wäre ich doch der Letzte, der das nicht begrüßen würde. Ich bin ohnehin der Meinung, dass wir alle Möglichkeiten eröffnen sollten, um vor allem im Bildungssystem soziale Gerechtigkeit und Ausgleich dort zu organisieren, wo Eltern aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage in Bedrängnis sind. Dahinter kann ich mich voll und ganz stellen.

Ich will das nur nicht mit anderen wichtigen Ausgabenfeldern im Kultur- und Bildungsbereich verrechnet wissen. Ich habe die Abgeordneten, die diese Initiative ergriffen haben, so verstanden, dass sie dieses tatsächlich im Rahmen einer Prioritätendebatte zusätzlich in die Hand nehmen wollen.

Frau Dr. Hüskens hat eine Nachfrage.

Ganz kurz: Das gilt also sowohl für den Bereich der Schülerbeförderung als auch für den Bereich der Schulen in freier Trägerschaft?

Ja, selbstverständlich. Es ist eine politische Diskussion, die wir hier führen, nichts anderes. Wir müssen uns politisch überlegen, was wir wollen. Ich persönlich sehe das jedenfalls so. Ansonsten bitte ich Sie, das auch Ihre Kollegen noch einmal im Einzelnen zu fragen.

Meine Damen und Herren! Ich darf nun also zu dem Teil der Einbringung des elften Änderungsgesetzes kommen. Der Koalitionsvertrag vom April 2006 sieht vor, unter anderem die Aufgaben der Lehrerbildung und der Qualitätsfeststellung mit den Aufgaben des Landesinstituts für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung, des Lisa also, in einer Qualitätsagentur zu verknüpfen.

Das Schulgesetz des Landes in der ab 1. August 2005 geltenden Fassung schreibt in § 11a fest, dass - ich zitiere - „die Schulen und Schulbehörden zu kontinuierlicher Qualitätssicherung schulischer Arbeit verpflichtet“ sind. Es ist auch ein Zugeständnis an den enormen Stellenwert der empirischen Bildungsforschung, der daraus erwachsen ist, dass sich Schulen heute stärker denn je legitimieren müssen durch das, was man landläufig „Output“ nennt, das heißt also durch die tatsächlichen Schülerleistungen, durch die tatsächlichen Unterrichts

qualitätsmerkmale, durch die tatsächliche Schulatmosphäre, durch die Programme der Schule, sodass wir hier eine regelmäßige Rückmeldung über die Entwicklung der Schulen erhoffen.

Die Notwendigkeit solcher regelmäßiger Qualitätsfeststellungen und die Etablierung entsprechender wissenschaftlich gesicherter Verfahren besteht umso mehr, je mehr wir die Schulen selbst in die Lage versetzen, weitgehend eigenverantwortlich über ihre Belange zu entscheiden.

Schulqualität bezieht sich dabei vor allem auf die fachliche und die methodische Güte von Unterricht - das ist der Dreh- und Angelpunkt -, aber auch auf Formen individueller Förderung, Maßnahmen gegen das Zurückbleiben sowie auch auf die Begabungsförderung, das Schulklima, Inhalte und Formen der Schulprogramme, Elternkooperation, außerschulische Unterrichtsangebote und Beziehungen der Schule zur Außenwelt, insbesondere übrigens Schule/Arbeitswelt.

Die zu gründende Qualitätsagentur soll als Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt zum 1. Januar 2009 ihre Arbeit beginnen. Es handelt sich übrigens nicht um eine neue Behörde, sondern um eine neue Querschnittsaufgabe für das Lisa.

Im Mittelpunkt der Tätigkeit des Landesinstituts steht die Entwicklung eines durch regelmäßige empirische Erhebungen und wissenschaftliche Methoden gestützten Qualitätsmanagements für die Schulen. Diese Aufgabe lässt sich strukturell sowieso nicht separieren oder den bisherigen Strukturen einfach mal eben so hinzufügen. Das Qualitätsmanagement wird als konzeptionelle Leitidee und praktische Aufgabe das gesamte Leistungsspektrum des Lisa künftig durchdringen und mit neuen Ansprüchen auch an die Kooperation mit dem Landesverwaltungsamt verbunden sein.

Die Verfahren der Qualitätsfeststellung und die Möglichkeiten der Qualitätsentwicklung an den Schulen müssen die gültigen Lehrpläne einbeziehen, die gemeinsam mit der KMK verabredeten Bildungsstandards, niveaubestimmende Aufgaben, Prüfungsaufgaben sowie im Rahmen von Schulversuchen und Fortbildungen auch Weiterentwicklung erfahren.

Erfahrungen aus den einzelnen Schulen sollen für verschiedene Bereiche wie die Lehrerfortbildung, Curriculumentwicklung sowie schulische Medienpädagogik genutzt werden. Das ist jetzt sehr wichtig: Wir sind so leidenschaftlich für eine getrennte Wahrnehmung der Aufgaben der klassischen Schulaufsicht und der Aufgaben des Qualitätsmanagements eingetreten, um zu sichern, dass Befunde aus den Qualitätserhebungen direkt in die Arbeit des Lisa einfließen und Einfluss auf die Lehrerbildung, auf die Lehrplangestaltung, auf die Unterrichtsforschung und auf den Bereich der Fortbildung gewinnen können. Diese Unmittelbarkeit von erhobenen Befunden, die Eingang in die regelmäßige Arbeit des Lisa finden sollen, ist eigentlich die Klammeridee für diese neue Qualitätsagentur, die diese Aufgabe künftig in einem integrativen Sinne versieht.

Das Kultusministerium ist weiterhin für die bildungspolitische Steuerung und Festlegung von Grundsätzen im Schulbereich zuständig. Die fachliche Ausgestaltung dieser Aufgaben soll künftig in der Zuständigkeit des Landesinstituts liegen. Deswegen übernimmt es vom Landesverwaltungsamt die Aufgaben der Referate Fort- und Weiterbildung - also 506 -, Evaluation und Schulinspek

tion - 507 -, die Staatlichen Seminare für Lehrämter Halle und Magdeburg - 511 und 512 -, und es wird im Übrigen künftig auch das Landesprüfungsamt für Lehrämter in seinem Rahmen führen.

Um in diesem breiten Aufgabenspektrum inhaltliche Wechselwirkungen und inhaltliche Synergien zu erzeugen, muss die Zusammenarbeit mit dem Landesverwaltungsamt entsprechend entwickelt und auch personell ausgestaltet werden. Hier können wir uns auf gute Fundamente der Kooperation stützen.

Für das Landesinstitut ergeben sich damit folgende Aufgabenbereiche, die allerdings sehr eng miteinander verbunden sind: die Lehrerausbildung in staatlichen Seminaren einschließlich Lehramtsprüfungen, das Thema Qualitätsfeststellung an Schulen, die Schul- und Unterrichtsentwicklung, die schulische Medienbildung und schließlich alle Belange der Lehrerfort- und -weiterbildung.

Die Einrichtung des Instituts für Schulqualität und Lehrerbildung, also kurz unserer Qualitätsagentur, erfordert in der Tat ein paar Änderungen im Schulgesetz. Das betrifft den derzeitigen § 11a Abs. 1, den § 30 Abs. 5, den § 30a Abs. 2 sowie den § 84a Abs. 3, in denen das Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung zusätzlich verankert wird. Änderungen gibt es auch im § 11a Abs. 3 Satz 1, in dem Aussagen zum Aufgabenspektrum des Landesinstituts in Gestalt der künftigen Qualitätsagentur getroffen werden.

Vorgesehen sind neben der Besoldungsordnung, in der Änderungen im Hinblick auf die Aufgaben des Präsidenten erforderlich sind, auch Änderungen im Landespersonalvertretungsgesetz und im Hochschulgesetz. Deswegen hat dieses Gesetz ja den Charakter eines Artikelgesetzes.

Ich bitte um Überweisung des von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs und wünsche uns allen eine aufgeschlossene und ergebnisorientierte Beratung darüber. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Bevor wir weiter in die Debatte einsteigen, habe ich die Freude, Damen und Herren des Kreisseniorenrates Bitterfeld und der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen auf der Südtribüne begrüßen zu können.

(Beifall)

Nun hören wir die Beiträge der Fraktionen. Es ist eine verbundene Debatte zu drei Beratungsgegenständen. Die Fraktionen sind frei darin, ob sie mit einem Redner oder mit mehreren Rednern antreten. Es muss aber innerhalb der zehn Minuten sein. Wie alles aufgeteilt wird, ist Ihre Sache.

Zunächst spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Höhn. Bitte schön.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben bei Herrn Schellenberger verfolgen können, in welcher Art und Weise wir uns im Ausschuss mit dem Gesetz befasst haben. Deswegen will ich versuchen, mich auf drei Punkte zu konzentrieren, was das zehnte Änderungsgesetz anbelangt.

Ich will vorwegnehmen, wie mein Fazit ausfällt: Dieser Gesetzentwurf, so wie wir ihn heute beschließen, ist leider ein Gesetzentwurf der verpassten Chancen.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Ich will das an drei Beispielen deutlich machen und beginne natürlich mit der Frage der Schulen in freier Trägerschaft. Sie hätten als Koalitionsfraktionen CDU und SPD endlich einmal die Chance gehabt, hier im Hause auch ihrem Koalitionsvertrag gerecht zu werden. Das ist ja bisher kaum gelungen. Diesmal hätte es Ihnen gelingen können. Aber auch diese Chance haben Sie verpasst. Ich will aus dem Koalitionsvertrag das zitieren, was Sie dazu festgehalten haben:

„Die Koalition bekennt sich ausdrücklich zu den Schulen in freier Trägerschaft. Die Finanzierung der Schulen soll sich an den Ausgaben der öffentlichen Schulen orientieren, wobei eine größere Transparenz in der Berechnung und Darstellung der Schulkosten erzielt werden soll.“

(Herr Tullner, CDU: Das kenne ich doch!)

- Das hoffe ich.

Ob uns die Orientierung an den öffentlichen Schulen mit dieser Novellierung des Schulgesetzes gelungen ist, daran würde ich ein großes Fragezeichen machen. Die Transparenz, die in der ersten Lesung fraktionsübergreifend - auch von Ihnen, Herr Scharf - angemahnt worden ist, ist an keiner Stelle besser geworden. Fazit: Chance verpasst!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will einen zweiten Punkt benennen. Ein Artikel in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ trägt die Überschrift: „Lehrer verzweifelt gesucht - Bundesländer wetteifern aggressiv um Pädagogen“.

Wir hätten im Zuge dieser Gesetzesberatung mit dem Vorschlag zu den Schulverbünden, den meine Fraktion unterbreitet hat, die Chance gehabt, uns einem zunehmend großen Problem auch für Sachsen-Anhalt ein Stück weit zu nähern. Wir hätten nämlich die Chance gehabt, ein zusätzliches Steuerungselement einzubauen, welches uns den Spagat zwischen dem politischen Willen, ein flächendeckendes Schulnetz in SachsenAnhalt sicherzustellen, und einem befürchteten Lehrkräftemangel ermöglicht. Diesen Spagat hinzubekommen erfordert, dass wir flexible Steuerungselemente und effektive Organisationsformen für die Schulen finden. Auch diese Chance haben Sie leider verpasst.

Die dritte Bemerkung, die ich machen will, widmet sich selbstverständlich dem Thema Schülerbeförderung. Auch dies wird Sie nicht überraschen und ich habe es auch angesagt. Wir hätten heute zum wiederholten Mal die Chance, bei der Entlastung der Eltern von den Kosten der Schülerbeförderung einen Durchbruch zu erzielen. Es wird uns, so befürchte ich, nicht gelingen.

(Herr Tullner, CDU: So skeptisch heute!)

Es ist zumindest ein Schritt nach vorn, dass Sie den Begründungshintergrund für unseren permanent vorgebrachten Vorschlag mittlerweile nachvollziehen. Ich entnehme dies der Begründung zu Ihrem Entschließungsantrag: Bei monatlichen Kosten von 60 € bis 120 € können Bildungschancen eingeschränkt werden. - Ja, genau um diese Tatsache geht es. Dieser Einschränkung von Bildungschancen wollen wir einen Riegel vorschieben.