Wir haben dazu eine ganz klare Antwort: Ja, dieses Land hätte einen anderen Innenminister, ich betone: Bundesinnenminister verdient.
Eines dieser Gesetze, wenn es denn beschlossen werden sollte, welches sofort abgeschafft gehört, ist der Entwurf des Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das BKA.
Im Rahmen der Föderalismusreform wurden dem BKA präventive Befugnisse zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingeräumt, welche bislang der Landespolizei zustanden. Bei unklarer Zuständigkeit eines Bundeslandes - was immer das auch bedeuten mag - oder wenn mehr als ein Bundesland betroffen ist, soll in Zukunft das BKA Fälle an sich ziehen können, die ansonsten in Landeshoheit bearbeitet worden wären. Zu diesem Zweck erhält es umfangreiche Befugnisse und ein Selbsteintrittsrecht und damit de facto ein Weisungsrecht.
Polizeibehörden des Bundes und der Länder sind zur Amtshilfe verpflichtet. Nicht zuletzt deswegen sprechen viele Politiker von einem deutschen FBI, das sich mit Vorfeldbefugnissen über die bisherigen Länderstrukturen gegebenenfalls auch machtpolitisch hinwegsetzen kann.
Mit dem neuen BKA-Gesetz wird eine Behörde in die Lage versetzt, sowohl über Befugnisse eines Geheimdienstes als auch der Polizei zu verfügen. Die nunmehr umfassenden Kompetenzen des BKA verletzen damit das Trennungsgebot in eklatanter Weise, zumal die gleichzeitige Inanspruchnahme polizeilicher und geheimdienstlicher Befugnisse keiner rechtsstaatlichen parlamentarischen Kontrolle unterliegt, wie das zumindest ansatzweise durch die G10-Kommission oder die PKK erfolgen kann bzw. könnte.
Im Grundgesetz ist die Polizeiarbeit als Ländersache formuliert. Mit dem neuen BKA-Gesetz wird in die Arbeit der Landeskriminalämter und der Landespolizei in nicht
zu verantwortender Weise eingegriffen und Misstrauen in die Arbeit der Landespolizei gesät. Kompetenzstreitigkeiten aufgrund unklarer Abgrenzungskriterien werden die Folge sein.
Völlig unverständlich wird es dann aber, wenn man sich die Einbringungsrede des Bundesinnenministers ansieht, der Folgendes erklärt -ich zitiere -:
„Es geht nicht darum, dem Bundeskriminalamt neue Befugnisse zu verschaffen, sondern es geht darum, dem BKA eine neue Aufgabe zu übertragen, die bisher ausschließlich die Polizeien der Länder haben.“
Ja, wie denn nun? Soll das dann sogar ohne neue Befugnis erfolgen? - Aber so ganz ist sich der Bundesinnenminister wohl nicht im Klaren darüber, was er eigentlich meint, denn er erklärt dann weiter - ich zitiere -:
„Und wenn man dem BKA die Aufgabe polizeilicher Gefahrenabwehr überträgt, dann muss man ihm natürlich auch die gesetzlichen Instrumente zur Verfügung stellen, über welche die Landespolizei seit 50 Jahren verfügt. Es geht also nicht um neue Befugnisse, sondern es geht um eine neue Aufgabe.“
Wir denken, bei der Übertragung lediglich einer neuen Aufgabe hätte es dieses Gesetzes nicht bedurft.
Das BKA-Gesetz stellt einen klaren Tabubruch dar. Es stellt das Grundgesetz auf den Kopf. Aus dem verfassungsmäßig verbrieften Recht, dass die Grundrechte Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat darstellen, wurde ein gesetzlich festgeschriebenes prinzipielles Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern, werden damit alle Bürger unter Generalverdacht gestellt. Ein beredtes Beispiel dafür ist die Online-Durchsuchung.
Es ist technisch heute überhaupt kein Problem mehr, durch Bundestrojaner private Computer komplett fernzusteuern. Das Einschalten von Webcams, die akustische Raumüberwachung per Mikrofon, das Abhören von Internet-Telefonaten usw. ist möglich. Besonders kritisch wird dabei von Experten gesehen, dass eine solche Online-Durchsuchung auch das Anlegen und Verändern von Dateien auf dem durchsuchten Computer möglich macht. Beweismittel können per Mausklick problemlos und spurenfrei auf dem Rechner angelegt oder manipuliert werden, ohne dass der dann Verdächtige eine Chance hat, die Manipulation nachzuweisen. Schnell kannn damit eine missliebige Person mundtot gemacht werden.
Weitere Befugnisse, die das BKA künftig erhalten soll, sind zum Beispiel: persönliche Daten sammeln, Befragungsrecht, Identitätsfeststellung, besondere Mittel der Datenerhebung, Rasterfahndung, Telekommunikationsüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Handy-Ortung und so weiter und so fort.
Ja, es kommt Übles auf uns zu. Aber noch kann es verhindert werden, wenn viele Länder - wir hoffen auch Sachsen-Anhalt - im Bundesrat gegen dieses Gesetz stimmen. Wir sind auf die Berichterstattung im Ausschuss gespannt.
Das war der Beitrag von Frau Tiedge von der Partei DIE LINKE. - Wir kommen jetzt zu dem Beitrag der SPDFraktion. Bitte schön, Herr Rothe, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Inhalte des von den Bundestagsfraktionen der CDU und der SPD eingebrachten Gesetzentwurfes anbetrifft, schließe ich mich den Ausführungen von Minister Hövelmann an.
Ich gehe davon aus, Frau Kollegin Tiedge, dass dieser Gesetzentwurf, wie alle anderen auch, nicht unverändert verabschiedet werden wird und dass es möglich sein wird, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sorgfältiger einzuarbeiten. Sie haben zu Recht die Problematik der Online-Durchsuchung hervorgehoben. Es geht insbesondere um den Kernbereichsschutz. Viele Leute führen heutzutage ihr Tagebuch auf dem Computer usw.
Lassen Sie mich noch etwas zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD sagen. Wir übernehmen unverändert die Feststellung aus dem FDP-Antrag, dass sich die derzeitige Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland bewährt hat. Es soll dabei bleiben, dass grundsätzlich die Länder zuständig sind und nur ergänzend der Bund.
Die Änderungswünsche in dem Änderungsantrag beziehen sich auf den Umfang der Berichterstattung. Diese ist uns bezüglich des Inhaltes des BKA-Gesetzes zu eng und hinsichtlich der Positionierung der Landesregierung im Bundesrat zu weit angelegt.
Bei der Änderung des BKA-Gesetzes handelt es sich um eine Novelle, die wir hier im Land sorgfältig auswerten sollten. Von daher sollte es bei der Berichterstattung der Landesregierung im Ausschuss bzw. in beiden Ausschüssen, im Innenausschuss und im Rechtsausschuss, nicht allein und nicht in erster Linie um die Kompetenzabgrenzung zwischen dem Bund und den Ländern gehen; so interessant dieses Thema auch ist. Wir wollen eine umfassende Berichterstattung, insbesondere zu den materiellen Regelungen.
Der dritte Punkt des FDP-Antrages sollte entfallen. Die Festlegung, wie sich die Landesregierung im Bundesrat positionieren wird, also abstimmen wird, erfolgt regelmäßig erst kurz vor der jeweiligen Bundesratssitzung. Dem Fachgespräch mit Vertretern der Landesregierung in den Ausschüssen des Landtages steht dies, wie aus dem zweiten Punkt hervorgeht, natürlich nicht entgegen.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu der Sicherheitsphilosophie sagen, die der Kollege Kosmehl am Eingang seiner Rede geäußert hat. Herr Kosmehl, Sie haben gesagt: Nicht der Staat gewährt den Bürgern Freiheit, sondern die Bürger gewähren dem Staat Einschränkungen ihrer Freiheit.
Als ich jung und stark war, habe ich das genau so gesehen. Ich fühle mich immer noch rüstig, aber ich habe mit den Jahren ein Verständnis dafür entwickelt, dass Freiheit nicht nur Freiheit vor dem Staat ist. Es kann auch Situationen geben, in denen der Staat mich vor Übergriffen Dritter schützt, gegen die ich mich selbst nicht ausreichend schützen kann.
Ich denke, dass der internationale Terrorismus eine solche Bedrohung ist. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Herr Rothe. Es gibt eine Nachfrage von Frau Dr. Hüskens. Wollen Sie diese beantworten? - Bitte schön, Frau Dr. Hüskens, Sie haben das Wort.
Ich fand das sehr interessant, Herr Rothe, weil Sie einen Unterschied gemacht haben zu der Aussage, die Herr Kosmehl zitiert hat, nämlich dass der Bürger dem Staat Einschränkungen seiner Freiheit gewährt, dass Sie dann aber gesagt haben, vor Terrorismus möchten Sie geschützt werden. Eben genau dazu kann der Bürger dem Staat Einschränkungen seiner Freiheit gewähren, damit er vor Gefahren geschützt ist. Da sind Sie, glaube ich, nicht anderer Auffassung als Herr Kosmehl.
Das, was er gesagt hat, charakterisiert eine unterschiedliche Herangehensweise, die Frage nämlich, ob ich von einem obrigkeitsstaatlichen Gesichtspunkt herangehe nach dem Motto, der Staat steht oben und sagt mir, was ich zu tun habe, oder ob ich davon ausgehe, dass wir Bürger diesen Staat bilden und ihm jeweils genau so viel Rechte abtreten, wie wir meinen, dass er braucht, um seine Aufgaben für uns wahrzunehmen. Ich glaube oder hoffe zumindest, dass Sie dieser Auffassung noch heute sind und dass Sie dieser Auffassung auch noch in 30, 40 oder 50 Jahren sein werden.
Ich bin dankbar dafür, dass Sie mich in dieser grundsätzlichen Frage wieder mit Herrn Kosmehl versöhnen. Es ist in der Tat so, dass die Legitimation staatlicher Sicherheitspolitik immer aus dem einzig zulässigen Zweck erwächst, die Freiheit des Einzelnen zu schützen. Insofern ist die Freiheit der Ausgangspunkt und das Ziel aller Sicherheitspolitik. Darin stimme ich Ihnen zu.
Herzlichen Dank. - Wir kommen zum letzten Debattenbeitrag, dem der FDP. Der Abgeordnete Herr Kosmehl nimmt mit Sicherheit das Wort, wie ich die Sache einschätze. Bitte schön, Herr Kosmehl.
Natürlich, Herr Präsident. Ich wollte die Debatte abwarten, um danach die Ideen der FDP im Zusammenhang mit dieser Beratung noch einmal deutlich werden zu lassen. Ich will einige Bemerkungen machen.
Vielleicht fange ich mit meinem verehrten Vorredner an. Sehr geehrter Herr Rothe, wie sinnvoll mein Satz war, zeigt sich an vielerlei Stellen im Handeln der Bundesregierung. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, auch zur Terrorismusbekämpfung: Die Bundesregierung hat ein Abkommen mit den USA vorbereitet, das zum Inhalt hat, dass künftig nicht nur die bisherigen Passagierdaten übermitteln werden, sondern dass im Namen der angeblichen Verbrechensbekämpfung die sexuelle Orientierung, die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion übermittelt werden sollen. Ich sage Ihnen: Das geht die Vereinigten Staaten von Amerika nichts an!
Das sage ich Ihnen ganz klar. Ich bin ein Freund der transatlantischen Partnerschaft, aber das geht zu weit.
Wer unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung meint, er könne die Bürgerrechte immer mehr aushöhlen, der ist auf dem falschen Weg. Das darf man denen in den USA auch einmal deutlich sagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, ja, Ingo Wolf, FDP-Innenminister in Nordrhein-Westfalen. Ich habe nicht gehört, dass das Land NordrheinWestfalen jetzt unsicher geworden ist. Ja, er hat, durch den Koalitionsvertrag mit der CDU gebunden, versucht, heimliche Online-Durchsuchungen gesetzlich zu regeln. Immerhin hat er eine Regelung geschaffen, und zwar für den Verfassungsschutz, nicht für die Polizei.
Herr Schäuble hat noch in den Beratungen zum Bundeshaushalt, ich glaube, 2007, behauptet, er brauche gar keine Regelung, er mache das einfach. - Es ist doch ein Unterschied, wenn ich wenigstens versuche, eine gesetzliche Regelung zu machen. Diese Regelung ist gescheitert. Ja, sie ist gescheitert, weil zwei FDP-Mitglieder gegen dieses Gesetz geklagt haben, ganz voran der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Herrn Baum bin ich auch bei Ihnen, Frau Tiedge. Dass Sie Herrn Ströbele zitieren, ist gut. Dass Herr Ströbele diese Meinung vertritt, kann ich nachvollziehen.
Aber ich sage Ihnen, es gibt gute Sicherheitsgesetze der Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich an die Bekämpfung der RAF, der linksextremistischen Bedrohung denke, waren diese Gesetze richtig und sinnvoll. Sie müssen aber immer wieder überprüft werden. Glauben Sie mir, Herr Ströbele ärgert sich heute noch über so manche sicherheitspolitische Bestimmung, die gegen die RAF erlassen wurde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch einmal zur Klarstellung sagen, damit ich nicht missverstanden werde: Ja, Herr Minister, viele Regelungen, von § 20b bis - jetzt muss ich gucken - § 20u, glaube ich, enthalten Befugnisse, die auch in den Polizeigesetzen der Länder verankert sind. Sie sind rechtstaatlich und sie sind ordnungsgemäß. Dass es anders ist, wollte ich mit meiner vielleicht etwas allgemein gehaltenen Kritik nicht sagen.
Aber ich beziehe mich insbesondere auf Online-Durchsuchungen und auf die Einführung der präventiven Telefonüberwachung für das Bundeskriminalamt. Ich beziehe mich darauf, dass Wohnraumüberwachung durchgeführt werden kann, wobei es tatsächlich an der einen oder anderen Stelle Schwierigkeiten gibt, wobei es auch Bundesverfassungsgerichtsurteile gibt, die meiner Meinung nach nicht umgesetzt worden sind.
Wie schwierig das gerade im Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung ist, merken wir doch seit vielen Jahren daran, dass es nicht gelingt, eine saubere Lösung hinzubekommen, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Vielleicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, - das mag eine kühne These von mir sein - gibt es dann aber auch nicht die Kompetenz zur akustischen Wohnraumüberwachung.