Herr Hövelmann, wenn ich mich an die Koalitionsvereinbarung richtig erinnere, steht darin, dass man die Finanzausgleichsmasse auch nach den Funktionen der einzelnen Kommunen verteilen wolle.
Parallel zu diesem Prozess haben wir jetzt eine interessante Debatte - zumindest wir führen sie jetzt - um den Landesentwicklungsplan. Am Ende dieser Debatte um den Landesentwicklungplan wird feststehen, welche Kommunen bei uns zentralörtliche Funktionen wahrnehmen und welche nicht. Es wäre aber doch zwingende Voraussetzung, dies zu wissen, wenn es darum geht, welche Kommunen wir im FAG sozusagen mit einem besonderen Aufschlag auszeichnen und welche nicht.
Das hieße, wenn wir bei Ihrer Zeitschiene bleiben, diesen Prozess bis 2009 zu Ende zu führen. Herr Daehre will den Landesentwicklungsplan aber bis 2010 diskutieren.
Jetzt haben Sie in Ihrer Rede gesagt, dass Sie von Größenklassen ausgehen wollen. Haben Sie sich davon verabschiedet, die Funktionalität der Gemeinden zu einer Grundlage von FAG-Zuweisungen machen zu wollen?
Nein, überhaupt nicht. Das eine hängt ja direkt mit dem anderen zusammen. Wenn Sie Größenklassen bilden, erfassen Sie in aller Regel - da mag es Ausnahmen geben - auch die Funktionalität in dieser jeweiligen Größenklasse.
Wir haben das heute auch. Sie kennen die Definition der zentralörtlichen Gliederung des Landes. Sie richtet sich nach der Einwohnerzahl und nach Versorgungsräumen, die wiederum nach Einwohnerzahlen definiert werden. Insofern haben Sie bei der Bildung von Gemeindegrößenklassen als Grundlage für die Gewichtung der Finanzausgleichszuweisungen den gleichen Aspekt, nämlich die Funktionalität der entsprechenden Gemeinde bzw. Stadt. Das ist kein Widerspruch.
Erstens. Wie lässt sich die Initiative der Landesregierung zu einem zweiten Funktionalreformgesetz in den Prozess der Neustrukturierung des Finanzausgleichsgesetzes einbetten? Bei den Aufgaben besteht ja ein Zusammenhang mit dem FAG, zumindest wenn man das Thüringer Urteil umsetzen will.
Zweitens. Betrachtet die Landesregierung bei der Neujustierung oder Umstrukturierung des FAG auch die Problematik des Ausgleichsstocks und dessen Handhabung? Oder ist das sozusagen völlig getrennt von der Diskussion um ein neues FAG?
Die Frage des Ausgleichsstocks war bisher nicht Gegenstand der Beratungen. Ich bin mir aber sicher, dass im Rahmen der Beratungen, Gespräche und Verhandlungen über die Neuausrichtung des Finanzausgleichsgesetzes auch das Thema, wie wir mit der Finanzmasse des Ausgleichsstocks umgehen, Gegenstand der Beratung sein wird. Aber es war bisher nicht Gegenstand der Beratung.
Es mag merkwürdig klingen, aber mit der Funktionalreform gibt es keinen unmittelbaren Zusammenhang. Warum gibt es keinen unmittelbaren Zusammenhang? - Wir müssen jetzt ermitteln, welche Aufgaben die Kommunen heute wahrnehmen, welche Pflichtaufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungskreis sie aufgrund der gesetzlichen Regelungen wahrnehmen und welche freiwilligen Aufgaben sie sich im Sinne der Organisation des Gemeinwohls vor Ort leisten.
Sollte es - davon gehen wir gemeinsam aus - zu einer Funktionalreform kommen, dann sind die finanziellen Folgewirkungen der Funktionalreform natürlich Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens. Die Frage, wie den Kommunen die Kosten für die Wahrnehmung zusätzlicher Aufgaben erstattet werden, ist dann Gegenstand der parlamentarischen Beratung und der Gesetzesverabschiedung, sodass das dann gleich mitgeregelt wird.
Vielen Dank, Herr Minister Hövelmann. - Nun hören wir die Debattenbeiträge der Fraktionen. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Tullner. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Kommunalfinanzen und damit einhergehend die Frage des Finanzausgleichsgesetzes haben uns - seitdem ich im Landtag bin und sicherlich auch schon vorher - intensiv, emotional und temperamentvoll begleitet. Das Thema gibt Anlass, über ein paar Fragen grundsätzlich nachzudenken.
Herr Gallert, was Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben, ist der Idealtypus, wie sich kommunale Finanzbeziehungen eigentlich gestalten müssten. Wir müssten den Landesentwicklungsplan in die Debatten einbeziehen. Wir müssten die Gebietsreform und die kommunalen Strukturen am Ende der Wahlperiode einbeziehen. Wir müssten die strategische Finanzplanung einbeziehen. Ich denke, Herr Minister, wir müssten zumindest partiell auch die Funktionalreform mit einbetten. Dieses idealtypische Konstrukt nach Max Weber werden wir so aber nicht hinbekommen. Das müssen wir hier offen und klar aussprechen. Wir können nur versuchen, uns diesem Idealbild anzunähern.
Zwei Punkte haben uns als CDU-Fraktion in der Diskussion immer umgetrieben. Der eine Punkt ist die Frage der Transparenz. Wie ist dieses FAG über uns gekommen? - Herr Scharf und andere sagen immer: Die Altvorderen haben in den wilden Anfangszeiten der 90erJahre ein Gesetz geschaffen, das tradiert fortlebt, aber durch zahlreiche Änderungen mittlerweile einen Zustand erreicht hat, in dem es wirklich nur noch sehr wenige Leute in der ganzen Tiefe durchschauen können. Die kommunalen Gebietskörperschaften, die das Gesetz angeht, können das schon gar nicht.
Der andere Punkt ist die Höhe der Zuweisungen. Wir alle wissen: Es geht ums Geld, es geht um die Verteilung von zunehmend knapper werdenden Ressourcen. An dieser Stelle müssen wir einfach sagen: Weil wir wissen, dass die Ressourcen knapper werden, müssen wir einen Weg miteinander vereinbaren, wie wir zu einer transparenten und als halbwegs gerecht empfundenen Verteilung der Finanzmassen an die kommunalen Gebietskörperschaften kommen.
Ich bin der FDP-Fraktion ausdrücklich dankbar dafür, dass sie diesen Antrag heute gestellt hat. Sie alle wissen, dass es um Pfingsten herum gewisse Wallungen gab, die auch öffentlich diskutiert worden sind. Dazu sollten wir uns hier austauschen.
Meine Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion hat auf der Grundlage des Koalitionsvertrages eine Projektgruppe beauftragt, sich des Themas FAG anzuneh
men. Diese Arbeitskreise haben sich mit den eingangs beschriebenen Problempunkten intensiv beschäftigt.
Wir haben intensive Gespräche mit der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden geführt. Wir haben eine zweitägige Klausur in Erfurt gemacht und haben mit Vertretern des Finanzministeriums, des Innenministeriums, des Justizministeriums und der dort allein regierenden CDU-Landtagsfraktion gesprochen und sind am Ende zu der Auffassung gekommen, dass der Thüringer Weg in seiner sehr detaillierten und kleinteiligen Herangehensweise nicht der zielführende Weg sein kann.
Wir sind uns also einig, einen vereinfachten Weg gehen zu wollen. Wie der dann aussieht - ob man einen Warenkorb zur Grundlage nimmt, ob man mit Blick nach Mecklenburg-Vorpommern die KGSt einbezieht oder ob man auf empirische Kommunalforschung zugreift, wie sie insbesondere in Halle betrieben wird -, ist noch nicht klar. Aber es muss einen vereinfachten Weg zu der aufgabenorientierten Ausstattung geben. Ich denke, dass die Gespräche so weit gediehen sind, dass sie demnächst zum Ziel führen.
Ich will selbstkritisch feststellen, dass auch ich, als wir uns im Laufe der Beratungen verständigen wollten, überrascht festgestellt habe, dass die Finanzstrukturkommission erst im März 2008 angefangen hat, sich über Kriterien Gedanken zu machen. Dabei ist bei mir die Sorge entstanden, ob der Zeitplan hierfür eingehalten werden kann.
Wir als CDU-Landtagsfraktion haben die Sorge, dass die Begriffe „Konsolidierungspartnerschaft“, „Konsultationsvereinbarung“ und „strategische Finanzplanung“ nicht kongruent laufen. Deswegen ist es unsere feste Überzeugung, dass eine regierungstragende Fraktion gelegentlich auch die Landesregierung ermutigen, motivieren und auch kritisch-konstruktiv begleiten muss. Dieser Aufgabe stellen wir uns.
Wir als CDU, die große Kommunalpartei im Lande, haben die Kommunen und ihre Aufgaben fest im Blick. Aber, meine Damen und Herren, ich bin optimistisch, dass auch durch die Diskussion, die wir parlamentarisch geführt haben, ein bisschen mehr Tempo in die Diskussionen kommt, sodass wir am Ende hoffnungsfroh dahin schauen können, dass wir diese Aufgabenorientierung gemäß dem Koalitionsvertrag auch wirklich umsetzen können. Denn es ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben, das wir unbedingt umsetzen wollen.
Wie hoch sich die kommunalen Zuweisungen gestalten werden, ist die spannende Frage, die am Ende auch für die Akzeptanz des Systems sorgen soll und sorgen wird. Das kann aber erst in einem zweiten Schritt passieren. Wir reden im Moment nur über die Kriterien und darüber, wie wir dazu kommen.
Ich möchte mich am Ende meiner Rede bei den kommunalen Spitzenverbänden ausdrücklich für die partnerschaftliche Zusammenarbeit bedanken, und denke, dass die Landesregierung und die betroffenen Interessenvereinigungen ab der nächsten Woche einen vernünftigen Weg einschlagen können, damit wir demnächst die Dinge angehen können.
Herr Kollege Tullner, Sie haben als Vertreter, wie Sie es so schön nannten, einer großen Kommunalpartei
dargestellt, was Sie sich unter der Neuordnung des FAG vorstellen im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Kommunen. Vielleicht können Sie mir heute schon eine Antwort darauf geben, wie sich die CDU-Landtagsfraktion zu den Plänen zur Absenkung der Verbundquote bei den Kommunalfinanzen und deren Auswirkungen auf die Kommunen verhält. Je früher man deutliche Pflöcke einschlagen kann, umso sicherer können sich die Kommunen hinsichtlich ihrer Finanzgrundlage sein. Vielleicht könnten Sie mir dazu eine Antwort geben.
Herr Kosmehl, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für diese Frage, weil ich an dieser Stelle zum Kern des Ganzen noch einmal einige Sätze sagen kann. Sie haben richtig beschrieben, dass diese Quotenlogik mit diesen Absenkungen in Bezug auf die Aufgabenorientierung nicht ganz kongruent läuft. Das habe ich eben auch gesagt.
Wenn man sich die Entwicklung, die wir in Thüringen aufgenommen haben, ansieht, von der man auch weiß, wenn man sich einigermaßen juristisch beliest, dass diese durchaus auch Auswirkungen auf andere Länder haben wird, dann weiß man genau, dass der Zug bei den Kommunalfinanzen in Richtung auf die Aufgabenausstattung führt. Deswegen müssen wir, so denke ich, bevor wir die strategische Finanzplanung an dieser Stelle zu Ende diskutieren und auch verbindlich machen, uns darüber verabreden, wie wir die Grundausstattung der Kommunen systematisch - deswegen die Aufgabenorientierung - und auch der Höhe nach ausgestalten wollen.
Deswegen besteht auch die Sorge, dass die Finanzstrukturkommission zügig Ergebnisse vorlegen kann, auf deren Grundlage wir dann die strategischen Debatten, die der Finanzminister und auch das Kabinett führen, ineinander verzahnen können, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen.
Eines ist klar: Es wird nicht mehr Geld geben. Das wissen wir alle. Aber wir müssen auch im Interesse von Konsolidierungspartnerschaft und Konsultationsvereinbarung mit den Kommunen zu einer Verständigung kommen. Wir haben dankenswerterweise Spitzenverbände, die sich konstruktiv beteiligen und sich auch weiterhin beteiligen wollen. An dieser Stelle müssen wir einfach gemeinsam stärker und auch schneller arbeiten, damit wir zu den Ergebnissen kommen, die sie zu Recht angemahnt haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Tullner, seit dem Jahr 1995 geht dieses Gespiel, nämlich zu gucken, nach welchen Prämissen ich eine kommunale Finanzausstattung überhaupt bemesse. Damals war mit der Einführung des FAG noch eine Finanzsumme von rund 4 Milliarden DM vorhanden; wir sind ein Stück weit darunter.
Die Frage, die sich an dieser Stelle stellt, ist, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Aufgabenübertragung, Konnexitätsprinzip der Landesverfassung, der Raumordnungsstruktur und einer Gemeinde- oder Kommunalstruktur herzustellen ist. Ich denke schon, dass das der Fall ist. Denn die Hausaufgaben, die mit der Aufgabenübertragung in den vergangenen Jahren im Zusammenhang stehen, sind nicht gemacht worden, sodass sich nun ein Aufgabenbestand aufgeschoben hat, der noch nicht einmal definiert werden kann, geschweige denn sich entsprechend der notwendigen Ausstattung sowohl in Sach- als auch in Personalkosten darstellen lässt.
Dazu kommt ein zweites Problem. Wir haben die zweite Stufe der Funktionalreform. Am Ende dieses Jahres soll das Zweite Funktionalreformgesetz entstehen oder zumindest eingebracht werden. Das Erste Funktionalreformgesetz und die Entschließung des Landtages vom Januar 2002 haben damals einen Aufgabenkatalog dargestellt. Schon zu dem damaligen Zeitpunkt stand fest: Wenn wir eine kommunale Sicherung von Aufgaben auf kommunaler Ebene, nämlich auf Landkreisebene, oder zwischen den Kommunen darstellen wollen, wird das natürlich Auswirkungen auf die Refinanzierung, auf die Sachausstattung und auf die Fragen des Personalübergangs oder des Personaleinsatzes haben.
Auch an dieser Stelle hätte sich wiederum die Frage gestellt, ob der Umfang, in dem wir die Kommunen derzeit ausstatten, tatsächlich angemessen ist und ob dies dem Artikel 87 der Landesverfassung entspricht oder nicht. Diese Diskussion wurde regelhaft auch im Parlament ausgeblendet. Man hat sich darüber hinweggesetzt, nach dem Motto: Wir hängen alle in einer strukturellen Krise, wir haben wenig Finanzen usw. - Diese Diskussionen wurden nicht geführt.
Derzeit haben wir die Situation - darauf sind wir mehrfach eingegangen, ob das von 2002 bis 2006 war oder von 2006 bis zum heutigen Tag ist -, dass auf der einen Seite die Finanzzuwendungen bzw. Einnahmen des Landes steigen, die Kommunen auf der anderen Seite in ihrem strukturellen Defizit verhaftet sind und das Landesverwaltungsamt derzeit in Größenordnungen über Ersatzvornahmen oder Beanstandungen Kreishaushalte redigiert und die Kreistage dazu auffordert, sofort und so schnell wie möglich seinen Aufforderungen, nämlich denen des Landesverwaltungsamtes, nachzukommen und eine so genannte geordnete Finanzpolitik wiederherzustellen.