Die Koalitionspartner vereinbaren deshalb eine Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes, die in zwei Schritten erfolgen soll...
In einem zweiten Schritt soll das Finanzausgleichsgesetz erneut novelliert werden und dabei das oben genannte Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs berücksichtigen.“
Das war im April 2006. Dann hat sich eine Zeit lang nichts getan. Offensichtlich haben einige Fraktionen etwas mehr Tempo erwartet. In jedem Fall können wir feststellen, dass im September 2007, also doch einige Monate später, die Fraktion DIE LINKE einen Antrag zur Reform der Struktur des kommunalen Finanzausgleichs eingebracht hat.
In der Debatte dazu führte der Minister des Innern aus: Die zu diesem Zeitpunkt diskutierten Änderungen des FAG seien nur ein erster Schritt. In einem zweiten Schritt solle das Finanzausgleichsgesetz erneut unter Berücksichtigung des Urteils des Thüringer Verfassungsgerichtshofes novelliert werden. Dazu habe die Landesregierung zunächst einer Vereinbarung über ein Konsultationsverfahren zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden zugestimmt und die be
stehende Finanzstrukturkommission damit beauftragt, für die Ermittlung einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung der Kommunen mögliche Verfahrensschritte mit dem Ziel zu entwickeln, einen tauglichen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. - Ich hoffe, Sie haben alles verstanden, was damit gesagt worden ist.
Der Landtag hat dem offensichtlich nicht so ganz getraut; denn er sah sich trotzdem veranlasst, am 14. Dezember des gleichen Jahres einen Beschluss in der Drs. 5/32/994 B zu fassen, der die Landesregierung dazu verpflichtet - ich zitiere -:
„... vor weiteren Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes in Anlehnung an das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2005... den Aufgabenbestand der Kommunen und den dafür erforderlichen Finanzbedarf zumindest im Wege sachgerechter Schätzung zu ermitteln, daraus abgeleitet entsprechend Artikel 88 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt die verfassungsmäßige Grenze für die Mindestfinanzausstattung der Kommunen zu definieren, die Verteilung der Finanzausgleichsmasse innerhalb der kommunalen Gruppen nicht allein nach der Steuerkraft der Gemeinden, sondern auch anhand der unterschiedlichen wahrgenommenen und wahrzunehmenden überörtlichen Aufgaben vorzunehmen und dabei den Anteil allgemeiner Zuweisungen im Verhältnis zu zweckgebundenen Zuweisungen zu erhöhen, um der kommunalen Selbstverwaltung mehr Spielraum einzuräumen...“
Das hat der Landtag einstimmig beschlossen. Ich hatte damals schon den Eindruck, dass man die Landesregierung zu schnellerem Handeln auffordern wollte. Man macht das als Regierungsfraktion immer ein wenig höflicher, als wir das als Opposition können. Wir können gleich sagen: Wir wollen mehr Tempo. - Ich denke, dass man den damaligen Beschluss durchaus so lesen kann.
Sie wollen nicht ohne Grund mehr Tempo machen; denn obwohl auf Landesebene die Steuereinnahmen sprudeln und wir alle hoffen, dass das in den nächsten Jahren auch so bleibt, gibt es auf kommunaler Ebene Handlungsbedarf. Zum einen sind die Steuern dort sehr unterschiedlich verteilt. Zum anderen hat ihre Konsolidierungspartnerschaft bei den Kommunen ein erhebliches Loch gerissen. Es gibt inzwischen die Ansage, dass die Verbundquote noch einmal abgesenkt werden soll, und zwar das nächste Mal mit dem Doppelhaushaushalt 2010/2011.
Fairerweise muss man sagen, dass Sie eine ganze Reihe von kreativen Ideen entwickelt haben, um die kommunale Finanznot zu lindern. Das hat aber nicht immer so funktioniert, wie Sie es sich gewünscht haben. Ich will fair sein: Auch wir haben in der letzten Legislaturperiode das eine oder andere probiert, was dann doch nicht zum Ziel geführt hat.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir inzwischen zeitlichen Druck haben. Wir haben auf der einen Seite die Situation der Kommunen, die meiner Meinung nach auch nicht endlos auf die lange Bank geschoben werden kann, auf der anderen Seite den Beschluss des Landtags, dass, bevor weitere Änderungen am FAG vorgenommen werden, der Aufgabenbestand erhoben werden soll, um tatsächlich einmal dezidiert über eine auskömmliche Kommunalfinanzierung reden zu können.
Ich habe durchaus Verständnis dafür - die Aufgabe ist sehr komplex -, dass die Landesregierung das nicht von heute auf Morgen machen kann. Aber wir reden inzwischen auch nicht mehr über „von heute auf morgen“.
Ich habe die einzelnen Punkte vorgelesen: 2005 das Gesetz, 2006 die Koalitionsvereinbarung, 2007 der erste Beschluss, Ende 2007 der zweite Beschluss. Jetzt haben wir Mitte 2008.
Ganz ehrlich gesagt - ich weiß nicht, wie es Ihnen geht -: Ich habe nicht wirklich das Gefühl, dass an dieser Aufgabe so gearbeitet wird, wie man das erwarten würde; denn das ist einer Ihrer Kernpunkte. Ich habe nämlich bisher nicht vernommen, dass das etwas ist, was Sie machen wollen, wenn Sie etwas Zeit haben; vielmehr war es einer der Kernpunkte in Ihrer Koalitionsvereinbarung. Ich muss ganz offen gestehen: Ich habe schon ein wenig mehr Engagement und Energie erwartet.
Auf der anderen Seite wird der zeitliche Horizont dadurch verkürzt, dass der Doppelhaushalt 2010/2011 auf uns zurollt. Diesbezüglich müssen wir uns auch nichts vormachen. Im Augenblick finden die Gespräche über die Eckpunkte statt. Zudem wissen wir, dass die Haushaushaltsberatungen, die Haushaltsaufstellung spätestens zu Beginn des nächsten Jahres ins Detail gehen werden. Das heißt, wenn Sie in diesem Bereich in dieser Legislaturperiode noch etwas machen wollen, dann müssen Sie jetzt schlicht und ergreifend vorankommen; sonst wird das in dieser Legislaturperiode nichts mehr werden.
Da wir durchaus sehen, dass die Aufgabe kompliziert ist und wir von den Kollegen in Thüringen gehört haben, dass man dort etwa ein halbes Jahr benötigt hat, allein um die Daten zur Ermittlung der durchschnittlichen Gesamtausgaben und -einnahmen für die Aufgaben im eigenen und übertragenden Wirkungskreis zusammenzustellen und dass dies einen Berg von Daten produziert hat und man sich sehr schwer damit getan hat, entsprechende Ziele zu vermitteln, haben wir in unserem Antrag festgehalten: Wir wollen lediglich, dass der Aufgabenumfang einmal definiert und der durchschnittliche Stellenbedarf ermittelt wird.
Wir haben gesagt, es müsste bis zum dritten Quartal machbar sein, zumindest diese Information zusammenzustellen, sodass die entsprechenden Ausschüsse darüber diskutieren können. Ich hoffe, dass die Landesregierung dazu in der Lage ist und wir im Parlament auf einer einigermaßen fundierten Basis darüber diskutieren können.
Wir haben dazu - damit möchte ich abschließen - nicht wirklich viel Zeit. Ich hoffe, dass die Landesregierung nicht wie bei einigen anderen Dinge vorgeht - wir hatten heute Morgen ein schönes Beispiel dafür -, nämlich sich selbst sehr viel Zeit zu lassen und dann im Landtag mit der Anforderung aufzutauchen: Wir bringen das Gesetz in einem Monat ein und einen Monat später muss das Ganze verabschiedet werden.
Ich glaube, gerade beim FAG ist das eine problematische Verfahrenweise; denn das Finanzausgleichsgesetz gehört meiner Auffassung nach zu den Gesetzen, die in einem möglichst breiten Konsens der Fraktionen verabschiedet werden sollten; denn es ist ein Gesetz, an welches wir nicht in jeder Legislaturperiode strukturell neu herangehen können.
Meiner Meinung nach lohnt es sich für das Land, den Mechanismus der Verteilung der Mittel auf eine breite
parlamentarische Grundlage zu stellen und zu erneuern. Ich hoffe, dass dies auch der Ansatz ist, mit dem Sie in die Diskussionen über ein neues FAG gehen werden.
Ich bin der Auffassung, dass der Landtag diesbezüglich gefragt ist und nicht nur zum Abnicken und Sanktionieren da ist. Ich sage ausdrücklich: Wir sind bereit, uns auch als Oppositionsfraktionen bei diesem Gesetz in die Pflicht nehmen zu lassen. Deshalb hoffe ich, dass Sie unserem Antrag in der vorliegenden Fassung zustimmen können. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Nun erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Hövelmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Dr. Hüskens, die polemische Kritik an der Landesregierung ist zumindest an dieser Stelle völlig überflüssig. Die Landesregierung macht genau das von Ihnen Eingeforderte seit Monaten, auch wenn wir es nicht täglich öffentlich zu Markte tragen; dem ist wohl so.
Ich will Ihnen sagen, dass das, was Sie an Notwendigkeiten dargestellt haben, und das, was in den letzten Monaten auch von Ihnen dargestellt worden ist, tatsächlich gemacht worden ist. Dies ist Gegenstand der Arbeit im Ministerium des Innern in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden, also dem Landkreistag sowie dem Städte- und Gemeindebund, und mit dem Ministerium der Finanzen. Wir machen genau das.
Ich darf darauf hinweisen, dass wir eben nicht - ich bin davon überzeugt, dass der Weg der richtige ist -, um ein schnelles Ergebnis zu haben, einmal schnell eine statistische Erfassung von Haushaltsgrößen veranlasst, aufgeschrieben und gesagt haben: Auf dieser Basis wird eine Veränderung des Finanzausgleichsgesetzes auf den Weg gebracht.
Wir haben einen anderen Weg gewählt. Wir haben die Kolleginnen und Kollegen, die sich in den letzten Jahren diesem Prozess gewidmet haben, gebeten, Auskunft über ihre Erfahrungen zu geben, nämlich die Fragen zu klären, was eine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kommunen ist. Wir haben die Thüringer Kollegen nach Sachsen-Anhalt eingeladen und haben sie gebeten, uns von ihren Erfahrungen zu berichten. Das haben sie getan.
Ich möchte Ihnen sagen, welche Erfahrungen man in Thüringen mit dem Urteil und aus der daraus folgenden Konsequenz gesammelt hat, nämlich mit dem neuen Finanzausgleichsgesetz, das der Thüringer Landtag vor einem halben Jahr beschlossen hat und welches übrigens auch schon wieder Gegenstand mehrerer Beschwerden vor dem thüringischen Verfassungsgericht ist.
Ich möchte einiges davon vortragen: Die Thüringer Kollegen haben uns berichtet, dass allein die Datenerhebung für die Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises und für die freiwilligen Aufgaben einen Zeitumfang von sieben Monaten in Anspruch angenommen hat. Insgesamt ist ein Volumen von 1,8 Millionen Datensätzen zusammengetragen worden - das ist eine schier unvorstellbare Zahl -, die natürlich im Anschluss daran gesich
Strittig ist selbst heute noch der Umstand, dass eine Korridorbildung zur Ermittlung von Durchschnittswerten notwendig war. Dabei gibt es eine unterschiedliche Wichtung und eine unterschiedliche Wertung, die immerhin zu einer finanziellen Differenz im Umfang von 370 Millionen € führt.
Die Fragen sind: Wie nähert man sich einem Durchschnittswert? Was kann man zu Rate ziehen? Wenn einige Kommunen in der Lage sind, eine kommunale Dienstleistung besonders preiswert und effizient zu erbringen, und andere dies besonders teuer machen, hat das vielleicht auch etwas mit Qualität zu tun? Hat es mit der Bevölkerungsstruktur in der Kommune zu tun, wenn bestimmte Aufgaben aufwendiger zu erledigen sind? - Das sind alles Dinge, die in diesem Prozess zu berücksichtigen sind.
Die Kolleginnen und Kollegen aus Thüringen haben uns den guten Rat mit auf den Weg gegeben, gründlich zu arbeiten und sich darüber im Klaren zu sein, dass am Ende nicht alle mit dem Ergebnis zufrieden sein werden.
Ich bin mir ganz sicher: Selbst wenn wir, Regierung und Parlament, uns noch so große Mühe geben, werden am Ende doch nicht alle Beteiligten zu dem Ergebnis kommen, dass wir nun ein gutes, für alle Beteiligten befriedigendes Finanzausgleichsgesetz haben. Diese Situation werden wir nicht erleben. Wir werden nicht alle Erwartungen erfüllen können.
Wie sieht es in Sachsen-Anhalt derzeit aus? - Wir haben uns darauf verständigt - auch diese Anregung kam von den kommunalen Spitzenverbänden -, keine Vollerhebung, keine Totalerhebung durchzuführen, sondern eine Schwerpunktdatenerhebung zu veranlassen.
Den Anfang machen die Einzelpläne 2 - Schulen -, 3 - Wissenschaft, Forschung, Kultur - und 4 - Soziale Sicherung. All dies ist jeweils Gegenstand der Beratungen in der Finanzstrukturkommission.
Wir werden gemeinsam mit dem Statistischen Landesamt Sachsen-Anhalt die Daten ermitteln und aufbereiten. Die Einnahmen und Ausgaben im kreisangehörigen Raum sollen auch nach Einwohnergrößenklassen aufbereitet werden. Wir wollen ganz bewusst die Unterschiede zwischen den unterschiedlich großen Gemeinden und Städten bei der Aufgabenwahrnehmung im kreisangehörigen Raum anschauen.
Es stellt sich die Frage: An welcher Stelle ist es sinnvoll, Gemeindegrößenklassen zu definieren, damit man den Versuch unternehmen kann, Pauschalierungen vorzunehmen?
Wenn man zum Beispiel Gemeinden mit 5 000 bis 10 0000 Einwohnern zu einer Größenklasse zusammenfasst - es kann sein, dass man zu einem solchen Ergebnis kommt -, sieht die Lebenswirklichkeit in einer Kommune mit 5 500 Einwohnern wahrscheinlich etwas anders aus als in einer Kommune mit 9 800 Einwohnern. Trotzdem sind sie möglicherweise in der gleichen Größenklasse.
Die Abwägung der unterschiedlichen materiellen Bedürfnisse der Kommunen müssen wir in der Diskussion in der Finanzstrukturkommission vornehmen. Wir werden dies auch tun. Die Finanzstrukturkommission wird Anfang nächster Woche wieder zusammentreten. Wir wer
den uns erneut über den weiteren Fortgang der Ermittlung der Grundlagen für ein überarbeitetes Finanzausgleichsgesetz verständigen.
Wir wollen - Sie haben völlig zu Recht auf den zeitlichen Aspekt hingewiesen, Frau Dr. Hüskens - im Jahr 2009 eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg bringen, um für 2010 und die folgenden Jahre das veränderte FAG im Land Sachsen-Anhalt wirksam werden lassen zu können.
Wir werden Ihnen aber nicht - dafür bitte ich um Verständnis - schon in wenigen Wochen oder Monaten etwas Fertiges auf den Tisch legen können. Vielmehr werden wir noch lange die Datensätze ermitteln und versuchen müssen, diese zu bewerten und daraus Vorschläge für eine Gewichtung im FAG abzuleiten. Insgesamt haben wir natürlich eine schwierige Situation; denn die Situation der Kommunen ist eben nicht homogen.
Frau Dr. Hüskens, Sie haben die Situation der kommunalen Seite nach meinem Dafürhalten zu Unrecht so geschildert, wie Sie sie geschildert haben. Die Situation ist nämlich differenziert.
Wir haben besondere Finanzierungsdefizite bei den zentralen Orten und bei den Landkreisen. Diese Finanzierungsdefizite haben wir nicht in den kreisangehörigen Gemeinden, die keine zentralörtliche Funktion wahrnehmen. Bei ihnen gibt es Einzelfälle, in denen es aufgrund örtlicher Besonderheiten zu Finanzierungsschwierigkeiten gekommen ist. Aber wenn Sie die Messlatte auf das gesamte Land legen, dann werden Sie feststellen: Je mehr Aufgaben eine Kommune wahrnimmt - das hat auch etwas mit der Größe und der Einwohnerzahl zu tun -, desto problematischer und unangemessener ist ihre Finanzausstattung. Genau an dieser Stelle werden wir mit einem neuen FAG nachsteuern müssen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Nun bitte die Fragen, zuerst von Herrn Gallert, dann von Herrn Kosmehl.
Herr Hövelmann, wenn ich mich an die Koalitionsvereinbarung richtig erinnere, steht darin, dass man die Finanzausgleichsmasse auch nach den Funktionen der einzelnen Kommunen verteilen wolle.