Protocol of the Session on May 30, 2008

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

- Ich war noch nicht fertig, Herr Finanzminister. Dazu kommen wir vielleicht noch.

Die Frage, die sich an dieser Stelle aber stellt, ist die Folgende: Wer hat denn die kommunale Selbstverwaltung nach der Landesverfassung zu verantworten? Dabei kann ich mich als Verwaltungsbehörde nicht schlechterdings darauf setzen und sagen: Freunde, wir wissen zwar, dass ihr ein strukturelles Defizit habt - mal sehen, wie ihr es ausgleicht -; aber ihr habt im Prinzip eure Kreisumlage zu erhöhen.

Was erreichen wir damit? - Damit erreichen wir, dass wir die schon geschwächten Kommunen noch weiter schwächen. Damit wird aber der Landkreis nicht stärker.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt, sie haben Aufwendungen, die nicht abgegolten sind. Das wissen Sie hoch und runter. Sie haben selber die demografische Entwicklung hoch und runter dekliniert. Sie haben dargestellt, wie die Finanzbeziehungen sind. Es erstaunt mich schon, dass die Verbundquote in dem gleichen Maße abgesenkt wird, wie die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen heruntergefahren werden. Hierfür haben wir noch keine Alternative.

(Minister Herr Bullerjahn: Das ist reinweg falsch!)

- Sicherlich, bei Ihnen ist das alles reinweg falsch. Wir werden uns sicherlich im Ausschuss darüber unterhalten können. Ich denke schon, dass das Landesverfassungsgericht von Sachsen-Anhalt, was die Frage des Ersten Funktionalreformgesetzes betraf, durchaus Recht hatte, indem es sagte: Bitte schön, benennt einmal konkret die Aufgabenbestände und die Kosten, die damit zusammenhängen.

Es ist zwar schön zu hören, dass wir mittlerweile eine Kommission haben, die offensichtlich tatsächlich zu Schwerpunkten kommt. Das Problem ist aber, dass wir derzeit elf Landkreise in eine Situation gebracht haben, in der sie nicht mehr handlungsfähig sind. Die Schwierigkeit wird sein, dass wir das Problem zwar jetzt mit einer höheren Kreisumlage verschieben, aber es nicht lösen.

Ich habe das Gefühl, dass wir mit der gesetzlichen Regelung so kurzfristig kommen, dass eine nennenswerte Entlastungen und eine gewissenhafte Abwägung der Sachargumente in den Ausschüssen nicht mehr vonstatten gehen kann. Es wird wieder so eine Hauruck-Aktion. Das heißt, im September einbringen, im Oktober beraten und im November mit dem Doppelhaushalt durchziehen. Das funktioniert an dieser Stelle nicht.

Ich möchte davor warnen, dass wir zu Schnellschüssen kommen, die wir und auch die nächste Landesregierung nicht in die Reihe bekommen können, wenn wir jetzt nicht unsere Hausaufgaben machen und konkret an dieser Stelle gemeinsam mit den Spitzenverbänden dafür sorgen, dass es eine verlässliche Finanzierungsgrundlage gibt. Auch wenn der Weg ein bisschen steinig ist, müssen wir ihn gehen. Darum kommen wir nicht herum. Das ist unsere Auffassung.

Insofern unterstützen wir den Antrag der FDP ausdrücklich und sind gerne bereit, unsere Vorstellungen auch im Zusammenhang mit den künftigen Gemeindestrukturreformen und Landkreisreform, die am 1. Juli vorigen Jahres abgelaufen ist, einzubringen, um an dieser Stelle eine Verlässlichkeit in der kommunalen Familie zu erreichen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Nun spricht Frau Schindler für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf den Eingang der FDP-Fraktion zurück. Ausgangspunkt der Diskussion um das FAG auch in Sachsen-Anhalt war das Verfassungsgerichtsurteil in Thüringen. In Thüringen wurde natürlich hauptsächlich darauf hingewirkt, dass gesagt wird, die Aufgaben der Kommunen müssen vom Land entsprechend auskömmlich mitfinanziert werden.

Die Auswirkungen des Finanzausgleichsgesetzes auf die Kommunen sind sehr vehement. Sie, Frau Dr. Hüskens, haben aber auch schon ausgeführt, dass unser Finanzausgleichsgesetz ähnliche Strukturen aufweist wie das in Thüringen und wir diesbezüglich auch in Sachsen-Anhalt Handlungsbedarf sehen.

Dem haben sich die Landesregierung und auch der Landtag nie verschlossen. In vielen Debatten haben wir bereits darüber diskutiert, dass dieses notwendig ist, und Handlungsbedarf aufgezeigt. Auch die Koalitionsfraktionen haben diesem Handlungsbedarf zugestimmt.

Dass angesichts der Struktur des Finanzausgleichsgesetzes diese Debatten natürlich nicht einfach sind, wissen alle, die sich mit dem Finanzausgleichsgesetz befassen. Von der Struktur des Finanzausgleichsgesetzes - durch die Spitzenverbände ist einmal gut aufgegliedert worden, wie sich das mit verschiedenen Hebesätzen von der Gesamtverteilungsmasse auf die einzelnen Verteilungsmassen herunterbricht - wissen wir, dass es nicht genügt, nur an einem einzelnen kleinen Rädchen zu drehen. Vielmehr müssen hierbei viele kleine Zahnräder zusammengefasst werden, ein gesamtes Getriebe muss entstehen und damit muss auch sehr vorsichtig umgegangen werden, damit sich nicht zum Schluss ein ganz anderes Rad dreht als das, was wir uns vorgestellt haben.

Der Minister hat auch darauf hingewiesen, dass natürlich die Neuausrichtung des kommunalen Finanzausgleichsgesetzes prioritäre Aufgabe im Innenministerium ist und man sich dieser nicht verschließt. Auch Sie haben schon aus dem existierenden Beschluss zitiert, der zusammen mit dem Haushaltsbeschluss gefasst worden ist und der auch Inhalt unseres Änderungsantrages ist, auf den mein Kollege noch nicht eingegangen ist und auf den ich verweisen möchte.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen berücksichtigt diesen Beschluss und weist nochmals darauf hin. Sie haben daraus zitiert und eigentlich fasst er auch dieses schon zusammen, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen. Deshalb wollen wir auf diesen Beschluss verweisen und nicht Ihren Antrag übernehmen.

In einem zweiten Punkt sprechen Sie an, dass Sie einen Katalog der kommunalen Aufgaben wünschen und dass Sie vor allen Dingen - das ist der Punkt, an dem ich das kritisch sehe - den Stellenbedarf bemessen und bewerten wollen. Das ist die eigentlich schwierige Aufgabe, an der sich auch viele vor uns bemüht haben; vielleicht können wir darauf zurückgreifen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, die an dieser Stelle sehr

gute Arbeit leistet. Aber auch hierbei gibt es ganz unterschiedliche Bewertungskriterien für eine Stellenbewertung in der Kommunalverwaltung. Der Minister hat erwähnt, dass es auch damit zusammenhängt, in welcher Qualität wir Aufgaben vor Ort erfüllt haben wollen und wie Gemeinden dieses auch selbst definieren.

Wichtig ist, dass das kommunale Finanzausgleichsgesetz eine breite Basis findet und dass es vor allen Dingen die Möglichkeit der Einigung darüber gibt. Denn wir möchten nicht, dass der Prozess so verläuft wie in Thüringen, wo dieser Prozess geführt worden ist, wo ein neues Finanzausgleichsgesetz beschlossen worden ist, dieses jedoch schon wieder beklagt wird. Es ist zwar demokratisches Handeln, aber es sollte nicht unser Anspruch sein. Vielmehr wollen wir, wie es auch mein Vorredner gesagt hat, dass es einen breiten Konsens zu dem Finanzausgleichsgesetz gibt.

Wir sind deshalb der Auffassung, dass die Finanzstrukturkommission diese Aufgabe auch erfüllt, dass dieser breite Konsens erreicht wird und dass vor allen Dingen die Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden intensiv geführt wird; denn sie sind die Partner, die an dieser Stelle mit uns zusammenarbeiten. Deshalb soll die Finanzstrukturkommission an dieser Aufgabe intensiv weiter arbeiten. Im Innen- und im Finanzausschuss soll fortlaufend darüber berichtet werden. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Möchten Sie eine Frage von Herrn Grünert beantworten?

Herr Grünert, bitte, fragen Sie.

Frau Schindler, ich habe noch eine Frage. Derzeit gibt es ja die achte Novelle zur Gemeindefinanzreform des Bundestages, mit der versucht wird, die Anteile der Gemeinden am Aufkommen der Umsatzsteuer neu zu strukturieren. Das führt aus unserer Sicht nach dem derzeitigen Stand zu einer massiven Kürzung auch in den neuen Bundesländern.

Sind diese Ergebnisse oder zumindest diese Möglichkeit bereits Gegenstand der Behandlung in der Finanzstrukturkommission oder wird dies in einem zweiten Schritt erfolgen müssen, um im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens des Bundes diese Fragen abzuwägen?

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, da ich nicht Mitglied der Finanzstrukturkommission bin. Diese Frage müsste der Minister beantworten.

Vielen Dank, Frau Schindler. - Zum Schluss der Debatte noch einmal Frau Dr. Hüskens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar Bemerkungen zum Schluss. - Herr Minister, wenn ich polemisch werde, klingt das anders als die Rede, die ich hier gehalten habe. Ich glaube, dass ich die Situation der Kreise und Kommunen hier im Land durchaus zutreffend wiedergegeben habe, wenn ich gesagt habe, dass es vor allen Dingen bei den Kreisen, aber auch bei der Mehrzahl der Kommunen schwierig ist. Ich denke, da kann man kaum etwas anderes behaupten.

Man kann aber auch nicht ernsthaft behaupten, wie Sie es versucht haben zu sagen, dass Sie wirklich schnell vorangegangen sind. Dieser Gesetzentwurf, wenn wir ihn denn irgendwann einmal bekommen, wird garantiert kein Paradebeispiel für eine zügige Arbeit der Landesverwaltung sein. Wir hoffen, dass sie dann wenigstens umso gründlicher gewesen sein wird. Aber ich konnte mich auch heute nicht des Eindrucks erwehren, dass vieles lange liegen geblieben ist und man gedacht hat: Wir warten erst einmal ab, bis die Kollegen in Thüringen entsprechende Erfahrungen gewonnen haben, und dann schauen wir mal.

Ich hoffe, dass der Umstand, dass Sie Erfahrungen aus Thüringen übernommen haben, wenigstens dazu führt, dass es in Sachsen-Anhalt ein bisschen schneller geht, als es in Thüringen gegangen ist. Ganz sicher bin ich mir nicht.

Denn auf einen Punkt muss man hinweisen: Die Datenerhebung, so schwer das im Bereich der Stellenbemessung auch sein wird, ist immer die einfachere Aufgabe. Wenn ich mir dann noch überlege, wie wir es bewerten, wenn wir den kreisfreien Städten Aufgaben zumessen, und wir bei den Kommunen tatsächlich unterschiedliche Größenklassen haben und es fraglich ist, ob wir ihnen allen die gleiche Aufgabe geben können, und zum Schluss das Schönste aller politischen Spiele passiert, nämlich dass wir feststellen, dass in unserem Wahlkreis eine Kommune weniger bekommt, als sie vorher hatte, dann, glaube ich, sind wir beim einfacheren Teil der Aufgabe und das, was wirklich schwierig ist, steht noch vor uns.

Wenn man dann überlegt, dass bis zu den nächsten Wahlen noch zweieinhalb Jahre Zeit ist, dann würde ich heute prognostizieren, dass wir eine Änderung des FAG in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich nicht mehr erleben werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Damit ist die Debatte beendet und wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 5/1295 ab. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Das sind die Antragsteller. Wer stimmt dagegen? - Die FDP-Fraktion. Stimmenthaltungen? - DIE LINKE. Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen worden.

Wir stimmen über den so geänderten Antrag ab. Wer stimmt diesem zu? - Die Koalitionsfraktionen und die FDP. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - DIE LINKE. Damit ist der Antrag in der geänderten Fassung angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 22 ist beendet.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 23 aufrufe, gebe ich unserem Kollegen Krause die Gelegenheit, eine Erklärung außerhalb der Tagesordnung abzugeben. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die auch Gegenstand einer Debatte sein könnte, nämlich die Lage der Milchbauern im Lande. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrten Damen und Herren! Darum habe ich mich auch zu Wort gemeldet. Wem sage ich es: In allen Medien stehen zurzeit Informationen, Berichterstattungen über die Streikfront der Milchbauern mit an erster Stelle.

Die Aktionen dauern nunmehr schon drei Tage an. Immer mehr Milchbauern schließen sich der Initiative, die vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter initiiert wurde, an. Man spricht davon - das ist heute auch in den Nachrichten zu hören -, dass sich weit über 50 % der Milchbauern bundesweit hieran beteiligen.

In der Altmark, wo deutlich mehr als 50 % des Milchkuhbestandes steht, im Nordharz, im Wittenberger Raum oder in anderen Regionen solidarisieren sich jetzt auch die Milchbauern der Kreisbauernverbände mit dem Verband Deutscher Milchviehhalter.

Es ist verständlich, meine Damen und Herren - Gespräche am heutigen Tag haben das deutlich gemacht -, dass nicht nur ich, sondern auch Sie dabei ein wenig gemischte Gefühle haben. Denn das Druckmittel der Bauern gegenüber der Milchwirtschaft, vor allem gegenüber dem Handel, das ist die Milch, mehr noch: die Vernichtung der Milch, eines wertvollen Lebensmittels. Es ist angekündigt worden, dass der Streik oder die Initiativen weiter andauern sollen, bis ein Ziel erreicht wird.

Meine Damen und Herren! Es ist für die Milchbauern nicht hinnehmbar. Es sollte auch - darin sind wir uns, hoffe ich, einig - für uns Landespolitiker nicht hinnehmbar sein, dass die Milchbauern, die in den zurückliegenden Jahren auch dank der großzügigen Förderpolitik des Landes viel in moderne, nachhaltige, umwelt- und tierartgerechte Technologien investiert haben und heute mit geringstem Arbeitskräfteaufwand eine Milch mit bester Qualität produzieren, mit dem Markenzeichen des BQM auf der Grünen Woche ausgezeichnet werden, jetzt von der Milchindustrie, vor allem unter dem Druck der großen Handelskonzerne, mit einem Milchpreis abgefrühstückt werden - ich sage richtig: abgefrühstückt werden -, der nicht einmal zwei Drittel der realen Produktionskosten deckt, und dadurch in existenzielle Not geraten, wodurch auch der Berufsstand der Milchproduzenten gefährdet wird.

Ich möchte Sie bitten - darum auch meine Erklärung -, auch im Zeichen des Wochenendes - Sie wissen alle: Der 1. Juni ist nicht nur der Internationale Tag des Kindes, sondern auch der Tag der Milch; darum wurde sicherlich die Aktion auch im Vorfeld dieses Wochenendes geplant und durchgeführt -: Nutzen Sie die Gelegenheit an diesem Wochenende und stellen Sie sich an die Seite unserer Milchproduzenten! Verstärken Sie durch Ihr Dabeisein den öffentlichen Druck vor allem auf die großen Handelskonzerne, um mitzuhelfen, dass diese Aktionen von Erfolg gekrönt werden, und auch dazu beizutragen - wir hatten heute das Thema Kinder und Familie -, dass in Sachsen-Anhalt und anderswo nicht nur von Kindern Milch mit dem Markenzeichen „Made in

Sachsen-Anhalt“ getrunken wird. - Ich möchte mich für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Verständnis bedanken.

(Beifall bei der LINKEN)

Das war eine Erklärung außerhalb der Tagesordnung. Wir treten wieder in die Tagesordnung ein.