Ich halte es für wichtig klarzumachen, welche Folgen der doppelte Abiturjahrgang für die Hochschulen tatsächlich haben wird. Dazu gehört erstens, dass wir nicht mehr, wie es der FDP-Antrag übrigens annimmt, 10 000 Abiturienten pro Schuljahrgang haben - das waren etwas ältere Unterlagen, die hier hinzugezogen wurden -, sondern deutlich weniger. Wir rechnen im kommenden Jahr mit insgesamt 16 500 Abiturienten, also mit etwas mehr als 7 500 zusätzlichen Abgängern.
Das bedeutet nicht, dass im nächsten Jahr 7 500 Abiturienten mehr als in diesem Jahr an unsere Hochschulen strömen. Es sind zunächst einmal so viele Abiturienten zusätzlich im System. Wie viele davon ein Studium aufnehmen, können wir nur prognostizieren, indem wir uns Zeitreihen der vergangenen Jahre angucken. In den letzten vier Jahren hat immerhin rund ein Drittel der Absolventen unmittelbar nach dem Abitur kein Studium aufgenommen.
Legt man diese Daten zugrunde, so würden in unserem Fall etwa 5 000 Abiturienten tatsächlich studieren. Ich rechne hierbei ganz bewusst einen Puffer ein, denn Herr Kley hat Recht: Die Studierneigung nimmt zu und sie könnte auch im nächsten Jahr noch zunehmen. Deswegen rechnen wir nicht mit ganz spitzer Feder.
Die genannte Zeitreihe ist auch deshalb wichtig, weil bei Weitem nicht alle, die ein Studium aufnehmen, dies im Anschluss an das Abitur tun. Die bekanntesten Gründe für eine verzögerte Studienaufnahme - das wissen Sie alle - sind der Wehrdienst, der Zivildienst, das soziale Jahr, ein Auslandsaufenthalt oder andere Aktivitäten - „entlüften“, wie die jungen Leute sagen - oder eine berufliche Ausbildung vor dem Studium.
Allerdings stieg der Anteil der Sofortstudierer in den letzten Jahren von weniger als der Hälfte deutlich an. Wenn wir also hierbei auch einen Puffer veranschlagen, kommen wir auf eine Größenordnung von etwa 3 000 zusätzlichen Studienanfängern im Jahr 2007.
Wie schwer kalkulierbar der Zusammenhang zwischen der Zahl der Abiturienten in einem Jahr und der Anzahl der Studienanfänger ist, haben wir schon einmal erfahren, wenn auch unter umgekehrtem Vorzeichen. Sie erinnern sich, dass ausgerechnet in dem Jahr, als es wegen der Einführung des 13. Schuljahres kaum Abitura gab, die Hochschulen Rekordstudentenzahlen registriert haben. Man sieht daran, dass es ein äußerst dynamisches und flexibles System ist, das sich mit beträchtlichen Kräften auch selber steuert. Trotzdem will ich das Problem nicht bagatellisieren. Ich komme gleich noch darauf zurück.
Einige Studenten werden übrigens auch in andere Länder abwandern, was so lange nichts Schlechtes ist, wie auch aus anderen Ländern welche zu uns kommen. Da die anderen Länder im Jahr 2007 keinen Doppeljahrgang haben, kann es also keinen zusätzlichen Saldo geben. Deswegen rechne ich insgesamt mit 1 500 bis 2 000 zusätzlichen Studienbewerbern. Ich glaube, das ist eine realistische Zahl, die bewusst mit Puffern versehen und etwas höher angesetzt wurde. Dies haben wir vorsorglich getan; denn ich denke, wir haben hier ein Problem, das uns vor eine beträchtliche Verantwortung stellt.
Ein weiterer Punkt. Bei allem, was wir tun, um einer vorübergehend höheren Nachfrage gerecht zu werden, müssen wir auch immer die langfristig zu erwartende Entwicklung beachten. Es ist darauf eingegangen worden, dass die Studentenzahlen ab dem Jahr 2010 anders aussehen werden. Aber auch da sind unsere Prognosen nicht sicher genug, um jetzt die Lage sozusagen schön zu rechnen.
Wo sich ein nachgewiesener Mehrbedarf durch Kapazitätssteuerung in den Hochschulen nicht decken lässt, soll in der Tat punktuell Hilfe geleistet werden, um vorübergehend besondere Ressourcen bereitzustellen. Das wird übrigens auch deswegen punktuell erfolgen, weil nicht alle Hochschulen und alle Fächer gleichermaßen betroffen sein werden. Auch darüber werde ich vor dem Sommer mit den Hochschulrektoren noch eingehend beraten.
Darum sprechen wir auch nicht nur über extensiv wirkende Maßnahmen, sondern über eine intensivere Ressourcennutzung, vor allem über die Frage - das ist nun sehr wichtig - der Auslastung der vorhandenen Kapazitäten. Denn so leidenschaftlich und gerechtfertigt Herrn Kleys Plädoyer für die Ingenieurausbildung ist, so wenig ausgelastet sind gerade diese Studiengänge.
Wir haben beträchtliche Auslastungsdefizite. Wenn wir sie komplett mit Studierenden belegen könnten, müssten wir das Problem nicht mehr dramatisch ernst nehmen. Vielmehr würde es ausreichen, punktuell hier und dort durch Lehraufträge oder durch eine intensivierte Studienberatung hin zu diesen nicht ausgelasteten - zu gut Deutsch nicht besetzten - Studienplätzen und sicherlich auch durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Lehraufträge oder die Aufhebung von Wiederbesetzungssperren einzugreifen.
Das ist auch ein wichtiger Vorschlag: Man finanziert die Pufferzeit, die die Hochschulen sich selber geben, indem sie eine Stelle nicht sofort besetzen, sondern ein halbes Jahr Wartezeit vereinbaren. Das war schon zu meiner Zeit an der Martin-Luther-Universität ein beliebtes Verfahren, um ein bisschen Geld zu reservieren, zumal der Vorgang durch Ausschreibungsprozeduren meistens ohnehin ein bisschen dauert. Aber das könnte man immer dort, wo eine erhöhte Nachfrage in einem Zusammenhang mit dem Doppelabiturjahrgang zu bringen ist, beschleunigen.
Dieser Zusammenhang besteht nicht immer zwingend, weil sich inzwischen nahezu alle Fächer aus Qualitätsgründen einen Numerus Clausus auferlegt haben, um sozusagen steuernd die Angebotsstrukturen mit der Nachfrage in Korrespondenz zu bringen, um nicht Hörsäle zu haben, in denen man nicht sinnvoll arbeiten kann, und damit dann den Ruf der Universität aufs Spiel zu setzen.
Vor einem oder zwei Jahren haben dies übrigens die Nachbarländer gemacht, vor allem Niedersachsen, was bei uns zu einer enormen Studiennachfrage geführt hat, weil in Sachsen-Anhalt damals solche NumerusClausus-Regelungen in vielen Fächern noch gar nicht galten. Das ist aber unvermeidlich und das ist letztlich mit dem Hochschulauswahlprinzip bzw. mit dem Studentenauswahlprinzip der Hochschulen stärker denn je an Leistungen und Engagement gebunden. Auch das läutert das System. Aber es kann immer passieren, dass Studierende auch aus Gründen abgewiesen werden, die nicht mit dem doppelten Abiturjahrgang zusammenhängen.
Kurzum - das ist der wichtigste Satz -: Die Schulzeitverkürzung im Land soll nicht dazu führen, dass wegen der teilweise begrenzt vorhandenen Kapazitäten die vorhandenen und notwendigen Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen zusätzlich verschärft werden. An dieser Stelle müssen wir eingreifen und uns etwas einfallen lassen.
Ebenso unerwünscht wären Verdrängungseffekte auf dem Ausbildungsmarkt für Sekundarschüler. Dies ist nicht ausschließlich ein quantitatives Problem; ich habe mich mit Herrn Haseloff darüber unterhalten. Durch den Geburteneinbruch in diesen Altersgruppen werden gar nicht so sehr viel mehr junge Auszubildende auf den Ausbildungsmarkt streben, aber unter Umständen werden es andere sein. Dann wird es einen qualitativen Verdrängungswettbewerb geben, der uns genauso kümmern muss; denn es ist ganz klar, wer dann keinen Ausbildungsplatz bekommt. Dieses Problem bleibt also auch bestehen.
Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, wären geeignete Vollzeit-Schulangebote. Hierüber sind wir miteinander im Gespräch.
Die Landesregierung weiß sich bezüglich des doppelten Abiturjahrgangs in der Pflicht und ist gern bereit, wie im Änderungsantrag gefordert, dem Landtag eine Bedarfbeschreibung und daraus abzuleitende Maßnahmen vorzustellen. - Vielen Dank
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Werter Kollege Kley, es ist schon beeindruckend, wie schnell Sie in die Oppositionsrolle geschlüpft sind und mit welchen Rundumschlägen Sie Probleme benennen, von denen Sie die Hälfte in den letzten vier Jahren hätten lösen können.
Ich denke nur an die letzte Landtagssitzung. Dort haben Sie nämlich gefordert, die Schule solle im Dorf bleiben. Dabei kann ich Ihnen nur zustimmen. Aber wenn ich mich recht erinnere, waren Sie zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Vorgaben zur jetzt gültigen mittelfristigen Schulentwicklungsplanung Mitglied im Kabinett und hätten etwas tun können.
Heute fordern Sie Maßnahmen zur Sicherung der Zukunftschancen für den doppelten Abiturjahrgang - das ist auch in Ordnung -, und das, Herr Kley, obwohl diese Forderung bereits Gegenstand unseres Bildungspapiers im April 2005 war und wir genau das auf einer Pressekonferenz im Dezember 2005 noch einmal einforderten. Aber damals haben Sie, anstatt uns zu unterstützen, dies überhaupt nicht wahrgenommen. Es kamen weder zustimmende noch kritische Töne aus Ihrer Fraktion; es kam nichts.
Es ist natürlich erfreulich, dass sich die FDP jetzt dazu bekennt, dass an dieser Stelle dringend etwas zu tun ist und dass ohne gezielte Maßnahmen der Landesregierung tatsächlich Gefahr besteht, dass eine Vielzahl einheimischer junger Leute das Land verlässt und auch die Absolventen der Sekundarschulen vom Ausbildungsmarkt verdrängt werden könnten.
Dennoch bin ich auf Ihre weiteren Anträge gespannt, lieber Kollege Kley. Denn spätestens dann, wenn Sie die Einführung der AOS fordern, würde ich mir ernsthaft Sorgen machen.
Meine Damen und Herren! Im Jahr 2007 werden ca. 8 000 Schüler mehr als im Jahr 2006 ihr Abitur ablegen. Insgesamt verlassen über 16 000 Schüler die Gymnasien bzw. die allgemeinbildenden Schulen. Ca. 40 % eines Altersjahrgangs, so ein statistischer Erfahrungswert, streben bereits im gleichen Jahr ein Studium an. Hinzu kommen Studienbewerber aus den Vorjahren und Studienbewerber aus anderen Bundesländern. Dies ist bereits genannt worden. Selbst wenn ein bestimmter Prozentsatz bewusst ein auswärtiges Studium anstrebt, wofür ich mich mitunter auch ausspreche, verbleibt im Wintersemester 2007/2008, aber auch im Wintersemester 2008/2009 eine Studienbewerberzahl, für die die derzeit zur Verfügung stehen Studienplätze bei Weitem nicht ausreichen, und das - es wurde bereits gesagt - vor dem Hintergrund einer zunehmenden Studierfreude.
Zum Vergleich: Im Wintersemester 2005/2006 wurden an unseren Hochschulen ca. 8 000 Studierende immatrikuliert. Im Wintersemester 2004/2005 waren es noch über 10 000. Mittlerweile ist eine Vielzahl der Studiengänge - der Minister hat es genannt - mit Zulassungsbeschränkungen versehen. Dies ist vor allem auch eine Folge der Kapazitätsrückführung im Rahmen der Hochschulstrukturreform der Vorgängerregierung.
Unsere Hochschulen sind auf den beschriebenen Ansturm nicht ausreichend vorbereitet. Ich teile auch nicht die Auffassung des Ministers, dass man dies eventuell mit punktuellen Maßnahmen lösen könnte. Genau diese Problematik müssen wir debattieren.
Ich denke, dass es zu einer Verschärfung der Zulassungsbeschränkungen bzw. zu einer erhöhten Abwanderung junger Leute kommen kann. Das können wir uns nicht leisten.
Über die Sekundarschüler und deren Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben wir uns bereits verständigt. Wir wollen eben nicht, dass es diese Verdrängungsprozesse gibt; wir wollen sie zumindest im Rahmen halten.
Genau deshalb, lieber Kollege Kley, haben wir uns bereits im Koalitionsvertrag mit der CDU darauf verständigt, geeignete Maßnahmen an unseren Hochschulen zu ergreifen und diese finanziell abzusichern, damit sie in den entsprechenden Zeiträumen vorübergehend eine größere Anzahl von Studienanfängern bewältigen können. Wir wollen zudem Maßnahmen ergreifen, damit die Verdrängungseffekte auf dem Ausbildungsmarkt vermieden werden können. Ich bin auf die Diskussion im Ausschuss gespannt, inwieweit man an dieser Stelle einen Eingriff in die Wirtschaft vornehmen sollte.
Das Konzept, welches wir von der Landesregierung fordern, soll in den Ausschüssen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, für Wirtschaft und Arbeit sowie für Soziales die Grundlage der entsprechenden Beratung werden. Denn die Schülerinnen und Schüler der gegenwärtigen 11. und 12. Klassen brauchen ein klares und deutliches Signal dahin gehend, dass die Politik hilft, solche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie, sofern sie es wollen, an unseren Hochschulen studieren können bzw. dass die Schülerinnen und Schüler, die die Sekundarschule verlassen, eben nicht von denen verdrängt werden, die nicht studieren wollen.
Meine Damen und Herren, dieses Zeichen muss von diesem Landtag ausgehen. Ich glaube, durch die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag kann man der Landesregierung genau diesen Auftrag erteilen und dann die Debatten in den entsprechenden Ausschüssen führen.
Einen Halbsatz zum Antrag der PDS: Ich persönlich denke, dass unser Änderungsantrag der weiter gehende ist und das, was die PDS fordert, eigentlich darin aufgeht.
Danke sehr, Frau Abgeordnete Mittendorf. - Für die Linkspartei.PDS spricht der Abgeordnete Herr Höhn. Zuvor haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler der Landesschule Pforta aus Schulpforte begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Mein sehr verehrten Damen und Herren! Erste Vorbemerkung: Frau Mittendorf, im Hinblick auf Ihre Äußerung zur AOS in die Richtung der FDP würde ich mich freuen, wenn Sie einmal Ihr eigenes Konzept einbringen würden. Ich muss dabei nicht auf die FDP warten.
(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Frau Mittendorf, SPD: Lesen Sie den Koalitionsvertrag! - Oh! bei der FDP)
Erst einmal zu den Kollegen der FDP. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss sagen: Großes Kino, was Sie hier bieten.
Insofern kann ich mich den Vorbemerkungen, aber nur den Vorbemerkungen, des Ministers vollständig anschließen.