Protocol of the Session on April 17, 2008

Drittens. Wir wollen, dass die Kontrolltätigkeit insgesamt neu geordnet wird. Das in Sachsen-Anhalt gegenwärtig praktizierte Regime entspricht weder hinsichtlich der Kontrolldichte noch hinsichtlich der inhaltlichen Vorgaben und schon gar nicht hinsichtlich der Analyse der Daten den aktuellen Erfordernissen. Auch das haben wir recht deutlich und mehrfach in dieser Runde gehört. Einfach nur auf das nicht verbindliche Laga-Informationsblatt M 20 zu verweisen, reicht eben nicht.

Dass es anders geht, zeigen viele Beispiele in anderen Bundesländern. Das praktikabelste Beispiel habe ich in Bayern gefunden. Dort gibt es einen sehr umfänglichen Leitfaden. Er ist sehr übersichtlich, eindeutig und handhabbar für Behörden, Bürger und Unternehmen. Ich werde darauf später noch einmal zurückkommen.

Viertens wollen wir erreichen, dass eine öffentliche Einsichtnahme in die Betriebspläne und Kontrollergebnisse gewährt wird. Das verstößt nicht gegen den Schutz irgendwelcher Firmendaten, Unternehmenserlöse bzw. -gewinne; denn solche Daten spielen dabei überhaupt keine Rolle. Auch diesbezüglich hat Bayern in dem bereits erwähnten Leitfaden durchaus nutzbare Festlegungen getroffen. Das beginnt mit der eindeutigen Ausschilderung der Gruben und Anlagen, also der Angabe, welche Verfüllstoffe konkret eingebracht werden dürfen. Das ist - Kollege Stadelmann, das werden Sie bestimmt bestätigen können - in Vehlitz nach wie vor nicht der Fall.

Eigentlich muss es auch eine Internetseite im Landesinformationssystem zu den Kontrollergebnissen in den jeweiligen Anlagen geben. Dadurch würde die öffentliche Aufmerksamkeit erhöht, vor Ort eine sachgerechte Diskussion ermöglicht und auch den Bürgern viel Angst genommen.

Fünftens wollen wir einen besseren und nachvollziehbaren Nachweis der Abfallströme oder - allgemeinverständlich ausgedrückt - der Mülltransporte in und aus den Anlagen und Gruben. Auch an dieser Stelle möchte ich auf die Bayern verweisen. Dort wird in allen Anlagen - egal welcher Zuordnung - ein sehr detaillierter Nachweis geführt. Übrigens sind die dortigen Unternehmen zur Beauftragung und Finanzierung der Kontrolluntersuchungen durch ein zertifiziertes Fremdunternehmen verpflichtet. Das hat mindestens zweimal jährlich zu geschehen.

Bei einer Überschreitung von Werten ist der Unternehmer veranlasst, das innerhalb von 24 Stunden der unteren Abfallbehörde zu melden und eine Nachuntersuchung durchführen zu lassen. Das hat für die öffentliche Hand den Nebeneffekt, dass eine konkrete Melde

pflicht bei Überschreitungen besteht und dass keine Kostenpflichtigkeit bei den Behörden anfällt, was die ersten Untersuchungen betrifft.

Die im Land Sachsen-Anhalt geltenden Betriebsgenehmigungen sind noch immer nicht so angepasst worden, wie es erforderlich wäre. Auch das haben wir heute gehört. Es ist ein sehr langwieriges Anhörungsverfahren erforderlich. Im Bergamtsbereich sind alle Betriebsgenehmigungen auf die Rechtslage im Jahr 1997 zurückzuführen. Nur im Bereich des Umweltministeriums, was Abfall angeht, ist die Rechtslage zumindest auf den Stand vom 4. November 2004 umgestellt worden. Im Wirtschaftsministerium hat man anscheinend den 14. April 2005, also das schon zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nicht wahrgenommen oder wollte es vielleicht auch nicht wahrnehmen.

Die Kollegin Hunger hat bereits aus der Zeitung „Die Zeit“ zitiert. Aber noch einmal zur Erinnerung:

„Im Wirtschaftsministerium, sagt ein Insider aus der Landesregierung, gebe es eine natürliche Tendenz, die heimische Wirtschaft zu schützen.“

Der Autor führt weiter aus - das ist durchaus bemerkenswert -:

„Nicht der Grubenbesitzer in Vehlitz, sondern die Landesregierung hätte demnach die rechtswidrigen Zustände auf der Müllhalde zu verantworten.“

Pikanterweise muss man feststellen: Das sah das Verwaltungsgericht Magdeburg genauso; es konnte auch gar nicht anders. Im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland hat das Land Sachsen-Anhalt bis heute noch keine klare Verwaltungsvorschrift zur Umsetzung der Laga M 20 und des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in allen Bereichen, die ich am Anfang angesprochen habe.

(Herr Gürth, CDU: Das ist falsch!)

Dafür konnte sich das Land Sachsen-Anhalt mit dem Ersten Investitionserleichterungsgesetz ab 2002 wieder Müllimporteur nennen. Dadurch wurde es möglich, dass wir durch die Medien den ehrenwerten Beinamen „Müllkippe Deutschlands“ erhalten haben.

(Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

Deshalb wollen wir auch eine sofortige Anpassung der Verwaltungsrechtslage in Sachsen-Anhalt, die sofortige Änderung aller Betriebsläger auf der Basis der neuen Verwaltungsrechtslage und dann den sofortigen Vollzug erreichen.

Des Weiteren wollen wir, dass die Landesregierung dem Landtag bis zum 30. Juni 2008 ein umfassendes Konzept zu den Anforderungen an die stoffliche Verwertung und Verbringung von Abfällen vorlegt. Es ist uns relativ wenig damit gedient - wie es die Koalition fordert -, wenn wir dazu ein Untersuchungsergebnis erhalten; vielmehr brauchen wir ein Konzept zur Umsetzung und nicht einen Untersuchungsbericht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dieses Konzept sollte alle Anlagen - Gruben, Brüche, Tagebaue - einbeziehen, die stoffliche Verwertung betreiben, die für bestimmte Zeiträume oder dauerhaft einlagern oder verfüllt werden. Dieses Konzept muss aber auch alle betroffenen Ebenen einbeziehen, von der Lan

desregierung über das Landesverwaltungsamt bzw. Behörden, die Landkreise bzw. kreisfreien Städte bis hin zu den Unternehmen.

Dieses Konzept muss in klare rechtsverbindliche Vorgaben münden und bedarf einer finanziellen Untersetzung. Es reicht meines Erachtens nicht aus, eine Rundverfügung, wie am 7. April 2006 geschehen, für den Bereich Abfall in Umlauf zu bringen und damit den Vollzug der Kontrollen und die Umsetzung den Landkreisen aufzuhalsen, ohne dass man überhaupt geprüft hat, wie leistungsfähig die unteren Behörden sind. Gute fachliche Praxis sieht da anders aus.

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Die Situation in den Landkreisen ist so, dass die Kontrollaufträge, die mit einer zweimal jährlichen Durchführung noch einmal verschärft worden sind, zwar erfüllt werden. Aber das, was dort an Kontrolltätigkeit passiert, ist nichts weiter, als dass man versucht, visuelle Kontrollen durchzuführen und stichprobenartig die Lieferscheine anzuschauen. Zu mehr sind die unteren Abfall- und Bodenschutzbehörden gegenwärtig nicht in der Lage. An dieser Stelle wird ein großes Dilemma deutlich; das hat der Kollege Graner bereits angesprochen. Insoweit bedarf es einer erheblichen Änderung.

Wenn man zu den Bürgern in Möckern und Vehlitz geht, wie wir es am Dienstag getan haben, dann wird deutlich, dass das, was gegenwärtig geschieht, nicht ausreicht, um die Situation vor Ort wirklich zu verändern. Nach wie vor haben wir es nicht nur in der Grube in Vehlitz - das wurde hier bereits mehrfach angeführt -, sondern auch bei der angeblich bereits geschlossenen Tongrube in Möckern mit einer Situation zu tun, die wenig befriedigend ist.

Die Tongrube Möckern - wer sich das einmal angeschaut hat, weiß dies - ist alles andere als eine Tongrube, die geschlossen ist und einen Anschein von Rekultivierung hat. Dort finden gegenwärtig aktive Bodenbewegungen statt. Die Grube sieht aus, als würde sie aktiv betrieben. Nebenan befindet sich eine Tongrube, die noch geöffnet ist. Dort findet sich ein schöner kleiner See, der augenscheinlich das Wasser aus der mit Klärschlamm belasteten Tongrube Möckern mit aufnimmt. Wie die Situation dort ist, kann sich, glaube ich, jeder vorstellen. Das, was dort stinkt, ist eben nicht ungefährlich, wie es immer wieder behauptet wird. Herr Gürth, das ist ungesetzlich und gehört in Ordnung gebracht.

Ich werbe deshalb noch einmal vehement für unseren Antrag; denn es ist nach wie vor nicht auszuschließen, dass weitere Unternehmen in eine solche Praxis eingebunden sind. Es muss in dieser Sache umfassend für Aufklärung gesorgt werden. Ich kann Sie nur bitten - dies ist auch im Interesse vieler betroffener Bürger -, diesem Antrag zuzustimmen. Ich fordere die Landesregierung auf, für eine umfassende Aufklärung auch gegenüber der Öffentlichkeit zu sorgen und die Berichterstattung im Umweltausschuss am nächsten Mittwoch ernst zu nehmen, um nicht noch weitere parlamentarische Aktivitäten auszulösen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für die Einbringung, Herr Lüderitz. - Bevor ich jetzt Herrn Dr. Haseloff für die Landesregierung das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler des

Luther-Melanchthon-Gymnasiums in Wittenberg auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Minister, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir am Anfang eine persönliche Bemerkung, bestehend aus zwei Aussagen.

Frau Hunger und Herr Lüderitz, ich bin jetzt seit zwei Jahren Wirtschaftsminister und habe genau sechsmal so lange in einem Institut für Umweltschutz gearbeitet. Wenn es darum geht, Umweltgesetze einzuhalten, und was die Prämisse für mein Handeln in meinem jetzigen Ressort betrifft, gilt bei mir eine absolute Nulltoleranz, was den Bruch von Umweltgesetzen bzw. entsprechenden Gesetzlichkeiten anbelangt.

Bei aller Affinität, die ein Wirtschaftsministerium zur Wirtschaft entwickeln muss, gibt es eine ganz klare Grenze. Ich glaube, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Grenze kennen und auch meine politischen Vorgaben in dieser Richtung ganz klar respektieren. Das wird auch bei der zukünftigen Handlungsweise unseres Ministeriums der Fall sein.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Zusammenfassend geht es in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE um den Vorwurf, die Landesregierung hätte im Zusammenhang mit dem Einlagern von Stoffen nicht gehandelt. Auch hätte die Landesregierung nicht dafür gesorgt, rechtssichere Vorschriften zu erhalten bzw. zu entwickeln. - Dies ist so nicht haltbar.

In Sachsen-Anhalt gibt es 75 Anlagen, die dem Bergrecht unterliegen und in denen bergbaufremde Stoffe zur Verfüllung eingesetzt werden. Dies geschieht auf der Grundlage des Bundesberggesetzes; denn die restlichen 126 schon genannten Anlagen unterliegen der Aufsicht der Landkreise.

Lange Zeit, bis zum so genannten Tongrubenurteil im Jahr 2005 war die Laga-Mitteilung M 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall vom Stand 1997 die Grundlage bei der Verwertung mineralischer Abfälle. Diese bestimmte die abfallspezifischen Anforderungen für den Schutz von Boden und Grundwasser. In dem Tongrubenurteil hat das Bundesverwaltungsgericht erstmals festgestellt, dass die eben genannte Laga keine ausreichende Rechtsgrundlage ist und das Bodenschutzrecht gilt.

Daraufhin haben die zuständigen Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaften im September 2005 das BMU aufgefordert, bundeseinheitlich rechtsverbindliche Anforderungen zu erlassen. Diese rechtlich notwendigen Regelungen kann nur der Bund erlassen. Es war klar, dass nur auf diesem Wege - durch den Bund - Rechtssicherheit zu erlangen ist. Der Bund hat bis heute keine derartige Regelung erlassen. Bis heute liegt lediglich ein Entwurf der notwendigen Verordnung vor. Damit ist frühestens Anfang 2009 zu rechnen.

(Herr Kosmehl, FDP: Wer regiert da eigentlich?)

Daher musste im Land dringlich eine Verfahrensweise für die Übergangszeit gefunden werden. Das MLU hat daraufhin durch einen Erlass im März 2006 Teile der von

dieser Länderarbeitsgemeinschaft überarbeiteten Laga M 20 für verbindlich erklärt. In Auswertung des Tongrubenurteils sowie in Abstimmung mit dem MLU erließ das LAGB im Januar 2007 eine Verfügung. Diese hat zum Inhalt, dass bei künftigen Genehmigungen nur noch Boden und Baggergut, also nur mineralische Stoffe, bei der Verfüllung eingesetzt werden dürfen. Darüber wurden im April 2007 sämtliche Unternehmen schriftlich informiert.

Bei einer systematischen Untersuchung hat das LAU auf Anforderung des LAGB im August 2007 eine Beprobung der Verfüllmaterialien in der Tongrube Vehlitz vorgenommen. Die Auswertung im Oktober 2007 hat gezeigt, dass die Probe nicht den Zulassungswerten der Genehmigung entsprach. Es wurden Überschreitungen einiger Zuordnungswerte sowie ein hoher organischer Anteil festgestellt.

Im Rahmen einer Anhörung im November 2007 hat das LAGB dem Unternehmer deshalb mitgeteilt, dass der organische Anteil in den Abfällen deutlich gesenkt werden müsse. Nach Abstimmungsgesprächen zwischen dem LAGB und dem LAU zu den Einwendungen des Unternehmens über die Laborergebnisse kam es im Januar 2008 zu einer weiteren Anhörung. Am 29. Februar 2008 gab der Unternehmer eine abschließende Stellungnahme ab.

Die Anhörung ist rechtsstaatlich zwingend vorgesehen, wenn eine Behörde einen belastenden Verwaltungsakt erlassen will. Hier wollte das LAGB die Einlagerung bestimmter Stoffe begrenzen.

Vor dem Hintergrund der Proben, die das ZDF vorgelegt hat, sind am 10. und 12. März 2008 Befahrungen des Tontagebaues Vehlitz und nochmalige Probenahmen erfolgt. Diese erbrachten nunmehr das Ergebnis eines sehr hohen Anteils organischer Bestandteile sowie deutliche bis mehrfache Grenzwertüberschreitungen. Dies entspricht in keiner Weise der Genehmigung und war damit illegal.

Mit Bescheid vom 11. März 2008 nahm das LAGB daraufhin die Genehmigung teilweise zurück. Einen Tag später hat das LAGB auch die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Damit sollte sichergestellt werden, dass ab sofort keine Einlagerung von organischem Material mehr erfolgt. Es sollte nicht bis zu einer Gerichtsentscheidung abgewartet werden. Dieser Zeitablauf zeigt, dass die Landesregierung nicht untätig war, sondern gehandelt hat.

Gegen die Entscheidung des LAGB hat der Unternehmer allerdings Rechtsmittel eingelegt. Am 9. April 2008 hat das Gericht entschieden und die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt. Der sofortige Einlagerungsstopp besteht daher nicht mehr. Ob gegen die Gerichtsentscheidung vorgegangen wird, wird zurzeit intensiv geprüft. Eine Entscheidung fällt in den nächsten Tagen.

Was soll deshalb weiter getan werden? - Zunächst werden die insgesamt 75 Zulassungsbescheide überprüft. Bereits Mitte März 2008 ist jeder Unternehmer angeschrieben worden und hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Mittlerweile sind Betriebspläne von zehn Betrieben auf das aktuelle Bodenschutzrecht umgestellt worden. Bei den anderen Unternehmen läuft die Anhörung im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Fristen noch.

Inzwischen sind neben der Tongrube Vehlitz sämtliche Tagebaue unter Bergaufsicht kontrolliert worden. Dabei wurden neben organoleptischen Untersuchungen Proben des Verfüllmaterials gezogen. Die dabei aufgefun

denen widerrechtlich gelagerten Abfälle wurden zeitnah beseitigt.