Protocol of the Session on April 17, 2008

Gerade unter diesem Gesichtspunkt halten wir teilweise die Tonlage der Stellungnahme der Landesregierung für nicht angebracht. Falsche Töne führen nur zu Misstönen zwischen Regierung und dem unabhängigen Daten

schutzbeauftragten des Landes, und dazu ist uns seine Aufgabe einfach zu wichtig. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kolze. Bitte, Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass wir den VIII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz wie auch bereits den VII. Tätigkeitsbericht im Jahr 2006 wieder zur Grundlage einer Debatte hier im Hohen Hause machen.

Der Datenschutz, meine Damen und Herren, hat meines Erachtens in der heutigen Zeit und Gesellschaft mehr und mehr an Wichtigkeit erlangt. Es ist nicht ausreichend, dass wir in den Ausschüssen für Recht und Verfassung sowie Inneres über die Inhalte des Berichts sprechen, sondern wir müssen auch hier im Plenum darüber debattieren; denn der Bericht ist nicht für den internen Gebrauch, sondern für die gesamte Öffentlichkeit bestimmt.

Heutzutage wird man immer häufiger dazu aufgefordert, sei es im privaten Bereich oder gegenüber Behörden, seine persönlichen Daten kundzutun, und, meine Damen und Herren, wir tun es mit steigender Freude und Intensität. Die Leichtfertigkeit im Umgang mit den eigenen Daten wird dadurch immer größer. Man wird zum gläsernen Menschen und gibt große Teile aus seiner Privatsphäre preis.

Ich will an dieser Stelle nicht sagen, dass das nicht so sein darf, aber ich möchte betonen, dass dann, wenn man seine Daten preisgegeben hat, ein vertrauensvoller Umgang damit gewahrt werden muss. Insofern bin ich dankbar für die Hinweise des Landesbeauftragten für den Datenschutz auch im Hinblick auf künftige Projekte wie zum Beispiel der Justizvollzugsanstalt in Burg. Aufgrund des PPP-Modells muss der Umgang mit persönlichen Daten beachtet werden, da nicht nur öffentliche Bedienstete, sondern auch Privatleute Zugang zu privaten Daten von Gefangenen haben könnten.

Interessant war auch der Hinweis von Herrn Dr. von Bose im Hinblick auf die getroffenen Maßnahmen am Hasselbachplatz. Zur Sicherung der Bevölkerung sind dort Kameras zur Überwachung der dortigen Geschehnisse angebracht worden. Nicht beachtet wurde ursprünglich, dass diese so angebracht werden müssen, dass durch die Kameras nicht in die dort befindlichen Räumlichkeiten, Wohnungen und Büros am Hasselbachplatz hineingefilmt werden kann.

Man sieht die Gratwanderung. Es ist ein Sicherheitsaspekt, dass Menschen nicht gefährdet werden sollen. Aber was ist mit denen, die sich gar nicht auf der Straße befinden? Niemand möchte in seinem privaten Bereich permanent beobachtet werden können.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP, und von Herrn Franke, FDP)

Außerdem gab es den Hinweis, dass Schilder angebracht werden müssen, die die Überwachung am Ort kenntlich machen. Es müssen also alle schützenswerten Interessen berücksichtigt werden.

Im Großen und Ganzen, meine sehr geehrten Damen und Herren, konnte ich dem Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und seinen Ausführungen in den Ausschüssen sowie den Stellungnahmen der Landesregierung dazu entnehmen, dass der Datenschutz im Land Sachsen-Anhalt sehr gut aufgestellt ist. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird weitestgehend gewahrt. Die vom Landesbeauftragten für den Datenschutz bemängelten Punkte wurden klar herausgestellt und können nun beim weiteren Handeln Berücksichtigung finden, wie zum Beispiel bei der Änderung des SOG des Landes Sachsen-Anhalt.

Ich danke für den Bericht und möchte mich der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres anschließen und bitte um Ihre Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Nun spricht Herr Kosmehl für die FDP-Fraktion.

(Herr Kosmehl, FDP, legt ein umfangreiches Ma- nuskript auf das Rednerpult - Oh! bei der CDU - Frau Weiß, CDU: Herr Kosmehl! - Herr Kolze, CDU: Das dauert jetzt lange! - Weitere Zurufe von der CDU und von Minister Herrn Bullerjahn)

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister Bullerjahn, ich werde nicht alles vorlesen. Ich habe mir nur ein paar Stichpunkte gemacht. Außerdem sind das Materialien der Landesregierung, und wenn ich die vorlesen würde, dann müsste das eigentlich in Ihrem Interesse sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich bin sehr froh über die heutige Debatte. Ich muss sagen, es gab zu keinem Zeitpunkt eine Diskussion in irgendeinem Ausschuss darüber, diese Debatte nicht zu führen. Ich denke, wir sind also ein ganzes Stück vorangekommen, dass wir mit dem VII. Tätigkeitsbericht eine Tradition begründet haben und diese jetzt mit dem VIII. Tätigkeitsbericht fortsetzen. Ich denke, es tut diesem Hohen Hause auch gut, wenn der Datenschutz nicht nur in den zwei formal zuständigen Ausschüssen behandelt wird, sondern eben auch hier im Hohen Hause.

Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen den Dank an den Landesbeauftragten für den Datenschutz und an sein gesamtes Team richten für die Arbeit, die er geleistet hat, und natürlich auch für den umfangreichen Bericht, der zusammengestellt wurde. Ich denke, bei der gesamten Thematik ist klar, dass es nicht immer ein einfacher Umgang zwischen der Exekutive und dem unabhängigen Landesbeauftragten ist. Ich glaube aber, dass sich beide Seiten bemüht haben, das hinzubekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einige wenige Anmerkungen zum Inhalt der Stellungnahme der Landesregierung machen. Aus der Sicht der FDP-Fraktion gibt es an der einen oder anderen Stelle Verbesserungsbedarf. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob nicht weitere, durchaus wichtigere Punkte in die Stellungnahme hätten aufgenommen werden können, vielleicht auch müssen. Wir haben diese Punkte - das will ich an dieser Stelle der Vollständigkeit halber sagen - in den Ausschüssen angesprochen und die Lan

desregierung hat dazu auch ausführlich Stellung bezogen.

Insofern haben wir uns, wenn man beides nimmt, den schriftlichen Bericht und die Diskussion in den Ausschüssen, ein Bild machen können zum Beispiel über die Vorratsdatenspeicherung, über die Rasterfahndung und über die Untersetzung der Rasterfahndung oder über einige andere Punkte, die der Datenschutzbeauftragte zu Recht angesprochen hat.

An dieser Stelle - darin will ich der Kollegin Tiedge durchaus beipflichten - möchte ich darauf hinweisen, dass der Duktus der Stellungnahme aus der Sicht der FDP-Fraktion für die Zukunft nicht zur Regel werden sollte. Ausführungen wie, es sei „sein Steckenpferd“, er mache es außerhalb seiner Kompetenzen und man müsse noch etwas dazu sagen, haben in einer solchen Stellungnahme, die objektiv gefertigt sein soll, sicherlich nichts zu tun. Ich kann nachvollziehen, dass man sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle ein bisschen ärgert. Gleichwohl sollte sich die Landesregierung diese Bemerkungen in einem solchen Dokument zu einem unabhängigen Landesbeauftragten durchaus verkneifen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit bin ich bei dem Punkt Datenschutz auch für den nichtöffentlichen Bereich. In dieser Woche gab es eine Veröffentlichung - der Herr Minister hat darauf hingewiesen -, nämlich den dritten Tätigkeitsbericht der Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich des Landes Sachsen-Anhalt, des Landesverwaltungsamtes.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hatte ihn noch nicht in diesem Umfang vor Augen gehabt, als wir in den letzten Wochen zur Kenntnis nehmen mussten, dass es im Bundesgebiet vermehrt zu Verstößen gekommen ist, was die Frage der Beobachtung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Einrichtungen und - das sage ich an dieser Stelle sehr deutlich - auch von Verbrauchern angeht, deren Pin-Nummern zum Beispiel bei der Bezahlung mit EC-Karten durch Videokameras in den Märkten einer bestimmten Lebensmittelkette durchaus auch mit hatten aufgezeichnet werden können.

All das ist in diesen Bericht durchaus mit angesprochen worden. Ich war davon überrascht, finde diesen Bericht auch sehr gut und würde anregen, dass sich der Innenausschuss in einer seiner nächsten Sitzungen auch mit diesem Bericht beschäftigt, um sozusagen auch den zweiten Bereich des Datenschutzrechtes etwas näher zu beleuchten.

An dieser Stelle darf ich für die FDP-Fraktion ganz offen sagen: In dem Bericht stehen zwei sehr schöne Sätze zu der Frage der Videoüberwachung. Die will ich Ihnen nicht vorenthalten. In dem Bericht steht:

„Schnell ist die Idee geboren, an einer bestimmten Stelle eine oder mehrere optisch-elektronische Einrichtungen (Videokameras) zur Verfolgung eines für die einrichtende Stelle vermeintlich sinnvollen Zweckes anzubringen. Doch nicht alles, was technisch möglich ist, muss rechtlich zulässig sein.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das bringt mich zu meiner letzten Bemerkung: die immer mehr um sich greifende Einschränkung von Freiheitsrechten durch den Gesetzgeber.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in letzter Zeit in sehr enger Ab

folge - der Herr Minister hat darauf hingewiesen - gesetzgeberische Entscheidungen aufgehoben. Das ist eine Ohrfeige ausdrücklich - das sage ich hier als ein Mitglied einer Oppositionsfraktion - für die gesamte Politik. Wir als Gesetzgeber sind diejenigen, die die Hüter der Freiheitsrechte, der Bürgerrechte und auch der Verfassung und des Grundgesetzes sind.

(Beifall bei der FDP)

Wenn aber erst ein Gericht kommen muss, um die Einhaltung der Freiheitsrechte anzumahnen, dann haben wir unseren Job nicht gut genug gemacht, und zwar alle gemeinsam nicht. Das sollte uns Aufgabe und Ansporn genug sein, das künftig etwas sorgfältiger auf allen Ebenen zu machen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Datenschutzbeauftragte und das Bundesverfassungsgericht immer wieder darauf hinweisen, dass es noch viel zu tun gibt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Zum Abschluss der Debatte hören wir den Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht Herr Rothe. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kosmehl, Ihren Vorschlag, den gerade veröffentlichten Bericht aus dem Landesverwaltungsamt zum Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich im Innenausschuss zu behandeln, begrüße ich. Ich denke, das ist auch ein Feld, dem wir unsere Aufmerksamkeit widmen sollten.

Ende dieses Jahres jährt sich zum 25. Mal das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem das Gericht aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Grundrecht der Unantastbarkeit der Menschenwürde das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hergeleitet hat. Das Gericht hat dieses Grundrecht auch negativ definiert. Lassen Sie mich nur zwei Sätze aus der Urteilsbegründung zitieren:

„Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen.“

Als das Bundesverfassungsgericht seine Grundsatzentscheidung zum Datenschutz am 15. Dezember 1983 verkündet hat, war Friedrich Zimmermann Bundesinnenminister. Von ihm stammt der Spruch: „Datenschutz ist Täterschutz“. Dieser Spruch war damals schon in Teilen der Bevölkerung populär.

Nach dem 11. September 2001 ist der Datenschutz erst recht in die Defensive geraten. Wenn eine Novellierung von Sicherheitsgesetzen ansteht - Frau Tiedge hat das vorhin schon angesprochen -, dann wird die Diskussion

wie selbstverständlich über Verschärfungen und eher nicht über den Abbau von Eingriffsbefugnissen der Sicherheitsbehörden geführt. Ich denke, wir haben aber auch den Auftrag zu prüfen, wo wir solche Eingriffsbefugnisse einschränken können oder müssen, etwa wenn es um den Kernbereich des Persönlichkeitsschutzes geht. Diesbezüglich ist unser SOG nicht mehr im Einklang mit den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Zum Glück hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Bemühen um den Datenschutz nicht nachgelassen und setzt der Ausweitung staatlicher Befugnisse klare Grenzen. Allein in diesem Jahr sind wichtige Entscheidungen zur Online-Durchsuchung, zur automatisierten Kennzeichenerfassung und zur Vorratsdatenspeicherung ergangen.

Die schönsten Urteile nützen wenig, wenn sie nicht beherzigt werden. Die institutionelle Gewähr für die Beachtung des Datenschutzschutzes im Bereich der öffentlichen Verwaltung bietet der Landesbeauftragte für den Datenschutz. Der vorliegende VIII. Tätigkeitsbericht beschreibt das ganze Aufgabenspektrum, das Herr Dr. von Bose zu bewältigen hat. Für die im Berichtszeitraum geleistete Arbeit möchte ich ihm und seinen Mitarbeitern in der Geschäftsstelle des Datenschutzbeauftragten auch namens der SPD-Fraktion Dank sagen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Als Landesgesetzgeber sind wir gefragt, im Rahmen der Vorgaben des Verfassungsgerichts sorgfältig zwischen dem Datenschutz und anderen Belangen abzuwägen. So sehr ich ein Freund des Datenschutzes bin, kann diese Abwägung nicht in jedem Fall zugunsten des Datenschutzes ausgehen.

Ich will ein konkretes Vorhaben nennen, welches durch den Landesbeauftragten, aber auch durch die Presse in Sachsen-Anhalt sehr kritisch kommentiert worden ist. Bei der von der Sozialministerin geplanten Einrichtung einer Früherkennungsstelle für Fälle, in denen Eltern ihren Kindern notwendige ärztliche Vorsorgeuntersuchungen vorenthalten, haben meines Erachtens datenschutzrechtliche Bedenken zurückzustehen.

Zwar wird hierbei eine Vielzahl von Daten von Personen zentral gespeichert, und zwar von Eltern mit Kindern bis zu sechs Jahren sowie von deren Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen, aber die Daten, um die es geht, sind denkbar harmlos, und es geht um den Schutz der Gesundheit von Kindern, die nicht dem Arzt vorgestellt werden. An dieser Stelle kollidieren Grundrechte miteinander, nämlich das auf informationelle Selbstbestimmung und das auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

In solchen Fällen muss man eine praktische Konkordanz zwischen diesen verschiedenen Grundrechten herstellen. Das angewandte Rasterverfahren ist gewiss datenschutzrechtlich problematisch, aber im Ergebnis der Güterabwägung halte ich in diesem Fall die Verhältnismäßigkeit für gegeben. Ich hoffe, Frau Dr. Kuppe hält an ihrem Vorhaben fest.

Lassen Sie mich abschließend begrüßen, dass Frau Tiedge angeregt hat, dass wir den nächsten Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten zur Mitberatung in alle Fachausschüsse überweisen. Wenn Sie sich das umfängliche Werk, also den VIII. Tätigkeitsbericht, ansehen, dann stellen Sie fest, dass wirklich alle Politik