Protocol of the Session on April 17, 2008

Nachdem der Landesbeauftragte für den Datenschutz zu seinem Tätigkeitsbericht ergänzende Erläuterungen gegeben hatte, kritisierte die FDP-Fraktion, dass die Landesregierung zu bestimmten Punkten des Berichtes, die die innere Sicherheit betreffen, keine Stellungnahme abgegeben habe. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere auf die Punkte 24.7 - Geheimschutzbeauftragter - keine Aufgabe für einen Verfassungsschützer - und 23.1 – Vorratsdatenspeicherung - verwiesen. Seitens des Ausschusses gab es Nachfragen an die Landesregierung sowie Diskussionsbedarf zu den Punkten 24.2 - GIAZ - und 17.2 - Rasterfahndung.

Aus Zeitgründen - der Innenausschusse hatte für 10 Uhr zahlreiche Gäste zu einer Anhörung eingeladen - verständigten sich die Ausschussmitglieder darauf, sich in

der Sitzung am 3. April 2008 erneut mit dem Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Stellungnahme der Landesregierung zu befassen und die noch offenen Fragen dann abschließend zu behandeln. Es wurde darüber hinaus vereinbart, am 3. April 2008 eine Beschlussempfehlung an den Landtag zu erarbeiten, um im Landtag hierzu eine Debatte führen zu können und den Tätigkeitsbericht so der Öffentlichkeit näher zu bringen.

Wie verabredet, wurden die offen gebliebenen Fragen in der Sitzung am 3. April 2008 beantwortet, und der Innenausschuss votierte einstimmig für die Ihnen in der Drs. 5/1190 vorliegende Beschlussempfehlung. Diese beschränkt sich darauf, dass der Landtag den Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Stellungnahme der Landesregierung zur Kenntnis nimmt. Ich bitte um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Bevor wir die Beiträge der Fraktionen hören, hat die Landesregierung um das Wort gebeten. Ich erteile Herrn Minister Bullerjahn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landesbeauftragte für den Datenschutz hat dem Landtag im Juni 2007 seinen VIII. Tätigkeitsbericht vorgelegt. Zu diesem Bericht hat die Landesregierung im Januar 2008 entsprechend dem gesetzlichen Auftrag Stellung genommen.

In dem Tätigkeitsbericht hat der Landesbeauftragte seine Prüftätigkeit, vor allem aber sein präventives Wirken insbesondere auf Landes- und Bundesebene bei der datenschutzgerechten Gestaltung von Vorschriften sowie von automatisierten Verfahren zum Umgang mit personenbezogenen Daten dargestellt. Er warnt eindringlich vor den Gefahren übermäßiger Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre.

Wie wichtig das präventive Wirken des Landesbeauftragten ist, zeigt die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Schon im Jahr 1983 hat das Gericht im so genannten Volkszählungsurteil ausgeführt - ich zitiere -:

„Wegen der für den Bürger bestehenden Undurchsichtigkeit der Speicherung und Verwendung von Daten unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung und auch im Interesse eines vorgezogenen Rechtschutzes durch rechtzeitige Vorkehrungen ist die Beteiligung unabhängiger Datenschutzbeauftragter von erheblicher Bedeutung für einen effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.“

Die Risiken des Einzelnen, die aus dem Umgang mit seinen personenbezogenen Daten herrühren, haben sich seit 1983 durch die rasante Entwicklung der Informationstechnik, die fortschreitende Vernetzung und die Nutzung vernetzter Technik durch jedermann dramatisch verschärft. Wer aufmerksam die Nachrichten der letzten Tage und Wochen begleitet, hört ja immer wieder von solchen Diskussionen.

Der Landesbeauftragte selbst führt aus - ich zitiere wörtlich -:

„Datenschutz ist stets Maßstab der Freiheitlichkeit des Gemeinwesens.“

Die Landesregierung kann sich dieser Aussage nur anschließen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hat sich etabliert. Natürlich haben die Herausforderungen an seine Umsetzung zugenommen. Daher ist die Arbeit der Beauftragten für den Datenschutz des Bundes und der Länder wichtiger denn je. Für Sachsen-Anhalt steht dies außer Frage. Deshalb ist die Einrichtung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in der Landesverfassung institutionell garantiert und wird auch gelebt.

Aufgrund der Ende 2005 erfolgten Änderung des § 14 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger hat die Landesregierung die Pflicht, den Landesbeauftragten rechtzeitig über grundlegende Planungen des Landes zum Aufbau oder zur Änderung von automatisierten Verfahren zur Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zu unterrichten. Zudem ist die Regelung in den Verwaltungsvorschriften nach dem Motto untersetzt: Besser eine Unterrichtung zu viel als eine zu wenig.

Ferner bestimmt die gemeinsame Geschäftsordnung der Ministerien - Allgemeiner Teil - im Einklang mit der EGDatenschutzrichtlinie, dass der Landesbeauftragte beim Erlass von allgemeinen Regelungen, insbesondere Rechtsvorschriften zu beteiligen ist, soweit die Verarbeitung personenbezogener Daten geregelt werden soll.

Selbstverständlich hat der Landesbeauftragte das Recht, sich auch zu Entwürfen von Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf Bundesebene mit datenschutzrechtlichem Bezug zu äußern, gerade wenn die Regelungen dann von öffentlichen Stellen im Land auszuführen sind.

Ich versichere, die rechtzeitige und umfassende Einbindung des Landesbeauftragten ist ein zentrales Anliegen aller Mitglieder der Landesregierung.

Zur aktuellen Situation. In drei aktuellen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht das Gewicht des Datenschutzes neu justiert. Gegenstand ist die jüngere Gesetzgebung in Bund und Ländern, die unter dem Eindruck der Ereignisse am 11. September 2001 ergangen ist.

Die Rechtsprechung ist aber vor allem Reaktion auf die rasante Entwicklung der Informationstechnik, die fortschreitende Vernetzung und die Nutzung vernetzter Technik durch jedermann. Ich spreche von dem Urteil zur Online-Durchsuchung vom 27. Februar 2008, dem Urteil zur automatisierten Kennzeichenfassung vom 11. März 2008 und dem Gerichtsbeschluss im Eilverfahren vom 11. März 2008 zur Vorratsdatenspeicherung.

Die Gerichtsentscheidungen sind ein erneuter und eindringlicher Appell an die Gesetzgeber, Regelungen, die zu Eingriffen in die Persönlichkeitssphäre der Betroffenen führen können, auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und den Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht anzutasten, die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme zu respektieren, verfahrensmäßige Sicherung zu gewährleisten und die Gebote der Normensparsamkeit und Normenklarheit einzuhalten.

Es schadet sowohl dem Ansehen der Regierungen als auch dem der Parlamente, wenn in kurzer zeitlicher Folge Gesetze, die den Umgang mit personenbezogenen Daten regeln, für nichtig erklärt oder in der Anwendbarkeit teilweise ausgesetzt werden. Auch diese Debatte, bezogen auch auf den Bundestag und die Bundesregie

rung, ist ja eine sehr aktuelle. Das Risiko lässt sich vermindern, wenn auch künftig sorgfältig geprüft wird, ob Vorschlägen der Beauftragten für den Datenschutz des Bundes und der Länder zur Sicherung der Persönlichkeitsrechte gefolgt werden kann.

Knapp 25 Jahre nach der Anerkennung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung hat das Bundesverfassungsgericht am 27. Februar 2008 aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein neues Grundrecht abgeleitet, das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. In Umsetzung dieses Rechts wird es - hiervon geht die Landesregierung aus - in den nächsten Jahren zu gesetzgeberischen Aktivitäten in Bund und Ländern kommen, die sich nicht auf den öffentlichen Bereich allein beschränken werden.

Zum Tätigkeitsbericht selbst. Insgesamt ist nach Auswertung des Berichtes festzustellen, dass der Datenschutz in den Behörden und bei ihren Mitarbeitern fest verankert ist. Der Datenschutz ist auf hohem Niveau realisiert. Grund dafür ist neben dem Wirken des Landesbeauftragten vor allem auch die Bedeutung, die die Landesregierung dem präventiven Datenschutz beimisst.

Im Berichtszeitraum musste der Landesbeauftragte für den Datenschutz nur eine einzige förmliche Beanstandung aussprechen. Damit sich das positive Bild nicht ändert, wird auch künftig auf allen geeigneten Ebenen die Zusammenarbeit mit dem Landesbeauftragten gepflegt. Hierzu bestehen traditionell enge Kontakte zwischen den obersten Landesbehörden und dem Landesbeauftragten, auch durch seine Mitarbeit in den Gremien wie dem IT-Koordinierungsausschuss.

Unter Bezugnahme auf Fragen im Ausschuss für Recht und Verfassung zum Zustandekommen der Stellungnahme führe ich wie folgt aus: Wie in der Vergangenheit hat das federführende Ministerium des Innern nach informatorischer Abstimmung mit dem Landesbeauftragten den Ressorts Vorschläge gemacht, zu welchen Themen aufgrund ihrer Bedeutung schwerpunktmäßig Stellung genommen werden sollte. Letztlich entscheiden aber die Ressorts selbst, und das in eigener Zuständigkeit, zu welchen Punkten und wie sie sich dazu äußern.

Im nichtöffentlichen Bereich kontrolliert in bewährter Weise grundsätzlich das Landesverwaltungsamt als Aufsichtsbehörde die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften. Es steht gegebenenfalls den Betroffenen, den betrieblichen Beauftragten für den Datenschutz und den verantwortlichen Stellen beratend zur Verfügung. Erst vor wenigen Tagen hat das Landesverwaltungsamt seinen aktuellen Tätigkeitsbericht im Internet veröffentlicht.

Jüngst in den Medien bekannt gewordenen Praktiken der Videoüberwachung in Betrieben und Verbrauchermärkten geht die Aufsichtsbehörde nach, im Falle einer bundesweit agierenden Handelskette in enger Abstimmung mit Aufsichtsbehörden in anderen Ländern, insbesondere mit der für den Hauptsitz zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Innenministerium in Baden-Württemberg.

Ich komme zum Schluss und bitte, der Empfehlung des federführenden Ausschusses für Inneres zu folgen und den VIII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz sowie die Stellungnahme der Landesregierung dazu zur Kenntnis zu nehmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Bullerjahn. - Wir hören jetzt die Beiträge der Fraktionen. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Tiedge. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bullerjahn, zu der Stellungnahme der Landesregierung, die Sie sicherlich im Auftrag vorgelesen haben, kann ich nur sagen: Es wäre sehr schön, wenn es so wäre, wie Sie gesagt haben. Wir würden es begrüßen, wenn es zukünftig mit der sehr guten Zusammenarbeit so sein würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes haben inzwischen übereinstimmend festgestellt, dass bei vielen Bürgerinnen und Bürgern eine Sensibilisierung hinsichtlich ihrer eigenen Daten eingetreten ist. Wenn noch vor gar nicht allzu langer Zeit von einer Mehrheit die Auffassung vertreten wurde: „Ich habe doch nichts zu verbergen, darum können meine Daten erfasst werden“, geht mittlerweile vielen die Sammelwut des Staates einfach zu weit. Deshalb erachten wir es als umso wichtiger, dass der Datenschutzbericht nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern im Rahmen einer Landtagssitzung öffentlich debattiert wird. Wenn Herr von Bose in seinem Bericht Folgendes feststellt - ich zitiere -:

„Das Grundanliegen besteht darin, das Gewicht der Freiheit zu stärken, Freiheit - weil es um ganz überwiegend unbeteiligte, unverdächtige Bürger geht, Freiheit, weil es bei der Ausübung auch anderer Grundrechte um den Schutz vor Einschüchterung geht, wenn für den Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß, Freiheit, weil insofern über den einzelnen Grundrechtsträger hinaus das Gemeinwohl des Gemeinwesens, zu dem die Selbstbestimmung seiner Bürger gehört, beeinträchtigt wird“,

dann können wir dem nur uneingeschränkt zustimmen.

Zu schnell und vor allen Dingen zu Unrecht ergeht immer wieder der Vorwurf, Datenschutz gefährde die öffentliche Sicherheit. Aber diese Feststellung wird nicht wahrer, wenn sie gebetsmühlenartig immer wieder vorgetragen wird.

Zwar wurde im Berichtszeitraum das SOG in SachsenAnhalt nicht verändert, aber nach wie vor bedarf das bestehende Gesetz allein aus datenschutzrechtlicher Sicht dringend einer Überarbeitung. Da seitens des Innenministeriums bereits angekündigt wurde, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung des SOG beabsichtigt sei, sollte im Zusammenwirken mit dem Datenschutzbeauftragten eine Anpassung an die derzeitige Rechtslage zum Beispiel im Bereich der präventiven Telekommunikations- und Wohnraumüberwachung und der Rasterfahndung erfolgen. Gehen wir also vom positiven Fall aus, dass es mit der Änderung des SOG nicht zu weiteren Einschnitten insbesondere auch in Fragen des Datenschutzes kommen wird.

Positiv wird vom Datenschutzbeauftragten festgestellt, dass zum Beispiel die öffentliche Behandlung des Themas Gesprächsaufzeichnungen bei der Polizei und die

damit verbundenen Hinweise des Landesbeauftragten zu mehr Sensibilität beim Umgang mit diesem Thema geführt haben.

Äußerst interessant sind auch seine Ausführungen zur Fußball-WM. Was wurde im Vorfeld nicht für ein Horrorszenario aufgebaut. Man musste fast annehmen, dass das Motto „Zu Gast bei Freunden“ umgetitelt werden sollte bzw. müsste. Nichts hat sich bewahrheitet, worüber natürlich alle froh sind. Überwiegend waren es friedliche und sportlich spannende Spiele.

Aber auch uns interessiert die vom Datenschutzbeauftragten aufgeworfene Frage, worin das Interesse der Veranstalter zum Beispiel an den personalisierten Tickets genau lag; denn kontrolliert wurde nur sehr wenig, ob die Daten des Stadionbesuchers mit denen des Ticketerwerbers übereinstimmten. Die Veranstalter haben Unmengen an persönlichen Daten gesammelt. Was passiert nun damit? Werden diese gelöscht, archiviert oder gar weitergegeben? - Eine Kontrolle des weiteren Umgangs ist schwerlich möglich.

Wie gut Ermittlungstätigkeit und Datenschutz miteinander vereinbart werden können, zeigt das unter „Mikado“ durchgeführte Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft, bei dem festgestellt wurde, dass keine datenschutzrechtlichen Bedenken bestehen.

Der vorliegende Bericht des Datenschutzbeauftragten hat auch diesmal wieder gezeigt, dass bei der Bewertung und Kontrolle alle Politikbereiche gleichermaßen betroffen sind. Das sollte uns nach Erstellung des neuen Datenschutzberichtes im Jahr 2009 Veranlassung sein, dass dieser dann in allen Fachausschüssen des Landtages beraten wird. Aktueller Anlass ist für uns die Diskussion um das Kindeswohl und der Vorwurf mancher Politiker, dass der Datenschutz dem Kindeswohl entgegenstehen würde.

Ein weiteres ganz aktuelles Thema ist der Arbeitnehmerdatenschutz. Jüngste Erkenntnisse über die Überwachung von Mitarbeiterinnen in großen Handelsketten haben viele aufgeschreckt.

Wir ersparen es Ihnen auch diesmal nicht: Die Existenz des GIAZ, dessen Arbeitsweise und die damit verbundenen Zweifel an der Einhaltung des Trennungsgebotes lassen uns nur wiederholen, dass dieses Gremium abgeschafft gehört.

Vieles ließe sich noch aus dem Bericht ausführen; dazu reicht die Zeit leider nicht. Eines macht der Bericht aber unmissverständlich deutlich: Ohne die akribische Arbeit und Kontrolle des Datenschutzbeauftragten würde die Vorstellung von einem gläsernen Menschen noch mehr Wirklichkeit werden. Dafür gilt ihm unser ausdrücklicher Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei ihrer Tätigkeit bekommen die Datenschutzbeauftragten immer mehr Rückenstärkung durch die Verfassungsgerichte. Allerdings darf es dabei nicht so weit kommen, dass der Staat frei nach dem Motto handelt: „Schauen wir mal, wie weit wir gehen können, vielleicht merkt es ja niemand.“

Gerade unter diesem Gesichtspunkt halten wir teilweise die Tonlage der Stellungnahme der Landesregierung für nicht angebracht. Falsche Töne führen nur zu Misstönen zwischen Regierung und dem unabhängigen Daten