Protocol of the Session on November 16, 2007

Jetzt zum Thema. Die erste agrarpolitische Zielsetzung der damaligen Mitgliedstaaten war die Überführung der zahlreichen nationalen Sonderregelungen für die Landwirtschaft in ein gemeinsames EWG-Rechtssystem, um eine sich angleichende Marktordnung zu schaffen. So wurde die Nahrungsmittelproduktion in der EWG damals erheblich gesteigert und mit stabilisierenden Märkten und einheitlichen Rahmenbedingungen sicher vermarktet. Den landwirtschaftlichen Betrieben wurde zur damaligen Zeit ein sicheres Einkommen garantiert und den Verbrauchern wurden preiswerte Lebensmittel angeboten.

Dieses System funktionierte verhältnismäßig problemlos, solange Nahrungsmittel in der damaligen EWG Mangelware waren. Hinsichtlich der Produktion und der sicheren Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war die damalige Agrarpolitik leider nur ein Erfolgsmodell für kurze Zeit.

Durch schnelle züchterische Fortschritte bei Pflanzen und Tieren und durch eine Verbesserung der Landtechnik und der einstigen Produktionsverfahren mit ausgefeilten logistischen Verzweigungen wurde die Mangelsituation auf dem Lebensmittelmarkt nicht nur zügig überwunden, sondern hat sich alsbald ins Gegenteil verkehrt.

Schon die 80er-Jahre waren gekennzeichnet von einem Überfluss in der Versorgung. Getreide-, Butter- und

Fleischberge sowie Wein- und Milchseen prägten die öffentliche Diskussion in unserer Gesellschaft. Die Agrarpolitik wurde für gescheitert erklärt und die Bauern standen vor allem in der deutschen Gesellschaft als Belastung für die Volkswirtschaft öffentlich am Pranger und wurden abwertend als „Subventionsempfänger“, die sie bis zum heutigen Tag leider sind, betitelt.

In der Folgezeit begann eine systematische Entwertung der Grundnahrungsmittel, die sich bis zum Jahr 2006 in einem besorgniserregenden Ausmaß fortsetzte. Das war die Zeit, als hochwertige landwirtschaftliche Produkte auf den Weltmärkten zu Schleuderpreisen verschoben wurden. Die Kosten für den Transport lagen um das Fünf- oder Sechsfache über dem eigentlichen Warenwert. Die heutigen Getreidepreise entsprechen im Vergleich zu dieser Zeit den Getreidepreisen vor 25 Jahren in der damaligen EG.

Von nun an wurde in der mittlerweile fortentwickelten EG - aus der EWG ist die EG, die Europäische Gemeinschaft, geworden - munter drauflos reformiert. Staatliche Markteingriffe in Form von Interventions- und Stützungskäufen sowie Subventionen für die Erzeuger konnten das gigantische Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nicht ausgleichen. Dieses konnte auch mit den damals eingeführten Flächenstilllegungen nicht entscheidend gebremst werden.

Im Jahr 1992 - das wurde vom Kollegen Barth bereits angeführt - wurden bei der so genannten McSharryReform zur generellen Senkung der Erzeugerpreise in den Mitgliedsstaaten mit dem Ziel der Angleichung an die Weltmarktpreise die Beihilfezahlungen eingeführt. Aus der Subvention ist also eine Beihilfezahlung geworden. Der Umweltschutz hat damals ebenfalls eine stärkere Rolle zugewiesen bekommen.

Bei der weiteren Reformierung im Zuge der Agenda 2000 wurden die Zügel weiter angezogen und gestrafft. Bereits im Jahr 2003 wurde die Beschleunigung der Agenda 2000 bei gleichzeitiger Begrenzung der EUAgrarausgaben und der Entkopplung der Direktzahlungen von der Produktion mit der Bindung an die Erfüllung von Umweltauflagen geknüpft - die viel zitierte CrossCompliance, das Bürokratiemonster gigantischen Ausmaßes.

Am kommenden Dienstag, dem 20. November 2007, wird die jetzige EU-Agrarkommissarin den so genannten Gesundheitscheck verkünden. Sie wird die bereits im Jahr 2003 beschlossenen Maßnahmen und deren Auswirkungen einschließlich zukünftiger Vorhaben bekannt geben und, wie wir wissen, wiederum entscheidend verändern.

Es wäre erfreulich, wenn es dazu käme, dass die von der Zeit längst überholte Stilllegungspflicht wegfallen würde. Weiterhin soll an der Modulationsschraube gedreht werden. Das, was erheblich einschlagen würde, wäre die degressive Kappung der Beihilfen nach Betriebsgrößen. Das würde vor allem ostdeutsche Agrarbetriebe, insbesondere im Land Sachsen-Anhalt, treffen.

Für die FDP-Fraktion muss der erfolgreiche Reformkurs zur marktwirtschaftlichen Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik in der EU konsequent weitergeführt werden.

(Beifall bei der FDP)

Die Degressionen bzw. Kappungen dieser Beträge, die heute schon mehrfach genannt wurden, sind ein klarer

Widerspruch in der EU-Agrarpolitik. Ich behaupte, wenn die Agrarpolitik diese Kappungen so vornimmt, dann wird es keine Wettbewerbsfähigkeit geben und aus der Agrarpolitik wird eine Sozialpolitik werden. Dann haben wir in Deutschland ein großes Problem, ein innerdeutsches Problem.

Ich musste gestern Abend, als ich von meinem Sohn aus Niederbayern einen Anruf bekommen habe, mit Erschrecken feststellen, dass „Report München“ dieselbe alte Kamelle wie schon einmal wieder hochzieht. Ein fürstlicher Betrieb, der - ich muss es so sagen - dummerweise zwischen Regensburg und Straubing 1 600 ha Ackerland bewirtschaftet, und ein Betrieb in der Nähe von Magdeburg werden in dieser Sache wieder in der öffentlichen Diskussion breitgetreten. Das ist eine perfekte Neidhammeldiskussion und hat mit Fachlichkeit nichts zu tun. Das ist das Problem.

(Beifall bei der FDP)

Das Problem liegt in der Agrarpolitik der vergangenen Jahre. Das ist das Grundproblem.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind in unserer globalisierten Welt auf dem Weltmarkt angekommen - oder auch umgekehrt, ob wir es wollen oder nicht. Es ist eine Herausforderung erwachsen, die lautet: In einer hochmodernen Welt ist eine erfolgreiche Agrarwirtschaft zu etablieren. Und jetzt kommt es: Die Vorstellung, dass man frei reisen und Urlaub machen, zugleich aber weiterhin in Grenzen wirtschaften könne, ist eine Utopie.

(Beifall bei der FDP)

Meine Redezeit ist leider gleich zu Ende, deshalb lasse ich einiges weg.

Es muss endlich Schluss sein damit, dass der EU-Agrarbereich bei den WTO-Verhandlungen ständig Vorleistungen erbringt,

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

die bis dato nicht honoriert worden sind. Ich weiß nicht, wie man als professioneller Politiker so dumm sein kann und so besessen von einem Ungeist, dass man so etwas durchführt. Ich verstehe nicht, dass die Leute so wenig Arsch in der Hose haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP - Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Miesterfeldt, SPD, und von Herrn Czeke, DIE LINKE)

So erfreulich das alles auch ist - - Herr Präsident, ich bin gleich fertig.

Ja, ja. Ich sage doch gar nichts.

(Heiterkeit)

So sehr wir uns über die Belebung der Weltagrarmärkte freuen - zum Beispiel China hat eine Steigerung um 8 %, Indien eine Steigerung um 10 %, Tendenz steigend -, müssen wir aber auch das andere im Auge behalten. Das ist mir sehr wichtig; das ist mir auch als Liberaler sehr wichtig.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte betonen, dass im Jahr 2005 15 Millionen t Getreide und 850 000 t Fleisch in den Lagern der EU waren. Diese haben sich auf wundersame Weise in kurzer Zeit auf den Weltmärkten verflüchtigt. Der Steuerzahler braucht hier keinen Cent mehr zu bezahlen. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Diesem Vorwurf möchte ich mich nicht mehr aussetzen.

Zum landwirtschaftlichen Fachrecht. Frau Ministerin, Sie haben Recht: Innerhalb der EU besteht ein riesiger Unterschied im Kontrollsystem. In Bulgarien, in Rumänien und in Polen wird es anders ausgelegt als hierzulande.

Fazit: Ich möchte betonen, dass die Landwirtschaft ein Teil der Wirtschaft ist. Was auch immer am 20. November 2007 beschlossen wird, die ständige Änderung der Rahmenbedingungen in immer kürzeren Abständen ist nicht mehr nachvollziehbar. Wie sollen sich die Verantwortlichen in den Betrieben zu Investitionen bereit erklären, wenn wegen der Kurzfristigkeit der Politik damit die Existenz aufs Spiel gesetzt wird?

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Herrn Cze- ke, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Eigenkapitaldecke ist im Osten noch immer sehr dünn. Wo bleibt dabei der Vertrauensschutz? - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Herrn Cze- ke, DIE LINKE)

Bei Ihnen, Herr Präsident, möchte ich mich bedanken für die Geduld.

Herr Hauser, das haben wir gern getan. Die anderen Redner haben etwas Redezeit eingespart, deshalb konnten Sie länger sprechen. Herzlichen Dank für Ihren Beitrag.

Als letztem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Daldrup von der CDU-Fraktion das Wort. Zuvor jedoch begrüße ich Studentinnen und Studenten der Fachschule für Agrarwirtschaft Haldensleben. Sie kommen genau zum richtigen Thema. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Daldrup, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! „Global denken - lokal handeln“ heißt natürlich auch, dass man sich erst einmal mit globalen Verhältnissen auseinander setzen muss.

Wir leben tatsächlich in einer Zeitenwende, was die Agrarmärkte und die Rohstoffmärkte der Welt angeht, in einer insgesamt sehr unruhigen Zeit. Das ist bekannt.

Wenn man sich ansieht, wie sich die Märkte entwickelt haben, dann muss man feststellen, dass wir in den letzten zehn Jahren - außer im Jahr 2003 - immer Ernteerträge eingefahren haben, die niedriger als der Verbrauch waren. Im Moment verlieren wir in jeder Sekunde eine Tonne Vorrat. Jede Sekunde eine Tonne Vorrat weniger in der Welt, und das schon seit etlichen Jahren! Das heißt aber auch, dass die Reserve mittlerweile nur noch für 50 Tage reicht. Das ist ein historisch niedriger Stand. Es ist schon über Jahre so, dass die Vorräte ständig abnehmen.

Was bedeutet das für uns? Was bedeutet das für Europa und für den Welthandel? Was bedeutet das für den Flächenverbrauch? - Das sind Fragen, die uns in unserem Land lokal interessieren und lokal beschäftigen müssen.

Als ich vor gut 30 Jahren Landwirt wurde, ging es mit folgendem Szenario los: Die Weltbevölkerung wächst, die Landwirte können die Weltbevölkerung auf Dauer nicht ernähren. 30 Jahre lang haben wir das vor uns hergetragen. 30 Jahre lang ist uns das immer wieder erklärt worden. 30 Jahre lang ist es nicht eingetreten. - Das kann man fast so pauschal sagen.

Auch ich habe kaum noch daran geglaubt. Jetzt plötzlich - so plötzlich ist es ja nicht gekommen, aber vom Gefühl her plötzlich - ist die Entwicklung umgekippt. Wir haben seit Juni/Juli 2007, also seit gerade einmal fünf Monaten, eine Preishausse auf den Agrarmärkten. Wir hatten an der Börse in Paris im September 2007 eine Spitze mit einem Preis von knapp 300 € für eine Tonne Weizen. Mittlerweile sind wir - ich habe heute Morgen noch einmal nachgesehen - bei 220 €. Das sind ungefähr 3 € mehr als in Amerika. Das heißt, der Preis ist schon wieder um etwa ein Drittel gefallen.

Ich muss jeden warnen, der heute hier behauptet und erklärt, jetzt sei das goldene Zeitalter der Landwirtschaft angebrochen. Also: Vorsicht an der Stelle, ganz vorsichtig! Es geht uns gut. Wir haben gute Perspektiven. Aber Euphorie sollte trotzdem nicht ausbrechen, weil wir nicht genau wissen, was in Zukunft passiert.

Wir müssen feststellen, dass die Ertragszuwächse, wie sie früher regelmäßig erzielt worden sind, in den letzten drei bis fünf Jahren nicht mehr zu verzeichnen gewesen sind. Auch im Hinblick auf den Züchtungsfortschritt kommt nicht mehr so viel wie früher. Also müssen wir es irgendwo hernehmen. Irgendwie müssen wir die Märkte bedienen, müssen wir die Ware heranbekommen, auch durch zusätzliche Nachfrage in anderen Bereichen.

Der Weltmarkt ist natürlich auch durch Spekulation beeinflusst, aber im Wesentlichen durch eine gestiegene Nachfrage, durch die Marktentwicklung beim Getreide, durch die Reduzierung des Vorrats und natürlich auch durch den Klimawandel und damit durch politische Entscheidungen, die sowohl beim Weltwirtschaftsgipfel als auch in Meseberg getroffen worden sind. Mittlerweile beschäftigen sich sehr viele Länder in der Welt damit, Energien aus nachwachsenden Rohstoffen, aus pflanzlicher Produktion zu gewinnen.

Außerdem haben wir natürlich die Situation auf dem Ölmarkt. Das Barrel Rohöl kostet fast 100 Dollar. Auch das ist eine historische Situation. Wir sind an einer Stelle angekommen, an der wir nicht nur darüber nachdenken, sondern tatsächlich Erdöl, fossile Energien durch nachwachsende Energien ersetzen und den Anteil nachwachsender Energien durch Beimischungen erhöhen müssen.