Protocol of the Session on November 16, 2007

Die Globalisierung eröffnet landwirtschaftlichen Unternehmen neue Chancen, da das Nachfragepotenzial erheblich steigt. Wenn die Chinesen oder die Inder Weißbrot für sich entdecken, dann bleibt das nicht ohne Folgen für die weltweiten Agrarmärkte. Das Gleiche gilt natürlich auch für Milchprodukte und Fleisch.

(Herr Tullner, CDU: Und für Reis!)

- Sicherlich. - Auch die globale Arbeitsteilung bringt eine ganze Menge Vorteile. Langfristig ist davon auszugehen, dass die Effizienz darüber bestimmen wird, wie sich die Produktionsverfahren global aufteilen. Zu Deutsch: Die Rindfleischproduktion wird in Argentinien und in Brasilien ausgedehnt und in Europa weiter zurückgehen.

Wenn wir uns die Expansion der globalen Bevölkerung vor Augen halten, so müssen wir uns auch die Frage stellen, ob der Verzicht auf höhere Erträge langfristig haltbar ist. Ich will damit den ökologischen Landbau nicht infrage stellen. Er hat in Bezug auf das Bewusstsein für Lebensmittel eine ganz außerordentliche Bedeutung. Als eine europaweit flächendeckende Alternative zum konventionellen Landbau kommt er aber keineswegs infrage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo viel Licht ist, ist auch Schatten. Ich möchte einige bedenkliche Entwicklungen im Zusammenhang mit der Globalisierung ansprechen.

Die zunehmende internationale Verflechtung führt auch zu einer stärkeren gegenseitigen Abhängigkeit der Landwirtschaft als Wirtschaftszweig. Nicht nur der Wettbewerbsdruck für die Unternehmen nimmt zu; eine ernst zu nehmende Bedrohung im Globalisierungsprozess geht auch von der intensiven Verflechtung der Kapital- und Finanzmärkte aus. Finanzkrisen in einer Region können rasch auf andere Regionen überschwappen.

Die Einführung neuer Technologien führt zu einer höheren Reaktionsgeschwindigkeit bei Nachfrageänderungen. Aufgrund der begrenzten Möglichkeiten zur Lagerbildung und aufgrund des geringen Einsatzes fixen Kapitals besteht die Gefahr von Nachfrageschocks auch und insbesondere im Bereich landwirtschaftlicher Produkte.

Kartelle sind eine Begleiterscheinung der Globalisierung, deren Machtposition auf internationalen Märkten begrenzt werden muss. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das größte weltweit agierende Kartell ist die Börse. Es muss Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft sein, diesen Löwen zu bändigen. Wir brauchen für die Börse einen international festgeschriebenen Verhaltenskodex, der Preistreiberei für lebensnotwendige Rohstoffe, insbesondere für Energieträger und Lebensmittel, unterbindet.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Ich will Ihnen das an einem ganz einfachen Beispiel verdeutlichen. Das, was wir heute an unseren Tankstellen erleben, ist in nicht unwesentlichem Umfang das Ergebnis von Börsenspekulationen.

(Herr Tullner, CDU: Auch von Steuererhöhungen!)

Der Preis wird in Erwartung eines noch höheren Ölpreises künstlich in die Höhe getrieben; es wird eine Spirale in Gang gesetzt.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

- Lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Tullner. - Damit verbunden findet eine gigantische Umverteilung von unten nach oben statt. Die Renditen der Anleger bezahlt der Pendler, welcher jeden Tag auf sein Auto angewiesen ist, um zur Arbeit zu kommen.

Sie werden sich fragen, was das mit Landwirtschaft zu tun hat - eine ganze Menge. Denn eines haben Öl und Biomasse gemeinsam: Sie sind Energieträger. Es liegt auf der Hand, dass wir Europäer, wenn die Verbrennung von Getreide zur Strom- und Wärmeerzeugung günstiger würde als die energetische Nutzung fossiler Brennstoffe, zumal die Technologien dafür vorhanden sind, unter den damit verbundenen Preissteigerungen für Lebensmittel stöhnen würden. In Afrika aber würden es viele mit dem Leben bezahlen. - So viel zum Thema „Agrarmärkte und Globalisierung“.

Wie steht die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt im globalen Vergleich da? - Ganz vorn, was Effizienz, Schlagkraft, Dynamik und Entwicklungspotenziale betrifft. Wir haben vorzügliche Ackerböden und die gesündesten Betriebsstrukturen.

Die in den vergangenen Jahren beispielgebende Entwicklung der Ernährungswirtschaft ist nicht unwesentlich darauf zurückzuführen, dass unsere Landwirtschaftsbetriebe kompetente Partner für die Ernährungswirtschaft sind. Sie können aufgrund ihrer Größe die logistischen Anforderungen auf internationaler Ebene erfüllen. Das, was für meine Begriffe noch ein bisschen fehlt, ist ein international agierendes Marketing, das es ermöglicht, mit diesem Pfund zu wuchern. Allein die Grüne Woche reicht dafür bei Weitem nicht aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beklagen immer, dass es in Sachsen-Anhalt zu wenig Tierproduktion gibt. Nun muss man aber unumwunden zugeben, dass im Hinblick auf die internationale Arbeitsteilung Schafhaltung und Rindfleischproduktion nur sehr be

grenzt zu empfehlen sind. Die intensiveren Verfahren hingegen, die Schweine-, Puten- oder Hähnchenmast, bieten bessere Entwicklungspotenziale.

Wir müssen uns in diesem Zusammenhang natürlich darüber unterhalten, welche Maximalgrößen wir bei Tierbeständen haben wollen. Es wird oft zu leichtfertig von Massentierhaltung gesprochen; dabei meint jeder etwas anderes. Sicherlich werden wir nicht dazu kommen, die Tierhaltung weitestgehend auf der Ebene von Streichelzoos zu betreiben.

(Herr Tullner, CDU: Aber auch!)

Es stellt sich aber schon die Frage, wie hoch die maximale Tierbestandsgröße, gebunden an eine Mindestfläche, sein soll. Viele Landwirte, auch von den größeren Betrieben, plädieren zum Beispiel dafür, dass Schweinemastanlagen mit mehr als 50 000 bis 80 000 Tieren verboten werden sollten.

Mein letztes Thema widmet sich einem ganz wichtigen Anliegen - ich erwähnte es schon am Anfang meiner Rede -: Wir müssen in unsere Köpfe investieren. Der Spruch „Der dümmste Bauer hat die größten Kartoffeln“ gilt schon lange nicht mehr.

(Herr Tullner, CDU: Er hat noch nie gegolten!)

Der moderne Landwirt muss Naturwissenschaftler, Techniker, Manager, Betriebswirt und Händler in einem sein, um sich im globalen Wettbewerb der Agrarmärkte zu behaupten.

Deshalb brauchen wir eine starke Aus- und Weiterbildung, wir brauchen eine vorzügliche, vielseitige Hochschulausbildung im grünen Bereich und wir brauchen eine Professur für Agrarpolitik, damit die jungen angehenden Akademiker die Zusammenhänge der Agrarpolitik und ihres wirtschaftlichen Handelns verstehen lernen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Barth. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Tullner. Wollen Sie diese beantworten? - Herr Tullner, bitte.

Lieber Kollege Barth, ich hätte eine Frage und eine Bemerkung. Ich bin kein Landwirtschaftsexperte, aber das, was Sie über die Börsengeschichten gesagt haben, hat mich ein bisschen irritiert. Aber darüber will ich mich nicht auslassen. Ich will Sie auch nicht darauf hinweisen, wer im Aufsichtsrat von Gazprom sitzt; denn das wäre zu billig.

Lieber Herr Tullner, man kann Sie leider nicht hören. Stellen Sie doch das Mikrofon etwas lauter oder sprechen Sie etwas lauter.

Ich versuche es ein zweites Mal. Ich sagte: Lieber Kollege Barth, Ihre Ausführungen zur Börse und zu den Auswirkungen, die das auf den Wirtschaftsbetrieb hat, fand ich ein bisschen ungewöhnlich. Aber darüber will ich mich jetzt nicht auslassen. Ich will mich jetzt auch nicht

auf das Niveau begeben zu sagen: Wer über Ölpreise spricht, muss auch schauen, wer in welchem Aufsichtsrat positioniert ist.

Aber ich will an dieser Stelle eines sagen: Wenn wir als Politiker hohe Preise gerade auf dem Ölsektor beklagen, dann sollten wir auch so ehrlich sein zu sagen: Es gibt auch eine Mineralölsteuer, die wir in den letzten Jahren des Öfteren erhöht haben, die auch zu einem Großteil zu den hohen Ölpreisen beiträgt. So ehrlich sollte man sein.

Zu dem zweiten Punkt, zu dem, was Sie am Ende zur Agrarwissenschaft gesagt haben. Wir alle haben in den letzten Jahren die Diskussion zur agrarwissenschaftlichen Fakultät in Halle geführt. Aber wir müssen einfach auch schauen, wie die Lage der Agrarwissenschaft in ganz Deutschland ist. Da gibt es Umstrukturierungsprozesse, die wir auch in Halle durchgeführt haben. Aber es ist beileibe nicht so, dass wir diese vom Tisch gewischt haben. Sie bestehen in anderen Formen sehr wohl weiter.

Im Übrigen wissen Sie auch, dass dort gerade der erforderliche bauliche Zustand hergestellt wird, sodass wir, glaube ich, in den nächsten Jahren durchaus Ergebnisse erwarten können.

(Zustimmung bei der FDP)

Das war im Grunde keine Frage, sondern eine Intervention. - Herr Barth, wenn Sie dazu sprechen wollen, dann können Sie das gern tun.

Gestatten Sie mir einige Ausführungen dazu.

Bitte.

Zu der Frage der Globalisierung und der Frage der Börse, die ich angesprochen habe. Ich denke, das ist zukünftig ein wichtiger Bestandteil, den wir beachten müssen.

Was die Frage des Ölpreises betrifft, sind wir uns, Herr Tullner, denke ich, darüber einig: Auch wenn wir die Steuern senken, wird es nicht lange dauern, bis die großen Konzerne die entstandene Lücke auffüllen.

(Herr Prof. Dr. Paqué, FDP: Die nicht! Die ist zu groß!)

Vor diesem Hintergrund werden wir dann wieder ein Problem im Bund haben. Das wissen Sie auch.

Zu der Agrarfakultät muss ich an dieser Stelle deutlich sagen: Das ist der Standpunkt unserer Fraktion. Sie kennen den Standort in Halle; er hat eine jahrhundertealte Tradition und wir sollten - auch hinsichtlich der Entwicklung in der Bundesrepublik - aufpassen, dass wir diesen Standort zukünftig nicht gänzlich verlieren. Meine Angst ist, dass wir zukünftig gar nichts mehr haben werden.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr Barth. - Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Herrn Hauser von der FDP das Wort. Bitte schön, Herr Hauser.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Global denken, lokal handeln“ - die Landwirtschaft und der ländliche Raum im Blickwinkel der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft oder - wenn Sie so wollen - im Wandel der schnelllebigen Zeit.

Wenn ich die jetzige Diskussion verinnerliche, dann muss ich fragen: Warum machen wir denn eigentlich die GAP, die gemeinsame Agrarpolitik, eine Politik, die hoch kompliziert ist, die mit vielen Widersprüchen durchsetzt ist und vom Normalsterblichen nicht mehr verstanden wird?

Ich möchte kurz auf die Ausgangslage zurückkommen: die Zeitspanne von der Nachkriegszeit bis heute, die fürchterlichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit, die Hungersnot. Vor allem in den 50er-Jahren haben die Politiker in Ost wie West auf die sichere Verpflegung der Bevölkerung Wert gelegt. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges haben diese Politik angeschoben. Die politischen und gesellschaftlichen Wege trennten sich allerdings sehr schnell in erheblichem Maße, bis wir im Jahr 1990 wieder zueinandergefunden haben und, wie ich hoffe, auch weiter zueinanderfinden.

Mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahr 1957 wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG gegründet, damals von sechs Staaten. Ich glaube, es kann mit Fug und Recht behauptet werden: Die damaligen Gründerstaaten, die im Jahr 1957 die Verträge in Rom, die so genannten Römischen Verträge, unterschrieben haben, haben den Grundstein für die heutige EU mit 27 Mitgliedstaaten gelegt.

Jetzt zum Thema. Die erste agrarpolitische Zielsetzung der damaligen Mitgliedstaaten war die Überführung der zahlreichen nationalen Sonderregelungen für die Landwirtschaft in ein gemeinsames EWG-Rechtssystem, um eine sich angleichende Marktordnung zu schaffen. So wurde die Nahrungsmittelproduktion in der EWG damals erheblich gesteigert und mit stabilisierenden Märkten und einheitlichen Rahmenbedingungen sicher vermarktet. Den landwirtschaftlichen Betrieben wurde zur damaligen Zeit ein sicheres Einkommen garantiert und den Verbrauchern wurden preiswerte Lebensmittel angeboten.