Protocol of the Session on November 15, 2007

Aber was will die FDP nun beim Kommunal-Kombi? Wollen Sie das kofinanzieren und an anderen Stellen im Haushalt Möglichkeiten finden, Landesmittel dafür bereitzustellen? Oder wollen Sie das nicht? - Ich meine, diese Frage müssen Sie sich als Fraktion in diesem Landtag, wenn Sie das andere kritisieren, dann auch gefallen lassen.

(Frau Hampel, SPD: Sehr schön!)

Wir werden über die Frage diskutieren, wenn das Programm mit den konkreten Konditionen auf dem Tisch liegt. Unsere grundsätzliche Skepsis gegenüber ABMProgrammen bleibt natürlich bestehen.

Aber wir haben uns auch in der Vergangenheit nicht gänzlich gesperrt, wenn Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Lande durchgeführt wurden. Wir sehen die Situation am Arbeitsmarkt, wir sehen die sozialpolitische Problematik. Aber wir haben immer mit allem Nachdruck gesagt, dass jede Verdrängung von Arbeitsplätzen an anderer Stelle vermieden werden muss. Ob das mit diesem Programm gelingt, wird sehr genau zu prüfen sein. Darüber werden wir also zu gegebener Zeit reden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. Möchten Sie noch eine Frage von Herrn Miesterfeldt beantworten?

Bitte, Herr Miesterfeldt.

Herr Professor Paqué, ich habe nur eine ganz kleine, bescheidene, beinahe formale Frage: Haben Sie nicht wie ich in den Beratungen auch zur Kenntnis genommen, dass sowohl der Wirtschaftsminister als auch die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitsverwaltung, wenn es um Bürgerarbeit ging, immer von einem Modell gesprochen haben, bei dem es noch viele offene Fragen zu klären gibt?

Ja, der Begriff „Modell“ wurde in der Tat immer verwendet. Aber es würde mich doch sehr wundern,

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

- ja, Herr Gürth - wenn die Zielgröße für die Anwendung der Bürgerarbeit im Bereich von 500 Stellen gelegen hätte. Das kann ich mir schwer vorstellen. So habe ich zumindest den Minister und Sie, die Koalitionäre, nicht verstanden.

(Minister Herr Dr. Haseloff: Das ging über Ihre Erkenntnisgrenze, Herr Paqué!)

Es ging hierbei um ein Programm, das Langzeitarbeitslosen in diesem Land substanziell helfen sollte. Zunächst sollte es modellhaft eingesetzt werden, dann aber, nachdem sehr früh die Erfahrungen sehr gelobt wurden, in größerem Stil. Dann kam Mitte dieses Jahres die Meldung aus dem Müntefering-Haus in Berlin, dass dort ein neues Programm erarbeitet wird. Sofort kam die Botschaft: Dann stoppen wir in Bezug auf die Bürgerarbeit alles und warten auf dieses Programm. - Nun warten wir wirklich auf dieses Programm und sind sehr gespannt, was kommt.

Deswegen auch meine konkrete Frage: Herr Minister, was passiert, wenn das Programm nicht kommt? Werden Sie dann die Bürgerarbeit in der Weise ausweiten, wie Sie es ursprünglich vorhatten? - Sie haben dazu sehr viel angekündigt, und wir erlauben uns, Sie daran zu erinnern.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Professor Paqué. - Die Debatte wird durch den Beitrag der CDU-Fraktion abgeschlossen. Ich erteile Frau Take das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wort Populismus ist heute zur Genüge gefallen und ich werde versuchen, mich jeglichen Populismus zu enthalten. Mich befriedigt die Ungewissheit in Bezug auf den Fortgang der öffentlich geförderten Beschäftigung genau wie Sie in gar keiner Weise. Ich habe aber den Eindruck gehabt: Das, was wir in dem letzten Jahr konkret mit dem - -

Herr Professor Paqué, Sie haben mich mit Ihrem Bürgergeld sehr verwirrt. Ich muss das gleich einmal korrigieren: Es heißt Bürgerarbeit. Bürgergeld war das, was Herr Althaus wollte. Das haben wir aber Gott sei dank nicht bekommen. Also, das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Das, was wir im letzten Jahr mit unserer Bürgerarbeit in den Kommunen erreicht haben, müssen wir, denke ich, hier einfach noch einmal vortragen, damit wir alle uns ins Gedächtnis rufen, dass man, wenn man es konsequent durchzieht, durchaus Erfolg haben kann und dass das Modell Bürgerarbeit nicht nur für uns in Ostdeutschland Früchte tragen würde, sondern auch für viele Kommen in Westdeutschland.

(Beifall bei der CDU)

Mit dem Konzept Bürgerarbeit setzten Landesregierung und Bundesagentur seinerzeit auf eine aktive Arbeitsmarktförderung, welche Arbeit finanziert und nicht Arbeitslosigkeit. Statt Arbeitslose zu alimentieren, wurde ihnen nach dem Prinzip „Leistung und Gegenleistung“ Arbeit und Einkommen angeboten.

Auch auf die Gefahr hin, schon Gesagtes zu wiederholen, lassen Sie mich noch einmal das Projekt Bürgerarbeit etwas detaillierter in Ihr Gedächtnis rufen, da es im Hinblick auf das Thema der Aktuellen Debatte ein zentraler Punkt der arbeitsmarktpolitischen Auseinandersetzung ist. Gern möchte ich am Beispiel der Stadt Bad Schmiedeberg den Werdegang der Maßnahme erläutern, da ich diesen Ansatz vor allen Dingen im Kontext mit der traditionellen Arbeitsvermittlung und der in Ostdeutschland weit verbreiteten traditionellen ABM für wichtig erachte.

Seinerzeit wurden in Bad Schmiedeberg die 331 Arbeitslosen teilweise mehrfach zu Vermittlungsgesprächen eingeladen. Das Resultat war: Nicht wenige reagierten gar nicht und wurden aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet; aber ein Anteil von 20 % der Kontaktierten konnte aufgrund der Beratung in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.

Als dritter Schritt wurden den verbliebenen Arbeitslosen passgenaue Eingliederungshilfen wie Fortbildung verordnet. Bei einem Anteil von 16 % konnte eine Eingliederung erreicht werden. Erst im letzten, dem vierten Schritt, wurde den verbliebenen 131 Arbeitslosen eine Bürgerarbeit angeboten, die sie annehmen mussten. 82 von ihnen haben das Angebot angenommen. Das heißt, damit sind auch die als Differenz übrig gebliebenen aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden.

Ein Großteil des Erfolgs beruhte darauf, dass die Arbeitsverwaltung ihr Kerngeschäft betrieben hat: einerseits Arbeitslose in Arbeit oder Qualifizierung zu vermitteln und andererseits diejenigen, die gar nicht ernsthaft an Arbeit interessiert sind, aufzuspüren. Das geschah mit einem besseren Betreuungsschlüssel als vorher und es geschah vor Ort.

Bis dato wurden die Arbeitslosen in Wittenberg, etwa 30 km von Bad Schmiedeberg entfernt, betreut. Nun fand das Ganze vor Ort statt und man kannte seine Leute. Man kannte die Leute, die vermittelt werden sollten, man kannte die Betriebe, die aufnahmefähig waren, und man kannte die Vereine und karitativen Organisationen, die bereit waren, die entsprechenden Bürgerarbeiter aufzunehmen.

Ich möchte eines ganz deutlich sagen: Intensive Betreuung bringt Arbeitslose in Arbeit, besonders in strukturschwachen Regionen, wo freie Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt Mangelware sind.

Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat mit dem Projekt Bürgerarbeit ein Instrument geschaffen, welches Menschen, die selbst bei guter Konjunkturlage keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, wieder in eine gesellschaftlich akzeptierte und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bringen kann.

Nun verrate ich Ihnen nichts Neues, wenn ich sage, dass dieses Modell, das von der Landesregierung angeschoben wurde, aus verschiedenen Fördertöpfen finanziert wird, aus ESF-Mitteln, aus dem Eingliederungstitel und aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit.

Darin liegt meiner Ansicht nach das Problem. Wir können nicht ohne Weiteres über die Mittel der Bundesagentur für Arbeit verfügen, um dieses Projekt weiterzuverfolgen. Deshalb war ich sehr gespannt auf das angekündigte Modell Kommunal-Kombi. Ich habe es mir dann näher angesehen. Aus meiner Sicht kann dieses neue

Modell, das uns angekündigt wurde, nicht die Qualität unseres Projektmodells Bürgerarbeit erreichen.

Warum bin ich dieser Meinung? - In unserem Projekt Bürgerarbeit werden alle Arbeitslosen erfasst, also die Arbeitslosen, die im Bereich des SGB III und im Bereich des SGB II angesiedelt sind. Sie werden nicht erst erfasst, nachdem zwei Jahre vergangen sind, in denen sie arbeitslos waren und in denen sie Wissen und Fähigkeiten verloren haben, zwei Jahre, in denen die Technik weiter fortgeschritten ist, sodass die Betreffenden dann nicht ohne Weiteres in ihren erlernten Beruf zurückkehren können. Das ist eine sehr wichtige Angelegenheit, die ich bei unserem Projekt Bürgerarbeit für wesentlich besser halte.

Dann gab es Gespräche darüber. Sie erinnern sich an die Beratungen im Ausschuss und Sie erinnern sich daran, was Staatssekretär Herr Pleye uns vorgetragen hat: Wenn wir jeweils Mittel in Höhe von 500 € gedeckelt vom Bund bekommen würden, dann wäre ein Kommunal-Kombi sicherlich auch bei uns entsprechend zu verwirklichen.

Aber so, wie es im Moment aussieht, dass 50 % gefördert werden und dann ein großer Kostenanteil bei den Kommunen hängen bleibt, kann das nicht funktionieren. Das Land kann es kaum leisten und die Kommunen erst recht nicht. Die meisten Kommunen im Land SachsenAnhalt befinden sich in der Konsolidierung. Damit erzähle ich niemandem etwas Neues; Sie alle sind auch Kommunalpolitiker. Deshalb brauchen wir darüber, denke ich, gar nicht groß zu reden.

Ich hoffe nur, dass bei dem Stand, den wir jetzt erreicht haben, noch eine Änderung möglich sein wird. Ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion sehr eindringlich, nach dem Wechsel im Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch einmal zu versuchen, den Kommunal-Kombi so zu gestalten, dass er auch für Sachsen-Anhalt tragfähig wird. In der jetzigen Form ist er für uns nicht anwendbar, in der jetzigen Form wird dieser Kommunal-Kombi scheitern.

Meiner Ansicht nach sollte man versuchen, die guten Ansatzpunkte unserer Bürgerarbeit sowie die Erfahrungen, die wir in Sachsen-Anhalt damit gemacht haben, auf das Bundesprogramm zu übertragen. Warum muss der Bund immer wieder etwas Neues erfinden, wenn wir in Sachsen-Anhalt eine Toparbeit geleistet haben? Wir haben uns Gedanken gemacht. Wir haben mit den Erfahrungen, die wir in Sachsen-Anhalt sammeln konnten, ein gutes Programm auf die Beine gestellt und das wird uns kaputt gemacht. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es nicht gehen soll, nur weil das Programm aus Sachsen-Anhalt kommt. Da kann ich nicht mitgehen.

(Beifall bei der CDU)

Die Debatte war notwendig. Ich möchte nicht alles wiederholen, weil im Prinzip alles schon gesagt wurde.

Unsere Kolleginnen und Kollegen vom Koalitionspartner bitte ich recht herzlich, sich in ihrer Fraktion dafür einzusetzen, dass dieses Programm noch einmal aufgemacht und entsprechend neu gestrickt wird.

Unseren Minister bitte ich, morgen sämtlichen Mut und sämtliche Fortune zusammenzunehmen und unsere Position im Bund streitbar zu vertreten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Take. - Damit ist das zweite Thema der Aktuellen Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 2 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Beratung

Umsetzung des Ladenöffnungszeitengesetzes Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/926

Ich bitte nun Herrn Miesterfeldt, den Antrag einzubringen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen über ein Beinahe-Geburtstagskind, denn morgen, am 16. November 2007, wird das Ladenöffnungszeitengesetz in Sachsen-Anhalt ein Jahr alt. Wir haben damals intensiv diskutiert. Wir haben Gutachten eingeholt und Stellungnahmen abgefordert. Wir haben im wahrsten Sinn des Wortes und auch im positiven Sinn des Wortes politisch miteinander gerungen.

Ich wurde im November 2006 in eine Schulklasse eingeladen und sollte den Schülerinnen und Schülern an Beispielen erklären, wie im Landtag Politik gemacht wird, zum Beispiel wie wir Gesetze auf den Weg bringen. Ich habe damals aus aktuellem Anlass das Ladenöffnungszeitengesetz als Beispiel genommen, habe erklärt, wie wir vorgegangen sind, und habe zum Schluss ausgeführt, dass gerade an diesem Gesetz nachgewiesen werden konnte, dass Bismarck Recht hatte. Dieser sagte, dass Politik Kunst ist, nämlich immer dann, wenn Interessen ausgeglichen werden sollen und müssen.