In den ersten Monaten des Jahres 2007 gab es dann allerdings einen schrittweisen Rückzug. Es ist schon bemerkenswert, dass Ihr Staatssekretär bezüglich der Frage der Befristung im Ausschuss schließlich relativ klar gesagt hat, dass es doch um eine unbefristete Beschäftigung geht.
In der letzten oder vorletzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses - ich weiß es nicht mehr genau - wurde auf die Frage nach der Zahl der in der Bürgerarbeit Beschäftigten die Zahl 500 genannt. Dieses eineinhalb Jahre nach dem Projektanlauf vorliegende Ergebnis kann sich natürlich nicht annähernd mit dem messen, was Sie ursprünglich vorhatten, wobei ich nicht noch einmal die Diskussion eröffne, ob das Projekt an sich Sinn ergibt; das haben wir hinlänglich ausdiskutiert.
Sie tun bei der Darstellung aber ein wenig so, als sei der Kommunal-Kombi so ziemlich genau das, was Sie sich unter der Bürgerarbeit vorgestellt hatten. Sie tun so, als sei der Export eines validen Modells von Ostdeutschland nach Gesamtdeutschland wunderbar gelungen.
Ich muss Frau Dirlich zustimmen, die sagte, dass davon eigentlich nicht die Rede sein kann. Erstens ist die Finanzierung eine ganz andere. Die Finanzierung führt - zumindest nach dem heutigen Verhandlungsstand - zu einer massiven Belastung für das Land und die Kommunen. Wir werden sehen, was morgen in den Verhandlungen herauskommt.
Aber aus meiner Sicht ergeben sich bei der Summe, die Sie mit 290 € pro Fallmonat genannt haben - in der
Summe sind das, wenn man die entsprechende Fallzahl unterstellt, mindestens 164 Millionen € -, gewaltige zusätzliche Lasten. Das ist nicht annähernd mit der reinen Substitution zu vergleichen, die Sie von passiver hin zu aktiver Hilfe im Rahmen des Bürgergeldes vornehmen wollten. Hierbei werden, wenn es so kommt, die öffentlichen Haushalte massiv belastet.
Meine Damen und Herren! Das ist die finanzielle Seite. Wenn man sich das Programm genauer ansieht - es ist zumindest in den wesentlichen Grundzügen bekannt -, dann stellt man fest: Es ist erstens wieder ein auf drei Jahre befristetes Programm.
(Frau Budde, SPD: Wollen Sie mir jetzt erklären, dass die FDP unbefristete Arbeitsmarktprogram- me haben will? Das wäre für mich aber ganz neu!)
(Zustimmung bei der FDP - Frau Budde, SPD: Ich habe Ihnen zugehört! Sonst hätte ich meinen Einwurf nicht machen können!)
Übrigens möchte ich bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen: Eine Befristung von bis zu drei Jahren gibt es schon heute bei ganz normalen AB-Maßnahmen. Der Regelfall ist ein Jahr, aber es gibt bei besonders bedeutsamen arbeitsmarktpolitischen Vorteilen auch Verlängerungsmöglichkeiten.
Der zweite ganz wesentliche Punkt, der natürlich auch zu diesen hohen Kosten führt, ist die beabsichtigte tarifliche Bezahlung. Das Haus, das bisher von Herrn Müntefering geleitet wurde, hat an dieser Stelle die klassische SPD-Forderung nach einer tariflichen Entlohnung eingebracht. Das führt zu entsprechend hohen Kosten, sodass der Bund sagt: Dann zahlen wir nur 50 %.
Die entstehenden Kosten sind eben auch durch die Konstruktionsprinzipien des Programms bedingt. Sie haben eigentlich überhaupt nichts mit dem zu tun, was ursprünglich mit dem Bürgergeld beabsichtigt war.
Wenn man es sich genau ansieht, dann stellt man fest: Wir haben hierbei viel eher ein sehr konventionelles Programm, das in die Richtung von AB-Maßnahmen in der traditionellen Form geht, nur dass eine Sicherung hinsichtlich der tariflichen Entlohnung gegeben ist.
Insofern befinden wir uns keinesfalls in der Philosophie des Bürgerarbeitsprogramms; vielmehr kommen wir eigentlich nur dahin, dass der Bund die AB-Maßnahmen kräftig aufstockt, die traditionell von der Bundesagentur für Arbeit betrieben werden. Das ist eigentlich alles. Von einer neuen Qualität der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland kann überhaupt nicht die Rede sein.
Die Schwierigkeiten beim Programm JobPerspektive haben Sie schon selbst geschildert, Herr Minister. Auch diesbezüglich ist im Grunde genommen nicht zu erwarten, dass es zu einem großen Durchbruch kommt. Es gibt hierbei auch die EU-Problematik, die Sie angesprochen haben. Darauf möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.
Herr Minister, eine Frage haben Sie, auch nachdem ich nachgefragt habe, offen gelassen: Was machen Sie, wenn man sich morgen nicht einigen kann? Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie am Tag vor den Verhandlungen nicht große Szenarien verkündigen, was Sie tun werden, wenn die Verhandlungen scheitern. Aber ich möchte die Frage in diesem Plenum doch noch einmal stellen; denn dann stellt sich neuerlich die Frage, ob dieses Bürgerarbeitsprogramm in der quantitativen und qualitativen Weise, wie Sie sie sich ursprünglich einmal vorgestellt haben, doch aufgegriffen wird oder ob man an dieser Stelle einfach aufgibt.
Dazu möchte ich deutlich sagen: Es ist egal, wie wir das ordnungspolitisch im Einzelnen beurteilen - diesbezüglich sind DIE LINKE und die FDP gänzlich unterschiedlicher Meinung -, aber im Ergebnis, nach anderthalb Jahren intensiver Diskussion - dreimal im Plenum, dreimal im Wirtschaftsausschuss - stehen wir lediglich mit 500 Beschäftigten in Bürgerarbeit da.
Über dieses Programm wurde deutschlandweit diskutiert. Sie haben deutschlandweit Werbung dafür gemacht. Sie haben dafür deutschlandweit politisches Schulterklopfen von einer Menge Leute bekommen. Sie haben mit diesem Programm eine hohe Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit geschaffen. Wer eine hohe Erwartungshaltung schafft, der ist eigentlich auch verpflichtet, etwas zu liefern.
Ganz am Anfang der Debatte wurde das Wort „Populismus“ gebraucht. Frau Dirlich hat offenbar befürchtet, dass das der LINKEN im Zuge der Debatte vorgehalten würde. An diesem Punkt würde ich das jedoch nicht der LINKEN, sondern Ihnen, Herr Minister, vorhalten.
(Zustimmung bei der FDP und von Frau Dirlich, DIE LINKE - Herr Gürth, CDU: Was? - Frau Weiß, CDU: Also wirklich! - Unruhe)
Sie haben im letzten Jahr populistisch verkündet, dass wir hiermit einen Durchbruch in eine neue Welt der wirklich zielorientierten Arbeitsmarktförderung vorgelegt bekommen. Aber Sie haben bisher noch nicht Wort gehalten. Wir werden auch nach den Verhandlungen, die morgen stattfinden werden, im Wirtschaftsausschuss weiter darüber diskutieren müssen, ob Sie in der Zukunft Wort halten. - Ich bedanke mich.
Es ist nicht so, dass ich Ihnen nicht zugehört habe; ich habe vielmehr genau zugehört und das hat zu der Überraschung geführt.
Wenn ich es richtig verstanden habe, bedauern Sie es als FDP und finden es falsch, dass das wieder nur eine Quasi-ABM für drei Jahre ist. Wenn ich mich aber richtig erinnere - hierbei ist es eben nicht egal, wie die einzelnen Fraktionen und Parteien ordnungspolitisch zu bestimmten Maßnahmen stehen -, dann würde eine unbefristete Arbeitsmarktmaßnahme, ein so genannter dauerhafter öffentlicher Beschäftigungssektor, eigentlich überhaupt nicht in ihr ordnungspolitisches Weltbild passen.
Die Frage ist natürlich: Was wollten Sie uns damit sagen? Sind Sie jetzt doch dafür? Oder sind Ihnen drei Jahre zu lang? Oder war es auch nur Populismus, das einfach einmal anzusprechen? So ganz komme ich, ehrlich gesagt, nicht klar mit Ihrer Kritik, dass es „nur“ für drei Jahre ist. Vielleicht können Sie mir das erklären.
Es ist so, dass sich unsere ordnungspolitische Position nicht im Geringsten geändert hat. Wir halten überhaupt nichts von unbefristeten AB-Maßnahmen, in welcher Form auch immer.
Aber ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit, weil ich im letzten Jahr in von Ihnen gelegentlich als penetrant empfundener Weise immer wieder nachgefragt habe, die Frage, ob der Herr Minister und die Kollegen von den die Regierung tragenden Fraktionen wirklich ein unbefristetes ABM-Programm, ein unbefristetes Bürgerarbeitsprogramm wollen. Die Antwort war zunächst ein außerordentlich kräftiges und engagiertes Ja. Das habe ich immer wieder gehört.
Ich habe mehrfach nachgefragt. Dann wundere ich mich schon, dass inzwischen, nachdem das so massiv - das nenne ich populistisch - angekündigt worden war,
- Herr Gürth, hören Sie doch einfach zu - nachdem damit deutschlandweit Werbung gemacht worden war, Stück für Stück - man konnte das in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses schön beobachten - die Flagge wieder eingezogen wurde und man sich am Schluss ganz verstohlen hinter das Programm Kommunal-Kombi gestellt hat, das überhaupt nicht unbefristete Arbeitsverhältnisse zum Ziel hat.
Frau Budde, Sie werden mir doch erlauben, dass ich auf eine Inkonsistenz hinweise, die die Politik der Landesregierung und Ihre Politik enthält, auch wenn ich bei dem Ergebnis, dass es in Zukunft keine unbefristeten ABMaßnahmen in Deutschland geben wird, sogar beruhigt
bin, dass Sie diesen ordnungspolitischen Unsinn doch nicht in der Form machen, wie sie ihn ursprünglich angekündigt haben.
Aber was will die FDP nun beim Kommunal-Kombi? Wollen Sie das kofinanzieren und an anderen Stellen im Haushalt Möglichkeiten finden, Landesmittel dafür bereitzustellen? Oder wollen Sie das nicht? - Ich meine, diese Frage müssen Sie sich als Fraktion in diesem Landtag, wenn Sie das andere kritisieren, dann auch gefallen lassen.