Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen wollen die Gewissheit haben, dass sie eine bedarfsgerechte Pflege erhalten. Dies ist keine neue Erkenntnis. Trotzdem reißt die Klage über die mangelnde Vergleichbarkeit von Betreuungsangeboten nicht ab.
Sie finden für nahezu alle Lebensbereiche Leistungsvergleiche und Rankings. Suchen Sie einfach einmal mit den verschiedenen Begriffen im Internet; es ist überraschend, welche Informationen Sie dort finden können. Das, was Sie über den Bereich Pflegeangebote und Qualität von Heimen dort finden können, ist aber relativ dünn. Es gibt jetzt einen Ansatz unseres Ministeriums, aber wer auf die Internetseite geguckt hat, der stellt fest, dass dabei sicherlich noch das eine oder andere optimierbar ist. Ob das wirklich funktioniert, werden wir erst in einigen Jahren sehen.
Als Liberale reden wir immer von einem Pflege-TÜV. Ich habe gehört, dass auch bei der CDU inzwischen die Idee aufgekommen ist und auch eine Reihe von SPD-Abgeordneten sich in diesem Beritt geäußert hat. Wir müssen aber sehen, ob dies die dritte Säule neben dem MDK und der Heimaufsicht sein soll. Ich glaube, dass sich die Heime herzlich bedanken werden, wenn wir sie mit drei Kontrollen überziehen. Auch hierbei muss schlicht und ergreifend eine neue Regelung dafür gefunden werden, wie wir die Qualität sicherstellen können.
In der Zielstellung sind wir uns sicherlich einig: Wir wollen mehr Transparenz. Das geht, glaube ich, auch jedem hier im Hause so, dass er gern wissen möchte, wie die Qualität in diesen Bereichen ist. Ich glaube aber, dass es nicht ausreicht, wenn wir dazu einfach eine dritte Säule hinstellen.
Das alles und sicherlich eine ganze Reihe anderer Aspekte lassen sich durch Gesetz normieren - das ist ja das, was uns hier interessiert. Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, was die Medien bringen, oder darüber, was die Kassen tun, sondern wir müssen hier darüber reden, was wir als Gesetzgeber eigentlich tun können.
Ich habe schlicht und ergreifend einen Appell an die Regierungsfraktionen: Warten Sie bei der Ausgestaltung des Heimgesetzes nicht, bis durch Verhandlungen zwischen den Ländern alles geregelt ist. Dann haben Sie keinen Handlungsspielraum mehr.
Wenn man sich den augenblicklichen Arbeitsstand zur Umsetzung des Heimgesetzes in den Bundesländern anschaut - dazu gibt es eine schöne Übersicht; die kann ich jedem gern zur Verfügung stellen; sie basiert auf der Selbstauskunft der Länder -, dann stellt man fest, dass
bei uns in der Übersicht nur steht, dass wir in der Arbeitsgruppe sind. Das ist tatsächlich die dürftigste Auskunft aller Bundesländer. Frau Kuppe hat gerade zwei weitere Sätze dazu gesagt.
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es mir schlicht und ergreifend Sorge macht, dass selbst die Bundesländer Hessen und Niedersachsen - sie stehen gerade kurz vor der Landtagswahl und wir alle wissen, dass das immer so ein bisschen Stillstand der Rechtspflege bedeutet - deutlich weiter als wir bei der inhaltlichen Ausgestaltung sind. Es gibt eine Reihe von Bundesländern, die im Jahr 2008 Gesetzentwürfe vorlegen wollen. Ich habe den Eindruck, dass wir uns von dem Thema Einheitlichkeit unter den Bundesländern verabschieden können.
Das heißt, wir müssen als Landesgesetzgeber die Kompetenz auch wahrnehmen und dafür sorgen, dass hier die Qualität normiert wird, die wir uns vorstellen.
Dabei sind natürlich insbesondere die Regierungsfraktionen gefordert. Wenn Sie jetzt nicht tätig werden, werden Sie erst einbezogen, wenn es irgendwelche Vereinbarungen gibt. Das haben wir im Sozialbereich leider schon einige Male erlebt. Wir haben demnächst eine Anhörung genau zu diesem Thema, zu der Sie selbst als Regierungsfraktionen der Auffassung waren, dass Sie im Nachhinein noch eine Information haben wollten.
Wenn die Arbeitskreise der Länder im Bereich der Pflege erst einmal zu Ergebnissen gekommen sind, dann werden Sie nur noch umsetzen, was die Exekutive vorgesehen hat. Deshalb ermuntere ich Sie schlicht und ergreifend: Kümmern Sie sich als Regierungsfraktionen jetzt um dieses Thema. Erarbeiten Sie sich Vorstellungen, wie Sie damit umgehen wollen und bringen Sie diese in die Arbeitsgruppen ein. Ansonsten können wir als Landtag einmal mehr hinterhersehen.
Wenn Sie aber Ihre Verantwortung in diesem Bereich ernst nehmen, dann könnte es sein, dass wir mit dieser Debatte heute wirklich etwas für die Menschen im Land getan haben, und nicht nur dem Ritual, alle paar Jahre darüber zu klagen, eine weitere Episode hinzugefügt haben. - Ich danke Ihnen.
Danke sehr, Frau Dr. Hüskens. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Späthe. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! In dieser sehr angeheizten Atmosphäre in der Öffentlichkeit sind meines Erachtens im Zuge der Debatte zwei verschiedene Themenkomplexe zu betrachten, nämlich zum einen die tatsächlichen Aussagen in dem Bericht des Medizinischen Dienstes und zum anderen die Interpretation der Ergebnisse in der Öffentlichkeit und in den Gremien.
Zu beiden Komplexen, einerseits zum Bericht selbst und andererseits zu dem, was in der Öffentlichkeit daraus gemacht wurde, liegen mittlerweile so viel Material und Meinungsäußerungen vor, dass wir zwei Konferenztage brauchten, um diesem Thema gerecht zu werden. Das ist hier in einer Aktuellen Debatte nicht zu schaffen. Deshalb möchte ich nur kurze Anmerkungen machen.
Weiterhin möchte ich mich als letzte Debattenrednerin bemühen, Herr Kley, nicht so viel von dem zu wiederholen, was meine Kollegen schon gesagt haben. Ich werde es allerdings dann tun, wenn es mir wichtig erscheint.
Zu dem Themenkomplex Situation in der Pflege. Der Bericht des MDK enthält ab Seite 138 die Aussagen zur Einschätzung der Qualität in der Pflege im Land Sachsen-Anhalt. Nicht unerwähnt bleibt auch der positive Einfluss des MDK auf die Qualitätsentwicklung in den letzten Jahren. Bei 88,8 % der untersuchten Personen wurde der Pflegezustand als angemessen bezeichnet; bei 11,2 % demzufolge nicht. Auch das ist immer noch zu viel. Fälle von verhungerten oder verdursteten Heimbewohnern sind allerdings nicht aufgetreten.
Zu beachten ist - das sage ich hier in aller Deutlichkeit -: Der MDK prüft im Falle eines gegebenen Anlasses. Der Begriff „Negativselektion“ ist heute bereits gefallen. Die Verallgemeinerung ausgerechnet dieser Prüfergebnisse, wie sie eingetreten ist, ist zumindest zu hinterfragen. Seitens der Fachgremien wird hierbei eine genaue Analyse unter Beachtung aller Rahmenbedingungen, unter Beachtung aller Auswahlkriterien und vor allen Dingen der angewandten statistischen Verfahren vorzunehmen sein.
Eine Anmerkung zum wissenschaftlichen Stand und zu den Ansprüchen an die Pflege: Ambulant vor stationär, Rehabilitation vor Pflege, aktivierende Pflege, Pflege unter Beachtung des Kulturkreises, aus dem der Heimbewohner stammt - all diese Forderungen sind bekannt und werden immer wieder gern wiederholt.
Es sind auch intensive Überlegungen im Gange. Es existieren Qualitätsgemeinschaften beim Paritätischen, es gibt Fachgremien der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und auch die privaten Anbieter stellen sich dieser Herausforderung. Die Ansätze sind logisch und offensichtlich. Aber mit der finanziellen Ausstattung und Absicherung dieser Ansätze tun sich alle in der Pflicht Stehenden schwer. Moderne Ansätze wie in der gerontopsychiatrischen Versorgung und höchste Pflegequalität werden erwartet, aber kosten soll es möglichst wenig.
Deshalb kurz zu den Rahmenbedingungen. Die Pflegesachleistungen, also der Geldbetrag, den die Pflegeversicherung aufbringt, um Kosten für die Pflege zu übernehmen, sind seit der Einführung konstant. Ungeachtet der Steigerung der Sachkosten und der sonst stattfindenden Lohn- und Gehaltssteigerungen in den übrigen Bereichen unserer Gesellschaft bleiben diese Sätze konstant. Wie nehmen die Pflegenden in unseren Heimen denn an der Lohn- und Gehaltssteigerung teil? - Überwiegend gar nicht.
Darüber hinaus ist die Personaldecke äußerst knapp bemessen. Das sagt schon der Name „Personalmindestverordnung“. Es wird in der Öffentlichkeit sogar davon ausgegangen, dass diese Mindeststandards zum Teil unterschritten werden. Wie sich dies auf die Motivation der Pflegenden auswirkt, ist nahe liegend. Viele Pfleger - das gilt bundesweit - bleiben deshalb auf ihrem Platz, weil sie ihre zu Pflegenden nicht im Stich lassen wollen.
Zu den Sachkosten. Wir waren in diesen Tagen wieder unterwegs mit der Besuchskommission des Psychiatrieausschusses. Uns begegnet dabei immer wieder die Diskussion über die medizinische Versorgung der Heimbewohner und die Tatsache, dass die Ärzte aufgesucht
werden müssen, weil Heim- und Hausbesuche nicht mehr stattfinden. Wie das zu finanzieren ist und woher man das Personal nimmt, um die Leute zum Arzt zu begleiten, das bleibt der Sorge der Einrichtungsträger überlassen.
Ich habe eine sehr schöne Formulierung gefunden in den vielen Papieren, die wir in den letzten Tagen zu lesen bekamen. Diese lautet wie folgt:
Einige Schlussfolgerungen zu den Missständen und Konsequenzen für die Träger. In einer Pressemitteilung des Ministeriums für Soziales wurden zu den unterschiedlichen Zahlenreihen unter anderem Ausführungen zu Prüfergebnissen der Heimaufsicht gemacht. Es wurde festgestellt, dass die aufgetretenen und vor allem die gefundenen Mängel vielfach die Führung der Dokumentation betreffen, also die schriftliche Nachweisführung über erbrachte Pflegeleistungen. Das ist eines der Kardinalprobleme. Was nicht in der Dokumentation steht, hat nicht stattgefunden und ist nicht abrechenbar. Also ist die Führung der Dokumentation wichtiger als alles andere.
Diese Nachweise kontrolliert die Heimaufsicht schwerpunktmäßig - im bürokratischen, planerischen, baurechtlichen und rechtlichen Bereich. Insofern sind die MDKPrüfungen in unserem heutigen Zusammenhang hilfreicher als Prüfungen der Heimaufsicht, da sie den realen Pflegezustand der Menschen betrachten.
Ich erlaube mir an dieser Stelle, auf den Heimbereich hinzuweisen, der nicht in den Verantwortungsbereich des MDK fällt und nur von der Heimaufsicht kontrolliert wird, nämlich den Bereich der Behindertenhilfe. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang die Ertüchtigung der Kontrollgremien, insbesondere der Heimaufsicht, um die Einrichtungsbetreiber mit aller Konsequenz zur Einhaltung der Qualitätsstandards anzuhalten.
Man muss auch die personelle Ausstattung dieser Kontrollgremien kontrollieren, sowohl hinsichtlich der Qualifikation als auch der Stellenanzahl. Eine Kooperation der Kontrollgremien Heimaufsicht und MDK wäre ebenfalls hilfreich, da sich diese durch die unterschiedlichen Prüfansätze gegenseitig sehr gut ergänzen könnten.
Mit den Besuchskommissionen des Landespsychiatrieausschusses - das ist bereits erwähnt worden - verfügen die Bürger unseres Landes über ein weiteres Aufsichts- und Beratungsgremium bei der Überprüfung der Heimqualität. Insofern kann sich der Landtag, der mit seinen Fraktionen in diesem Kontrollgremium vertreten ist, durchaus selbst ein Bild von der Pflegesituation im Lande machen.
Ein Wort zur Föderalismusreform und zur Heimgesetzgebung. Die Föderalismusreform soll die Heimgesetzgebung in die Verantwortung der Länder überführen. Auch hierbei sollte Sachsen-Anhalt auf ein zwischen den Ländern abgestimmtes Verfahren zur Heimmindestbauverordnung, zur Heimmindestpersonalverordnung und
Bis jetzt gelten nämlich bundeseinheitliche Standards. Uns liegt überhaupt nicht daran, diese abzusenken und zwischen den Ländern zu differenzieren.
Für die Herausforderungen in der Zukunft brauchen wir ein abgestimmtes Handeln zwischen allen politischen Ebenen, den Dienstleistern im weitesten Sinne - von Heimbetreibern bis hin zu Caterern -, den Wohnungsunternehmen sowie den Bildungsträgern für die Aus- und Weiterbildung von Pflege- und Hilfspersonal. Kurz gesagt: Wir brauchen hier im Lande ein sozialpolitisches Gesamtkonzept, das den Namen auch verdient, inklusive eines seniorenpolitischen Konzepts. Ich weiß, dass zurzeit mit Hochdruck daran gearbeitet wird und dass wir uns in Zukunft noch umfänglich mit diesem Thema beschäftigen können.
An dieser Stelle kurz einige grundsätzliche Anmerkungen zu der Art und Weise der Darstellung in der Öffentlichkeit, zu dem zweiten Komplex, den ich ansprechen wollte. Der Bericht des MDK wurde öffentlich vorgestellt, es wurden Prozentzahlen, die Durchschnittswerte darstellen, veröffentlicht und sensationsheischend ausgebreitet. Die Werte von Sachsen-Anhalt wurden nicht sachgerecht dargestellt und ungerechtfertigterweise auf die Formel „Auch bei uns verhungern und verdursten Heimbewohner und werden eingesperrt“ verkürzt.
Das Sozialministerium reagierte zunächst mit einer Entgegnung von Werten, die anderen Statistiken entnommen wurden und demzufolge nicht mit der Analyse vergleichbar waren. Die Reaktion der LINKEN, die sofort von einer Verschleierung der wahren Zustände in den Einrichtungen des Landes ausging, und damit die heutige Aktuelle Debatte beantragte, war in der Sache selbst auch nicht so hilfreich. Inzwischen wurden die Aussagen relativiert - und das ist gut so.
Wir sollten diesen Anstoß zur Diskussion nun sachgerecht und unaufgeregt nutzen, in der tiefen Überzeugung, dass jeder, aber auch wirklich jeder Fall von unzureichender Pflege einer zu viel ist und dass alle Anstrengungen dagegen unternommen werden müssen und tatsächlich auch werden. Trotz dieser Grundeinstellung halte ich die pauschalisierte Darstellung einer Pflegemangelsituation in Sachsen-Anhalt in der Öffentlichkeit für nicht angebracht, für nicht in Ordnung und für einen Schlag ins Gesicht derer, die tagtäglich in den Einrichtungen ihr Menschenmögliches tun, um die Betroffenen sachgerecht zu versorgen,
ganz zu schweigen von der Verunsicherung der Betroffenen und ihrer Angehörigen, die in der Regel als letzte Möglichkeit auf eine Heimunterbringung ihrer Angehörigen zurückgreifen mussten oder eine solche für die Zukunft in Betracht ziehen.
Leider - auch das ist schon gesagt worden - sind die Versuche von Einrichtungsträgern, Pflegern und ihren Verbänden, in der Öffentlichkeit Gehör zu finden, in der