Protocol of the Session on July 13, 2007

Den Änderungsantrag werden wir ablehnen. Er verkürzt unseren Antrag fast auf den gleichen Inhalt. Wir haben den Eindruck, dass er nur gestellt worden ist, damit Sie unserem Antrag nicht zustimmen müssen.

(Herr Stahlknecht, CDU: So etwas machen wir doch nicht! - Herr Tullner, CDU: Der Eindruck täuscht!)

Unser Stimmverhalten ist im Umkehrschluss genauso. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Fiedler. - Nun wird der nächste Antrag eingebracht. Es spricht Herr Dr. Schellenberger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe zwar nicht die Aussage meiner Vorrednerin, dass der Antrag auf den gleichen Inhalt verkürzt werden kann; darüber müssten wir noch einmal diskutieren.

Aber wir sind uns, denke ich, darin einig, dass die Berufsorientierung für die Schülerinnen und Schüler in Sachsen-Anhalt auch für technische Berufe auf jeden Fall verbesserungswürdig ist. Aus diesem Grunde fordern die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auf, bis Ende dieses Jahres im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ein Konzept zur Verbesserung der Berufs- und Studienvorbereitung an allgemeinbildenden und Förderschulen vorzustellen.

Bei diesem Konzept geht es uns im Wesentlichen um drei Schwerpunkte, und zwar erstens um die Schaffung der Rahmenbedingungen für eine flächendeckende Einführung von Praxistagen an Sekundar- und Förderschulen und zweitens um die Einleitung gezielter Maßnahmen zur Verbesserung der Studienvorbereitung an Gymnasien, wobei der Antrag an dieser Stelle zu ergänzen wäre - das haben wir schlichtweg übersehen -: Das schließt auch die Gesamtschulen ein. Im dritten Punkt geht es um eine Verstärkung der Kooperation aller an diesem Prozess beteiligten Partner.

Ich denke, wir alle haben oft genug die Klagen von Wirtschaft, Universitäten und Fachhochschulen gehört, dass die Schüler immer schlechter vorbereitet sind, dass wesentliche Kenntnisse und auch notwendige Tugenden, wie Pünktlichkeit und Ordnung, fehlen.

Aber Schule - auch eine gute Schule nicht - kann nicht alles leisten und alles ausbügeln, was im Elternhaus versäumt worden ist. Dabei spielt natürlich auch die Frage der Motivation eine entscheidende Rolle. Viele Schülerinnen und Schüler sagen sich: Warum soll ich mich überhaupt anstrengen? Ich habe eh keine Perspektive. - Meistens werden sie so getrimmt, dass sie auch sagen: Ich kann ja eh nichts.

Doch - wir haben es oft genug gehört und wir wissen es auch -, jeder hat seine speziellen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Gerade die zu entdecken und zu entwickeln, ist die große Herausforderung, die es zu meistern gilt. Ich denke, in diesem Prozess kann eine frühzeitige Berufsorientierung, natürlich auch auf technische Berufe, sehr motivierend wirken. Gefragt ist an dieser Stelle eine enge Kooperation mit allen Partnern, um eine entsprechende Motivation zu erreichen.

Wir haben oft genug gehört und gelesen, welche positiven Effekte von den vielen Projekten, die im Moment schon im Land durchgeführt werden, ausgehen, das heißt, welche Wechselwirkungen im Hinblick auf die Motivation bei den Schülerinnen und Schülern zustande kommen. Voraussetzung ist natürlich, dass im Rahmen der Praxistage eine interessante Arbeit im Betrieb aufgenommen werden kann.

Wir erreichen dadurch motivierende Leistungen für die Schule. Die Schüler erkennen, warum es sich doch

lohnt, sich anzustrengen und in der Schule zu lernen. Sie erkennen, dass sich bei entsprechender Leistung Chancen für sie ergeben, sodass sie aus dem Teufelskreis, den sie zu Hause manchmal erleben, herauskommen können.

An dieser Stelle darf nicht nur geklagt werden, sondern es ist wichtig, gemeinsam zu handeln und alle Partner mit ins Boot zu holen - ich denke, das sind wir unseren Schülerinnen und Schülern, die unsere Zukunft gestalten sollen, schuldig -, um die Schülerinnen und Schüler in Sachsen-Anhalt gemeinsam auf eine bessere berufliche Praxis vorzubereiten. Das wollen wir gemeinsam in Angriff nehmen. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Schellenberger. - Zunächst habe ich die Freude, Seniorinnen und Senioren des Bahnsozialwerkes Magdeburg auf der Südtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun erteile ich Herrn Minister Professor Olbertz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Technikverständnis ist ohne Zweifel ein wesentlicher Zugang zur Welt, nicht nur bei einschlägigen Berufen, sondern auch hinsichtlich grundlegender gesellschaftlicher Fragestellungen bis in den Alltag hinein. Technische Bildung ist daher ein unentbehrlicher Bestandteil einer guten, relevanten und im Übrigen auch lebenspraktischen Allgemeinbildung.

Eine - wenn auch nicht exklusive - Besonderheit an ihr ist, dass sie theoretische Entwürfe und deren praktische Anwendung bzw. Tauglichkeit miteinander verbindet. Insofern ist sie beispielhaft dafür, dass wir unter wirklichem Lernen und unter Bildungserfolg auch technische Kompetenz verstehen. Das Erleben von Relevanz, von Authentizität schulischen Lernstoffes stärkt, wie die Vermittlung von praktischem Erfolg, auch die Lernmotivation.

Viele Bildungsziele kann man allerdings nicht exakt einem oder gar nur einem Unterrichtsfach zuordnen. Ich sage dies nicht, um den Technikunterricht infrage zu stellen, sondern nur, um deutlich zu machen, dass die technische Bildung mehrere Unterrichtsfächer angeht, im Grunde eine Art universelles Anliegen ist: die Physik, die Mathematik, die weiteren Naturwissenschaften, aber auch Deutsch oder sozialwissenschaftliche Fächer bis hin zu ethischen Reflexionen.

Was man heute oft als Technikskeptizismus oder gar -feindlichkeit wahrnimmt, kennzeichnet eine Einstellung, die nicht selten aus mangelnder Technikkompetenz, mangelndem technischen Vorstellungs- und Urteilsvermögen resultiert, also letzten Endes tatsächlich mit technischer Bildung zu beheben wäre.

Zur Förderung der technischen Bildung gibt es im Lande vielfältige Initiativen, die mir allerdings selbst noch nicht hinreichend miteinander verknüpft erscheinen. Ich ermutige das Ministerium und die Schulverwaltungen immer wieder, noch stärker die Zusammenarbeit mit kom

petenten Partnern aus der Wirtschaft und den Schulen zu suchen.

Was die Schulen selbst betrifft, so sind die Bestandteile der technischen Bildung in den Rahmenrichtlinien und Fachlehrplänen der einzelnen Schulformen fest verankert. Künftig werden sie auch eine Schlüsselrolle im neuen Lehrplan der Sekundarschulen spielen, und zwar unter dem Schwerpunkt Begegnungen mit der Arbeitswelt einschließlich Berufsberatung, Berufsvorbereitung.

Allein das lässt übrigens Ihre Frage nach der Lehrerausbildung ganz und gar gerechtfertigt erscheinen. Ich komme gleich darauf zurück.

Auch in den Stundentafeln der Grundschule, der Sekundarschule, der Gesamtschule und des Gymnasiums sind Unterrichtsfächer bzw. Kurse, die Elemente der technischen Bildung enthalten, fest verankert. Für die Sekundarschule und die Gesamtschule haben wir das Stundenvolumen für den Lernbereich Wirtschaft, Technik, Hauswirtschaft in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Sekundarschulen bieten überdies den Wahlpflichtkurs „Planen, Bauen, Gestalten“ an und können zusätzlich eigene Konzepte zur Vermittlung technischer Kompetenzen für Wahlpflichtkurse entwickeln.

In der Sekundarstufe II des Gymnasiums ist Technik als Fach des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeldes Belegungsfach des Wahlpflichtbereichs und kann sogar für eine besondere Lernleistung gewählt werden. An allen Schulformen gibt es zudem ein breites Angebot an Arbeitsgemeinschaften zur technischen Bildung.

Auch zur Lehrerfort- und -weiterbildung werden wir dem Ausschuss gerne berichten, zum Beispiel zu den Fortbildungsschwerpunkten Kooperation Schule/Wirtschaft, Berufsorientierung, zu ausgewählten fachdidaktischen und methodischen Problemstellungen in den Fächern Technik, Wirtschaft, Hauswirtschaft, Gestalten, Werken oder Moderne Medienwelten.

In der Lehrerweiterbildung wurden für den Fachbereich Wirtschaft/Technik in den vergangenen Jahren Kurse und Studiengänge zu den Themen Wirtschaftslehre, Wirtschaftskunde sowie Wirtschaft und Verwaltung durchgeführt.

Meine Damen und Herren! Im Vorgriff auf den zweiten Antrag darf ich an dieser Stelle schon auf die Praxistage verweisen, die nicht nur ein Beispiel für gelungene Kooperation von Schulen mit Unternehmen sind, sondern auch die Möglichkeit bieten, den Unterricht praxisnah zu gestalten und sich frühzeitig der Berufswelt zuzuwenden.

Was nun die primäre Lehrerausbildung betrifft, spricht der Antrag vor allem die Ausbildung von Grundschullehrern für das Fach Künstlerisches und Technisches Gestalten an. Mit diesem Fach wird zusammengeführt, was gerade im Kinderalter auch gar keiner Trennung bedarf. Das Fach Gestalten wird mit den neuen Lehrplänen für die Grundschule seit dem Schuljahr 2005/2006 unterrichtet. Als Studienfach für die Lehramtsausbildung an Grundschulen gibt es das Fach ab dem kommenden Wintersemester an der Martin-Luther-Universität in Halle.

Man muss natürlich sagen: Es sind ja gut ausgebildete Lehrer da, auch wenn die neue Kombination in der Lehramtsbezeichnung noch nicht auftaucht. Es sind die

bisherigen Lehrer beispielsweise für Werken, für Zeichnen, für Kunsterziehung, denen man durchaus zutrauen kann, diese neue Symbiose, zumal sie durch Fortbildung begleitet wird, auch zu bewältigen. In der Zukunft wird es aber ein eigener Lehramtsstudiengang sein.

Nicht weniger wichtig ist die Frage der künftigen Lehrerausbildung für die weiterführenden Schulen im Fach Wirtschaft und Technik. Wie Sie wissen, wird die MartinLuther-Universität diese Ausbildung nicht weiterführen. Deshalb haben wir mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg vereinbart, dass ein Konzept für die Lehramtsausbildung im Fach Wirtschaft/Technik erarbeitet wird.

Dabei soll dieses Fach als Drittfach angeboten werden, das Studierende der halleschen Universität zum Ende ihres Studiums belegen können. Denkbar ist allerdings auch, ein solches Drittfach nach dem regulären Abschluss zu studieren.

Nun bin ich allerdings selbst nicht sicher, ob solche Angebote ausreichen werden, dem Bedarf der Schulen zu entsprechen. Meine Überlegung geht deshalb dahin, die Ausbildung für das Lehramt Technik und Wirtschaft in das Studium für das Lehramt an berufsbildenden Schulen zu integrieren. Für einen solchen Lehramtsstudiengang müsste ein neues, eigenes Format entwickelt werden, das die Fächer Technik und Wirtschaft mit bestimmten Anteilen des Berufsschullehrerstudiums kombiniert, und zwar mit dem Ziel, eine polyvalente Qualifikation zu erlangen, die sowohl für Technik und Wirtschaft als auch für Aufgaben der Berufsvorbereitung an der Sekundarschule, der Berufsberatung, des praktischen Unterrichts zwischen Schule und Arbeitswelt und schließlich für den Übergang in das Berufsbildungssystem gilt.

Meiner Meinung nach sollten wir hier den Mut zu einem originellen und innovativen Pilotprojekt aufbringen; denn auf diese Weise herangebildete Experten für den Bereich Schule/Arbeitswelt können wir an jeder Schule gut gebrauchen. Dazu muss man einiges an Rechtsvoraussetzungen, Lehramtsstudiengangstrukturen und dergleichen mehr ändern.

Aber warum soll man nicht einmal probieren, es mit dem Lehramt an Berufsschulen zu verknüpfen, dafür ein eigenes Anwendungsprofil auch im Beamtenrecht zu definieren und dann in den Schulen einerseits gut ausgebildete Lehrer für Technik und Wirtschaft zu haben, die aber gleichzeitig Multiplikatoren für den Bereich Begegnung Schule/Arbeitswelt sind, sich um Berufsvorbereitung, Berufsberatung und dergleichen mehr kümmern und dafür Experten sind?

(Zustimmung bei der CDU)

Ich glaube, das ist eine interessante Herausforderung für die Berufsschullehrerbildung; denn es ist nichts anderes als eine Variation davon und kann deswegen mit den Potenzialen in Magdeburg außerordentlich gut verknüpft werden. Ich denke nur an die Ingenieurwissenschaften.

Wenn ich nun noch kurz zum zweiten Antrag komme, dann gewiss nicht deshalb, weil er mir weniger wichtig erscheint, sondern weil ich ihm im Wesentlichen zustimmen kann. Gerade regelmäßige Praxistage und weitere berufs- und studienvorbereitende Initiativen an den Schulen können dazu beitragen, Schülern deutlich zu

machen, warum es sich lohnt, einen guten Abschluss zu erreichen, und ihnen die Berufs- und Studienwahl zu erleichtern.

Seit ungefähr drei Jahren unternimmt das Ministerium einiges, um den Schulen die Durchführung von Praxistagen zu ermöglichen. Dazu wurden unter anderem die Stundentafeln inzwischen so flexibilisiert, dass ganz regelmäßig Unterricht in der unternehmerischen Praxis, also in Betrieben, Werkstätten, Einrichtungen freier Bildungsträger usw., stattfinden kann. Nach meinem Eindruck sind die Schulen über diese Möglichkeiten gut informiert und greifen sie auch deutlich zunehmend auf.

Derzeit wird außerdem der geltende Leistungsbewertungserlass so ergänzt, dass praktisch erworbene Kompetenzen stärker in der Leistungsbewertung berücksichtigt werden können. Als aktuelles Projekt darf ich auf „Brafo“ hinweisen - „Berufswahl richtig angehen, frühzeitig orientieren“, aus diesen Initialen kommt das Wort „Brafo“ zustande -, das unter Federführung des Wirtschaftsministeriums mit Beginn des neuen Schuljahres für die 7. und 8. Klassen wirksam wird. Durch dieses Projekt werden Praxistage für alle Schülerinnen und Schüler möglich, ohne dass daraus weitere Kosten für die Schulen erwachsen.

Auch im Hinblick auf die gymnasiale Oberstufe halte ich es übrigens für sinnvoll, dass jeder Schüler bzw. jede Schülerin die Gelegenheit erhält, zum Beispiel an zwei Tagen im Schuljahr oder vielleicht sogar im Schulhalbjahr an einer Hochschule, an einer wissenschaftlichen Einrichtung oder an einem Unternehmen, das auch Forschungsaufgaben erfüllt, Einblick in die Studienanforderungen und -abläufe sowie in die Formen des wissenschaftlichen Arbeitens, des Transfers, der praktischen Umsetzung von Wissenschaft nehmen zu können. Allerdings brauchen wir für eine flächendeckende und verbindliche Einführung von Praxistagen tatsächlich auch etwas mehr Geld. Das darf dann nicht verschwiegen werden.

Ich räume aber gern ein - darin sind wir uns einig, Frau Fiedler -, dass die mangelnde Nachfrage der jungen Leute nach den technikwissenschaftlichen Studienfächern, Ingenieurwissenschaften usw., obwohl der Bedarf und die Erwerbssicherheit dort am größten sind, auch mit einem mangelnden Zutrauen in die eigene Kompetenz im technisch-naturwissenschaftlich-mathematischen Sektor zusammenhängt, sodass man in der Tat auch im Gymnasium, ohne das Profil des Bildungsgangs - Wissenschaftspropädeutik, allgemeine Hochschulreife - zu verletzen, durchaus auch technische Phasen einbauen könnte, damit diese Berührungsängste mit den Ingenieurwissenschaften, die zurzeit ganz augenscheinlich sind, abgebaut und damit im Übrigen auch diese Studienkapazitäten besser ausgelastet werden können, was uns im Moment Kopfzerbrechen macht, weil die Nachfrage nicht so ist, wie wir uns das wünschen.

Eine abschließende Bemerkung: Das im Antrag geforderte Konzept zur Verbesserung der Berufs- und Studienvorbereitung soll mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern, den Hochschulen und den freien Bildungsträgern abgestimmt werden. Das ist sicherlich sinnvoll, bedeutet aber, dass die Einhaltung der Frist nicht mehr allein in den Händen des Kultusministeriums liegt. Vorsorglich weise ich darauf hin. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie das berücksichtigen könnten, und sei es

durch ein Einvernehmen darüber, dass die Landesregierung auf jeden Fall bis Ende dieses Jahres über den erreichten Stand berichten wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)