Protocol of the Session on July 13, 2007

Vielen Dank, Herr Schröder. - Nun noch einmal Herr Heft. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz auf einige Aspekte eingehen. Wir haben die etwas schizophrene Situation - auf diese Frage hat in diesem Haus niemand geantwortet, weder Herr Schröder, noch Sie, Herr Dr. Daehre -, dass der Inhalt dieses Gesetzes - darauf habe ich deutlich hingewiesen - unter anderem darin besteht, dass die treuhänderische Übergabe des gesamten Eigentums des Bundes an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen an die Holding Deutsche Bahn AG erfolgt, während der Eigentümer gleichzeitig auf seine sämtlichen Stimm- und Verfügungsrechte in Bezug auf dieses Eigentum verzichtet. Das steht so im Gesetz in der Fassung vom Juni 2007.

Nun soll mir bitte jemand erklären, wie das funktioniert. Herr Schröder, Sie übereignen mir treuhänderisch Ihr Auto,

(Herr Gürth, CDU: Da wäre ich sehr vorsichtig!)

ich kann damit tun und lassen, was ich will. Wenn Sie es denn zurückhaben möchten, dann kaufen Sie es mir bitte ab zu einem Wert, den ich bestimme. - Das steht de facto in dem Entwurf eines Eisenbahnneuordnungsgesetzes. Es ist eine Situation, die nicht funktioniert. Das geht nicht auf.

Die andere Situation ist - darin stimme ich Ihnen zu, Herr Schröder -, dass der Bund nach dem Grundgesetz zur Sicherung der Mobilität im Interesse des Allgemeinwohls verpflichtet ist. Dazu benötigt der Bund entsprechenden Einfluss auf die Eisenbahninfrastrukturunternehmen.

Nun enthält dieser Gesetzentwurf genau die eben von mir genannte Eigentumssicherungsübertragung bei

gleichzeitigem Abtreten der Stimmrechte. Das Ergebnis ist, dass der Bund, wenn die Deutsche Bahn AG zu 49,9 % an private Dritte an der Börse verkauft wird, auf der Ebene der Holding der Deutschen Bahn Aktiengesellschaft über eine Mehrheit von 50,1 % verfügt.

Das sieht rechnerisch danach aus, als ob der Bund vollen Einfluss ausüben könnte. Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass wir im Bereich der Deutschen Bahn Aktiengesellschaft aufgrund der Größe des Unternehmens mitbestimmende Aufsichtsräte haben. Damit schrumpft die Mehrheit des Bundes schon auf Ebene der Holding auf eine Minderheit, die nicht einmal die Sperrminorität von 25,1 % erreicht, zusammen.

Der Bund ist nicht einmal auf der Ebene der Holding in der Gesellschafter- oder in der Hauptversammlung in der Lage, den Vorstand seinen Interessen gemäß zu besetzen. Wenn der Vorstand auf dieser Ebene schon nicht im Interesse des Bundes besetzt werden kann, sondern die Arbeitnehmer zusammen mit dem Dritten einen ihnen genehmen Vorstand einsetzen, welcher dann aufgrund der Eigentumsrechte, die der Bund an diesen Vorstand übertragen hat, de facto bestimmt, wie sich der Aufsichtsrat in den Eisenbahninfrastrukturunternehmen zusammensetzt, dann soll mir bitte jemand erklären, welchen Einfluss der Bund dann auf der Ebene der Eisenbahninfrastrukturunternehmen noch hat. Er hält dann nämlich noch 23 %. Das ist ganz einfach durchzurechnen. Insofern geht das Ganze nicht auf.

Eine letzte Anmerkung. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie reden sicherlich von Transparenz in den entsprechenden zu treffenden Vereinbarungen. Das ist so weit auch in Ordnung - wir haben nun einmal diese schizophrene Situation; wir sind nicht für die Trennung von Netz und Rad, im Gegenteil -, aber eben nicht zu den von mir geschilderten Konditionen, nach denen der Bund auf das Netz, das ihm praktisch gehört, keinen Einfluss mehr ausüben kann. Das ist die schizophrene Situation. Das kann niemand erklären. Genau das ist die Krux bei der Geschichte.

Sie reden von Transparenz. Nun liegt - das wissen Sie - von uns ein Antrag auf Akteneinsicht in die Verkehrsverträge mit der Deutschen Bahn AG, der Elbe-Saale-Bahn GmbH und der Burgenlandbahn GmbH vor. Es wird momentan geprüft, inwieweit man hier Einsicht nehmen kann. Es gibt allerdings schon den Vorbehalt, dass hierzu die Zustimmung des Vertragspartners eingeholt werden soll.

(Minister Herr Dr. Daehre: Das ist so!)

- Das ist zunächst richtig, Herr Dr. Daehre. - Aber wo ist denn dabei die Transparenz, wenn ich den anderen Vertragspartner erst einmal fragen muss, ob der Gesetzgeber, der eigentlich der andere Vertragspartner ist, überhaupt Einblick nehmen darf? Das ist keine Transparenz mehr. So wird auch die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung aussehen.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

Insofern, meine Damen und Herren, Herr Paqué, stimmen wir zumindest der Überweisung an die Ausschüsse zu. Dort können wir das Thema, das sehr kompliziert ist - Sie haben es in Ihrem Beitrag überhaupt nicht gestreift -, in Ruhe bereden. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Heft. - Die Debatte ist damit beendet.

Es wurde beantragt beide Anträge, den Antrag der Linkspartei.PDS sowie den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD, an die Ausschüsse - ich vermute, damit ist der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr gemeint - zu überweisen. Wer stimmt für eine solche Überweisung? - Die Antragsteller. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Überweisungsantrag abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktion Linkspartei.PDS ab. Wer stimmt diesem zu? - Die Antragsteller. Wer stimmt dagegen? - Alle anderen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und SPD in der Drs. 5/778 ab. Wer stimmt diesem zu? - Der Antragsteller und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - DIE LINKE. Damit ist der Tagesordnungspunkt 18 erledigt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16:

Beratung

a) Technische Bildung an allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/690

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/776

b) Konzept zur Verbesserung der Berufs- und Studienvorbereitung an allgemeinbildenden Schulen und Förderschulen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/735

Ich bitte zunächst Frau Fiedler von der Fraktion DIE LINKE, den ersten Antrag einzubringen. Bitte schön.

Meine Damen und Herren! Vorgestern hat sich im Landtag der Bildungskonvent konstituiert. Er wird mindestens zwei Jahre lang Schwerpunkte schulischer Veränderungsmöglichkeiten diskutieren und die Ergebnisse danach dem Landtag vorlegen. Manche Themen sind jedoch so wichtig, dass sie schon vorher beredet werden müssen. Dazu gehört das Thema „technische Bildung“. Deshalb bringen wir heute diesen Antrag ein, der inzwischen Nachbarn und Nachfahren gefunden hat.

Technische Bildung trägt dazu bei, durch Einsichten in den Zusammenhang von Schule, Wirtschaft und Technik auch Zusammenhänge zwischen Schule, Gesellschaft und Leben zu begreifen. Wir sehen neben allen unstrittigen Wirkungen für Berufs- und Studienvorbereitung in technischer Bildung oder, wie wir in unserem Konzept sagen, in polytechnischer Bildung ein zentrales Element moderner Allgemeinbildung - natürlich im Zusammenhang mit kompetenzorientiertem Lernen in all seinen individuell unterschiedlichen Prozessen, Förderbedarfen und Nachteilsausgleichen.

Technische Bildung fördert durch engen Praxisbezug Lernmotivation, gibt Lernzielen eine lebensnahe Begrün

dung und festigt Lernerfolge. Komplexe, oft abstrakte Zusammenhänge gewinnen in der Praxis konkrete Konturen. Ähnlich begründet ist auch der Änderungsantrag der Koalition. In unserem Bildungsverständnis spielt technische Bildung eine zentrale Rolle.

Solche Schwerpunkte möchten wir unter anderem in den Bildungskonvent einbringen. Vorher ist uns aber daran gelegen zu erfahren, welche Sicht die Landesregierung auf die aktuelle Situation bezüglich technischer Bildung hat. Wir kennen die Veröffentlichung des Kultusministeriums vom Mai 2007 und die Antwort auf die Kleine Anfrage von Herrn Kley vom März 2007. Hierin bleiben aber einige Probleme unbenannt.

Zum ersten gibt es unserer Meinung nach grundlegende konzeptionelle Probleme im Fächerkanon der allgemeinbildenden Schulen. Technische Bildung findet sich nur unter den Unterrichtsfächern der Grund-, Förder- und Sekundarschulen. Das wird weder der Begabungslage von Kindern und Jugendlichen noch der gesellschaftlichen Relevanz gerecht.

Wenn Kinder ab der Klasse 5 im Gymnasium keinen unmittelbaren Technikbezug haben, weil das Fach Technik dort im Fächerkanon gar nicht vorkommt, dann muss man sich nicht darüber wundern, wenn jugendliche Gymnasiasten in der Oberstufe - dort können sie das Fach Technik wieder wählen - dies nur zu 1 % tun und wenn sie sich nach dem Abitur zu wenig für technische Studienfächer entscheiden, wie das zurzeit allgemein beklagt wird.

(Zuruf von Herrn Weigelt, CDU)

Die Bundesforschungsministerin Annette Schavan stellte vor Kurzem fest, dass der Technikunterricht in der Oberstufe ausgebaut werden müsse, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Europa 700 000 Ingenieure fehlen. An unseren Hochschulen bleiben Studienplätze in den ingenieurtechnischen Studiengängen frei.

Zum Zweiten gibt es schulorganisatorische Probleme, zum Beispiel den Stundenausfall. Im Schuljahr 2005/06 fielen in der Sekundarschule insgesamt 61 599 Unterrichtsstunden aus. Technikunterricht ist davon ganz besonders häufig betroffen.

Ein anderes schulorganisatorisches Problem ist der Fachlehrereinsatz. Bereits im Jahr 2003 gab es für knapp 40 % aller Werken-Stunden keine Fachlehrer mehr. In den Grundschulen gibt es für das neue Fach „Gestalten“ noch keine Fachlehrer; die sind im Lehramt für die Grundschule noch im Studium. Zum Glück laufen am Landesinstitut sehr gute Fortbildungen für die bisherigen Kunsterziehungs- und Werken-Lehrer der Grundschulen.

Das Fach Technik kann gar nicht mehr studiert werden. Für den Lehramtstudiengang Wirtschaft/Technik an Sekundarschulen und Gymnasien erfolgt seit dem Wintersemester 2004/2005 keine Immatrikulation mehr, obwohl zum Beispiel das Fach Wirtschaft/Technik in den Zielvereinbarungen zwischen dem Kultusministerium und der Martin-Luther-Universität als Mangelfach eingestuft wurde.

Im Jahr 2006 wurden in dem Fach Wirtschaft/Technik etwa 60 % des Fachunterrichts von Fachlehrern und etwa 40 % von fachfremden Lehrern erteilt. Zirka 11 % der Fachlehrer werden in den nächsten Jahren aus Altersgründen ausscheiden. Die Veranstaltungen zur Fort- und

Weiterbildung von Techniklehrern sind auch nicht gerade üppig.

Vor diesen Hintergründen muss man natürlich fragen: Wie sieht es mit Ausbildung und Einsatz qualifizierter Fachkräfte in den Fächern für technische Bildung in den nächsten Jahren aus? Das würden wir gern von der Landesregierung erfahren.

Zum Dritten gibt es Probleme mit all den guten Projekten, die sich auf der Grundlage von Kooperationsbeziehungen zwischen Schule und Wirtschaft in den letzten Jahren angebahnt haben. Maßnahmen der Kammern und Arbeitsagenturen, Projekte des Kultusministeriums und eigene Aktivitäten von Schulen und Bildungsträgern zeitigen gute Erfolge, aber hierbei geht viel Zeit und Kraft verloren, weil mitunter bürokratische Hürden nur mit viel Eigeninitiative genommen werden können und weil vor allem die finanzielle Seite meist nur befristet gesichert ist.

Solche guten Projekte, wie der „Unterrichtstag in der Praxis“ in Bernburg oder „Tradition und Zukunft“ in Dessau und andere, sind entweder bereits ausgelaufen oder sind bestandsgefährdet, weil die Finanzierung wegfällt oder eingeschränkt wird und sich die zuständigen Ministerien die Verantwortung gegenseitig zuschieben. Diese Projekte sind mit Mitteln des ESF gefördert worden.

Wenn man sieht, mit wie viel Begeisterung Jugendliche bei diesen Aktivitäten dabei sind, kann man gar nicht begreifen, warum die Beteiligten und Verantwortlichen nicht nachhaltiger unterstützt werden und warum solchen Aktivitäten nicht größere Breite eingeräumt wird.

Die Ergebnisse der Projekte des „Produktiven Lernens“ und die der Praxistage müssen umfassend ausgewertet und in geeigneter Weise in kontinuierliche Lernformen überführt werden, die praktisches Lernen mit schulischen Kompetenzen bis hin zu wissenschaftlichem Arbeiten verzahnen. Solche Lernerfolge wie bei diesen Projekten machen manche finanzintensive Notwendigkeit zur Nachsorge überflüssig.

Ich möchte Ihnen eine sehr markante Zahl nennen: Das Institut der deutschen Wirtschaft hat im Juni 2006 die Studie „Bildungsarmut und Humankapitalschwäche in Deutschland“ veröffentlicht. Ein Ergebnis dieser Studie macht sehr bestürzt. Die deutsche Volkswirtschaft gibt für das „Sitzenbleiben“, für das Nachholen von Schulabschlüssen und für berufsvorbereitende Kurse nach der Pflichtschulzeit jährlich 7,2 Milliarden € aus.

Deshalb bitte ich im Namen meiner Fraktion darum, dass Sie einem Bericht der Landesregierung nicht nur, wie es in unserem Antrag steht, im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur, sondern auch im Ausschuss für Soziales und im Ausschuss für Wirtschaft zustimmen.

Den Änderungsantrag werden wir ablehnen. Er verkürzt unseren Antrag fast auf den gleichen Inhalt. Wir haben den Eindruck, dass er nur gestellt worden ist, damit Sie unserem Antrag nicht zustimmen müssen.