Dabei muss man Folgendes ganz klar sagen: Insgesamt ist unser Bundesland, was die Fallzahlen betrifft, ohnehin eines der pro Fall am sparsamsten Bundesländer. Es gibt eine ganze Reihe von Vergleichen mit anderen Ländern, die an dieser Stelle deutlich mehr Geld pro Fall ausgeben.
Wir wollen, dass Menschen möglichst selbstbestimmt leben. Davon sind wir aber in Sachsen-Anhalt auch nach der Einführung des persönlichen Budgets noch weit entfernt. Die Klage über zu viel Bürokratie und über Regelungen, die offensichtlich sehr realitätsfern sind, sollten wir nicht einfach ignorieren. Der Vorwurf, dass die Budgets nicht bedarfsdeckend seien, sofern der Bedarf individuell gedeckt wird, wird nicht nur in Sachsen-Anhalt erhoben.
Ich vermute einmal, dass es nicht an der verwaltungstechnischen Umsetzung bei uns im Land liegt, sondern dass die Regelungen ganz offensichtlich nicht so greifen, wie es der Fall sein sollte. Wenn wir die Schlagworte „ambulant vor stationär“ und „individueller Hilfebedarf“ oder die Forderung nach einer möglichst großen Selbstbestimmtheit bei Menschen mit Behinderungen nicht nur in unseren Sonntagsreden im Mund führen wollen, sondern ernst nehmen, dann muss in diesem Bereich noch enorm viel geschehen.
Zu den Anträgen im Einzelnen. Wir haben das Thema mit der Projektgruppe deshalb nicht aufgenommen, Herr Dr. Eckert, weil auch ich die Information hatte - Frau Kuppe hat es gerade noch einmal gesagt -, dass diese Projektgruppe ohnehin weiter arbeiten soll.
Eine Regierung zu rechtskonformem Handeln aufzufordern, mache ich eigentlich nur, wenn ich einen ganz klaren Nachweis darüber habe, dass das Handeln der Verwaltung, der Regierung rechtlich nicht in Ordnung ist. Ich weiß aber aus vielen Jahren Verwaltung, dass man einen großen Ermessensspielraum hat. Was der eine als bedarfsdeckend bezeichnet, das wird der andere vielleicht nicht so empfinden. Von daher würde ich mich damit schwer tun. Deshalb fehlt dieser Punkt in unserem Antrag.
Ich habe dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen entnommen, dass sie die Forderung der Fraktion DIE LINKE nicht mittragen, zum Teil aus den Gründen, die ich gerade vorgetragen habe, zum Teil aus anderen.
Was mich an dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen allerdings stört, ist - Herr Dr. Eckert hat darauf hingewiesen -, dass wir an dieser Stelle etwas begrüßen, was wirklich seit zwei Jahren läuft. Ich denke, wenn wir es hätten begrüßen wollen, dann kommen wir hierbei schlichtweg zu spät. Deshalb, so finde ich, können wir als Landtag nicht gemäß dem Punkt 1 Ihres Antrages handeln. Zudem entspricht es nicht meinem Verständnis, dass wir an dieser Stelle so verfahren.
Auch den Punkt, dass wir die Landesregierung darum bitten, mit den Trägern der gemeinsamen Servicestellen darüber zu reden, ob diese sich besser fortbilden können, finde ich extrem weich. Ich weiß nicht, ob wir als Landtag eigentlich solche Beschlüsse fassen sollten. Hierzu habe ich ein anderes Verständnis von dem, was wir hier tun.
Bevor wir Änderungen bei der Handhabung des persönlichen Budgets verlangen oder bevor wir es, wie in Ihrem Antrag formuliert, ganz toll finden, was dort alles stattfindet, würde ich gerne wissen, wie die Erfahrungen bei den Beteiligten genau aussehen, welche Hindernisse etwa durch Personalmangel, durch fehlende Informationen oder durch die Sozialgesetzgebung des Bundes selbst entstanden sind und ob und, wenn ja, wie wir diese beheben können. Dies würde ich alles gern einmal im Ausschuss in Ruhe beraten.
Wir haben noch ein bisschen Zeit bis zum Jahr 2008. Wir sollten aber meiner Meinung nach nicht bis zum Jahreswechsel warten. Wenn wir damit kurz vor Weihnachten anfangen, dann brauchen wir es auch nicht mehr zu beraten, weil das Ganze dann stattfinden wird und wir im Laufe des nächsten Jahres nur noch feststellen können, ob die Menschen bei uns im Land wirklich zu ihrem Recht kommen oder nicht.
Deshalb fände ich es prima, wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen könnten. Frau Kuppe hat bereits darauf hingewiesen, dass nichts beantragt wird, was durch die Landesregierung nicht zu leisten ist. Wir würden uns in diesem Bereich, der uns enorm wichtig ist, frühzeitig einbinden und als Ausschuss frühzeitig informiert werden. Ich glaube, es ist auch im Interesse der Regierungskoalition, dass man sich als Landtag in wesentliche Elemente - das persönliche Budget ist ein Umsteuern und ein ganz neuer Ansatz - einbringt, um festzustellen, was exekutives Handeln ist und sein soll.
Vielleicht können wir auch über das Thema Personal reden. Ich habe immer ein wenig den Anspruch, dass Stellen, wenn wir sie der Landesregierung schon zur Verfügung stellen, auch besetzt werden sollen. Wenn das hier nicht stattfindet, dann müssen wir uns wenigstens einmal darüber unterhalten, warum das so ist und welche Möglichkeiten wir haben, an dieser Stelle zu helfen. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich hatte wirklich den löblichen Vorsatz, die Redezeit nicht auszuschöpfen. Es tut mir leid; ich kann das nicht mehr versprechen.
Zweifellos ist die gesetzliche Regelung für die Bewilligung eines persönlichen Budgets für behinderte Menschen im Jahre 2004 ein gigantischer Fortschritt gewesen. Seit dieser Zeit wird bundesweit modellhaft versucht, dieses Gesetz mit Leben zu erfüllen.
Die grundsätzliche Regelung ist ganz einfach. Dem hilfeberechtigten Menschen wird Geld in die Hand gegeben, mit dem er sich Dienstleistungen, sprich die Hilfen, die er im Alltag braucht, selbst einkaufen kann. Der entscheidende Vorteil hierbei ist, dass der Mensch zum Auftraggeber mit eigenen Entscheidungsbefugnissen wird. Die Herausforderung des persönlichen Budgets besteht aber in Folgendem - das ist ausführlich gesagt worden -:
Erstens ist es schwierig, diesen Hilfebedarf genau in Euro- und Centbeträgen auszudrücken. Wie viel kostet die einmalige Begleitung ins Kino und zurück? - 3,67 € oder reichen dafür 2,43 €?
Zweitens. Das echte trägerübergreifende Budget wird eben nicht nur von einem Leistungsträger aufgebracht, sondern von verschiedenen Leistungsträgern, nämlich von der Sozialhilfe und von sämtlichen Sozialversicherungssystemen bis hin zur Bundesanstalt für Arbeit.
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. charakterisiert das persönliche Budget als den Versuch des Gesetzgebers, ein Gesamtsystem von Leistungsträgern im gegliederten System durch trägerübergreifende Komplexleistungen herzustellen und somit die Grenzen des gegliederten Systems aufzubrechen. Dieser Versuch sei bisher aber noch nicht sehr erfolgreich. - Diese Aussage des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. stammt vom März 2007 und gilt bundesweit.
In Sachsen-Anhalt ist seit Beginn dieser Legislaturperiode die Zahl der Bewilligungen gestiegen. Wir haben in den letzten sechs Monaten fast so viele Bewilligungen wie in all den Jahren davor gehabt. Das muss einmal so gesagt werden.
Herr Eckert, Ihre Ausführungen haben mich dazu gebracht, noch etwas herauszusuchen. Sie vergleichen die Anzahl der Bewilligungen mit der Zahl aller potenziellen Antragsteller bzw. aller potenziellen Budgetnehmer, nämlich der Behinderten.
In dem Papier des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. wird Folgendes explizit ausgeführt: Die jetzigen Erfahrungen zeigen schon, dass diese Leistungsform für manche Menschen mit Behinderungen äußerst attraktiv ist, für andere jedoch nicht in Betracht kommt. Erwartungen, dass alle Menschen mit Behinderungen früher oder ein später ein persönliches Budget beantragen werden, sind insofern nicht realistisch. Also: Die Zahl von weit über 100 000 Behinderten als Bezugsgröße zu nehmen, ist ein bisschen gewagt.
Das ist also der derzeitige Stand. Unser aller Anliegen muss es aber sein - ich denke, darüber sind wir uns fraktionsübergreifend absolut einig -, diesen Stand weiter zu verbessern. Zufrieden können wir an dieser Stelle nie sein. Darauf zielt auch Ihr Antrag ab.
Frau Kuppe hat bereits einiges ausgeräumt, was schon im Gange ist. Wir können aber dennoch nicht zufrieden sein und stellen folgende Forderungen: Wir erwarten von
den Trägern der Sozialhilfe und den Reha-Trägern, die Modellphase zu nutzen, um einen deutlichen Qualitätszuwachs in der Beratung und der Bewilligungspraxis zu erzielen. Die Träger müssen durch eine permanente Abstimmung untereinander und die gemeinsame Schulung der Mitarbeiter vor Ort eine landeseinheitliche Ausgangsbasis herstellen.
Zentrale Punkte sehe ich dabei in Folgendem: ganz klar in der Vereinfachung des Verfahrens für die Betroffenen sowie in der Stärkung des Dienstleisterbewusstseins bei den Sachbearbeitern vor Ort.
Auch die weitere Aufklärung der Anspruchsberechtigen über die Möglichkeiten des persönlichen trägerübergreifenden Budgets ist weiterhin erforderlich, ebenso der Abbau von Vorbehalten der Betroffenen vor der Beantragung des persönlichen Budgets.
Nur auf dieser Grundlage wird es möglich sein, dass wir zu trägerübergreifenden persönlichen Budgets kommen. Nach meinem Kenntnisstand gibt es bislang nur einen Fall eines echten trägerübergreifenden Budgets. Alles andere sind Budgets der Sozialhilfen. Daran ist noch dringend zu arbeiten.
Wir als Koalitionsfraktionen haben die Absicht, diesen Prozess der Qualitätsverbesserung bei der Arbeit der Sozialagentur und der herangezogenen Gebietskörperschaften sowie der Reha-Träger und der gemeinsamen Servicestellen permanent kritisch zu begleiten. Deshalb stellen wir den Antrag zu berichten.
Mit Verlaub, Herr Dr. Eckert: Dass wir unsere Ministerin auffordern, die Gesetze durchzusetzen und einzuhalten, das können Sie nun wirklich nicht verlangen; das setzen wir voller Vertrauen voraus.
Das heißt also: Wir fordern die Landesregierung auf, zeitnah, im ersten Halbjahr nach Ablauf der Modellphase, Bericht zu erstatten, Konsequenzen zu ziehen, auch wenn das nicht explizit in diesem Antrag steht. Das haben wir vorausgesetzt. Und wir gehen davon aus, dass die im Antrag der FDP genannten Anstriche in dieser Berichterstattung mit abgearbeitet werden.
Insofern bitte ich um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Für die Unterstützung der Opposition bei der Realisierung der Ziele unseres Koalitionsvertrages bedanke ich mich im Namen der Fraktion ganz herzlich. Ich kann nur sagen: weiter so!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist etwas eigenartig, dass die Opposition die Regierungskoalition auffordert, den Koalitionsvertrag zu erfüllen. Ich verkenne nicht, dass dazu in den letzten Jahren etwas passiert ist. Ich verkenne auch nicht, dass das eine sehr komplizierte Materie ist und dass die Unwissenheit, die Nichtinformiertheit auf beiden Seiten lag.
Dennoch gibt es eine Reihe von nicht erklärbaren Zusammenhängen. Insbesondere ist für mich nicht erklärbar, warum die Experimentierphase, die Erprobungsphase so restriktiv angegangen wurde, das heißt, dass von vornherein nicht experimentiert, sondern administriert wurde. Das verstehe ich nicht.
Deshalb ist es unser Anliegen, im letzten halben Jahr nicht mehr so restriktiv heranzugehen, sondern tatsächlich zu erproben und zu experimentieren, wie wir den Bedarf erfassen können und dann natürlich noch verpreislichen können. Das ist ja etwas anderes. Beim Erfassen des Bedarfs gibt es kaum Probleme, aber dann bei der Verpreislichung dessen, was notwendig ist.
Insofern muss ich, wenn ich das so darlege, natürlich fragen: Was ist bei 30 bewilligten Budgets landesweit marktüblich? Es gibt keinen Markt. Also kann ich nicht festhalten, 6,55 € sind ein marktüblicher Preis für den Lohn. Das geht nicht. Ich bitte Sie, ernsthaft darüber nachzudenken, wie man das macht. Das ist nämlich ein Hindernis. Ich finde nämlich niemanden, der dabei fachlich entsprechend etwas tun kann. Deshalb bitte ich Sie, wenn Sie dabei vorwärts kommen wollen, dass Sie diese Restriktionen, diese Behinderungen aufheben.
Nun noch ein Letztes zu dem Begriff „nicht rechtmäßig“. Wir haben ausgeführt, worum es uns bei der Wendung „nicht rechtmäßig“ geht. Es geht um die Zuständigkeitserklärung und es geht um die Zeitdauer.
Im SGB IX steht, 14 Tage nach Antragstellung habe ich einen Bescheid ergehen zu lassen, ob ich zuständig bin oder nicht. Das sind 14 Tage Zeit. Dann habe ich drei Wochen Zeit für die Erstellung eines möglichen Gutachtens. Wenn das vorliegt, habe ich noch einmal zwei bzw. drei Wochen Zeit. Wenn ich das zusammenzähle, muss ich sagen: Es dauert zwei Monate, vielleicht zweieinhalb Monate, und weil es neu ist, vier Monate. Aber wir reden hier über neun, zehn über elf Monate Bearbeitungszeit. Das meine ich damit.
Deshalb bitte ich Sie - dazu äußere ich einmal einen Traum; 59 Antragstellungen sind noch offen -: Es wäre toll, wenn wir im September berichten könnten: Es sind nur noch Neuanträge, die ab dem 13. Juli 2007 gestellt worden sind, in der Bearbeitung. Alles andere ist erledigt. Das wäre eine tolle Zielstellung. Wenn wir nicht 59, sondern 58 bewilligt haben, wäre das auch noch gut.
Ein Letztes. Es wäre nett, wenn wir den Bericht, wenn er denn tatsächlich eine Wirkung für den Rechtsanspruch ab dem 1. Januar 2008 haben soll, im November 2007 in den Ausschuss bekommen würden und nicht erst im Frühjahr 2008. Ich glaube, das wäre möglich, nämlich dann, wenn die 59 Budgetnehmerinnen und Budgetnehmer eine Antwort erhalten haben. Dann haben wir fast 80 Budgets. Daraus könnte man schon einen Bericht stricken.
Vielleicht wäre es hilfreich, wenn wir die drei Anträge in den Ausschuss überweisen und uns dann noch einmal darüber verständigen würden, wann wir die Berichterstattung bekommen. - Danke.