Protocol of the Session on July 13, 2007

Vizepräsientin Frau Dr. Paschke:

Danke für die Einbringung, Herr Dr. Eckert. - An dieser Stelle hat für die Landesregierung Ministerin Frau Dr. Kuppe um das Wort gebeten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Herr Dr. Eckert, Sie haben Recht, seit zwei Jahren wird das trägerübergreifende persönliche Budget in Sachsen-Anhalt erprobt. Ziel ist es, neue Wege in der Hilfe für behinderte Menschen zu beschreiten und Menschen mit Behinderung durch ein gezieltes, individuelles Hilfesystem ein selbstbestimmteres Leben zu ermöglichen.

Das persönliche Budget stellt einen Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe dar. An erster Stelle steht hierbei die Lebenszufriedenheit behinderter Menschen. Ein Umsteuern, ein Paradigmenwechsel bedeutet aber auch, Bekanntes zu verlassen und neue Wege einzuschlagen.

Daher hat das Sozialministerium in Sachsen-Anhalt die Erprobung in der bis Ende dieses Jahres laufenden Modellphase frühzeitig über die Modellregion Magdeburg hinaus auf das gesamte Land ausgedehnt; das muss begrüßt werden. Klar ist aber auch, dass Erprobungsphasen nicht immer glatt laufen. Aber genau deshalb werden Erprobungs- und Modellphasen vorausgeschickt: damit man zum Zeitpunkt des tatsächlichen Projektstarts bereits über Erfahrungen verfügt.

Im Rahmen des Modellprojekts „Trägerübergreifendes persönliches Budget“ wurden in Sachsen-Anhalt bis zum 4. Juni 2007 31 persönliche Budgets bewilligt; diese Zahl ist in der Tat immer noch richtig. Besonders erfreulich ist für mich, dass in 13 Fällen davon eine stationäre Betreuung vermieden werden konnte und in weiteren

vier Fällen mit dem persönlichen Budget ein Wechsel von einer stationären in eine ambulante Versorgungsform begleitet werden konnte.

Diese Erfahrungen zeigen deutlich, dass durch das persönliche Budget ein selbstbestimmtes Leben möglich ist. Die größte Gruppe der Budgetnehmerinnen und -nehmer sind für mich allerdings wider Erwarten Menschen mit einer geistigen Behinderung. Aber auch Menschen mit körperlichen und seelischen Behinderungen nutzen in unseren Modellregionen das persönliche Budget.

Zum Vergleich mit anderen Bundesländern muss ich eines deutlich sagen, Herr Dr. Eckert: Im Vergleich aller am Modellprojekt teilnehmenden Bundesländer befindet sich Sachsen-Anhalt im oberen Drittel, was die Anzahl der Budgetbewilligungen betrifft. Das ist sicherlich noch nicht Spitze; aber wir gehören immerhin zum oberen Drittel, und das bei all den Problemen, die nach wie vor bestehen.

Da in der Debatte zum vorherigen Tagesordnungspunkt der Vergleich mit unserem Nachbarland Sachsen angestellt worden ist, möchte ich darauf hinweisen, dass in Sachsen bisher zwei Budgets genehmigt worden sind; das ist für uns nicht gerade vorteilhaft.

Ich denke, wir können mit den Erfahrungen, die wir bis Ende dieses Jahres in Sachsen-Anhalt gesammelt haben werden, voller Optimismus in das Jahr 2008 blicken. Denn ab dem 1. Januar 2008 wird es erstmals in der Bundesrepublik Deutschland einen Rechtsanspruch auf ein persönliches Budget geben.

Durch unsere intensive Begleitung des Modellprojekts konnten wir bestehende Unstimmigkeiten und Probleme erkennen. Verglichen mit den hohen Erwartungen, die von Anfang an mit der Umsetzung des persönlichen Budgets verbunden waren, reagieren die Personen, die einen Leistungsanspruch haben - Sie haben die Zahlen genannt, Herr Dr. Eckert -, in Sachsen-Anhalt relativ zurückhaltend. Außerdem stellt sich die Landschaft der Leistungserbringer, vor allem außerhalb der Zentren Halle und Magdeburg, relativ karg dar. Es ist in manchen Regionen derzeit offenbar noch gar nicht attraktiv, sich um ein persönliches Budget zu bemühen.

Wir haben unter der Leitung meines Hauses eine Projektgruppe eingerichtet, die die Durchführung in der Modellphase begleitet. Die Arbeit dieser Projektgruppe hat sich bewährt. Aus diesem Grund wurde in dieser Gruppe bereits darüber diskutiert, dass die Arbeit auch über das Ende der Modellphase hinaus fortgeführt werden soll.

Die Mitglieder der Projektgruppe haben bereits ihre Bereitschaft dazu signalisiert; damit ist ja in der Tat allerhand Arbeit verbunden. Nach meiner Vorstellung soll nach der Sommerpause eine offizielle Beschlussfassung erfolgen. Insofern deckt sich die Intention des Antragstellers mit meinem Interesse und auch mit dem Willen der Mitglieder dieser Projektgruppe.

Die in dem Antrag geforderte Ausweitung der Beteiligten ist nach meiner Einschätzung derzeit noch nicht notwendig, da die Interessenvertretung über die Liga und die Landesverbände der anderen Beteiligten derzeit gegeben ist. Sollte es aber dazu kommen, dass es gänzlich neue Anbieter gibt, die über die bisherigen Interessenvertreter nicht vertreten sind, dann kann die Projektgruppe natürlich um diese ergänzt werden. Ich sehe keine Schwierigkeiten dabei. Wir sollten die Entwicklung aber abwarten.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage 5/6241 zur personellen Ausstattung des rehabilitationspädagogischen Fachdienstes geäußert. Mit Gründung der Sozialagentur am 1. Juli 2004 wurden sechs Stellen für den rehapädagogischen Fachdienst formal eingerichtet. Diese Stellen sind allerdings erst seit Anfang dieses Jahres in Gänze besetzt, und zwar mit qualifiziertem Personal.

Zur Umsteuerung von stationärer zu ambulanter Betreuung stehen außerdem noch zusätzlich vier Stellen befristet bis Ende des Jahres 2008 zur Verfügung. Die Besetzung dieser vier weiteren Stellen war bisher leider nicht möglich, möglicherweise wegen ihrer Befristung. Nach der seit diesem Jahr erfolgten Besetzung aller sechs unbefristeten Stellen gehe ich aber davon aus, dass die in der Vergangenheit in der Tat sehr großen Verzögerungen bei der Bearbeitung jetzt zumindest minimiert werden können.

Mit Ihrem Antrag unterstellen Sie für Ihre Fraktion, Herr Dr. Eckert, dass die Behörden des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nicht rechtmäßig handelten. Diesen Vorwurf muss ich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gesamten Geschäftsbereich der Landesregierung zurückweisen. Das werden Sie verstehen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Auf das Schärfste!)

- Auf das Schärfste, genau, Herr Kollege Daehre.

Die Gewährung des individuellen Hilfebedarfs ist in Sachsen-Anhalt in allen Fällen gewährleistet. Das gilt auch für das bedarfsdeckende Budget.

Sie haben es noch einmal betont, dass das persönliche Budget keine neue Sozialleistung, sondern nur eine neue Form der Leistungserbringung darstellt. Es gelten also die gleichen Grundsätze wie für die anderen Fälle der Eingliederungshilfe. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Gewährung der Leistung in Geld direkt an die oder den Leistungsberechtigten vorgenommen wird. Die Betreffenden können dann selbst entscheiden, durch wen die Leistungserbringung erfolgen soll.

Die in der Vergangenheit zum Teil sehr langen Bearbeitungszeiten waren nach meiner Einschätzung unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass alle Beteiligten - ich nehme die Verwaltung nicht aus; aber eben auch die Antragstellerinnen und Antragsteller sind daran beteiligt - zunächst über keinerlei Erfahrung mit dem persönlichen Budget verfügten.

Mit steigenden Antrags- und Bewilligungszahlen haben aber sowohl die Sozialämter vor Ort als auch die Sozialagentur eine zunehmende und wachsende Routine entwickelt. Das wird auch zunehmend schnellere Entscheidungen ermöglichen. Ich sehe durchaus noch Spielräume, Herr Dr. Eckert.

Solche Maßnahmen wie die Beteiligung der Sozialagentur auch in Einzelfällen, mit der in der Anfangsphase der Modellphase zur Erprobung des persönlichen Budgets eine landeseinheitliche Handhabung der neuen Regelung gesichert wurde, sind zwischenzeitlich bis auf ganz wenige Ausnahmen zurückgenommen worden. Auch dadurch wird jetzt Zeit gespart.

Die in der Modellphase gewonnenen Erkenntnisse sind ausgewertet worden und in einen ausführlichen so genannten Arbeitshinweis der Sozialagentur an die Sozialämter eingeflossen. Dieser Arbeitshinweis ist neu. Er datiert vom 10. Juli 2007. Ich habe ein Exemplar mitge

bracht und werde den Fraktionen diesen Arbeitshinweis gern zur Verfügung stellen. Dieser Arbeitshinweis beinhaltet eine umfangreiche fachliche Anleitung zur Bearbeitung von Anträgen auf Gewährung des persönlichen Budgets. Damit können die Bearbeitungszeiten für die Anträge nochmals verkürzt werden, denke ich.

Dieser Arbeitshinweis ist erst einmal vorläufig in Kraft gesetzt worden. Er geht jetzt an die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und an alle Mitglieder der Projektgruppe mit der Bitte um Stellungnahme.

Zu Punkt 3 Ihres Antrages, Herr Dr. Eckert, will ich nur sagen, dass nicht das Land Träger der gemeinsamen Servicestellen ist. Träger ist die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland bzw. sind die Krankenkassen. Die Konzipierung und die Umsetzung von Maßnahmen zur Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der gemeinsamen Servicestellen ist daher nicht primär Landesaufgabe. Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland und die Krankenkassen sind aber durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Projektgruppe „Persönliches Budget“ vertreten. Sie sind damit umfassend von Anfang an an dessen Entwicklung beteiligt und sie verfügen über alle maßgeblichen Informationen.

Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland hat ihrerseits bereits vielfältige Aktivitäten zur Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den gemeinsamen Servicestellen entwickelt und in diesem Zusammenhang auch einen Leitfaden in Form eines Beratungsalphabets zum persönlichen Budget entwickelt. Ich nehme die laufende Diskussion aber gern noch einmal zum Anlass, die Träger der Servicestellen um weitere Qualifizierung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bitten.

Meine Damen und Herren! Im Bereich des persönlichen Budgets besteht eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, die auch ausbaubar ist. Meine große Hoffnung ist, dass es uns in der Vorlaufphase bis Ende des Jahres gelingen wird, die konkrete Umsetzung, die rechtsverpflichtende Umsetzung, ab Januar 2008 im Land Sachsen-Anhalt in einer guten Qualität zu gewährleisten.

Ich bitte Sie daher, dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zuzustimmen, bei dessen Abarbeitung dann auch die Punkte aus dem Änderungsantrag der FDP-Fraktion mit abgehandelt werden können. Die Berichte, die Sie fordern, lassen sich, denke ich, in dem Punkt in dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sehr gut mit unterbringen, der die Berichterstattung zum Gegenstand hat.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Wir treten jetzt in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Als erster Debattenredner wird für die CDU-Fraktion Herr Schwenke reden. Ich möchte Sie bitten, die Redezeit unbedingt einzuhalten, weil wir schon ein ganzes Ende im Verzug sind.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Rede der Frau Ministerin kann ich Ihnen versprechen, dass ich meine Redezeit

nicht ausschöpfen werde. Ich brauche nicht so lange; denn vieles von dem, was ich mir aufgeschrieben habe, hat Frau Dr. Kuppe Ihnen schon mitgeteilt.

Herr Dr. Eckert, nachdem Sie uns dankenswerterweise ein bisschen in die Grundlagen des persönlichen Budgets eingeführt haben, stelle ich fest, dass auch wir uns zum jetzigen Zeitpunkt mehr Ergebnisse gewünscht hätten. Dass das Budget, so wie es jetzt läuft, offensichtlich eine hervorragende Idee ist, um Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, darin sind wir uns sicherlich alle einig.

Sie haben kritisiert, dass in unserem Antrag steht, dass wir die Initiative der Liga begrüßten. Ich denke, das kann man nicht oft genug sagen; denn wir stehen gemeinschaftlich hinter dieser Initiative und haben das alle in diversen Debatten auch schon mitgetragen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Deswegen müssen Sie es vielleicht nicht noch einmal beschließen!)

- Wir können es aber zumindest noch einmal kundtun; denn ich denke, ein Signal muss von der heutigen Debatte ausgehen - -

(Frau Bull, DIE LINKE: Das ist doch Lyrik!)

- Liebe Frau Bull, ich habe versprochen, dass ich meine Redezeit nicht ausschöpfe. Wenn Sie mich jetzt unterbrechen, dann schaffe ich das doch nicht. Ich halte meine Versprechen aber gern, Frau Bull.

Also, noch einmal zurück zum Thema. Ich denke, es ist gut, dass wir heute noch einmal ein Signal setzen. Das Signal sollte in zwei Richtungen gehen. Das Signal sollte in die Richtung gehen, dass wir die Betroffenen dazu auffordern, diese neue Leistungsform in Zukunft stärker in Anspruch zu nehmen. Außerdem sollten wir natürlich auch das Signal setzen, das wir die Bearbeiter gerade in der Sozialagentur ganz klar dazu auffordern, diese Themen in nächster Zeit effektiver zu behandeln.

Wenn diese beiden Sachen auf den Weg gebracht werden und wenn wir diesbezüglich den Änderungsantrag der CDU und der SPD beherzigen und uns das Anfang des Jahres im Ausschuss ausführlich zu Gemüte führen und diskutieren unter Einbeziehung der Fragen, die die FDP-Fraktion gestellt hat, dann haben wir auch eine Chance, dieses Modell zu einem Erfolgsmodell hier in Sachsen-Anhalt zu machen.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen, dass ich mich der Auffassung anschließe, dass man sich dieses oder jenes in der Sozialagentur effektiver gewünscht hätte. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass es Erfolge gibt. Frau Dr. Kuppe hat von der Zahl im oberen Drittel gesprochen. Insofern ist das zu würdigen. Wir sind an dieser Stelle auf einem guten Weg. Wir sollten diesen Weg jedoch mit allen Fragen, die dabei zu klären sind, effektiv und energisch begleiten.

Ich will es mit meiner Rede heute dabei bewenden lassen aufgrund der Tatsache, dass es bereits 16.55 Uhr ist. Ich habe die Hälfte meiner Redezeit gebraucht. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr. - Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Hüskens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für Liberale ist es ein zentrales Anliegen der Sozialpolitik, dass Menschen eine größtmögliche Freiheit haben und dass sie bei ihrer persönlichen Lebensgestaltung größtmögliche Gestaltungsfreiheit haben. Deshalb ist für uns das persönliche Budget kein Instrument, um möglichst Geld zu sparen. Wir hatten beim Behindertenbeirat hin und wieder der Eindruck, dass dies allerdings zumindest von Teilen der Landesregierung so gesehen wird und dass es wahrscheinlich aufgrund einer solchen Sichtweise bei der Umsetzung zu einer Reihe von entsprechenden Problemen kommt.

(Zustimmung von Herrn Dr. Eckert, DIE LINKE)

Dabei muss man Folgendes ganz klar sagen: Insgesamt ist unser Bundesland, was die Fallzahlen betrifft, ohnehin eines der pro Fall am sparsamsten Bundesländer. Es gibt eine ganze Reihe von Vergleichen mit anderen Ländern, die an dieser Stelle deutlich mehr Geld pro Fall ausgeben.