Protocol of the Session on April 27, 2007

(Herr Tullner, CDU: Schweiz!)

- Österreich. Ich komme noch darauf.

Deshalb ist es nachvollziehbar, dass die Forderungen zur Neugestaltung der Erbschaftsteuer von der völligen Abschaffung bis „möglichst hoch“ reichen. Die Grenzen verlaufen dabei fließend innerhalb der Parteien. Es fällt auf, dass die Positionen in Deutschland sich stärker an den regionalen Gegebenheiten orientieren als an der Parteizugehörigkeit. Auch die liberale Position fällt je nach gesellschaftlichen Gegebenheiten unterschiedlich aus.

In Gesellschaften mit hohen Kapitalanhäufungen wird von Liberalen ganz offensiv eine hohe Besteuerung von großen vererbten Vermögen vertreten. Der ordnungspolitische Ansatz dabei ist, dass jede Generation für sich selber sorgen muss und sich nicht auf den Leistungen vorangegangener Generationen ausruhen darf. Man möchte extreme Ungleichheiten bei den Chancen vermeiden.

Wir finden das heute vor allem im amerikanischen Raum. In Amerika wurde oftmals einfach versucht, das Familienerbe etwas im Griff zu behalten, um zu verhindern,

dass zukünftig ganz wenige Familien mehr oder weniger den größten Besitz im Land haben und andere wesentlich geringere Chancen haben.

Dieser Ansatz ist auch in Deutschland bis zum Krieg verfolgt worden. In der Bundesrepublik Deutschland wird diese Gefahr bisher aber nicht gesehen. Das ist ein Ergebnis des Krieges. Die Bildung von Kapital durch Erbe wird bei uns eher als positiv betrachtet. Demzufolge gibt es eine starke Tendenz zu niedrigen Steuersätzen und auch die Forderung nach einer völligen Abschaffung der Erbschaftsteuer.

Ich muss ganz offen sagen, selbst innerhalb der FDP gibt es zwischen den Landesverbänden ganz unterschiedliche Auffassungen dazu. Es gibt Landesverbände, die der Erhebung von Erbschaftsteuer positiv gegenüberstehen, und es gibt Landesverbände, die das sehr kritisch sehen.

Vereinfacht kann man sagen: In einigen der alten Bundesländer gibt es privates Vermögen in viel größerem Umfang und auch sehr viele große Einzelprivatvermögen. Auch sind die Preise für Immobilien starken regionalen Schwankungen unterworfen und die Eigenkapitalbildung der Unternehmen hat einen ganz anderen Entwicklungsstand als etwa bei uns. Das heißt, jede steuerrechtliche Regelung hätte, das gesamte Bundesgebiet betrachtet, sehr unterschiedliche Auswirkungen in den Ländern, je nachdem, wo dann der Freibetrag angesetzt wird.

Deshalb wird die Forderung nach einer Zuständigkeitsübertragung immer lauter - natürlich in der FDP, vor allem aber in der Union. Der Finanzminister Baden-Württembergs spricht sich zum Beispiel ganz offensiv für eine Übertragung auf die Länder aus und hat auch schon sehr konkrete Vorstellungen, wie er die Steuer dann ausgestalten will.

Meine Damen und Herren! Die Föderalismuskommission befasst sich im Rahmen der geplanten Reform II ohnehin mit den Finanzbeziehungen von Bund und Ländern und wird sich auf Antrag der FDP auch mit der Zuständigkeit der Länder für die Erbschaft- und die Schenkungsteuer befassen. Dies wird den Ländern die Möglichkeit geben, die rechtlichen Regelungen den Gegebenheiten vor Ort anzupassen - für eine Steuer, deren Ertrag ohnehin den Ländern zufließt.

In Sachsen-Anhalt ist das nicht so wahnsinnig viel. Wir erhalten jährlich etwa 9 Millionen € an Erbschaftsteuer. Das ist eben auch ein Ergebnis der Situation bei uns. Das ist im Augenblick unter allen Steuerarten, die wir bekommen, die niedrigste Summe. Aber ich denke gleichwohl, dass wir auch auf 9 Millionen € nicht gern verzichten wollen.

Wir hätten aber als Gesetzgeber die Möglichkeit, uns zu überlegen, wie wir das genau ausgestalten: Versuchen wir, das Geld über eine Erbschaftsteuer zu erheben, oder halten wir es für erfolgversprechender zu sagen, mit einer moderaten Ausgestaltung der Erbschaftsteuer können wir Unternehmen Anreize geben, nicht nur ihre Produktion, sondern auch ihre Firmensitze nach Sachsen-Anhalt zu verlegen?

Das Gleiche gilt für Privatpersonen. Aufgrund der im Verhältnis zu anderen Ländern hohen Erbschaftsteuer flüchten seit Jahren Personen mit großen Vermögen aus Deutschland, um die Steuerzahlung zu umgehen. Herr Tullner hat gerade „Schweiz“ gesagt. Besonders attraktiv

ist derzeit die Flucht nach Österreich, da beim Vererben eines Erblassers mit Hauptwohnsitz in Österreich auf Kinder in Deutschland lediglich der österreichische Steuersatz von maximal 15 % auf den Nachlass anfällt.

Das ließe sich meiner Meinung nach ebenso umgehen wie die endlosen Streitigkeiten in Berlin über die Ausgestaltung. Ich glaube, dass wir in diesem Augenblick nur den Aufgalopp zu diesem Streit erleben. Eine Übertragung der Zuständigkeit auf die Länder würde den Wettbewerb zwischen den Bundesländern um eine vernünftige Finanz- und Haushaltspolitik stärken, und dies ausnahmsweise einmal in einem Bereich, in dem wir diesen Wettbewerb nicht zu scheuen brauchen. Deshalb bitte ich Sie darum, dem Antrag zuzustimmen. - Danke.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank für die Einbringung, Frau Dr. Hüskens. - Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Hövelmann in Vertretung des Finanzministers das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich darum bemühen, den Finanzminister auch bei einem recht schwierigen Thema würdig zu vertreten.

(Herr Stahlknecht, CDU: Zu Protokoll!)

- Das, was ich gesagt habe, ist im Protokoll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gleich vorwegnehmen, dass das Land Sachsen-Anhalt derzeit kein Interesse an einer weitergehenden Übertragung der Steuergesetzgebungskompetenz auf die Länder hat.

(Zustimmung bei der SPD)

Das Beispiel, das Sie, verehrte Frau Dr. Hüskens, mit dem Kollegen Finanzminister in Baden-Württemberg angeführt haben, kann ich verstehen. Das Land BadenWürttemberg nimmt jährlich 661 Millionen € an Erbschaftsteuer ein und hat natürlich viel mehr Regelungsmöglichkeiten und viel mehr an entsprechenden Steuereinnahmen zu erzielen, sofern man es selber in der Hand hätte.

Für das Land Sachsen-Anhalt - das haben Sie zu Recht gesagt - ist der Handlungsspielraum mit durchschnittlich 9,1 Millionen € Einnahmen pro Jahr außerordentlich begrenzt. Die Idee, die dahintersteckt - so habe ich sie verstanden -, ist die, dass man Anreize mit besonders niedrigen Steuersätzen schaffen will. Vor dem Hintergrund der realen Vermögen- und Erbschaftsteuerzahlungen in anderen Ländern halte ich es für nahezu ausgeschlossen, dass es für Unternehmen oder auch für Privatpersonen ein Anreiz sein sollte, die Erbschaftsteueroase Sachsen-Anhalt als Wohnort anzupeilen, um damit der Steuerflucht anheimzufallen oder niedrigere Steuern zu bezahlen.

(Herr Daldrup, CDU: Zuflucht!)

Es besteht auch die Gefahr, dass es alle machen. Was haben wir dann gekonnt?

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Wenn es in allen Ländern niedrige Steuersätze gibt, wohin sollen sie dann fliehen?

Um es deutlich zu sagen: Sachsen-Anhalt hat kein Interesse an einer weitergehenden Übertragung der Kompetenz. Eine solche veränderte Regelung würde sich insbesondere gegen die Interessen der neuen Bundesländer richten.

Es sprechen zudem andere gewichtige Gründe für eine Beibehaltung der bestehenden Kompetenzverteilung. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu klare Aussagen getroffen. Demnach sind einheitliche Rechtsregeln zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich, wenn die unterschiedliche Behandlung desselben Lebenssachverhaltes unter Umständen erhebliche Rechtsunsicherheiten und damit unzumutbare Behinderungen für den Länder übergreifenden Rechtsverkehr erzeugen kann. - Das klang sehr intelligent.

Die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die Länder könnte die Konsequenz haben, dass in einigen Ländern diese Steuer erhoben würde, in anderen Ländern hingegen nicht.

(Herr Tullner, CDU: Spekulation!)

Damit ergäbe sich eine Vielzahl von Problemen. Das deutsche Steuerrecht geht von einer persönlichen Steuerpflicht aus. Diese untergliedert sich in eine unbeschränkte und eine beschränkte Steuerpflicht. Unbeschränkt steuerpflichtig ist, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung oder seinen -sitz hat. Demgegenüber reduziert sich der Zugriff auf inländische Steuergüter im Fall der beschränkten Steuerpflicht, wenn der Steuerpflichtige im Ausland residiert.

(Herr Tullner, CDU: Aha!)

Das würde für die Erbschaft- und Schenkungsteuer bedeuten, dass der unbeschränkten Steuerpflicht das gesamte Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem Land, in dem diese Steuer erhoben wir, unterworfen wäre. Bei der beschränkten Steuerpflicht wären dagegen nur bestimmte, in dem jeweiligen Land befindliche Vermögensgegenstände zu erfassen, ohne dass der Steuerpflichtige dort seinen Wohnsitz hat.

Dies hätte zur Folge, dass innerhalb der Bundesrepublik zwischen den einzelnen Ländern beschränkte und unbeschränkte Steuerpflichten hinsichtlich der Erbschaft- und Schenkungsteuer bestünden. Das würde zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand und zu Rechtsunsicherheiten führen. Zudem wären zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung Abkommen zwischen den Ländern in Form von Doppelbesteuerungsabkommen erforderlich.

(Herr Kosmehl, FDP: Das ist doch kein Problem!)

Insofern halte ich die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz wegen des Erfordernisses der Wahrung der Rechtseinheit für verfassungsrechtlich bedenklich.

Meine sehr verehrten meine Damen und Herren! Ein weiteres verfassungsrechtliches Argument stellt der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dar. Artikel 3 des Grundgesetzes verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Dieser Grund

satz wird verletzt, wenn die Steuerpflicht davon abhängig gemacht wird, in welchem Bundesland der Steuerpflichtige lebt.

Das Steuerrecht ist aufgrund der Vielzahl von Sonder- und Ausnahmeregelungen bereits derzeit nicht mehr systematisch, konsequent und transparent gestaltet. Wir alle erleben das mehr oder weniger am eigenen Leib. Es besteht die Gefahr, dass dieser Prozess durch eine ländereigene Gesetzgebungskompetenz noch verstärkt wird.

Zudem ist eine weitere Verkomplizierung des Steuerrechts zu befürchten, wenn die Länder bei einer Steuergesetzgebung nicht nur unterschiedliche Steuerschätze erheben, sondern die Steuer auch an unterschiedliche Voraussetzungen knüpfen und demzufolge voneinander abweichende Bemessungsgrundlagen geschaffen werden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Kosmehl. Wollen Sie diese beantworten?

Das habe ich befürchtet. Natürlich.

Bitte schön, Herr Kosmehl.

Herr Minister, auch wenn Sie die Rede des Finanzministers, der dem Parlament heute leider nicht mehr seine Anwesenheit schenken will, tapfer vorgelesen haben, muss ich Sie doch - -

Kann.

Was heißt „kann“? Er ist nicht entschuldigt. Auch das sollte die Landesregierung vielleicht einmal intern besprechen.

Ich habe eine fachliche Frage. Wir sitzen in Deutschland nicht auf einer Insel, sondern um uns herum gibt es auch Länder. Wir haben verschiedene Regelungen in unseren europäischen Nachbarstaaten und auch weltweit. Zum Beispiel kennen die USA 50 verschiedene Erbrechte und auch Erbschaftsteuersätze. Ich habe noch nie gehört, dass es in den USA schwierig wäre, wenn jemand, der von einem Bundesstaat in einen anderen umzieht, einem anderen Erbrecht - sofern er das will - unterliegt. Er kann auch abweichen; Testierfreiheit gibt es auch in den Vereinigten Staaten.