Protocol of the Session on April 26, 2007

Vielen Dank, Frau Mittendorf, für die Einbringung. - Bevor Sie nun die Beiträge der Fraktionen dazu hören, hat Herr Minister Olbertz um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Kultusminister. Damit können wir den Schülerinnen und Schülern aus Naumburg doch noch die vorhin angekündigte Freude bereiten.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf den Antrag der Linkspartei zu Schulen an Mehrfachstandorten halte ich es zunächst für wichtig, noch einmal festzuhalten, worum es geht. Nehmen wir einmal an, eine Gemeinde hätte mehrere Schulen derselben Schulform; davon hätten die meisten viele Schülerinnen und Schüler, während vielleicht eine Schule am Rande erheblich weniger ausgelastet wäre. Dann scheint es auf den ersten Blick sinnvoll zu sein, nicht jede Schule für sich zu betrachten, sondern zu sagen: Gut, wir lassen es dabei bewenden; denn die Gemeinde insgesamt hat eine gute Schulstruktur.

Hätte man den Antrag so zu verstehen, dürften viele geneigt sein, ihm zuzustimmen. Aber würden wir mit diesem Gedankengang die Wirklichkeit in Sachsen-Anhalt tatsächlich zutreffend beschreiben? - Ich fürchte, eher nicht.

Zumindest an einigen Mehrfachstandorten, die für den Antrag der PDS Pate gestanden haben könnten, besteht das Ziel in Wirklichkeit nicht darin, kleine Schulen mit großen zu verrechnen, sondern darin, möglichst viele kleine Schulen in, wie es die Linkspartei selbst einräumt, relativ großer Nähe zueinander zu erhalten.

Spätestens dann stellt sich allerdings die Frage der Verteilungsgerechtigkeit gegenüber ländlichen Gebieten. Wie soll man es einem dünn besiedelten Landkreis oder einer Region erklären, dass eine größere Stadt weitaus mehr Ausnahmen von der Mindestschülerzahl in Anspruch nehmen kann als sie?

Kein Mehrfachstandort weist für sich betrachtet Verhältnisse auf, die zu unzumutbaren Schulwegzeiten führen. Das wäre übrigens auch dort nicht der Fall, wo im Zuge der kommunalen Neugliederung neue Mehrfachstandorte entstehen, wobei ich allerdings weiß, dass das ein Thema ist, das wir im Detail gesondert erörtern müssen. Dafür ist der Ausschuss da.

Außerdem haben Mehrfachstandorte meist einen deutlich dichter organisierten öffentlichen Personennahverkehr, mit dem sich die ohnehin vergleichsweise kurzen Wege in angemessener Zeit zurücklegen lassen.

Auch vor diesem Hintergrund muss ich wohl nicht ausführlich auf die Einhaltung von Haushaltsgrundsätzen usw. eingehen und in unserem Kreis schon gar nicht auf den Lehrereinsatz, die Breite und Tiefe des Fächerspektrums, die außerunterrichtlichen Angebote und vieles mehr, was eine gute Schule ausmacht und deshalb eine Mindestgröße für diese Schule auch voraussetzt.

Außerdem: Selbst wenn es nur um das Geld ginge, dann ginge es auch um die Haushalte der Schulträger, sei es im Hinblick auf die Gebäudeunterhaltung und -bewirtschaftung, übrigens auch im Hinblick auf die Antragsfähigkeit bei Fördermittelprogrammen, wie sie uns ja in großem Umfang ins Haus stehen - das ist ein ganz wichtiger Punkt -, oder sei es im Hinblick auf mögliche neue Schülerbeförderungsansprüche, die vor allem dann zu erwarten wären, wenn nicht nur eine Vielzahl von Standorten erhalten, sondern auch eine Vielfalt von Bildungsangeboten gefördert werden sollte.

Wenn ich die bisherige Haltung der Linkspartei.PDS zur Öffnung der Schuleinzugsbereiche oder der Schulbezirke richtig in Erinnerung habe, dann vermag ich den Hinweis, dass viele Schulen die freie Schulwahl erleichter

ten, eigentlich nur als menschliches Argument aufzufassen. Ich vermute, so ist er auch gemeint.

(Herr Höhn, Linkspartei.PDS, schüttelt den Kopf)

Richtig ist er nämlich nicht. Die Schulträger können die Verteilung der Schülerinnen und Schüler an Mehrfachstandorten entsprechend dem ermittelten Bedarf durch die Festlegung von Schulbezirken steuern. Alternativ können sie gemäß § 86e des Schulgesetzes Schulbezirke aufheben.

Das schließt die mögliche Folge ein, dass bestimmte Schulen weniger oft angewählt werden als andere. Gerade bei vielen kleinen Schulen kann dies nach einer gewissen Zeit auch zur Schließung einer Schule führen, weil eben nicht nur an dieser Schule die Mindestschülerzahl nicht erreicht wird, sondern auch nicht die innerhalb Ihres Modells erforderliche durchschnittliche Anzahl von Schülern pro Schule. Also die Gefahr ist dadurch nicht wirklich gebannt.

Spätestens dann wäre es mit der freien Schulwahl zugunsten einer möglichst hohen Schulzahl aber vorbei, sei es durch Wiedereinführung der Schulbezirke oder sei es - was weiß ich - durch Neueinführung eines Losverfahrens oder dergleichen mehr.

Nun möchte ich fairerweise sagen, dass Sie uns in Ihrer, wie ich fand, entspannten Rede ganz bewusst eine Prüfung auferlegt und nicht eine Forderung aufgestellt haben. Deswegen bin ich gern bereit, diesen Gedenken weiter zu verfolgen und auch mit Argumenten zu begleiten.

Ich will aber noch einen anderen Punkt ansprechen, weil Frau Mittendorf das erwähnt hat. In mittlerer Frist kann ich es mir durchaus als sinnvoll vorstellen, ganz auf eine Schulentwicklungsplanung zu verzichten und damit auch einen neuen und dann hoffentlich wieder kommunalen Lehrereinsatz zu planen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das muss auch unser Ziel sein. Aber wir müssen das sehr rational und verantwortungsvoll auf den Zeitpunkt justieren. Der Zeitpunkt hängt davon ab, wann es uns gelingt, aus dieser enormen demografisch bedingten Dynamik herauszukommen und wieder einigermaßen verlässliche und konstante Rahmenbedingungen zu haben. Sobald das der Fall ist, muss der Staat nicht alles lenken und zentral steuern, sondern kann durchaus auch schauen, wie sich die Dinge über Angebot und Nachfrage selbst sinnvoll ausbalancieren. Dafür bin ich sehr.

Aber schon verfassungsrechtliche Gründe der Gleichbehandlung von Kindern, die in strukturschwachen Regionen leben, und solchen, die an konzentrierten Mehrfachstandorten leben, erlegen uns derzeit noch ein gehöriges Maß an staatlicher Steuerung und Planung auf. Diese Legitimation wird in dem Maße erlöschen, in dem konstante und verlässliche Rahmenbedingungen vorhanden sind.

Deswegen muss auch das Tempo bei der Umsetzung der jetzigen Schulentwicklungsplanungsverordnung erhöht werden; denn je schneller wir damit zum Zuge kommen, desto eher tritt dieser stabile Zustand wieder ein. Das ist mir ganz wichtig. Man kann natürlich den ganzen Schmerz und den ganzen Kummer in die Länge ziehen. Dann hat man ihn aber auch entsprechend länger, und die Schulen, die sich selbst als fraglich empfinden, wer

den sich nicht ordentlich entwickeln, sich kein Programm geben und eigentlich nur darauf warten, ob das Damoklesschwert fällt oder nicht.

Der Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD gilt daher etwas anderen Grundsätzen der künftigen Schulentwicklungsplanung, die natürlich auch nur mittelfristig ist. Er greift damit nicht nur die Koalitionsvereinbarung auf, sondern widmet sich einem Thema, das man ohne Übertreibung in der Tat als eine sehr wichtige Zukunftsaufgabe für unser Land bezeichnen kann.

Ich bin den beiden Regierungsfraktionen dankbar dafür, dass sie das Thema nicht nur parlamentarisch aufgegriffen haben, sondern dabei auch einen Weitblick gezeigt haben, der manches Vorurteil über das kurzfristige Denken von Politik ad absurdum führt.

Das von Ihnen erbetene Konzept wird die Landesregierung natürlich vor der Sommerpause vorlegen. Gestatten Sie mir aber noch einige Bemerkungen zu den vorgesehenen Eckwerten.

Die Umsetzung der Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung in der vergangenen Wahlperiode geschah - das sollten wir uns vor Augen führen - schlicht und ergreifend vor dem Hintergrund einer Halbierung der Schülerzahl innerhalb eines einzigen Jahrzehnts, und das in einer Schulstruktur, in der große Schulen schon vorher gar nicht die Regel waren. Diese Umsetzung ist deshalb nicht leicht gewesen. Sie war für diejenigen, die sie durchführen mussten - an dieser Stelle möchte ich sagen: Respekt gegenüber den Schulträgern -, mühsam und für diejenigen, die sie ertragen mussten, oft genug schmerzhaft.

Völlig zu Recht greifen CDU- und SPD-Fraktion das Ziel der Koalitionsvereinbarung auf, das bis zum Jahr 2009 entstandene Schulnetz so weit wie möglich zu erhalten und weitere Schulschließungen möglichst zu vermeiden. Es geht in der Tat nicht mehr nur um eine bestimmte Anzahl von Schulen, sondern es geht darum, ein Schulnetz, das diesen Namen verdient, zu erhalten. Diesen Namen, das ist ganz klar, verdient es nur, wenn die Wahl einer Schulform nicht entscheidend davon abhängt, wo man wohnt.

In gewissem Sinne ist der Bestand dieses Netzes auch eine Art Echtheitsprobe auf die Richtigkeit der bisherigen Schulentwicklungsplanung; denn auch sie beinhaltete bereits die Aufgaben, über den Tag hinaus eine gründliche mittelfristige Betrachtung anzustellen, langfristig zu erwartende Entwicklungen zu bedenken und eine annährend vergleichbare Ausstattung der Schulen mit Lehrpersonal, mit Angeboten, mit einem adäquaten Fächerspektrum und dergleichen zu ermöglichen.

Nicht alle Träger der Schulentwicklungsplanung waren dabei allerdings gleichermaßen gründlich und konsequent. In Einzelfällen werden wir uns deshalb sicherlich vor die Frage gestellt sehen, ob sich die konsequenteren Träger der Schulentwicklungsplanung wegen ihrer Konsequenz möglicherweise bestraft fühlen müssten oder nicht. Das Netz als Ganzes verträgt allerdings in der Tat keine Einschnitte mehr.

Ein wichtiges und, wie ich meine, richtiges Entscheidungskriterium stellt die genannte oder vorgeschlagene regionale Differenzierung dar. Ich sehe, um es offen zu sagen, weder einen Grund noch die Möglichkeit, die Mindestschülerzahlen für Schulformen landesweit einheitlich zu senken. Wohl aber halte ich es für erforder

lich, dass wir mit klaren Kriterien den jeweiligen Besonderheiten dünner besiedelter Regionen gerecht werden.

Das heißt, wir brauchen einen regional differenzierenden Planungsansatz für den Schulentwicklungsplan mit einer stärkeren Vielfalt an konkurrierenden Parametern, deren Rechtfertigung aber nachgewiesen werden muss. Dann kann man punktuell regional und lokal sinnvoll steuern, ohne an großen Mehrfachstandorten, die eigentlich gar keine erstzunehmenden Probleme hätten, wenn sie sich einigen würden, Schulen entstehen zu lassen, die nicht mehr sinnvoll arbeiten können.

Diese Regionen, von denen ich rede, müssen nicht immer mit ganzen Landkreisen identisch sein, weil sie höchst unterschiedliche Bevölkerungsdichten haben. Wenn man die Bevölkerungsdichte eines Landkreises allein berücksichtigt, dann läuft man Gefahr, unter Umständen weder den Gegebenheiten am Rande dieses Kreises noch etwa in der Kreisstadt zu entsprechen. Hierbei dürfte es einmal mehr sinnvoll erscheinen, zwischen Mehrfach- und Einzelstandorten zu unterscheiden.

Das Kriterium der Bevölkerungsdichte ist im Übrigen nicht neu. Es spielt auch in anderen Politikfeldern eine Rolle. Gleichwohl dürfte zu Punkt 4 des Antrages durchaus noch Diskussionsbedarf bestehen.

Ebenso lässt sich die vorgeschlagene Kooperation von Schulen und Schulformen natürlich auf ganz unterschiedliche Vorstellungen gründen. In Einzelfällen haben wir schon in der Vergangenheit, wie ich finde, ganz originelle Lösungen ausprobiert. Denken wir dabei zum Beispiel an Havelberg und Sangerhausen. Entschuldigung, Seehausen.

(Herr Schröder, CDU: Seehausen!)

- Sorry, natürlich Seehausen. - Weiter reichende Formen dürften allerdings eher den Gesetz- als den Verordnungsgeber herausfordern.

Meine Damen und Herren! Ich bin ganz zuversichtlich, dass uns die Verständigung über neue Eckpunkte und Grundsätze einer regional differenzierten Schulentwicklungsplanung gelingen wird und dass wir dabei zu Lösungen kommen, die einer Diskussion im Landtag standhalten und von den Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere den Eltern und Kindern, in den betroffenen Regionen akzeptiert werden können.

Ich halte es für richtig, die Sache auf der Basis dieses Antrages im Ausschuss gründlich zu erörtern und dabei auch die relativ enge Zeitplanung einzuhalten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Nun hören wir gleich die Beiträge der Fraktionen. Aber zunächst haben wir die Freude, Damen und Herren der Dow Olifinverbund GmbH aus Schkopau auf der Nordtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt erteile ich Herrn Kley das Wort, um für die FDPFraktion zu sprechen.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Herr Kley, bitte geben Sie mir mein Manuskript! - Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heute besprochenen Themen sind nicht so neu. Wer sich die Landtagsprotokolle vorheriger Sitzungen anschaut, der wird feststellen, dass dieses Thema unter den unterschiedlichsten Koalitionskonstellationen Raum gefasst hat. Vor dem Hintergrund, dass viele nicht nur Landtagsabgeordnete sind, sondern auch vor Ort Rede und Antwort stehen müssen - Frau Mittendorf hat am Ende Ihres Beitrages die Katze aus dem Sack gelassen, indem Sie gesagt hat, zu der nächsten Kommunalwahl wollen wir uns nicht streiten -,

(Frau Mittendorf, SPD: Das habe ich nicht gesagt!)

brauchen wir an dieser Stelle mehr Flexibilität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten das Thema der Schulnetzplanung mit der notwendigen Sensibilität diskutieren. Das heißt zum einen, dass wir sehr wohl in Regionen, in denen es sehr lange Schulwege gibt - ich glaube, das ist das einzig vernünftige Kriterium an dieser Stelle -, über die Schulgröße noch einmal intensiv diskutieren müssen, solange - darin stimme ich mit Herrn Minister Olbertz völlig überein - die Schulnetzplanung noch eine Landesangelegenheit ist und die Lehrer noch in unserer Zuständigkeit sind.

Wenn wir diese Aufgabe in die Landkreise hinuntergeben, meine sehr geehrten Damen und Herren, - dafür besteht nach der Kreisgebietsreform die Chance - dann kann man natürlich vor Ort aktuell sinnvoll entscheiden und auch unter besonderer Würdigung der pädagogischen Konzepte - das muss im Bereich der Schule immer wieder im Vordergrund stehen, meine sehr geehrten Damen und Herren -

(Zustimmung bei der FDP und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

und der langen Wege, die wir nicht wollen, eine vernünftige Planung machen. Dass dabei die Haushaltslage der einzelnen Kommune auch eine Rolle spielt, ist unbestritten.