Vielleicht sollte die PDS-Fraktion von diesen Eltern lernen und in Bezug auf die Schulnetzplanung Vernunft und Verantwortung walten lassen. Das jedenfalls wünsche ich mir für die Diskussion über ihren Gesetzentwurf im Bildungsausschuss. Für die Überweisung spreche ich mich natürlich aus, damit wir weiter über diese wichtigen Fragen im Gespräch bleiben können. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Nun erteile ich für die SPD-Fraktion Frau Mittendorf das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich genießt aus der Sicht der SPD die Stabilisierung des Schulnetzes und auch die Sicherung wohnortnaher Schulangebote eine sehr hohe Priorität. Das war ein Thema vor der Landtagswahl und das ist auch ein Thema nach der Landtagswahl. Nicht umsonst finden sich in der Koalitionsvereinbarung unter dem Punkt „Schulentwicklungsplanung“ entsprechend weit reichende Festlegungen. So haben wir uns nämlich darauf verständigt, dass über die gültige mittelfristige Schulentwicklungsplanung der Schulträger hinaus möglichst keine weitere Schule mehr schließen soll. Vertrag ist Vertrag.
Die Zielstellung bedeutet somit nichts anderes als einen mittelfristigen Bestandsschutz für alle Schulen, die sich mittelfristig tatsächlich als bestandsfähig erweisen. Das ist sehr wichtig, weil schon jetzt, meine Damen und Herren, in ländlichen Regionen einige der in den Schulentwicklungsplänen als bestandsfähig ausgewiesenen Einzelstandorte von Sekundarschulen die erforderliche Mindestschülerzahl, insbesondere zur Eingangsklassenbildung, nicht mehr erreichen und formal geschlossen werden müssten. Genau dies wollen wir nicht, und zwar aus schulfachlichen Gründen und weil nach der Schließung unzumutbare Schulwegzeiten entstehen würden.
Genau aus diesem Grund hat der Landtag bereits im Dezember 2004 in einem einstimmigen Beschluss Ausnahmeregelungen von der Landesregierung gefordert. So sollen als bestandsfähig ausgewiesene Sekundarschulen an Einzelstandorten, die die Vorgaben zur Eingangsklassenbildung bzw. die Mindestschülerzahlen nicht erfüllen, die Genehmigung zur Bildung von Eingangsklassen erhalten, wenn mindestens eine Schülerzahl von 20 erreicht wird. Nach der Verordnung sind im Regelfall 40 Schüler vorgesehen. Auf diesem Wege soll ein Netz kleiner Sekundarschulen auf dem Land erhalten bleiben.
Dieser Beschluss, meine Damen und Herren, ist natürlich auch in dieser Legislaturperiode gültig, und er wird, so weiß ich, von der Landesregierung auch umgesetzt. Nach unserem Wissen ist bisher keiner Sekundarschule im ländlichen Raum eine diesbezügliche Ausnahmegenehmigung verweigert worden.
Mit dieser Praxis können wir bis zum Jahr 2009 auf dem Land de facto Sekundarschulen entstehen lassen, deren Schülerzahlen weit unter den jetzigen Regelvorgaben liegen, teilweise sogar Schulen mit 150 Schülern. Für Gymnasien müssen in außergewöhnlichen Fällen besondere Regelungen getroffen werden. Ich denke dabei zum Beispiel an das Modell in Havelberg, wo an einer Sekundarschule in der Sekundarstufe I ein Gymnasialzweig eingerichtet wurde. Es geht also.
Meine Damen und Herren! Die zweite wichtige im Koalitionsvertrag formulierte Regelung bezieht sich auf den neuen Planungszeitraum ab dem Jahr 2009. In diesem Zusammenhang haben wir uns mit der CDU darauf verständigt, das bis dahin entstandene Schulnetz dauerhaft zu erhalten und dafür die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Das heißt, bis zum nächsten Jahr muss eine diesem Ziel folgende neue Verordnung für den Zeitraum ab 2009 erarbeitet werden. Dabei - davon gehe ich aus - wird man um eine generelle Flexibilisierung der Vorgaben zur Schulgröße aller Schulformen nicht umhinkommen. In weiser Voraussicht haben die Koalitionspartner in ihrem Vertrag auch vereinbart, dass in diesem Zusammenhang Möglichkeiten der verstärkten Kooperation zwischen Schulen und Schulformen im ländlichen Raum eröffnet werden.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der PDS nimmt sich dieses wichtigen Themas an, zielt aber auf grundlegend veränderte Regelungen zur Eingangsklassenbildung bzw. auf eine erhebliche Reduzierung der Mindestgrößen von Gymnasien und Gesamtschulen.
Wir stimmen einer Überweisung in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu; denn im Ausschuss muss erörtert werden, inwieweit die von der PDS
vorgeschlagenen Mindestgrößen aus pädagogischer und finanzieller Sicht sinnvoll und auch tatsächlich umsetzbar sind.
Einige Bemerkungen will ich jedoch vorab machen. Insbesondere die Festlegungen im Gesetzentwurf zur Eingangsklassenbildung hätten erhebliche Auswirkungen. So entstünden bei genehmigter Einzügigkeit an Sekundarschulen, Gymnasien und Gesamtschulen Jahrgangsstärken von weniger als zehn Schülern. Der Minister hat es gesagt; ich will das nicht wiederholen. Es muss nicht bei einem Jahrgang mit zehn Schülern bleiben, wenn in den oberen Klassenstufen der Sekundarstufe I so viele Schüler lernen, dass die ebenfalls neu festgelegten Mindestgrößen erreicht würden.
Eine diesbezügliche Festschreibung der neuen Richtwerte zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Schulgesetz hätte zur Folge, dass alle Schulentwicklungspläne der Schulträger überarbeitet werden müssten. Was das für die Planung bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Wir sehen auch mit großem Interesse einer möglichen Anhörung entgegen, um zu erfahren, was die kommunalen Spitzenverbände zu diesen Vorschlägen wohl sagen werden.
Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die Erarbeitung einer neuen Verordnung für den Planungszeitraum ab 2009 ist aus meiner Sicht eine generelle Flexibilisierung der Schulgrößen aller Schulformen erforderlich, um das dann entstandene Schulnetz auch dauerhaft zu erhalten. Darüber ist zu debattieren. So gesehen, denke ich, kann der Entwurf der PDS eine gute Grundlage für eine vernünftige Diskussion über das gesamte Thema sein. - Recht vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bevölkerungszahl des Landes schrumpft, das Land selbst in seinen Entfernungen nicht. So haben wir vor allem im ländlichen Raum das Problem, dass zunehmend Schulen wegfallen, dass die Problematik für die örtlichen Planungsträger darin besteht, dass eine wohnortnahe Absicherung mit Schulen kaum noch gegeben ist und dass infolgedessen das Kultusministerium mit Ausnahmeregelungen im Prinzip versucht, den Geist eines Gesetzes zu erfüllen, welches offenkundig nicht mehr der gegenwärtigen Situation gerecht wird.
Man kann diesen Dünnbesiedlungsanspruch natürlich nicht für Großplanungsräume wie Halle oder Magdeburg geltend machen. Diesbezüglich glaube ich, dass die Begründung der PDS sehr dünn ist, dass die Stadträte das Problem haben, niemandem weh tun zu wollen, dass aber an dieser Stelle mit einer Gesetzesänderung diesem Anliegen kaum entsprochen werden kann und auch nicht entsprochen werden sollte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage lautet letztlich: Wie lange wollen wir in Sachsen-Anhalt diesem Auseinanderlaufen der Interessen der Planungsträger, also der Landkreise und der kreisfreien Städte, und der Interessen der Schulverwaltung bzw. des Kultusministeriums noch zusehen?
Wir als FDP sind der Meinung, dass es allerhöchste Zeit wird, dass wir die Schule wieder im Dorf lassen. Es wird Zeit, dass man in der Bundesrepublik endlich die Konzepte zur Zusammenführung von Schule und Jugendhilfe, die uns auch an anderer Stelle wieder begegnen werden, dadurch mit Leben erfüllt, dass die Schulträgerschaft und die Zuständigkeit auf die Kommunen übertragen werden. Dann haben wir auch die Möglichkeit, dass man in kommunalen - -
(Frau Feußner, CDU: Das haben Sie aber als Sozialminister verhindert, dass die Zusammenar- beit zwischen Schule und Jugendhilfe stattfindet! - Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)
- Frau Feußner, es gibt einen Vertrag, den wir unterschrieben haben. Das ist doch völliger Unsinn, was Sie erzählen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist notwendig, darüber nachzudenken, dieses Konzept durchgängig umzusetzen. Wir können uns nicht in den Folgejahren mit Ausnahmebestimmungen und Ausnahmeverordnungen darüber hinweghangeln, dass es ein grundsätzlich neues Konzept in der Betreibung der Schulen geben muss.
Wir haben bei der Diskussion über die Ergebnisse der Pisa-Studie immer nach anderen Ländern geschaut und haben alle Faktoren beachtet, aber nicht die Frage der Trägerschaft, nicht die Frage der direkten Verantwortung und der Zuständigkeit auch für die Lehrerschaft. An dieser Stelle kann man die Landesregierung nur auffordern, über die Problematik der zunehmenden Verbeamtung junger Lehrer noch einmal nachzudenken. Sollte man eine Kommunalisierung jemals ernsthaft ins Auge fassen - ich vertrete diesen Weg -, dann ist das Problem der Übertragung von Beamten immer noch das Problem, glaube ich, dem in der Bundesrepublik am meisten entgegensteht.
Wir haben in vielen Bundesländern im Moment die Modellversuche zur eigenständigen Schule. Ich kann nur raten, einmal in das Nachbarland Niedersachsen zu schauen, wo man gerade dabei ist, dieses in einen Gesetzentwurf zu kleiden. Die eigenständige Schule ist auch das, was die GEW vertritt, was viele Eltern und auch Schulen vertreten. Aber „eigenständige Schule“ heißt auch eigene Festsetzung über die Größe, über die Unterrichtsinhalte bzw. über die Möglichkeit, bestimmte Ziele zu erreichen.
Ich begrüße an dieser Stelle nachdrücklich die Einigung der Kultusministerkonferenz, deutschlandeinheitliche Tests in bestimmten Jahren durchzuführen, um Abschlüsse zu garantieren, die einen Wechsel innerhalb der Bundesrepublik möglich machen; denn das ist ja immer wieder das, was von den Gegnern des gegenwärtigen Kompromisses zur Föderalismusreform angesprochen wird. Es ist notwendig, einen Schulwechsel möglich zu machen, aber auch die eigenen Konzepte umzusetzen.
Die viel geschmähten freien Schulen sind doch nicht deshalb so erfolgreich, weil sie zufällig da sind,
- Niemand schmäht im Moment die freien Schulen, aber über Jahre war es schwierig. Herr Minister Olbertz, Sie wissen doch, dass es erst zu unserer Zeit gelungen ist, an dieser Stelle eine deutliche Verbreitung durchzuführen.
(Frau Budde, SPD: Sie wollten kürzen, Herr Kley! Sie reden wohl über das falsche Thema! Mit dem Thema kenne ich mich ziemlich genau aus! Sie wollten die Finanzhilfe kürzen! - Weitere Zurufe von der CDU und von der SPD)
Aber unter jenen, die im Moment schreien, war es schwierig zu vermitteln, die freien Schulen auch hier im Land weiter zu verbreiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf jeden Fall stimmen wir einer Überweisung des Antrages in den Bildungsausschuss zu. Wir fordern auch die Überweisung in den Ausschuss für Landesentwicklung, um auch die Frage der Infrastruktur und der Entwicklung von zentralen Orten mit betrachten zu lassen, weil wir der Meinung sind, dass das ein ganz wichtiges Thema ist. Wir freuen uns auch auf die Möglichkeit der Anhörung.
Deshalb glauben wir nicht, dass es bis zur Sommerpause zu einer Gesetzesverabschiedung kommt. Dieses Thema ist zu wichtig, um hier einen Schnellschuss zu wagen. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linkspartei.PDS hat mit ihrem Gesetzentwurf wahrscheinlich einen Versuch unternehmen wollen, der großen Koalition bei der Umsetzung ihrer Koalitionsvereinbarung zu helfen. Dies ist zunächst sehr löblich, muss ich sagen, da Sie sich mit unserer Vereinbarung sehr intensiv beschäftigt zu haben scheinen. Ich möchte an dieser Stelle aber noch einmal aus unserer Koalitionsvereinbarung den entsprechenden Passus zitieren - vielleicht haben Sie diesen nicht ganz richtig interpretiert -:
„Die mittelfristigen Schulentwicklungspläne 2004/ 2005 bis 2008/2009 sollen wie beschlossen umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass darüber hinaus keine weiteren Schulen geschlossen werden sollen. Für den Planungszeitraum ab 2009/2010 müssen deshalb die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, um das bis zum Jahr 2009 entstehende Schulnetz dauerhaft erhalten zu können. In diesem Zusammenhang werden Möglichkeiten der verstärkten Kooperation zwischen verschiedenen Schulen und Schulformen im ländlichen Raum eröffnet.“
Daraus ergibt sich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass unsere Intention vom Grunde her eine an
dere ist als die Ihre. Wir werden die mittelfristigen Schulentwicklungspläne der Landkreise von 2004/2005 bis 2008/2009 nicht infrage stellen.
Sie geben mit Ihrem Gesetzentwurf die derzeitige Schulentwicklungsplanung preis und stellen sie damit auch infrage. Man kann ja unterschiedlicher Auffassung sein, ob die Vorgaben der Schulentwicklungsplanung angemessen sind oder waren; aber die Möglichkeit zu eröffnen, derzeit geschlossene Schulen wieder zu öffnen, wäre aus meiner Sicht das absolut falsche Signal.
Die Unruhe, die die Schulschließungen ohne Zweifel mit sich gebracht haben - das wissen wir alle -, würde wieder neu entfacht werden. Unruhe entstünde im Übrigen auch - dieser Einschub sei mir gestattet -, wenn wir als Parlamentarier immer wieder Anpassungen auf dem Gesetzeswege vornehmen müssten, sofern sie durch die Schulentwicklungsplanung und die Demografie notwendig würden. Eine Verordnung kann wesentlich flexibler gehandhabt werden.