Protocol of the Session on June 8, 2006

Das hat einen entscheidenden Vorteil, nämlich dass wir Rechts- und Planungssicherheit für die Schulträger und auch für die Schülerinnen und Schüler bekommen und dass es dann nicht mehr erforderlich ist, jedes Jahr auf die Genehmigung der Anfangsklasse zu warten.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Ich beantrage namens meiner Fraktion, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu überweisen. Ich denke, dass wir aufgrund der Überschaubarkeit des Umfanges dieses Gesetzentwurfes eine zügige Beratung im Ausschuss realisieren können, sodass wir sehr schnell zu einer zweiten Lesung des Gesetzentwurfes im Landtag kommen.

Ich will mit einem Zitat von Frau Feußner vom 10. April 2003 schließen:

„Ein Schulsterben auf Raten ist nach unserer Ansicht für alle Beteiligten allemal schlimmer als eine verlässliche Planungssicherheit.“

Um diese Verlässlichkeit geht es uns. Ich werbe für Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Höhn. - Bevor wir die Debattenbeiträge der Fraktion hören, erteile ich zunächst Minister Herrn Professor Dr. Olbertz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Abgeordneter Höhn, Ihre Argumentation müsste eigentlich direkt in meine Vorgehensweise münden; aber irgendetwas stimmt hier nicht. Ich will versuchen, dies in meiner Rede etwas aufzuklären.

Wenn Sie, wie in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen, dermaßen kleine Eingangsgrößen - mit teilweise zehn Schülern - vorgeben wollen, dann ist das Schulsterben geradezu mathematisch programmiert; denn die Jahrgänge werden hochwachsen und schon nach der Hälfte der Schullaufbahn genau die Grenzwerte für die Schulgröße erreichen.

Das heißt, Ihre Vorschläge destabilisieren systematisch das System. Das wird schon deutlich, wenn man nur kurz darüber nachdenkt. Es kann überhaupt nicht anders laufen. Es muss darauf hinausgehen; es sei denn, durch irgendwelche Wunder werden diese „schmalen“ Jahrgänge, die hochwachsen, plötzlich enorm durch Neuzugänge gestärkt. Das ist irgendwie unwahrscheinlich. Deswegen - das muss ich Ihnen ehrlich sagen - bringen mich solche Überlegungen eher zur Verzweiflung.

Als ich im Jahr 2002 mein Amt übernommen habe, hatte ich viele Ziele, Vorstellungen und auch Träume - diese habe ich nebenbei bemerkt heute noch -, aber eines gehörte nicht zu meinen Zielen und Träumen: mich mit dem wirklich elenden Problem der Schulentwicklungsplanung befassen zu müssen unter diesen demografischen Voraussetzungen, die man einfach nur als dramatisch bezeichnen kann, nämlich mehr als eine Halbierung der Zahl der Gesamtschülerschaft seit 1990. Wir hatten im Schuljahr 1994/95 noch 391 000 Schüler im System der allgemeinbildenden Schulen, wir werden im Schuljahr 2008/09 nur noch 175 000 Schüler haben.

Wer diese Tatsachen ignoriert oder versucht, ihnen zu begegnen, indem wir einfach immer kleinere Schulen machen - so klein, dass sie schon paradox klein werden würden -, der wird das Problem nicht lösen. Denn mir geht es nicht so sehr um formale Kriterien als vielmehr um das, was man qualitativ, also inhaltlich an den Schulen im Verhältnis zur Schulgröße dann noch Sinnvolles machen kann.

(Beifall bei der CDU)

Nun ist uns allen klar, dass bei dieser demografischen Krise die Folgen für das Schulnetz praktisch gar nicht anders sein können, als sie sind. Immer ist das Kriterium der Schulwege uns wichtig gewesen. Deswegen wird je

der neue oder auch jeder nur weitere Schulweg - oft mit Recht - als Belastung empfunden. Keineswegs aber sind im Zuge der Schulentwicklungsplanung Riesenschulen entstanden. Ganz im Gegenteil: Die durchschnittlichen Schulgrößen, die wir noch zur Jahrtausendwende hatten, werden wir bei dem jetzigen Planungsstand sowieso nicht mehr erreichen. Das wollen wir übrigens auch nicht.

Eine Umsetzung des von der Fraktion der Linkspartei.PDS eingebrachten Gesetzentwurfes halte ich weder für geboten noch für möglich. Das gilt für die einzelnen Vorschläge, aber aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Erstens. Eine Absenkung der Mindestgröße von Grundschulen auf 40 Schülerinnen und Schüler ist schon deshalb nicht möglich, weil man von 40 auf 40 nicht absenken kann, denn wir haben diese Schulen bereits an Einzelstandorten. Eine solche Voraussetzung ist übrigens auch gut begründet, Einzelstandorte also, ebenso wie in den Fällen von Ausnahmegenehmigungen zum Beispiel für einzügige Sekundarschulen im ländlichen Raum.

Ich muss allerdings eines sagen: Diese Ausnahmegenehmigungen wurden erteilt, um den Schulträgern Atem zu verschaffen, damit sie in Ruhe und gut sortiert ihre Schulentwicklungsplanung leisten konnten. Diese Ausnahmen wurden vor allem dort geschaffen, wo im ländlichen Raum Schulwege entstünden, die nicht zumutbar wären. Aber warum sollen wir in einem Ballungszentrum wie Magdeburg, wo es, glaube ich, eher um ein paar Versäumnisse in der Schulentwicklungsplanung geht, nun unbedingt über Ausnahmegenehmigungen nachsteuern?

(Zustimmung bei der CDU)

Selbst dafür hatten wir Verständnis; denn ich weiß, was für ein konfliktreicher, schwieriger Prozess das ist. Ich habe aus einer durchaus solidarischen Haltung Magdeburg gegenüber immer gesagt: Lasst denen ein bisschen Zeit.

Aber es kann daraus nicht ein neuer Regelmodus erwachsen. Selbst in diesem Punkt haben Sie vollkommen Recht. Deswegen verwundert es mich so, dass alle Argumentationsmuster, die Sie gebrauchen, eigentlich in genau diese Schlussfolgerungen einmünden müssten, die wir ziehen. Aber vielleicht wird sich das Rätsel noch aufklären.

Diese Differenzierung - Sekundarschule im ländlichen Raum beispielsweise, Einzelstandorte - wird von der Linkspartei.PDS im Übrigen auch nicht infrage gestellt. Das will ich fairerweise noch hinzufügen. Landesweit gibt es im Grundschulbereich inzwischen 77 solcher kleinen Landschulen, an denen weniger als 60 Kinder lernen. An deren Bestand hat auch niemand Zweifel.

Ganz ähnlich verhält es sich bei den Sekundarschulen. Wer sich die Beschlüsse des Landtages und der Landesregierung ansieht, der weiß, dass der Gesetzentwurf in einigen maßgeblichen Punkten gar keine neue Realität beschreibt, sondern lediglich die derzeitigen Handlungsprinzipien mit Gesetzeskraft versehen will.

An Schulen, die als bestandsfähig ausgewiesen sind, können Eingangsklassen mit mindestens 20 Schülerinnen und Schülern gebildet werden, wenn die Schule die notwendige Gesamtgröße von 240 Schülern annähernd erreicht. Die Landesregierung und der Landtag tragen damit dem bildungspolitischen Auftrag Rechnung, ein

Schulnetz zu erhalten, das seinen Namen insbesondere im Hinblick auf die Erreichbarkeit der Schulen verdient.

In diesen beiden Punkten - ich wiederhole es - würde der Gesetzentwurf an der Praxis gar nicht viel ändern.

Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag den Willen bekundet, dem bis 2008/09 entstehenden Schulnetz eine dauerhafte Perspektive zu geben. Im Übrigen wissen wir, dass wir daran am Ende gemessen werden, und zu diesem Wort werden wir auch stehen.

Die gegenwärtig für 2004/05 bis 2008/09 geltenden Schulentwicklungsplanungen der Landkreise und der kreisfreien Städte und die in ihnen festgelegten Maßnahmen passen das Schulnetz im Land an die tatsächliche demografische Entwicklung an. Sie sichern regional ausgewogen und innerhalb zumutbarer Schulwegezeiten die Möglichkeit des Besuchs der unterschiedlichen Bildungsangebote.

Die Umsetzung dieser Schulentwicklungspläne ist die wesentliche Voraussetzung dafür, dass das bis 2008/09 entstehende Netz der Standorte der einzelnen Schulformen stabilisiert werden kann, um den darin als bestandsfähig ausgewiesenen Schulstandorten und Schulen eine längerfristige Perspektive zu geben. Mit Blick auf das Schuljahr 2008/09 entsteht also ein Schulnetz, das die Forderung nach einem umfassenden Schulangebot in erreichbarer Nähe erfüllt und der demografischen Entwicklung so weit gefolgt ist, dass man das Netz auch wirklich als stabil bezeichnen kann.

Ein Schulnetz kann übrigens nicht nur zu grob-, sondern auch zu engmaschig sein, zum Beispiel wenn der Fachlehrereinsatz nicht mehr sinnvoll organisierbar ist oder das Fächerspektrum an jedem Einzelstandort nicht mehr vollständig aufrechterhalten werden kann.

Man kann natürlich immer sagen: Dann schickt doch die Lehrer auf Wanderschaft. Ich möchte aber nicht, dass unsere Schulen Agenturen werden, zu denen gelegentlich ein Lehrer vorbeigeschickt wird, und dann wundern wir uns, dass die Schulen keine Identität mehr entwickeln, kein Programm, also kein Gebilde mehr, mit dem sich Menschen, Lehrende wie Lernende, identifizieren. Das können wir auch nicht wollen.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen hätte dieses Verfahren zur Folge, dass man für den Moment einmal Ruhe hätte, weil keine Schulen mehr in Gefahr wären. In Wirklichkeit gefährdeten sich diese Schulen dann gegenseitig. Denn es ist eine Binsenweisheit, auf die ich hier oft aufmerksam gemacht habe: Je mehr fragile Schulen wir bei konstanten Schülerzahlen im System halten - auf welche Weise auch immer -, desto mehr fragile Schulen zieht das nach sich. Das kann überhaupt nicht anders sein.

Wir haben die Pflicht, genau diese Instabilität des Systems, die für mich eine qualitative Frage ist, zu vermeiden, und zwar um dessen willen, was die Kinder lernen und sich aneignen sollen, und auch um der Eltern willen, die Schulen haben wollen, von denen sie sicher sein können, dass ihre Kinder auch in einigen Jahren dort den Unterricht fortsetzen können.

Das funktioniert alles nicht, wenn ich solche kleinen Eingangsklassen habe, die Krise hochwachsen lasse und plötzlich vor einer Schule stehe, die unterkritisch groß ist oder so klein, dass sie nicht erhalten werden kann. Dann wird sie mittendrin geschlossen. Das ist die rechnerische

Folge des Gesetzentwurfes in einigen Jahren - man könnte das im Detail vorrechnen -, wenn sich an der demografischen Entwicklung nichts ändert. Wir sollten so realistisch sein zu sagen, dass das so schnell leider nicht passieren wird.

Im Übrigen ist es auch nicht so, dass bei unveränderter Rechts- und Beschlusslage in den beiden kommenden Schuljahren, also bis zum Ende des gegenwärtigen Planungszeitraumes, jetzt noch erhebliche Umbrüche stattfinden.

Herr Höhn, auch insofern ist diese Eile, glaube ich, nicht geboten. Denn wir haben in der Umsetzung der mittelfristigen Schulentwicklungspläne inzwischen einen Stand erreicht, der, bezogen auf die Orte der Beschulung der Anfangsklassen, bereits fast dem Planungsstand des Jahres 2008/09 entspricht. Die genehmigten Schulentwicklungspläne weisen bis zum Jahr 2008/09 Sekundarschulen an 118 Standorten aus. Von diesen 118 Standorten sind 28 Mehrfachstandorte und 90 Einzelstandorte. Diese 90 überwiegend ländlichen Einzelstandorte stehen übrigens genau im Mittelpunkt unseres Bemühens um die Stabilisierung des Schulnetzes.

Für den Zeitraum nach 2008/09 - dort kommen wir, glaube ich, wieder ein Stück aufeinander zu; das räume ich gern ein; das ist auch jedem klar - wird man die Möglichkeit einer Eingangsklassenbildung an Sekundarschulen kaum noch an das annähernde Erreichen einer Gesamtgröße von 240 Schülern binden können. Hier wird man Ausnahmetatbestände - wiederum inhaltlicher Art - formulieren müssen, nach denen man, und zwar um des Erhalts des Schulnetzes willen, flexibel, aber eben nicht pauschal und schon gar nicht dort, wo Oberzentren lässig die Möglichkeit hätten, das Problem zu lösen - dort eben gerade nicht, aber auf dem flachen Land, wo es einfach nötig ist -, mit der nächsten Schulentwicklungsplanungsverordnung die entsprechenden Spielräume schaffen kann. Das haben wir auch vor; denn die Prämisse lautet: Das dann erreichte Schulnetz muss erhalten werden.

Der zweite Grund, der gegen den Gesetzentwurf spricht: Sie wollen ermöglichen, dass Gymnasien künftig einzügig - Sie haben sich jetzt nicht verhört: einzügig - und Gesamtschulen zweizügig geführt werden. Schulformen entstehen aber nicht dadurch, dass man ein entsprechendes Namensschild am Gebäude anbringt, vielmehr stehen sie für schulfachliche Inhalte. Neben den allgemeinen Ansprüchen sind das im Fall der Gesamtschulen und Gymnasien beispielsweise Differenzierungspfade und Wahlangebote. Diese wären mit einer derart geringen Schülerzahl gar nicht mehr sinnvoll organisierbar.

Ich spreche noch nicht von der gymnasialen Oberstufe. Da geht das überhaupt nicht. Der originäre gymnasiale Bildungsgang an Gesamtschulen und Gymnasien umfasst nach dem Schulgesetz die Schuljahrgänge 5 bis 12 bzw. 13. Das heißt, Oberstufen könnten wir nicht mehr bilden. Damit würde an diesen Standorten also auch aus dieser Sicht kein vollständiger gymnasialer Bildungsgang mehr angeboten werden.

Ich komme zu meinem dritten und letzten Punkt, der die im Entwurf vorgeschlagene Absenkung der Größe von Eingangsklassen betrifft. Ich glaube nicht, dass es nur mir an Phantasie mangelt, wenn ich mir insbesondere an Gesamtschulen und Gymnasien eine Jahrgangsstärke von zehn Schülern nicht vorstellen kann; denn darauf läuft es hinaus: zehn Schüler pro Jahrgang. Wie soll

man dann eigentlich - zumal an der Gesamtschule - noch die gymnasiale Oberstufe gestalten? Nicht einmal mehr - ich sage das, weil wir vor der Fußball-Weltmeisterschaft stehen - die Pflege von Mannschaftssportarten könnte man dann als profilbestimmend am Gymnasium etablieren.

(Unruhe)

Dann sollte man lieber mutig sein und zum alten Hauslehrerprinzip zurückkehren. Dann braucht man genau so viele Lehrer wie man Schüler hat und hat zumindest keine Planungsprobleme mehr.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Allerdings muss man dann zum Schluss noch die Frage aufwerfen, wer es bezahlt.

Herr Höhn, ich habe auch etwas die Sorge, dass das Ganze, wenn es jetzt in Kraft gesetzt werden würde, auf ein Schulverkleinerungsprogramm für schon bestehende Schulen hinausliefe; denn anders kriegt man das schon gar nicht mehr hin. Das heißt, man müsste selbst Standorte teilen, um in eine solche kleine Schulkonstruktion hineinzukommen, die jedenfalls bei der Komplexität eines heutigen Schulbetriebs sowie der gewollten und gewünschten breiten Angebotspalette quer durch ein hochkarätiges Fächerspektrum schlicht und ergreifend das Ende einer ordentlichen Schule wäre.

Ich möchte hinsichtlich des Entwurfes nicht den althergebrachten Vorwurf des Populismus vorbringen. Das wäre auch in einem Punkt nicht ganz gerechtfertigt; denn dann würde man unterstellen, dass die Eltern auf alles Illusionäre nur warteten oder hereinfielen. Ich habe nämlich inzwischen zahlreiche Beispiele erlebt, bei denen insbesondere die Eltern den Verbleib ihrer Kinder in einer bestimmten Schule gerade nicht bis zum letzten möglichen Zeitpunkt hinauszögerten, sondern sich für einen frühzeitigen Wechsel an eine bestandsfähige Schule entschieden haben.

Vielleicht sollte die PDS-Fraktion von diesen Eltern lernen und in Bezug auf die Schulnetzplanung Vernunft und Verantwortung walten lassen. Das jedenfalls wünsche ich mir für die Diskussion über ihren Gesetzentwurf im Bildungsausschuss. Für die Überweisung spreche ich mich natürlich aus, damit wir weiter über diese wichtigen Fragen im Gespräch bleiben können. - Vielen Dank.