Protocol of the Session on June 8, 2006

Die Unruhe, die die Schulschließungen ohne Zweifel mit sich gebracht haben - das wissen wir alle -, würde wieder neu entfacht werden. Unruhe entstünde im Übrigen auch - dieser Einschub sei mir gestattet -, wenn wir als Parlamentarier immer wieder Anpassungen auf dem Gesetzeswege vornehmen müssten, sofern sie durch die Schulentwicklungsplanung und die Demografie notwendig würden. Eine Verordnung kann wesentlich flexibler gehandhabt werden.

Nun ist auf das Problem der Demografie keine einfache Antwort zu finden, aber die Politik kann diesem aus mehreren Gründen nicht einfach aus dem Weg gehen. Mit dem Entschließungsantrag der damaligen CDUFDP-Koalition zum Neunten Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes vom 9. Dezember 2004 sind zusätzliche Aspekte in die Schulentwicklungsplanung aufgenommen worden, um gerade Schulen im ländlichen Raum nicht über die Schulentwicklungsplanung hinaus an ihren Standorten zu gefährden. Das - das hat Frau Mittendorf bereits genannt - ist hier einstimmig beschlossen worden. Das hat vor Ort eine erhebliche Entlastung mit sich gebracht.

Unabhängig davon gibt es immer noch problematische Diskussionen in einigen Landkreisen, in denen die Schulentwicklungsplanung noch nicht vollständig umgesetzt worden ist. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Land zwar die Schulgrößen in der Verordnung vorgegeben hat, die Planung aber den Landkreisen bzw. den Schulträgern obliegt bzw. oblag. So mancher Landrat oder auch Politiker, der sich in der Öffentlichkeit immer wieder auf die Landespolitik zurückzieht, entzieht sich somit einer qualifizierten und ehrlichen Diskussion.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich vor solchen haltlosen und nicht einlösbaren Versprechungen warnen. Man muss sich nämlich manchmal fragen, ob diese Personen, die es eigentlich wissen bzw. wissen müssten, aber trotzdem vor Ort anders reden, geeignet sind, Verantwortung in öffentlichen Ämtern zu tragen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist ein sehr, sehr gefährliches Spiel, das die Glaubwürdigkeit der Politik in den Augen des Bürgers noch weiter reduziert. Es handelt sich hierbei um unsere Kinder und, wie immer so schön gesagt wird, um unsere Zukunft. So manches Mal wird das aber nur so lapidar dahingesprochen, ohne es inhaltlich wirklich zu untersetzen.

Verehrte Anwesende! Nun wieder zurück zu Ihrem Gesetzentwurf. Wir werden Ihren Entwurf in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur überweisen. Dort werden wir ausreichend Zeit haben, darüber fachlich und qualifiziert zu diskutieren. Auf diese Zahlenspiele, die bereits stattgefunden haben, werde ich mich nicht ein

lassen. Darauf hat der Minister hier im Plenum ausführlich Antwort gegeben. Es gehört aber auch dazu, dass eine ausreichende Gesetzesfolgenabschätzung gemacht wird, die noch andere Politikbereiche betrifft; das möchte ich an dieser Stelle noch betonen.

Die Koalition hat, wie schon bemerkt, in ihrem Koalitionsvertrag eine Verpflichtung abgegeben, sich diesem Problem zu stellen. Das werden wir auch tun. Wir werden dies auch mit Besonnenheit tun. Eine weitere Notwendigkeit, sich diesem Problem zu stellen, erwächst schon allein daraus, dass es aufgrund der Kreisgebietsreform Anpassungen geben muss. Wir werden also unsere Vorstellungen zur Zukunft der Schulstandorte ebenfalls sehr zeitnah einbringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Vielen Dank, Frau Feußner. - Nun noch einmal Herr Höhn. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass es schon faszinierend ist, mit welcher atemberaubenden Geschwindigkeit sich nach einer Landtagswahl inhaltliche Positionen zwischen den Fraktionen verschieben. Frau Mittendorf, Ihre Reden zur Schulentwicklungsplanung in der letzten Legislaturperiode hatten einen ein wenig anderen Tenor als die heutige Rede. Für die Kollegen der FDP gilt das Gleiche.

(Frau Mittendorf, SPD: Nein! - Zurufe von der CDU)

Ich will auf einige Dinge noch einmal eingehen. Herr Minister, ich habe zu Beginn meiner Rede ausdrücklich gesagt, dass wir das Thema Schulentwicklungsplanung nicht noch einmal aufmachen wollen.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

- Ich bitte Sie um einen Moment Geduld, Frau Feußner. - Diese Debatten haben wir in der letzten Legislaturperiode geführt, und zwar sehr strittig. Ich glaube auch heute noch, dass die damaligen Entscheidungen falsch waren. Das ist aber heute nicht der Gegenstand der Beratung. Heute geht es - das ist bei mehreren Rednern zum Ausdruck gekommen - um die permanenten Ausnahmeregelungen, die Sie erlassen oder im Einzelfall auch nicht erlassen.

Wenn wir in Sachsen-Anhalt die Situation haben, dass wir immer wieder, um den Bestand zu sichern, Ausnahmegenehmigungen erteilen - ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie diese erteilen - und wir uns nur noch über die Situation retten, indem wir über Ausnahmegenehmigungen sprechen, dann ist doch an der Grundlage irgendetwas falsch. Das ist das Problem, um das es geht.

Die Grundlage, die Sie für diese Ausnahmegenehmigungen haben, wollen wir zur Regel machen, weil sie in der Praxis ohnehin schon die Regel ist.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das bezieht sich auf die Eingangsklassen und nicht auf die Stand- orte!)

- Ja. Ich spreche von den Eingangsklassen.

(Frau Feußner, CDU: Sie haben doch der Ent- schließung zugestimmt!)

- Das ist richtig.

(Frau Feußner, CDU: Das sind doch keine Aus- nahmen, das ist auf der Grundlage des Ent- schließungsantrages im Landtag passiert! Sie müssen doch einmal überlegen! Sie waren doch dabei! - Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch die Ausschussberatung nicht vorweg.

(Heiterkeit)

Eine zweite Bemerkung - Herr Minister, das hatten wir auch in der letzten Legislaturperiode - zum Thema Mindestgröße einer Schule und den damit verbundenen pädagogischen Qualitäten. Ich will noch einmal darauf hinweisen: In dem heute vorliegenden Gesetzentwurf steht nicht „Maximalgröße einer Schule“, sondern „Mindestgröße einer Schule“.

Die von uns vorgeschlagenen Zahlen sind bei Weitem nicht eine so drastische Reduzierung, dass wir, was die Mindestgrößen angeht, einen erheblichen Verlust an Qualität zu befürchten haben. Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass wir bei den Grundschulen im Grunde keine Veränderung haben und bei den Sekundarschulen die Zahl von 240 nicht verändert haben.

Insofern kann ich nicht verstehen, dass Sie immer wieder, wie in der letzten Legislaturperiode, erzählen, wir wollten Kleinst- und Minischulen haben. Das ist nicht der Fall. Wir haben auch in diesem Gesetzentwurf deutlich geschrieben, dass eine Schule eine Mindestgröße zu erfüllen hat.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Ein Viertel!)

Dabei soll es auch bleiben. Insofern komme ich auf Ihr Rechenbeispiel mit dem Hochwachsen zurück.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das ist hochge- rechnet!)

Wenn Sie auf der einen Seite sagen, dass die Verweigerung der Bildung einer Eingangsklasse keine Entscheidung darüber ist, dass die Schule geschlossen wird,

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

dann verstehe ich auf der anderen Seite Ihr Argument nicht, dass es schlimmer wäre, eine geringere Schülerzahl als überhaupt nichts aufwachsen zu lassen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das erschließt sich mir wiederum nicht, Herr Minister.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das eine ist die Ausnahme, das hier die künftige Regel! Das ist der Unterschied!)

- Ja, ich habe ausführlich gesagt, dass wir Ausnahme und Regel tauschen, Herr Minister. Das ist die Intention des Gesetzentwurfes.

(Herr Tullner, CDU: Ausschuss!)

Aber es ist doch nicht besser, überhaupt keine Klasse zu bilden und damit die Gesamtschülerzahl der Schule weiter abzusenken, als mit einer geringen Jahrgangsbreite die Klasse zu bilden und die Schule nicht in die Situation

zu bringen, dass sie überhaupt keinen Jahrgang in dieser Klassenstufe hat.

Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie sich bereit erklärt haben, den Gesetzentwurf in den Bildungsausschuss zu überweisen. Von einer Überweisung in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr würde ich absehen. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Höhn. - Damit ist die Debatte abgeschlossen.

Einigkeit besteht wohl darin, dass der Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur überwiesen werden soll. Wer stimmt zu? - Das ist die Mindestzahl, die sogar überschritten worden ist. Der Gesetzentwurf ist in diesen Ausschuss überwiesen worden.

Von der FDP-Fraktion ist die Mitberatung im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr beantragt worden. Wer stimmt dem zu? - Wer stimmt dagegen? - Das ist die Mehrzahl, das reicht.

(Oh! bei der FDP - Herr Prof. Dr. Paqué, FDP, lacht)

Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt 4 ist beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag des Landes Sachsen-Anhalt mit der Jüdischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt vom 20. März 2006